Die Petrusbriefe - Johannes Calvin - E-Book

Die Petrusbriefe E-Book

Johannes Calvin

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Beschreibung

Johannes Calvin (10. Juli 1509 - 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden "Unterweisung in der christlichen Religion" schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. In diesem vorliegenden Werk befasst er sich mit den Petrusbriefen.

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Seitenzahl: 275

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Die Petrusbriefe

 

JOHANNES CALVIN

 

 

 

 

Die Petrusbriefe, J. Calvin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662585

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.

 

Übersetzer: Karl Müller / I. Menges

 

27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 86 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA. https://www.europeana.eu/de/item/2058612/PMRMaeyaert_16fead07e8996dcbd60da88cca95ccf87548caf4

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Der erste Brief des Apostels Petrus. 1

Einleitung. 1

Kapitel 1. 3

Kapitel 2. 29

Kapitel 3. 53

Kapitel 4. 71

Kapitel 5. 86

Der zweite Brief des Apostels Petrus. 96

Einleitung. 96

Kapitel 1. 98

Kapitel 2. 113

Kapitel 3. 127

Der erste Brief des Apostels Petrus

Einleitung

In diesem Brief will Petrus die Gläubigen zur Selbstverleugnung und Verachtung der Welt ermahnen, damit sie, frei von fleischlichen Begierden und losgelöst von allen irdischen Hindernissen, von ganzer Seele nach Christi himmlischem Reich trachten. Sie sollen in Hoffnung aufrecht stehen, durch Geduld sich stärken, mit Tapferkeit und Beständigkeit sich wappnen und dadurch Versuchungen aller Art überwinden und sollen in diesem Streben und Trachten während des ganzen Lebens fortfahren.

Darum spricht der Apostel gleich im Anfang mit den denkbar erhabensten Worten davon, dass Gottes Gnade uns in Christus offenbart ist. Damit aber die Frommen Gedanken und Herzen über die Welt erheben, fügt er zugleich hinzu, dass man diese Gnade durch den Glauben annimmt und in der Hoffnung besitzt (1, 3 ff.). Daran schließt sich eine Mahnung zu heiligem Wandel (1, 13 ff.): die Gläubigen sollen den Preis, um den sie erkauft sind, nicht wertlos machen, noch zugeben, dass der unvergängliche Same des Wortes, durch welchen sie zu ewigem Leben wiedergeboren wurden, verderbt werde oder ersterbe. Weil aber der Apostel von der Wiedergeburt durch Gottes Wort sprach, schließt er zugleich einen Hinweis auf den Stand geistlicher Kindschaft an (2, 2). Und damit der Glaube nicht wanke und schwanke, weil wir sehen, dass Christus fast von der ganzen Welt verachtet oder verworfen wird, fügt er hinzu, dass auf diese Weise sich erfüllt, was von ihm geschrieben steht: er werde ein Stein des Anstoßes sein. Anderseits aber lehrt der Apostel, dass Christus ein festes Fundament des Heils sein werde für diejenigen, die an ihn glauben. Im Anschluss daran wird noch einmal darauf hingewiesen (2, 9 ff.), zu welcher Ehre Gott die Gläubigen erhoben hat: sie sollen in der Erinnerung an ihren früheren Stand und im Empfinden der gegenwärtigen Wohltat sich zum Eifer für ein frommes Leben entzünden lassen. Darnach wendet sich die Rede (2, 13 ff.) zu besonderen Ermahnungen: die Christen sollen sich bescheiden und gehorsam dem Regiment der Obrigkeit unterwerfen; Sklaven sollen ihren Herren untertan sein, die Weiber ihren Männern gehorchen und einen züchtigen und eingezogenen Wandel führen; wiederum sollen die Männer ihre Frauen freundlich behandeln. Daran schließt sich die Vorschrift, dass die Christen Recht und Billigkeit untereinander pflegen sollen. Um ihnen dazu Lust zu machen, stellt der Apostel als Frucht ein ruhiges und glückliches Leben in Aussicht. Weil es nun aber das Geschick der Christen ist, dass sie, trotz ihres Trachtens nach Frieden, mit vielerlei Beleidigungen gequält zu werden pflegen und die Welt sich ohne allen Grund feindlich wider sie stellt (3, 14 ff.), mahnt der Apostel, dass wir Verfolgungen mit Gleichmut erdulden sollen, in dem Bewusstsein, dass sie uns zum Heil ausschlagen müssen. Hierfür beruft er sich auf Christi Beispiel. Auf der andern Seite erinnert er, ein wie unglückliches Ende der Gottlosen wartet, während der Herr seine Gemeinde wunderbar durch den Tod hindurch vom Tode befreit. Darnach (4, 1 ff.) wird Christi Beispiel noch weiter ausgenützt: es soll uns zur Abtötung des Fleisches anleiten. An diese Mahnung schließen sich allerlei kurze Einzelsprüche. Bald aber kehrt die Rede zur Empfehlung der Geduld zurück (4, 12 ff.): die Gläubigen sollen ihr Leid durch den tröstlichen Gedanken lindern, dass die Züchtigungen der väterlichen Hand Gottes ihnen nützlich seien. Der Anfang der fünften Kapitels erinnert die Ältesten an ihre Pflicht: sie sollen in der Gemeinde sich keine Herrschaft anmaßen, sondern unter Christi Oberherrschaft maßvoll regieren. Den jungen Leuten wird Bescheidenheit und Gelehrigkeit ans Herz gelegt. Nach einer kurzen Ermahnung schließt der Brief mit Gebet (5, 10 f.). Von welchem Orte aus er geschrieben wurde, darüber ist man sich nicht einig. Da aber ausdrücklich Babylon genannt ist, sehe ich keinen Grund, einen Zweifel zu erheben. Dass allegorisch darunter Rom zu verstehen sei, gründeten die alten Lehrer lediglich auf die allgemeine Annahme, dass Petrus von Antiochien nach Rom sich begeben habe und dort gestorben sei. Da aber die Reden von dem römischen Bistum des Petrus auf keine hinreichenden Zeugnisse sich stützen können, hat auch diese bildliche Deutung keinen Grund. Viel wahrscheinlicher ist, dass Petrus gemäß dem Inhalt seines apostolischen Berufs solche Gegenden durchzog, in welchen besonders viele Juden wohnten. Wir wissen aber, dass es deren in Babel und in der ganzen Umgebung eine große Zahl gab. 

 

Kapitel 1

 

1 Petrus, ein Apostel Jesu Christi, den erwählten Fremdlingen der Diaspora von Pontos, Galatien, Kappadocien, Asien und Bithynien, 2 nach der Vorsehung Gottes, des Vaters, durch die Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung des Bluts Jesu Christi. Gott gebe euch viel Gnade und Frieden!

 

V. 1. Petrus, ein Apostel Jesu Christi usw. Was dieser Gruß mit denen des Paulus gemein hat, bedarf keiner neuen Erläuterung. Wo Paulus, ohne sich eines weiteren Zeitworts zu bedienen, einfach Gnade und Friede wünscht, sagt Petrus: Gott gebe euch viel Gnade usw. Das macht aber im Sinn keinen Unterschied. Denn auch Paulus wünscht den Gläubigen nicht bloß einen Anfang von Frieden und Gnade, sondern ein Wachstum, in welchem Gott einst vollenden soll, was er in ihnen angefangen hat.

Den erwählten Fremdlingen. Man könnte fragen, woher Petrus dies weiß, denn Gottes Erwählung ist geheim und lässt sich nur durch eine besondere Offenbarung des Geistes erkennen. Ein jeglicher wird durch das Zeugnis des Geistes der eignen Erwählung vergewissert, kann aber bezüglich der andern keine Gewissheit haben. Ich antworte, dass man über die Erwählung der Brüder nicht ängstlich fragen, sondern sein Urteil vielmehr auf ihre Berufung stützen soll: die durch Glauben Glieder der Gemeinde geworden sind, soll man für auserwählt halten. Denn sie sondert Gott von der übrigen Welt ab, was ein Zeichen der Erwählung ist. Gewiss fallen sehr viele, in denen bloßer Heuchelschein ist, wieder ab; aber es ist ein Urteil der Liebe, nicht des Glaubens, wenn wir alle als Auserwählte ansehen, an welchen sich das Zeichen der göttlichen Annahme zur Kindschaft sehen lässt. Der Zusammenhang zeigt aber, dass der Apostel deren Erwählung nicht aus Gottes verborgenem Rat erkennen will, sondern aus den Wirkungen erschließt. Denn kurz darauf (V. 2) gründet er dieselbe auf die Heiligung des Geistes. Soweit also ein Mensch als durch Gottes Geist wiedergeboren sich erkennen ließ, rechnet er ihn unter die Auserwählten: denn Gott heiligt nur diejenigen, die er zuvor erwählt hat. Zugleich aber erinnert der Apostel daran, aus welchem Quell die Erwählung fließt, die uns aus der Welt aussondert, damit wir nicht mit ihr zugrunde gehen: wir sind erwählt nach der Vorsehung Gottes. Hier liegt die Quelle und die erste Ursache, dass Gott vor Schöpfung der Welt sich diejenigen ersehen hat, die er zum Heil erwählen wollte. Man soll aber klüglich darauf merken, wie diese „Zuvorersehung“ verstanden sein will. Sophistische Lehrer, die Gottes Gnade verdunkeln möchten, träumen davon, dass Gott eines jeglichen Verdienste voraussehe; so ergebe sich der Unterschied zwischen den Verworfenen und Auserwählten, je nachdem der eine dieses, der andere jenes Los verdient habe. Die Schrift dagegen stellt überall Gottes Vorsatz, in welchem unser Heil begründet liegt, unsern Verdiensten gegenüber. Wenn also Petrus sagt, dass wir erwählt sind nach der Vorsehung Gottes, so gibt er zu verstehen, dass der Anlass nicht irgendwo anders liegt, sondern allein in Gott gesucht werden muss: seine freie Selbstbestimmung ist der Grund unsrer Erwählung. Durch Gottes Zuvorersehung also wird alle Rücksicht auf menschliche Würdigkeit ausgeschlossen. Wir haben darüber zum ersten Kapitel des Epheserbriefes und auch sonst ausführlicher gehandelt. Obwohl nun aber der Apostel bei unserer Erwählung die erste Stelle dem freien, göttlichen Wohlgefallen zuweist, so ist auf der anderen Seite doch seine Absicht, die Erkenntnis davon auf ihre Wirkungen zu gründen. Denn nichts ist gefährlicher und verkehrter, als dass man die Berufung dahinten lasse und die Gewissheit seiner Erwählung in Gottes Zuvorersehung suche. Hier ist ein gar zu tiefes Labyrinth. Um dieser Gefahr zu begegnen, wendet Petrus einen trefflichen Zügel an. Gewiss will er unsere Blicke zuerst auf Gottes Ratschluss lenken, der seinen Grund allein in sich selbst hat; alsbald aber weist er uns auf die Wirkungen, durch welche Gott uns die Erwählung eröffnet und bezeugt. Diese Wirkungen haben wir in der Heiligung des Geistes, das heißt in einer wirksamen Berufung, indem sich zur äußeren Predigt des Evangeliums der Glaube gesellt, der aus der inneren Anregung durch den Geist erwächst.

Die Bezeichnung der Leser als auserwählte „Fremdlinge“ deuten viele bildlich: die Frommen sollen so bezeichnet werden, weil sie in dieser Welt als Fremdlinge zum himmlischen Vaterland streben. Das ist aber ein Irrtum, wie sich aus der weiteren Bezeichnung ergibt: Fremdlinge der Diaspora von Pontus usw. Dieser Ausdruck passt allein für Juden, nicht bloß insofern sie hierhin und dorthin von ihrem Vaterlande zerstreut, sondern weil sie aus dem Lande vertrieben waren, welches der Herr ihnen als ein ewiges Erbe versprochen hatte. Später allerdings (2, 11) werden alle Gläubigen Fremdlinge genannt, weil sie auf Erden in der Fremde wallen; hier aber ist die Bedeutung des Wortes eine andere. Fremdlinge hießen die Juden darum, weil sie sich teils in Pontus, teils in Galatien, teils in Bithynien in der Diaspora oder Zerstreuung befanden. Wir dürfen uns auch nicht wundern, dass Petrus diesen Brief insbesondere für Juden bestimmt hat: denn er wusste sich, wie wir von Paulus hören (Gal. 2, 8), insbesondere zu deren Apostel bestellt. Die Landschaften, die er aufzählt, umfassen den ganzen Zug von Kleinasien, der sich vom Schwarzen Meer bis Kappadocien erstreckt.

Zum Gehorsam und zur Besprengung des Bluts Jesu Christi. In diese beiden Stücke, von welchen das eine auf die Erneuerung des Lebens, das andere auf die Vergebung der Sünden deuten dürfte, legt sich die Heiligung des Geistes auseinander. Haben wir aber in diesen Stücken Teile oder Wirkungen der Heiligung, so ist der Heiligungsbegriff hier etwas anders, nämlich weiter gefasst als gewöhnlich bei Paulus: Gott heiligt uns, indem er uns wirksam beruft. Dies geschieht aber, wenn wir zum Gehorsam gegen seine Gerechtigkeit erneuert und durch die Besprengung mit Christi Blut von Sünden gereinigt werden. Dabei scheint eine Anspielung an die alte Zeremonie der Besprengung vorzuliegen, die war unter dem Gesetze gebräuchlich war. Wie damals zur Schlachtung des Opfertiers und zur Vergießung des Blutes die Besprengung des Volkes kommen musste, so würde auch heute es uns nichts nützen, dass Christi Blut vergossen ward, wenn durch dasselbe nicht unser Gewissen abgewaschen würde. Wir haben also zwischen den Zeilen den Gegensatz zu lesen: wie einst unter dem Gesetz die Besprengung mit Blut durch die Hand des Priesters vollzogen wurde, so hat jetzt der Heilige Geist unsere Seelen zum Zweck der Sühne mit Christi Blut besprengt. Alles in allem ergibt sich der Gedanke, dass unser Heil aus Gottes gnädiger Erwählung fließt, dass wir aber dasselbe zugleich mit der Erfahrung des Glaubens erfassen müssen, nämlich darin, dass der Herr durch seinen Geist uns heiligt. Des Weiteren hat unsere Berufung einen doppelten Erfolg und Zweck: wir sollen zum Gehorsam gegen Gott erneuert und durch Christi Blut abgewaschen werden, und beides ist ein Werk des Heiligen Geistes. Wir ziehen daraus den Schluss, dass weder Erwählung und Berufung, noch die aus Gnaden geschenkte Gerechtigkeit des Glaubens und die Erneuerung des Lebens voneinander getrennt werden dürfen.

 

3 Gelobt sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. 4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wir im Himmel 5 euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret werdet zur Seligkeit, welche bereitet ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.

 

V. 3. Gelobet sei Gott usw. Wir bezeichneten es als den Hauptzweck des Briefes, uns über die Welt hinauszuweisen und zum Bestehen der Kämpfe geistlichen Kriegsdienstes zu rüsten und zu stärken. Hierzu trägt die Erkenntnis der Wohltaten Gottes nicht wenig bei. Denn wenn sie bei uns ihren Wert behaupten, wird leicht alles andere für nichts gelten. Wenn wir insbesondere bedenken, was Christus mit seinen Gütern bedeutet, achten wir alles außer ihm als Kot. Darum erhebt der Apostel Gottes unermessliche Gnade in Christus hoch, damit es uns nicht beschwerlich falle, uns selbst und die Welt zu verleugnen, um den unvergleichlichen Schatz des zukünftigen Lebens zu gewinnen. Weiter sollen wir uns durch gegenwärtige Mühsale nicht zerbrechen lassen, sondern sie geduldig tragen, indem wir in der ewigen Glückseligkeit ausruhen. Die Danksagung für diese Gottesgaben ruft die Gläubigen zu der geistlichen Freude auf, die alle widerstrebenden Stimmungen des Fleisches erstickt.

Und der Vater unsers Herrn Jesu Christi. Die Worte sind etwa in dem Sinne aufzulösen: Gott, welcher der Vater Jesu Christi ist. Denn wie sich Gott einst den Gott Abrahams nannte und durch diese Bezeichnung sich von allen gemachten Göttern unterscheiden wollte, so will er, nachdem er sich in seinem Sohne geoffenbart hat, nicht anders als in ihm sich erkennen lassen. Wer also die bloße Majestät Gottes, abgesehen von Christus, im Geiste erfassen will, hat einen Götzen an Stelle Gottes. So geht es den Juden und Türken. Wer den wahren Gott wahrhaft zu erkennen begehrt, muss ihn mit dem Titel des Vaters Jesu Christi schmücken. Solange unseren Gedanken, die Gott suchen, nicht Christus begegnet, werden sie unklar und verworren umherirren und endlich ganz vergehen. Zugleich wollte Petrus daran erinnern, wie es kommt, dass Gott so freundlich und guttätig sich gegen uns stellt. Denn wenn wir nicht Christus als Mittler annehmen, können wir seine Güte niemals ernstlich schmecken.

Der uns wiedergeboren hat. Dieser Ausdruck lässt ersehen, dass das Leben ein übernatürliches Geschenk ist: denn wir werden als Kinder des Zorns geboren. Wären wir nach dem Fleische zur Hoffnung des Lebens geboren, so wäre die neue Geburt aus Gott überflüssig. Darum lehrt Petrus, dass wir, die wir von Natur für den ewigen Tod bestimmt waren, durch Gottes Barmherzigkeit ins Leben zurückgeführt wurden. Dies ist aber, wie wir im ersten Kapitel des Epheserbriefes lesen, gleichsam eine zweite Schöpfung. Von einer lebendigen Hoffnung ist die Rede, weil sich dieselbe auf das Leben bezieht. Dabei deutet der Ausdruck einen Gegensatz zwischen jener Hoffnung an, die sich fest auf Gottes unvergängliches Reich gründet, und den schwankenden und flüchtigen Hoffnungen der Menschen.

Nach seiner großen Barmherzigkeit. Die Aussage beschreibt erstlich die wirkende Ursache, sodann das Mittel der Durchführung. Gott ist durch keine Verdienste von unserer Seite bestimmt worden, uns eine Wiedergeburt zu lebendiger Hoffnung zu schenken: der Apostel schreibt dies gänzlich seiner Barmherzigkeit zu. Und um das Verdienst der Werke völlig zunichte zu machen, spricht er von seiner „großen“ Barmherzigkeit. Gewiss bekennt jedermann, dass Gott der einzige Urheber unsers Heils ist; dann aber fügt man allerlei äußere Ursachen hinzu, welche zur erheblichen Schmälerung seiner Barmherzigkeit dienen. Dagegen rühmt Petrus die Barmherzigkeit allein, spricht auch weiter davon, wie sie sich vermittelt: durch die Auferstehung Jesu Christi. Denn nirgends sonst noch auf eine andere Weise offenbart Gott sein Erbarmen gegen uns; darum leitet uns die Schrift immer zu diesem Zielpunkt. Dass der Apostel von Christi Tod schweigt und nur seiner Auferstehung gedenkt, darf uns nicht wundern. Denn in derselben ist der Tod eingeschlossen, weil es zur Vollendung nicht ohne den Anfang kommt. Genannt ist aber gerade die Auferstehung, weil vom neuen Leben die Rede ist.

V. 4. Zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe. Diese drei Beiwörter dienen zur Erhöhung der Gnade Gottes. Denn wie ich schon sagte, ist dies das Hauptanliegen des Petrus, deren Erhabenheit unserm Gemüt gut und tief einzuprägen. Das unvergängliche Erbe und (V. 5) die „Seligkeit, welche bereitet ist, dass sie offenbar werde“, sind nun in dem Verhältnis zu denken, dass das letztere Stück erläuternd zum ersten gefügt wurde. Ein und dieselbe Sache ist mit doppeltem Ausdruck beschrieben. Dabei hat jedes Wort sein eigenes Gewicht. Dass unser Erbe behalten wird im Himmel, will uns lehren, dass es sich außer Gefahr befindet. Ruhte es nicht in Gottes Hand, so wäre es unendlichen Gefahren ausgesetzt. Befände es sich in dieser Welt, wie könnten wir unter so mannigfachen Erschütterungen sicher sein? Um uns also von allem Zittern zu befreien, betont der Apostel, dass unser Heil wider alle Angriffe des Satans an sicherem Ort geborgen sei. Weil aber die Gewissheit des Heils uns wenig Trost bringen würde, wenn nicht ein jeglicher sie auf sich ganz persönlich beziehen dürfte, fügt Petrus hinzu (V. 5): für euch. Nun findet das Gewissen sanfte Ruhe, da vom Gott vom Himmel ruft: Siehe, euer Heil ruht in meiner Hand und wir für euch verwahrt. Weil übrigens das Heil nicht ein unterschiedsloser Besitz aller Menschen ist, erinnert Petrus an den Glauben: wer mit dem Glauben beschenkt ist, soll sich von den andern unterschieden wissen und nicht zweifeln, dass er zu den wahren und rechtmäßigen Erben des Gottesreichs gehört. Der Glaube dringt bis in die Himmel hindurch und macht uns darum die Güter zu eigen, die im Himmel sind.

V. 5. Die ihr aus Gottes Macht bewahret werdet. Bemerkenswert ist die gegenseitige Beziehung der Aussagen: wir werden auf Erden bewahrt, während unser Erbe im Himmel behütet wird. Ohne diesen Zusammenklang müsste ja sofort der Gedanke sich einschleichen: was nützt es, dass das Heil für uns im Himmel verwahrt liegt, während wir in der Welt wie in einem rasenden Meer umgetrieben werden? Was nützt es, dass unser Heil in sicherem Hafen sich befinden soll, während uns tausend Schiffbrüche dahin reißen? Derartigen Einwänden kommt der Apostel zuvor, indem er lehrt, dass wir trotz aller Gefahren der Welt durch den Glauben bewahrt werden; sind wir dem Tode auch noch so nahe, so bleiben wir doch sicher unter der Hut des Glaubens. Freilich schwankt bei der Schwachheit des Fleisches oft selbst der Glaube. So müssten wir im Blick auf den folgenden Tag immer in Angst schweben, wenn nicht auch in diesem Stück der Herr uns zu Hilfe käme. Wir sehen, wie im Papsttum die teuflische Meinung um sich gegriffen hat, dass man an seiner endlichen Beharrung zweifeln müsse, weil wir ja ungewiss seien, ob wir morgen noch in der gleichen Gnade stehen werden. Petrus aber lässt uns nicht in dieser Schwebe. Denn eben darum behauptet er, dass wir durch Gottes Kraft aufrecht stehen, damit nicht ein Zweifel, der aus dem Bewusstsein eigener Schwachheit entspringt, uns beirre. Mögen wir also noch so schwach sein, so wankt doch unser Heil nicht, weil es durch Gottes Kraft gestützt wird. So deckt uns auf der einen Seite der Glaube, auf der andern ruht eben dieses Glaubens Festigkeit auf Gottes Kraft. Daraus erwächst Sicherheit nicht bloß aus der Gegenwart, sondern auch für die Zukunft.

Zur Seligkeit. Weil wir von Natur ungeduldig sind, unterliegen wir bei jedem Verzug dem Überdruss. Darum erinnert der Apostel, dass unser Heil nicht etwa darum ausbleibt, weil es noch nicht fertig wäre, sondern weil die rechte Zeit der Offenbarung noch nicht gekommen ist. Diese Belehrung will unsere Hoffnung nähren und aufrechterhalten. Der Tag des Gerichts wird als die letzte Zeit bezeichnet, weil man vor demselben noch nicht die Zurechtstellung aller Dinge erwarten darf. Denn in der Zwischenzeit ist noch alles im Werden. Allerdings ist anderwärts unter der letzten Zeit der ganze Zeitabschnitt seit Christi Wiederkunft verstanden (Ebr. 1, 2). Diese Redeweise gründet sich auf einen Vergleich mit den früheren Zeitaltern; dagegen richtet sich der Blick des Petrus auf den gesamten Ablauf der Weltgeschichte.

 

6 Darüber frohlocket ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wo es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, 7 auf dass euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewähret wird, zu Lobe, Preis und Ehre, wenn nun offenbaret wird Jesus Christus, 8 welchen ihr nicht gesehen und doch lieb habt; und da ihr nun an ihn glaubet, wiewohl ihr ihn nicht sehet, frohlocket ihr mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, 9 indem ihr das Ende eures Glaubens davon bringet, nämlich der Seelen Seligkeit.

 

V. 6. Darüber frohlocket ihr. Obwohl die griechische Form auch als Aufforderung verstanden werden kann: „Frohlocket!“ – zwingt doch der Sinn, dass wir bei der gegebenen Übersetzung bleiben. Das Wörtchen „darüber“ begreift den gesamten Inhalt der Hoffnung auf die im Himmel geborgene Seligkeit. Übrigens hat die Rede weniger lobenden als ermahnenden Charakter. Der Apostel will an die Frucht erinnern, die aus der Heilshoffnung bei uns erwachsen muss, die geistliche Freude. Damit wird die Herbigkeit aller Übel nicht bloß gemindert, es wird sogar jegliche Traurigkeit besiegt; und ein „Frohlocken“ bedeutet sogar noch mehr als einfache Freude. Dies aber scheint sich einigermaßen zu widersprechen, dass die Gläubigen, die mit Freuden frohlocken, nach diesem Wort des Apostels zugleich traurig sind. Diese Stimmungen schließen sich doch gegenseitig aus. Die Gläubigen wissen aber viel mehr aus Erfahrung, dass dieselben in einer Weise zusammen bestehen, die sich mit Worten nicht ausdrücken lässt. Um aber diese Frage wenigstens einigermaßen zu lösen, will ich festhalten, dass die Gläubigen nicht Klötze nicht, noch die menschliche Empfindung völlig abgeschüttelt haben; sie fühlen sich vom Schmerz berührt, fürchten sich vor Gefahren, empfinden Armut als lästig und Verfolgungen als schwer und hart. Sie empfinden also infolge solcher Übel Traurigkeit, aber eine solche, die durch den Glauben gelindert wird, so dass ihnen trotz allem die Freude nicht ausgeht. So hindert ihre Traurigkeit die Freude nicht, sondern gibt derselben vielmehr Raum. Anderseits überwindet die Freude zwar die Traurigkeit, tilgt sie aber nicht völlig aus, denn sie beraubt uns nicht des menschlichen Gefühls. Hier wird offenbar, worin wahre Geduld besteht. Ihr Anfang und gleichsam ihre Wurzel ist die Erkenntnis der Wohltaten Gottes, insbesondere, dass wir die gnädige Annahme zur Kindschaft, deren er uns gewürdigt hat, bedenken. Denn wer dazu den Sinn emporhebt, wird leicht alle Übel in Sanftmut sich gefallen lassen. Nur darum lässt sich unser Geist durch Traurigkeit niederdrücken, weil wir keinen Geschmack für die geistlichen Güter haben. Wer sich aber sagt, dass alle Beschwerden für das Heil nützliche Übungsmittel sind, wird sich nicht bloß über dieselben erheben, sondern sie auch in Anlässe zur Freude verkehren. Die ihr jetzt traurig seid. Aber sind nicht auch die Verworfenen traurig, da sie doch dem Übel nicht entgehen können? Petrus aber denkt daran, dass die Gläubigen die Traurigkeit willig auf sich nehmen, während die Gottlosen knirschen und hochfahrend dem Herrn widerstreben. Die Gläubigen sind also in der Weise traurig, wie ein zahmes Rind das Joch annimmt, oder ein gebändigtes Pferd sich selbst von einem Knaben zügeln lässt. Die Verworfenen aber trifft Gott mit Traurigkeit, wie man einem wilden und widerspenstigen Ross mit gewaltsamer Hand die Zügel anlegt. Es schlägt aus und wehrt sich dagegen, aber vergebens. Petrus lobt also die Gläubigen, dass sie nicht gezwungen, sondern freiwillig sich der Traurigkeit unterstellen. Er fügt hinzu: wo es sein soll, was etwa bedeutet: weil es sein soll. Es wird uns dadurch eingeprägt, dass Gott die Seinen nicht grundlos quält. Wäre dies der Fall, so ließe es sich freilich schwer tragen. Petrus nimmt also einen Trostgrund aus Gottes Rat. Gewiss wird dessen Grund uns nicht immer deutlich; aber wir sollen doch immer überzeugt sein, dass es so geschehen muss, weil es dem Herrn gefällt. Bemerkenswert ist, dass nicht von einer, sondern von mancherlei Anfechtungen, also von verschiedenen Arten die Rede ist. Die weitere Auslegung möge man im ersten Kapitel des Jakobusbriefes nachlesen. Auch dass die Anfechtung nur eine kleine Zeit währt, dient zum Trost. Denn die Kürze der Zeit mildert auch das härteste Leid nicht wenig. Die Dauer des gegenwärtigen Lebens aber ist nur wie ein Augenblick.

V. 7. Auf dass euer Glaube rechtschaffen erfunden werde. Hier wird der Beweis durch Vergleich eines Geringeren mit einem Größeren geführt. Wenn wir das vergängliche Gold so hoch schätzen, dass wir es mit Feuer läutern, um ihm seinen vollen Wert zu geben, was hat es Verwunderliches, dass Gott dem Glauben, der vor ihm ein so köstliches Ding ist, dieselbe Bewährung zumutet? Obgleich nun die griechischen Worte etwas anders lauten, so ist doch kein Zweifel, dass der Glaube mit dem Gold verglichen und als das wertvollere Stück hingestellt werden soll; daraus ergibt sich dann der Schluss, dass er eine rechtschaffenen Prüfung wert ist. Übrigens ist zweifelhaft, ob man übersetzen soll; dass das Gold durchs Feuer bewähret, d. h. erprobt gefunden, oder dass es „geläutert“, d. h. von Schlacken gereinigt wird. Beides lässt sich trefflich auf den Glauben anwenden. Denn es finden sich in uns viele Schlacken des Unglaubens; wenn wir also durch mancherlei Trübsale im Ofen Gottes geschmelzt werden, so wird unser Glaube von unreinen Beisätzen befreit, damit er rein und glänzend vor Gott dasteht. Zugleich aber wird er erprobt, ob er wahrhaft oder heuchlerisch ist. Dies doppelte Verständnis empfiehlt sich auch wegen der Fortsetzung. Denn wie das Gold voller Ehre erst wert ist, wenn es gereinigt wurde, so hat auch der Glaube seine Ehre und Krone von Gott erst zu erwarten, wenn er recht sich bewährt hat.

Wenn nun offenbaret wird Jesus Christus. Dieser Zusatz will die Gläubigen lehren, ihre Seele bis zum letzten Tage in der Erwartung zu halten. Denn jetzt ist unser Leben in Christus verborgen und wird gleichsam begraben bleiben, bis Christus aus dem Himmel erscheinen wird. Unser ganzer Lebenslauf neigt sich dem Untergang des äußeren Menschen zu, und alle unsere Leiden sind gleichsam ein Vorspiel des Todes. Wollen wir also in unseren Trübsalen Ehre und Lob schauen, so müssen wir die Augen auf Christus richten. Denn unsere Anfechtungen sind in uns selbst voller Schmach und Schande, in Christus aber sind sie herrlich. Aber diese Herrlichkeit lässt sich in Christus noch nicht völlig schauen, weil der Tag der Tröstung noch nicht gekommen ist.

V. 8. Welchen ihr nicht gesehen usw. Zweierlei spricht der Apostel aus: seine Leser lieben Christus, den sie doch nicht gesehen haben; und sie glauben an ihn, obwohl sie ihn nicht sehen. Das erste wird aber aus dem zweiten geboren. Denn der Grund der Liebe ist der Glaube; die Erkenntnis der Wohltaten, mit denen Christus uns geleitet, treibt uns zur Gegenliebe, ja, er bindet uns förmlich an sich, weil er uns vollkommenes Glück anbietet. Der Apostel lobt also die Juden, weil sie an Christus glauben, den sie nicht sehen: so sollen sie es als die Natur des Glaubens erkennen, dass er in Gütern ausruht, die unsern Augen verborgen sind. Sie haben davon etwas von eigener Erfahrung. Immerhin steckt in dieser lobenden Anerkennung auch eine Mahnung. Erstlich sollen wir lernen, dass der Glaube nicht nach der sichtbaren Erscheinung gemessen werden darf. Nach dem Augenschein ist das Leben der Christen jämmerlich; darum müssten sie völlig zusammenbrechen, wenn ihre Glückseligkeit nicht in der Hoffnung bestünde. Gewiss hat auch der Glaube seine Augen: diese dringen aber in Gottes unsichtbares Reich und geben sich mit dem Spiegel des Wortes zufrieden. Denn der Glaube ist ein Beweis von unsichtbaren Dingen, wie wir im Ebräerbrief (11, 1) lesen. Darum sagt Paulus mit Recht (2. Kor. 5, 6), dass wir fern vom Herrn wallen, solange wir in diesem Leibe wohnen; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Zum andern sollen wir lernen, dass der Glaube nicht ein kaltes Wissen ist, sondern ein solches, das unsere Herzen zur Liebe gegen Christus entzündet. Denn der Glaube fasst Gott nicht bloß in dunkeln Hüllen – dies hieße durch weglose Wüsten irren -, sondern hat Christus zu seinem Gegenstand. Weiter eignet er sich nicht Christi bloßen Namen oder bloßes Wesen an, sondern erwägt, was er für uns ist, und welche Güter er uns bringt. Denn wo ein Mensch sein Glück findet, dahin muss sich auch all sein Sinnen richten, - nach jenem Wort (Mt. 6, 21): „Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“

Frohlocket ihr usw. Mit vollem Recht erinnert die Rede noch einmal an jene Frucht des Glaubens, von der wir soeben schon hörten. Denn es ist ein unvergleichliches Gut, dass unser Gewissen nicht bloß vor Gott Frieden gefunden hat, sondern in voller Sicherheit in der Zuversicht auf ewiges Leben frohlockt. Der Apostel weiß von unaussprechlicher Freude zu sagen, weil der Friede Gottes über alles Begreifen geht. Dass diese Freude herrlich, buchstäblich „verherrlicht“, ist, kann doppelt verstanden werden. Entweder soll sie einfach als rühmenswert bezeichnet oder aber einer unbefestigten und hohlen Freude gegenübergestellt werden, deren die Menschen sich alsbald schämen. So würde eine verherrlichte Freude eine feste und beständige sein, die über die Gefahr der Selbsttäuschung erhaben ist. Wer durch solche Freude sich nicht über die Himmel emporheben lässt, um, mit Christus allein zufrieden, die Welt gering zu achten, rühmt sich vergeblich, dass er Glauben habe.

V. 9. Indem ihr das Ende eures Glaubens davon bringet. Damit erinnert der Apostel, wohin die Gläubigen alle ihre Gedanken richten sollen: auf die ewige Seligkeit. Denn diese Welt hält mit ihren Lockungen unsere Begehrungen gefangen; dieses Leben samt allem, was den Leib angeht, hindert uns vielfach, unsere Seele auf die Betrachtung des zukünftigen und geistlichen Lebens zu stimmen. Dieses also empfiehlt uns der Apostel zum Gegenstand eifrigsten Nachsinnens. Zwischen den Zeilen lässt er uns lesen, dass man den Verlust anderer Dinge für nichts achten soll, wenn nur die Seelen gerettet werden. Wenn er sagt: „indem ihr der Seelen Seligkeit davon bringt“ – nimmt er den Lesern allen Zweifel, damit sie, der Erlangung ihres Heils gewiss geworden, umso mutiger voranschreiten. Und als Ziel ihres Glaubens stellt er eben die Seligkeit hin, damit sie bei weiterem Aufschub nicht ängstlich werden. Denn in der Gegenwart müssen wir uns mit dem Kindschaftsstande begnügen und dürfen nicht verlangen, vor der Zeit in den Besitz des Erbes gesetzt zu werden. Statt an das „Ende“ des Glaubens könnten wir auch an seinen Lohn denken, was den Sinn doch nicht verändern würde. Jedenfalls ergibt sich aus den Worten des Apostels, dass wir die Seligkeit nicht anders als durch den Glauben erlangen. Der Glaube aber stützt sich, wie wir wissen, allein auf die Zusage der gnädigen Annahme zur Kindschaft. Ist es aber so, dann verdanken wir die Seligkeit nicht dem Verdienst der Werke, noch dürfen wir sie von ihnen erhoffen. Warum aber nennt der Apostel nur die Seelen, während doch auch den Leibern die Seligkeit der Auferstehung verheißen ist? Es wird der Seele, weil sie unsterblich ist, im eigentlichsten Sinne die Seligkeit zugeschrieben, wie auch Paulus sich gelegentlich des Ausdrucks bedient, dass der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu (1. Kor. 5, 5). So bedeutet der Seelen Seligkeit nichts anderes, als was wir sonst die ewige Seligkeit nennen. Stillschweigend wird ein Vergleich gezogen mit dem sterblichen und hinfälligen Leben, welches den Leib angeht. Doch soll dem Leibe sein Anteil an der seligen Herrlichkeit nicht abgesprochen werden, sofern er ein Anhängsel der Seele ist.

 

10 Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforschet die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, so auf euch kommen sollte, 11 und haben geforschet, auf welche und welcherlei Zeit deutete der Geist Christi, der in ihnen war, und zuvor bezeuget hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit darnach; welchen offenbart ist, dass sie nicht für sich selbst, sondern für uns dartaten, was euch nun verkündigt ist durch die, so euch das Evangelium verkündiget haben durch den heiligen Geist, vom Himmel gesandt; was auch die Engel gelüstet zu schauen.

 

Den Wert dieser Seligkeit sollen wir nun daran ermessen, dass die Propheten eifrigst nach ihr gestrebt haben. Sie muss eine große und unvergleichlich herrliche Sache sein, weil sie die Propheten entzündet hat, ihr nachzuforschen. Es bezieht sich aber die Aussage über das Forschen und Suchen der Propheten nicht auf ihre Schriften und Lehren, sondern auf die persönliche Sehnsucht, die einen jeglichen beseelte. Erst die Fortsetzung will auf ihre öffentliche Tätigkeit bezogen sein. Um aber das einzelne deutlicher heraustreten zu lassen, wollen wir unsere Stelle in bestimmte Aussagen zerlegen. Erstlich: die Propheten, welche von der durch Christi Ankunft uns dargebotenen Gnade weissagten, waren eifrig darauf gespannt, die Zeit der vollen Offenbarung zu erkennen. Zum andern: der Geist Christi hat durch ihren Dienst den zukünftigen Zustand des Reiches Christi vorausverkündet, wie wir ihn teils jetzt sehen, teils noch erhoffen, nämlich dass es Christus und allen Gliedern seines Leibes bestimmt sei, durch mancherlei Leiden zur Herrlichkeit einzugehen. Zum dritten: der Dienst der Propheten trug reichere Frucht für uns als für ihre Zeit; und dies wurde ihnen geoffenbart, denn erst in Christus werden die Dinge wirklich dargeboten, deren Abbild der Herr nur dunkel und schattenhaft darstellte. Zum vierten: das Evangelium enthält, weil es derselbe Geist ist, der in ihm redet, nicht bloß eine lichtvolle Bestätigung der prophetischen Rede, sondern auch eine weit reichere und genauere Erläuterung; es enthüllt das Heil, welches die Propheten einst nur aus der Ferne schauen durften, unsern Augen in greifbarer Nähe. Endlich: wie wunderbar die herrliche, uns durch das Evangelium verheißene Seligkeit ist, lässt sich auch daraus ersehen, dass selbst die Engel, die doch Gottes Anblick im Himmel genießen, vor Sehnsucht brennen, dieselbe zu schauen. Dies alles aber zielt auf den einen Punkt, dass die Christen zur vollen Höhe ihres Glücks emporsteigen und dadurch alle Hindernisse in der Welt überwinden sollen. Denn gibt es irgendein Ding, welches durch diese unvergleichliche Wohltat nicht in den Schatten gestellt würde?

V. 10. Nach dieser Seligkeit haben gesucht die Propheten. Aber besaßen denn nicht die Väter bereits die gleiche Seligkeit wie wir? Warum heißt es also von ihnen, dass sie suchten, als hätten sie nicht erlangt, was uns heute angeboten wird? Die Lösung ist leicht: unter der Seligkeit ist in unserm Zusammenhange deren volle und klare Offenbarung zu verstehen, die uns durch Christi Ankunft zuteil wurde. Die Worte des Petrus wollen nichts anderes sagen, als was wir aus Christi Munde hörten (Mt. 13, 16 f.): „Viel Propheten und Könige haben begehrt zu sehen, das ihr seht, und haben´ s nicht gesehen. Darum selig eure Augen“ usw. Da also die Propheten nur einen geringen Geschmack der durch Christus gebrachten Gnade besaßen, mussten sie mit ihren Wünschen über das Maß der ihnen gewordenen Offenbarung hinausstreben. Nachdem Simeon Christus gesehen hat, rüstet er sich, in Frieden und beruhigten Gemütes abzuscheiden; so muss er doch vorher in Unruhe und Bangigkeit gelebt haben. Dies war die Stimmung aller Frommen. Auch die Weise des prophetischen Forschens beschreibt der Apostel, indem er hinzufügt (V. 11): auf welche und welcherlei Zeit. Es bestand nämlich ein Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium: ein Vorhang war gezogen, welcher dem Auge der Väter den nahen Anblick dessen verhüllen sollte, was uns jetzt erschlossen ist. Es wäre ja nicht passend gewesen, dass volles Licht wie am Mittag leuchte, ehe Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, gegenwärtig war. So mussten sich die Väter in ihren verordneten Grenzen halten; aber nichts brauchte sie zu hindern, in ihrer Sehnsucht nach näherem Anblick zu seufzen. Der Wunsch, die Erlösung möge eilen, in welchem sie täglich nach ihrem Anblick sich sehnten, hinderte sie doch nicht, geduldig zu harren, so lange es dem Herrn gefiel, aufzuschieben. Sehr bemerkenswert ist auch dies, was der Apostel uns lehrt, dass die Propheten nicht mit eigenen Gedanken nach dem Zeitpunkt forschten, in welchem Christi Reich kommen sollte, sondern dass sie ihren Eifer allein darauf richteten, eine Offenbarung des Geistes zu empfangen. Ihr Beispiel lehrt uns nüchternes Maßhalten in der Erkenntnis: sie drangen nicht weiter vor, als der Geist sie führte. Sicherlich würde die menschliche Neugier alle Schranken übersteigen, wenn nicht Gottes Geist unsere Geister regierte, so dass sie alles nur von ihm zu lernen begehren. Zudem ist Christi geistliches Reich eine zu hohe Sache, als dass zu seiner Erforschung menschlicher Verstand ohne Leitung des Geistes irgendetwas beitragen könnte. So wollen auch wir lernen, diesen Zügel mäßigend auf uns wirken zu lassen.