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Johannes Calvin (10. Juli 1509 - 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden "Unterweisung in der christlichen Religion" schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. In diesem vorliegenden Werk befasst er sich mit dem Buch Josua.
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Seitenzahl: 211
Das Buch Josua
JOHANNES CALVIN
Das Buch Josua, J. Calvin
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849662677
Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.
Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 89 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.
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Einleitung.1
Kapitel 1.6
Kapitel 2.14
Kapitel 3.22
Kapitel 4.27
Kapitel 5.33
Kapitel 6.39
Kapitel 7.44
Kapitel 8.53
Kapitel 9.60
Kapitel 10.64
Kapitel 11.71
Kapitel 12.76
Kapitel 13.77
Kapitel 14.80
Kapitel 15.83
Kapitel 16.86
Kapitel 17.87
Kapitel 18.90
Kapitel 19.93
Kapitel 20.96
Kapitel 21.98
Kapitel 22.101
Kapitel 23.106
Kapitel 24.109
Die Frage nach dem Verfasser dieses Buches bleibt am besten unentschieden. Die Ansicht, Josua müsse es geschrieben haben, weil die Überschrift seinen Namen trägt, stützt sich auf schwache Gründe. Denn auch mit Samuels Namen ist ein Buch der heiligen Schrift überschrieben worden, und doch erzählt es noch Ereignisse, die erst nach seinem Tode eintraten. Das Buch der Richter heißt auch nicht deshalb so, weil es von den Richtern zusammengeschrieben worden wäre, sondern weil es ihre Taten erzählt. Die Eroberung von Hebron und Debir, welche Josua 15 erzählt wird, ist erst nach Josuas Tode erfolgt. Höchstwahrscheinlich hat der oberste Priester Eleasar die Berichte über die Ereignisse zusammengestellt, aus denen dieses Buch entstand. Die einzelnen Teile desselben eigneten sich nicht nur zu mündlicher Belehrung der Zeitgenossen, sie sollten auch den Nachkommen bezeugen, was Gottes Gnade zur Errettung des Gottesvolkes getan hatte, und sollten dadurch wahre Gottesverehrung fördern. Solange die Leviten noch nicht entartet waren, kamen aus diesem Stamme die Schreiber, welche die wichtigsten Ereignisse in der Leitung des Volkes als bleibende Denkmale für alle Zeiten festlegen sollten. Wir wollten uns aber nicht scheuen, das, was wir nicht erfahren können, und was schließlich auch nicht so wichtig ist, unentschieden zu lassen. Doch muss das Wichtigste uns feststehen, dass die in unserem Buche enthaltenen Lehren von dem Geiste Gottes zu unserm Gebrauche eingegeben worden sind. Aus dieser Erkenntnis wird aufmerksamen Lesern wertvolle Frucht erwachsen.
Obgleich das Volk nach glänzenden Siegen in einer wohl geeigneten und ziemlich fruchtbaren Gegend wohnte, blieb doch Gottes Verheißung noch unerfüllt, soweit sie das Land Kanaan betraf. Das wichtigste Stück der Bundesverheißung war noch nicht in Erfüllung gegangen; es schien, als hätte Gott sein Volk in irgendeine einsame Ecke geworfen und sein Werk vor der Durchführung und Vollendung abgebrochen. Dieses Buch zeigt nun, wie Gott trotz der unerträglichen Bosheit, mit welcher das Volk die Durchführung der Befreiung hinderte, sein hartes Strafurteil so sehr gemildert hat, dass er dem Volke nichtsdestoweniger das versprochene Erbe, das Land Kanaan, endlich schenkte. Dabei beobachten wir, wie Gottes Treue nimmermehr wankt, mögen auch die Menschen mitten im Laufe vom Tode weggerafft werden. Als Mose starb, drohte eine traurige Umwälzung. Das Volk blieb zurück, wie ein Körper, dem das Haupt abgeschlagen ist. Bei der nun drohenden Gefahr der Zerstreuung offenbarte sich des unsterblichen Gottes Wahrheit: es offenbarte sich aber auch an Josuas Person wie in einem leuchtenden Spiegel, dass der Gott, welcher besonders begabte Werkzeuge wegrafft, auch andere als Ersatz bereithält. Auf bestimmte Zeit gibt er wohl einigen Männern eine besonders hervorragende Stellung; aber dann ist seine Allmacht keineswegs so fest an sie gebunden, dass er nicht Nachfolger fände, sobald es nötig wird. Ja sogar aus den Steinen könnte er Männer erwecken, die sich zur Ausführung gewaltiger Taten eigneten.
Der Eindruck, den der Durchzug durch das rote Meer gemacht hatte, war in vierzigjähriger Wüstenwanderung verwischt; die gleichartige Wundertat am Jordan, welche im Anfang des Buches berichtet wird (3, 1 ff.), bestätigte den beständigen Fortschritt der Befreiung. Die Erneuerung der Beschneidung (5, 2 ff.) galt so viel, als hätte Gott seinen durch schändliche Nachlässigkeit durchbrochenen Bund wieder aufs Neue aufgerichtet. Dann wird erzählt, wie die Kinder Israel durch Gottes Hand das verheißene Land in Besitz nehmen. Die Eroberung der ersten Stadt (6, 1 ff.) war ein Pfand für die unerschütterliche Kraft Gottes, auf die sie hoffen durften; denn Jerichos Mauern stürzten schon bei dem Schall der Posaunen von selbst zusammen. Dennoch wurden die Bewohner des Landes nicht etwa in einer Schlacht oder in einem kurzen Kriegszuge besiegt, sondern erst durch viele mühsame Kämpfe allmählich überwunden. Große Schwierigkeiten stellten sich dem Volke entgegen, denn die feindlichen Könige schlossen sich zusammen und zogen mit vereinten Kräften ihnen entgegen. So hatten sie nicht nur mit einzelnen Völkern zu kämpfen, sondern mit einer ungeheuren Menge, welche das Volk Israel in einen Ansturm hätten vernichten können. Doch alle diese heftigen Versuche prallten ab, da Gottes höhere Macht sichtbar wurde; alles musste nur dazu dienen, dass bei der Verteidigung seines auserwählten Volkes seine Barmherzigkeit und Treue umso heller erstrahlte. Die unaufhaltsamen glücklichen Fortschritte und die zahlreichen unglaublichen Siege zeigten deutlich, dass Gottes Hand gleichsam vom Himmel her ausgestreckt war. Ein besonderer Beweis für die göttliche Leitung dieser Kämpfe der Kinder Israel war es, als die Sonne auf Josuas Bitte hin im Laufe innehielt (10, 12 ff.), - gleich als hätten sich die Elemente zu ihrer Hilfe gerüstet und ihnen Gehorsam geleistet. Der langsame Erfolg der Kriegsführung war zwar eine nützliche Prüfung für die Beharrlichkeit des Volkes, doch wurde Gottes wunderbarer Ratschluss auch darin erfüllt. Schon früher hatte Mose die Kinder Israel gewarnt, sie sollten nicht überdrüssig werden und ermatten (5. Mo. 7, 22): Gott wolle die Völker nicht auf einmal ausrotten, damit nicht wilde Tiere in der verwüstete Gebiet eindrängen. So hatte der Herr aufs Beste für ihre zukünftige Sicherheit gesorgt; sie aber wandten seine Gnadenabsichten durch ihre Trägheit sich selbst zum Verderben. Denn als sie eben ein nach ihrer Meinung zu bequemem Wohnsitz ausreichendes Stück des Landes erobert hatten, waren sie zu feige, ihren Siegeslauf fortzusetzen, und wandten sich rückwärts (vgl. 13, 1 ff.).
Diese erste Übertretung zog andere nach sich. Denn anstatt ihren Kriegszug fortzusetzen, zeigten sie sich ihrem Gott gegenüber treulos und ungehorsam. Sie handelten wie feige Krieger, welche ihren Eid vergessen und ihre Fahne schmählich verlassen. Einen Teil des Landes hatten sie in Besitz genommen: nun verschmähten sie in frevelhafter Undankbarkeit die von Gott dargebotene Herrschaft über das Ganze. Gott hatte außerdem befohlen, das Land von aller Verunreinigung zu säubern, damit nichts übrig bleibe, was den reinen und gesetzmäßigen Gottesdienst entheiligen könnte; sie aber duldeten es, dass gottloser Aberglaube, welchen Gott verabscheute, sich breit machte. Auch wussten sie wohl, dass Gott nur in ihrem Interesse ihnen den Verkehr mit den Heidenvölkern verboten hatte, damit sie nicht in deren betrügerische und hinterlistige Künste verstrickt würden: sie aber gaben sich geradezu Mühe, diese Gefahr herbeizuführen, und schonten die Heiden, um so dem verderblichen Brande Nahrung zu geben. Ihr hartnäckiger Unglaube zeigt sich darin, dass sie sich sogar durch die angedrohte Strafe nicht schrecken ließen. Aber sie haben es endlich doch erfahren müssen, dass Gott nicht umsonst gedroht hatte, jene Völker würden Dornen und Stacheln für sie werden (4. Mo. 33, 55). Denn durch beständige Überfälle wurden sie geplagt, durch Raubzüge ausgeplündert und schließlich durch tyrannische Grausamkeit fast unterdrückt.
Dennoch blieb Gottes Wahrhaftigkeit unerschüttert. Hier erhebt sich aber noch eine Frage: Die Verheißung an Abraham gründet sich einzig und allein auf Gottes Wohlgefallen; ist es dann nicht töricht anzunehmen, sie sei durch die Schuld des Volkes, welcher Art sie auch gewesen sein mag, ins Wanken gebracht worden? Wie kann man es miteinander vereinigen, dass das Volk sein rechtmäßiges und zugesichertes Erbe nicht in Besitz genommen hat, und dass Gott dennoch der Wahrhaftige bleibt? Aber Gottes Treue ist keineswegs erschüttert oder irgendwie verletzt. Denn hier leuchtet klar hervor, welch großer Meister Gott ist, der in unerforschlicher Weisheit Licht aus der Finsternis hervorbrechen lassen wollte. Dem Abraham war verheißen worden (1. Mo. 15, 18): „Deinem Samen will ich dies Land geben von dem Wasser Ägyptens an bis an das große Wasser Euphrat“. Josua versichert, dass die Erfüllung bevorstehe, ja sogar schon da sei (21, 43 ff.). Wenn sie auch infolge ihrer Trägheit noch nicht bis zu jenen Grenzen vorgedrungen waren, so konnten sie doch durch diese selbstgewählte Beschränkung auf das enge Gebiet der Freigiebigkeit Gottes keinerlei Schranken setzen. Es schien zwar, als sollte Gottes Bund dadurch in Vergessenheit geraten, dass seine Verheißungen unerfüllt blieben. Ohne Zweifel haben fromme Herzen damals große Angst ausgestanden, als sie Gottes Werk so abgebrochen sahen. Aber der Herr hat des Volkes Freveltat so milde gestraft, dass diese große und gefährliche Versuchung sogar in ein Hilfsmittel für den Glauben umgewandelt wurde. Dadurch dass seine Verheißung nicht gleich ganz erfüllt wurde, hat Gott seine Kinder ermuntert, zu warten auf die Zeit größerer Herrlichkeit, da seine Gnade sich noch reicher offenbaren und nach Überwindung aller Schwierigkeiten völlig erstrahlen sollte. So wurden sie von hier aus auf Christum hingewiesen; denn es sollte bekannt werden, dass das völlige Glück des Gottesvolkes von diesem Haupte abhänge. Darin wurden sie durch neue Verheißungen bestärkt (Ps. 78 und 89). Denn was Josua hier aus dem alten Bunde anführt, bezieht der Psalmist auf das Reich des Messias. Auf jene Zeit hatte Gott den völligen Besitz des Landes hinausgeschoben, um dadurch das Reich seines Sohnes zu verherrlichen. Ein Vorbild dafür war David, der gleichsam Christi Stelle einnahm. Da wurde deutlich, dass Gotten Verheißungen nur durch die Hand des Mittlers in Erfüllung gehen können. Es ist demnach durchaus berechtigt, zu sagen: Gottes Wahrheit, welche durch des Volkes Bosheit aufgehalten worden war, konnte erst völlig in Erfüllung gehen, als das Gottesvolk in geordnete Verhältnisse gekommen war. In der Person Davids wurde dem Volk das Bild des Mittlers vor Augen gestellt, auf welchem das vollkommene Heil der Gemeinde beruht. Der unvollkommene Genuss göttlicher Gunst musste einstweilen genügen, um die Gläubigen aufrecht zu erhalten, bis sie vollkommen gesättigt werden sollten.
Die Verteilung des Landes (14, 1 ff.), welche Josua mit den Stammeshäuptern vornahm, war durchaus nicht zwecklos und hinfällig. Vielmehr wurde das Erbe, in dessen Besitz Gottes Hand sie gebracht hatte, nach seinem Befehl regelrecht verteilt. Auch darin zeigt sich die Unantastbarkeit des mit Abraham geschlossenen Bundes. Jakob hatte am Ende seines Lebens den einzelnen Söhnen bestimmte Wohnsitze zugewiesen. Wenn nun jeder Stamm nach Urteil und Entscheidung der Menschen seinen Anteil empfangen hätte, so hätte es den Anschein gehabt, als ob sie von der Autorität des Erzvaters sich hätten leiten lassen. Aber da das Los, welches doch am meisten dem Zufall ausgesetzt ist, die Voraussage bestätigte, wurde jene Verteilung durch den klaren Erfolg für gültig erklärt, als ob Gott selbst mitentschieden hätte.
Als nun des Volkes Gleichgültigkeit dem Kriege ein Ende bereitet hatte, sandte Josua die Stämme Ruben, Gad und die Hälfte des Stammes Manasse nach Hause, weil sie ihre Pflicht erfüllt hatten (22, 1 ff.). Dann (22, 10 ff.) folgt noch eine beachtenswerte Erzählung, welche zeigt, wie eifrig die im Lande Kanaan wohnenden Israeliten darauf bedacht waren, die rechte Verehrung Gottes zu schützen. Als nämlich jene zweieinhalb Stämme ein Denkmal brüderlicher Zusammengehörigkeit aufrichteten, meinten die anderen, dort werde ein Altar gebaut, um Opfer zu bringen. Das wäre ja ein Unrecht gewesen. Darum beschlossen sie, sofort Krieg anzufangen, und wollten lieber ihre Blutsverwandten umbringen als ihren Gottesdienst durch unrechtmäßigen Kultus zersplittern lassen. Zu loben war ihre Selbstbeherrschung; denn ebenso wie sie in heiligem Eifer plötzlich zu den Waffen griffen, ließen sie sich nach empfangener Entschuldigung auch leicht wieder beruhigen.
Der Schluss des Buches erzählt (23 u. 24), wie Josua sich bemühte, Gottes Ehre auszubreiten, und wie er eifrig versuchte, der Leichtfertigkeit und Treulosigkeit des Volkes entgegenzuarbeiten. Das war seine Absicht bei den eindringlichen Ermahnungen und Warnungen, vor allem aber bei der in feierlicher Form mit einem Eide beschworenen Erneuerung des Bundes.
V. 1. Nach dem Tode Moses usw. Hier zeigt sich zunächst Gottes beständige Freundlichkeit gegen sein Volk und die ununterbrochene Sorge um sein Wohlergehen. Durch neue Aufträge bestätigt er den Josua als neuen Führer und beweist dadurch, dass seine Gnade nicht aufhöre. Denn das Volk soll nicht meinen, es sei jetzt durch Moses Tod ganz und gar verlassen. Josua war bereits zum Leiter des Volkes erkoren, es war ihm nicht nur sein Amt auferlegt, sondern er war auch mit Geistesgaben dafür ausgerüstet worden. Allein da oft sogar die Tapfersten, selbst wenn sie wohlgerüstet sind, sich im entscheidenden Augenblick zurückziehen oder gar wankend werden, so war die Ermutigung keineswegs überflüssig, damit Josua sich sofort zum Aufbruch rüste. Nicht nur um seinetwillen wurde seine Berufung aufs Neue bestätigt; vielmehr sollte das Volk nicht länger zögern, von ganzem Herzen diesem Führer zu folgen, den es keinen Fuß bewegen sah, ohne dass Gott voranging.
V. 2. Mein Knecht Mose ist gestorben usw. Zwei Auffassungen sind möglich. Entweder: Da Mose gestorben ist, so ist jetzt die Last auf dich gewälzt; du sollst also an seine Stelle treten, zu dessen Nachfolger du bestimmt bist. Oder: Obgleich Mose gestorben ist, so sollst du dennoch nicht aufhören, sondern vorwärts dringen. Mir scheint es am richtigsten, hier die Folgerung zu finden, dass Josua das Amt, aus welchem Mose geschieden war, nur als rechtmäßiger Nachfolger zu übernehmen habe. Dass der Herr den Mose ausdrücklich seinen Knecht nennt, muss aus dem Zusammenhang verstanden werden, in welchem dieser Titel auf seine Leistungen in der Führung des Volkes deutet. Denn hier handelt es sich nicht um die Gesetzgebung, sondern um die Oberleitung, welche nach Moses Tode auf Josua überging. Nicht nur um Mose zu loben, erkennt Gott ihn als seinen Knecht an, sondern vor allem um das Ansehen Josuas, der an seine Stelle trat, zu erhöhen. Weil nun ein bloßer Befehl für das Volk keine hinreichende Unterlage gewesen wäre, fügt Gott zu dem Befehl, den Jordan zu überschreiten, zugleich die Verheißung, dass die Herrscher der Landstriche, welche Israel betreten sollte, schon so gut wie überwunden seien. Nichts macht uns ja feiger und unbrauchbarer, als Mangel an Vertrauen, dagegen flößt der Glaube an den Gott, der uns glücklichen Ausgang verheißt, Kraft ein zu jeglicher Unternehmung. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Gott das Herz der Israeliten durch wunderbare Verheißungen aufrichtet; vielmehr ruft er ihnen jetzt ins Gedächtnis zurück, was Mose ihnen schon längst vorher bezeugt hatte. Er sagt, jetzt sei die Zeit gekommen, in welcher er erfülle, was Mose ihnen schon früher versprochen habe. Man könnte einwenden, das sei doch dem Abraham lange vor Mose verheißen worden und diese Verheißung, die Mose 400 Jahre später erst vernommen habe, gründe sich daher eigentlich auf den uralten Bund mit Abraham. Darauf erwidere ich: Von diesem allgemein bekannten und berühmten Bunde ist hier nicht die Rede; Mose aber wird darum als Zeuge aufgeführt, weil er noch besser im Gedächtnis des Volkes war. Durch seinen Tod wäre ja der Glaube des Volkes erschüttert worden, wenn Gott nicht verheißen hätte, er werde für die Erfüllung aller Verheißungen bürgen.
V. 4. Von der Wüste an und diesem Libanon usw. Gott hatte die Israeliten zu Herrn des ganzen Landes eingesetzt; ihre Trägheit, die sie an der völligen Eroberung hinderte, durfte nicht ungestraft bleiben. Darum musste in Erfüllung gehen, was Mose ihnen gedroht hatte: wenn sie die dem Untergang geweihten Völker nicht ausrotteten, so würden sie „Dornen für ihre Augen und Stacheln für ihre Seiten“ werden. Aber ebenso wie der vierzigjährige Aufenthalt in der Wüste Gottes Verheißung nicht hinfällig gemacht hatte, so konnte sein Beschluss auch dadurch nicht geändert werden, dass der völlige Besitz noch lange Zeit hinausgeschoben wurde.
Jetzt hätte das Volk mit Eifer in das vorgeschriebene Gebiet eindringen müssen, allein es wollte nicht. Wahrlich da hatte es verdient, noch weiter umhergetrieben zu werden. Aber durch Gottes Nachsicht wurde ihnen ein Gebiet zugewiesen, welches zum bequemen Wohnen ausreichte. Es war ihnen vorhergesagt, dass die von ihnen geschonten Überbleibsel der Völker zur Strafe für ihren Ungehorsam ihnen Gefahr bringen würden; doch wurden sie nur dann von ihnen belästigt, wenn sie durch ihre Treulosigkeit und ihren beständigen Abfall Gottes Zorn hervorriefen. So oft es ihnen gut ging, verfielen sie schnell wieder in Zügellosigkeit. Aber Gottes wunderbare Güte bewahrte sie, dass sie, unterdrückt und fast vernichtet durch die Gewalt der Feinde, in der größten Todesgefahr doch am Leben blieben. Mehr noch: er sandte ihnen plötzlich Retter, welche ihnen in der hoffnungslos verlorenen Lage Hilfe brachten.
V. 5. Es soll dir niemand widerstehen. Weil Josua in Zukunft mit vielen kriegslustigen Feinden zu tun bekam, musste er mit ganz besonderem Vertrauen ausgerüstet werden. Sonst wäre ja Gottes Verheißung über das Land durch die sorgenvolle Frage verdunkelt worden: Wie schwer wird es sein, so viele Völker zu überwinden? Darum wird dieses Hindernis beseitigt. Um allen Zweifel ganz und gar zu tilgen, erinnert der Herr seinen Knecht an die Siege Moses. Bei diesen hatte er deutlich bewiesen, dass es für ihn nicht schwer sei, die größten Helden und Heere zu überwältigen. So soll Josua an dem Beistande, den Gott dem Mose gewährt hatte, erkennen, wie seine Kämpfe ausgehen werden. Denn er soll sie unter derselben göttlichen Führung und Leitung unternehmen: Gottes Gnadenerweisungen schließen sich in ununterbrochener Reihenfolge aneinander an.
Ich will dich nicht verlassen. Dies Wort wird Hebr. 13, 5 angewandt, um die Gläubigen vor dem Geiz zu warnen und um allerlei Besorgnis in den allzu ängstlichen Gemütern zu beseitigen. Aus der Ängstlichkeit erwächst Misstrauen, und das weckt in uns solche Unruhe und Not, dass wir elendiglich hin und her schwanken auch in den geringsten Gefahren, bis wir endlich zu der Gewissheit kommen, dass Gott bei uns ist, und dass wir bei ihm überreichen Beistand finden zu unserem Schutze. Kein anderes Heilmittel für unsere Furchtsamkeit schreibt er uns vor; die Gegenwart seiner Hilfe muss uns genügen.
V. 6. Sei getrost und unverzagt. Aufs Neue wird die Ermunterung zur Tapferkeit angefügt, und zwar, eine doppelte, damit sie desto mehr Eindruck mache. Doch wird auch die Verheißung mit anderen Worten nochmals eingeschoben, um den Josua seiner Berufung gewisser zu machen. Ohne ängstliche Zweifel soll er das Amt übernehmen, von dem er wusste, dass es ihm von Gott übertragen sei. Auch soll er, wenn er beim Kampf auf großen Widerstand stößt, nicht mitten im Laufe wankend werden. Denn es genügte nicht, dass er im Anfang mit Mut erfüllt wurde: er musste auch mit Beharrlichkeit ausgerüstet werden. Der Glaube besitzt die Kraft, uns zu tapferem Handeln anzutreiben; Feigheit und Zurückweichen offenbart den Unglauben. Doch kann man aus dieser Stelle ersehen, dass die Verheißungen allein nicht genügend Kraft besitzen, wenn nicht die anspornenden Ermunterungen hinzutreten. Denn wenn sogar Josua, dessen mutiger Eifer doch sonst einzigartig war, zur Pflichttreue angetrieben werden musste, wie viel heftiger müssen wir dann angespornt werden, die wir doch so sehr an Trägheit leiden! Dazu kommt noch, dass Josua nicht nur ein einzelnes Mal und nicht nur mit einem einzelnen Worte zum Mut und zur Beharrlichkeit aufgefordert wird; zu wiederholten Malen und mit immer neuen Worten wird er ermutigt, weil er sich für viele und mannigfaltige Kämpfe rüsten musste. Er soll tapfer und ungebrochenen Mutes sein. Obwohl schon aus diesen zwei Worten klar wird, dass Gott ihm hier eine überaus wichtige Ermahnung gibt, so ist er doch nicht zufrieden mit diesem doppelten Ausdruck und wiederholt kurz darauf nochmals die Ermahnung und zwar noch ausführlicher. Er fügt jetzt (V. 7) noch das Wörtlein sehr hinzu. Daraus lernen wir also, dass wir niemals gefährlichen und schwierigen Aufgaben gewachsen sein können, wenn wir nicht das angespannteste Streben einsetzen. Unsere Kraft ist schwach, Satan tritt uns heftig entgegen, und nur allzu leicht lassen wir im Eifer nach. Weil aber viele ihre Kraft auf verkehrte und zwecklose Art versuchen, wird der rechte Weg zur Tapferkeit gezeigt: Josua soll seinen ganzen Eifer darauf richten, das Gesetz zu befolgen. Daraus folgt, dass wir erst dann unüberwindlich werden, wenn wir dem treuen Gott Gehorsam zu leisten bemüht sind. Stellenweise kann es besser sein, still und untätig liegen zu bleiben, statt sich von übereilter Kühnheit hinreißen zu lassen. Aber Gott verlangt nicht einfach, dass sein Knecht mutig sei, das Gesetz zu bewahren, vielmehr fordert er, dass er mannhaft kämpfe, damit er unter der Last seines mühevollen Amtes nicht ermüde. Aber weil Zweifel aufkommen konnten, wie Josua sich in verwickelten Lagen verhalten und entschließen sollte, so weist er ihn auf das, was das Gesetz ihn lehrt. Denn wenn er dieser Richtschnur folge, werde er auf alles vorbereitet sein. Weislich, so sagt er, wirst du handeln in allen Dingen, wenn du dich nur an die Lehre des Gesetzes hältst. Das hebräische Wort, welches hier steht, bedeutet nicht nur: klug handeln, sondern auch: glücklich handeln; in der Regel ist ja Unklugheit und Unglück miteinander verbunden. Josua soll sich also ganz sicher auf Gottes Hilfe verlassen können, wenn er sich von seiner Belehrung ganz und gar leiten lässt. Wenn uns Gefahren erschrecken und bedrohen, kommt sehr viel darauf an, dass wir die Gewissheit haben, Gott sei einverstanden mit unserem Tun. Denn nichts anderes ist uns vorgeschrieben, als seinen Geboten gehorchen. Weil es nun aber nicht genügt, bis zu einem gewissen Grade Gott zu gehorchen, so empfiehlt er dem Josua Bescheidenheit und Nüchternheit, durch die er in einfältigem Gehorsam erhalten werden soll. Viele nämlich, welche sonst wohl die rechte Gesinnung haben, bilden sich bisweilen ein, mehr zu verstehen, als wirklich der Fall ist; daher kommt es, dass sie dann aus Nachlässigkeit vielerlei versäumen, oder ihre eigenen Pläne mit Gottes Geboten vermengen. Das allgemeine Verbot, nichts zum Gesetze hinzuzufügen, nichts davon wegzulassen (5. Mo. 13, 1), wendet Gott hier speziell auf Josua an. Denn wenn dieser Grundsatz für das Leben des gewöhnlichen Bürgers gilt, so müssen die Führer und Leiter des Volkes vor allen anderen Gott gehorchen. Wenn nun sogar ein Held wie Josua einen solchen Zügel zur Selbstbeherrschung nötig hatte, damit er nicht zu weit gehe, wie unerträglich erscheint dann unsere Verwegenheit, mit der wir, die wir doch weit unter ihm stehen, uns dennoch größere Freiheiten herausnehmen! Wer höhere Ehren genießt, soll nach Gottes besonderer Vorschrift dennoch sich durch dasselbe Gesetz gebunden fühlen, wie der Geringste im Volke.
V. 8. Lass das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen. Auch eine unablässige Beschäftigung mit dem Gesetze wird uns vorgeschrieben; denn wenn sie auch nur ganz kurze Zeit unterbrochen wird, so schleichen sich leicht Irrtümer ins Herz, und das Gedächtnis rostet ein. Daher gehen viele, die das regelmäßige Lesen in Gottes Wort unterlassen, in Unwissenheit und Unverstand ihrer Beschäftigung nach. Gott verlangt hier von seinem Knechte, dass er täglich Fortschritte mache und in seinem ganzen Leben unaufhörlich immer tiefer in das Gesetz eindringe. Daraus folgt, dass diejenigen, welche dieses Forschens überdrüssig werden, maßlos verblendet sind. Dass übrigens das Gesetz nicht von Josuas „Munde“ weichen soll, während doch die Erinnerung an die Augen näher zu liegen schien, ist in Rücksicht auf seine besondere Stellung gesagt: Josua soll das Gesetz nicht nur für sich wie ein Privatmann studieren, sondern als Führer des Volkes zu dessen allgemeinem Besten. Was er aus dem Gesetz lernt, soll er, wie es sein Amt mit sich bringt, zum Nutzen des Volkes vortragen. Auch soll sein Lerneifer den anderen ein Vorbild des Gehorsams sein. Viele predigen nämlich Gottes Gesetze mit dem Munde, die doch seine schlechtesten Wächter sind. Zweierlei wird ihm also befohlen: das Volk soll er belehren, und sein eigenes Leben gleichzeitig nach derselben Richtschnur bilden. – Der andere Teil des Verses zeigt, dass die Gottlosen schließlich doch kein Glück haben mit dem, was sie unter Verachtung des göttlichen Wortes unternehmen. Selbst wenn sie zuweilen der Anfang freundlich anlacht, wird der Ausgang unglücklich sein. Nirgend anders als nur allein von Gottes Gnade dürfen wir günstige Erfolge erhoffen. Deshalb sollten wir ablassen von den Plänen, die wir leichtsinnig gefasst haben, und alle Anmaßung fahren lassen, die stets mit Verachtung Gottes verbunden ist. Die Gläubigen müssen also, damit alles ihnen nach Wunsch gehe, Gottes Segen zu erlangen suchen, sowohl durch eifriges Forschen in seinem Wort, als auch besonders durch Gehorsam des Glaubens. Am Schluss des Verses wird eine zweite Verheißung beigefügt. Josua soll mit der Zusage eines glücklichen Erfolges zugleich daran erinnert werden, dass die Menschen nichts richtig, ordentlich und weise anfangen können, wenn sie sich nicht dem Worte Gottes unterwerfen. Darum wird die Klugheit, welche die Gläubigen sich aus Gottes Wort erwerben, gegenübergestellt dem dreisten Selbstvertrauen derjenigen, welche aus eigenem Sinn verständig genug zu handeln meinen.
V. 9. Siehe, ich habe dir geboten usw. Gott stellt seine Autorität in den Mittelpunkt und will dadurch das Herz seines Knechts von Zweifel und Sorge befreien. Bin ich es nicht, der dir solchen Befehl gibt? fragt er. Ich selbst werde auch mit dir sein. Das wird nachdrücklich betont, denn seinem Befehle darf niemand widerstreben. Diese Stelle lehrt wieder, dass nichts unser Vertrauen stärker beeinflussen kann, als wenn wir uns auf Gottes Berufung und Befehl verlassen und in dieser Gewissheit ihm als Führer folgen, wohin er uns ruft.
V. 10. Da gebot Josua usw. Man könnte darüber im Zweifel sein, ob Josua nach der Aussendung der Kundschafter oder erst nach ihrer Rückkehr diesen Befehl erlassen habe. Mir scheint es nicht nur wahrscheinlich, sondern ganz sicher, dass er erst, nachdem er aus ihren Berichten die gewünschte Auskunft empfangen hatte, mit dem Aufbruch begann. Es wäre ja sonst verkehrte Übereilung gewesen, einen unbekannten Weg zu beginnen, wenn er es doch für ratsam hielt, sich erst über viele Dinge Auskunft zu verschaffen, bevor er den Fuß in Feindesland setzte. Aber es ist ja nichts Neues, dass die zeitliche Reihenfolge nicht eingehalten und das, was überschlagen wurde, erst später angefügt wird. Daher ist das zweite Kapitel gleichsam ein eingeschobener Abschnitt, welcher den Leser ausführlicher auseinandersetzen soll, wann Josua den Befehl zum Aufbruch gegeben habe. Denn als er nach ausreichender Erkundigung sah, dass die Zeit zum Aufbruch gekommen war, befahl er dem Volk, sich zum Abmarsch zu rüsten. In seinem Vertrauen verkündigte er (V. 11), dass sie nach Verlauf von drei Tagen den Jordan überschreiten würden. Das hätte er nie wagen dürfen, wenn nicht Gottes Geist ihn dazu getrieben hätte. Niemand hatte die Furt untersucht, auch zeigte sich keine Hoffnung, dass dies noch geschehen könnte. Dazu ließ der Fluss sich weder mit einer Brücke noch mit Schiffen überschreiten. Leicht und ohne Mühe hätte man den Übergang verhindern können. Nichts blieb also übrig, als dass Gott selbst sie hinüberführte. Das hoffte Josua auch, und zwar nicht leichtsinnig aus seinem eigenen Herzen, sondern weil es ihm von Gott geoffenbart worden war. Der bereitwillige Gehorsam des Volkes bewies Glauben, denn bei den großen Schwierigkeiten wären sie sicherlich nicht so gehorsam gewesen, wenn sie nicht alle Sorge auf Gott geworfen hätten. Und es ist unzweifelhaft, dass Gott ihnen diesen Eifer ins Herz gab, um nun alle Hindernisse, welche die Verwirklichung seiner Verheißungen verzögern konnten, zu beseitigen.
V. 12. Und zu den Rubenitern