Die Briefe, Teil 2 - Johannes Calvin - E-Book

Die Briefe, Teil 2 E-Book

Johannes Calvin

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Johannes Calvin (10. Juli 1509 - 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden "Unterweisung in der christlichen Religion" schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. Das vorliegende Werk umfasst seinen mannigfaltigen Briefwechsel. Dies ist der zweite von drei Bänden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 873

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

Die Briefe

 

Band 2:

1549 - 1556

 

JOHANNES CALVIN

 

 

 

 

 

 

 

Die Briefe 2, J. Calvin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662776

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.

 

Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 88 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.

https://www.europeana.eu/item/2058612/PMRMaeyaert_b4ca2422261f4db3d5919ea7ff734329d08d9b34

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

1549. 1

1550. 56

1551. 83

1552. 129

1553. 174

1554. 223

1555. 295

1556. 393

 

1549

 

Nr. 253 - An die Pfarrer von Montbeliard.

 

Toussaint und seine Kollegen hatten gemeldet, dass sie des Interims wegen ihr Amt niederlegen müssten, da sie dem Herzog Christoph nicht durch Widerstand Schwierigkeiten machen wollten.

Von der Vertreibung der Pfarrer zu Montbeliard.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesu Christo. Liebste und von Herzen verehrte Brüder, so ist nun geschehen, was wir schon lange gefürchtet haben, dass auch bei Euch der Satan die von Gott eingerichtete Ordnung der Kirche durch seine Diener umstürzt. Doch hat uns Euer Brief, so weit dies bei einer so traurigen Sache möglich ist, getröstet, weil wir daraus ersahen, dass Ihr alle bis zuletzt Eurer Pflicht treu bliebt. Denn dass Ihr ernstlich bezeugt habt, Ihr missbilligt diese verderblichen Dinge, die zur Besudelung der reinen Lehre eingeführt wurden, das war Standhaftigkeit, würdig der Diener Christi; dass Ihr auch jetzt die Verbannung treuloser Heuchelei vorzieht, damit gebt Ihr ein leuchtendes Beispiel echten, wahren Glaubens. Denn da Euch der absetzt von Eurem Lehramt, der bisher die Kirche Christi in seinem Gebiet Gastfreundschaft geboten und Euch die freie Predigt von Christo gestattet hatte, so wäre es unseres Erachtens nicht gut, weiter zu gehen, zumal doch keine Aussicht auf Erfolg vorhanden zu sein scheint, um die Schafe, zu deren Hirten Euch Christus gemacht hatte, selbst Euer Wirken nicht weiter begehren. Denn wenn auch der ein Verräter ist, der willig weicht und von sich aus seinen Posten verlässt, so ist es andrerseits doch nicht unsere Pflicht, Widerstand zu leisten, wo man uns zwingt, wenn uns nicht etwa die Gemeinde besonders aufforderte, es zu wagen. Dann freilich wäre es hundertmal besser zu sterben, als die Erwartung derer zu täuschen, die bereit waren, Christo nachzufolgen. Eure Lage ist nun aber ganz anders: Solange Ihr Hirten waret, fehlte Eurer Herde Eure tätige Fürsorge nie. Jetzt, da es keinen Nutzen hätte, länger auszuharren, und Eure Schafe selbst, denen Ihr verpflichtet waret, es nicht einmal für nützlich halten, dass Ihr weiterhin widersteht, seid Ihr Eurer Pflicht entbunden. So bleibt Euch nichts übrig, als das Steuerruder, das Euch anvertraut war, Christo zu überlassen, dass er allein mit seinem Geist die Leitung übernehme, solange Eurem Wirken keine Statt gegeben wird. Übrigens bedenken wir wohl, welcher Kummer Euch drücken muss, da Ihr nichts vor Euch seht als Verbannung und Armut; aber der Hauptkummer liegt doch in der Niederlage der Kirche; dass Ihr die höher achtet als Euch selbst, habt Ihr bewiesen. Auch uns tut Euer Unglück leid, das allgemeine wie Euer persönliches Unglück, wie es nicht anders möglich ist. Könnten wir Euch doch hilfreiche Hand bieten! Nun bleibt uns nur übrig, Euch zu ermahnen, dass Ihr in der Bezeugung Eurer christlichen Wahrhaftigkeit fortfahrt bis ans Ende. Seliger ist Eure Lage, - so elend sie auch sein mag, - als wenn Ihr Posten und Titel behieltet, wo Gottes Sohn auswandern musste.

Freilich werden wir es bald spüren, dass, der im Himmel regiert, auch auf Erden seine Macht zeigen will. Wir müssen unterdessen zum Kriegsdienst bereit sein, da die Zeit zum Triumphieren noch nicht gekommen ist. Lebt wohl, beste trefflichste Brüder. Der Herr Jesus sei mit Euch, er tröste Euch und mache Euch stark zum heiligen Ausharren.

Genf, 16. Januar 1549.

Eure mit Euch im Herrn verbundenen Brüder

Die Diener der Kirche zu Genf

In aller Namen: J. Calvin.

 

Nr. 254 - An Viret in Lausanne.

 

Weggelassen sind ein paar Sätze über eine bevorstehende Synode in Bern.

Von Farels Übereifer.

Gestern nach dem Abendessen wurde mir Toussaints Brief gebracht. Er griff mein Gemüt so an, dass ich ein sehr schweres Kopfweh bekam. Doch ich habe in aller Eile heute früh geantwortet, weil Toussaint bat, man möge den Boten rasch entlassen. An Euch ist es nun, Abschriften davon herstellen zu lassen und sie den einzelnen Pfarrklassen zu senden. Wir wagten nicht, Euch dieser Mühe zu überheben, damit wir nicht wieder der Anmaßung einer neuen Machtstellung geziehen werden; weil ja unsere Gegner alles wenigstens benagen, wenn sie nicht beißen können. Zugleich erhältst du hier einen Brief unseres lieben Farel, der wieder in uns dringt, wir möchten ihm raten, wozu er wohl Haller mahnen solle. Aber der gute Mann ist wieder nach seiner Art übereifrig. Irgendjemand hat ihm erzählt, von Etienne, Fontaine, Charles [Damont], Maigret und jener ganzen Partei werde mit aller Religion Spott getrieben.

Er wundert sich, dass wir nichts täten; als ob in unserer Hand die Heilung läge! Und jetzt hat er an Haller die ganze Geschichte als Tatsache berichtet. So willig ich ihn auf diese gefährlichen Menschen heftig schelten lasse, so glaube ich doch, wir dürfen ihm nicht soweit nachgeben, dass wir um nichts unsere Glaubwürdigkeit gefährden lassen. –

Lebwohl, liebster Bruder im Herrn, samt deiner Frau, der du viele Grüße von der meinigen ausrichten kannst. Grüße auch alle Brüder angelegentlich.

16. Januar 1549.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 255 - An Bullinger in Zürich.

 

Zur Anbahnung einer Einigung unter den Schweizer Theologen hatte ein Austausch von Thesen über das Abendmahl stattgefunden. Pfarrer Lecomte (Comes) in Grandson wurde von Calvin mehrfach der Briefunterschlagung beschuldigt. Der von Konstanz vertriebene Blaurer und Müslin (Musculus) von Ulm, beide z. Z. in Zürich, sollten nach Bern berufen werden.

Offene Aussprache mit Bullinger.

Drei Tage bevor dein zweiter Brief ankam, erhielt ich auch den ersten, den ich verloren glaubte. Denn als der Mann von Hoppers zweiter Schwester von Lecomte dessen Brief verlangte, sah er auch das andere Bündel und legte gleich die Hand darauf. Lecomte wagte nicht, es ihm zu entreißen, sei es aus Scham oder einem andern Grund. Deine Bemerkungen habe ich gelesen und daraus ersehen, was du an unserer Lehrart anders wünschst. Ich habe versucht, dir in Kürze genug zu tun, weil die Sache selbst ja keiner langen Auseinandersetzung bedarf. Was ich erreicht habe, wird mir deine Antwort zeigen. Nicht mit Unrecht möchte ich vor allem das bei dir durchsetzen, dass du keinen falschen Verdacht hegst. Denn in manchen Punkten, die sonst gar keine Schwierigkeit böten, sehe ich, dass du dich umsonst bemühst, bloß, weil du meist meine Ansichten anders wendest, als sie gemeint sind. Das ist die Folge deiner vorgefassten Meinung über mich, dass du mir Dinge andichtest, die mir nie in den Sinn kamen. Außerdem bist du so ganz darauf bedacht, deine Ansichten, sie mögen sein, wie sie wollen, bis aufs Äußerste festzuhalten, dass du mehr darauf schaust, ob etwas mit ihnen übereinstimmt, als ob es wahr ist. Wenn du Gefallen hast an der Einfachheit, - mir macht gewiss geziertes, umständliches Wesen auch kein Vergnügen. Wenn du ein freies Heraussagen der wahren Meinung liebst, - mir lag es nie im Sinn, was ich geschrieben habe, um Menschengunst willen zu ändern. Wenn manche Luther und anderen geschmeichelt haben, - ich gehörte nicht zu ihnen. Das weiß der liebe Müslin, dass, wo mutige Leute sich gefürchtet haben, ich stets meine Freiheit wahrte. Wenn bisher nicht grundloses Misstrauen im Wege gestanden hätte, so wäre schon längst nichts oder ganz wenig mehr zwischen uns strittig. Freilich bin ich manchmal anderer Meinung als Ihr, aber so, dass mein Herz Euch dadurch durchaus nicht entfremdet wird, wie ich auch mit Butzer so Freundschaft halte, dass ich in aller Freiheit manchmal anders denke als er. Jedenfalls ist das Wort in deinem Briefe zu hart, es werde alles gut werden, sobald Ihr einmal merket, dass man Euch nicht mehr für Feinde halte. Wie du zu dieser Vermutung kommst, weiß ich nicht. Das aber weiß ich, dass ich von Euch nur freundschaftlich denke und rede. Das ist auch den meisten bekannt, die mich haben reden hören. Es ist ja möglich, dass ich in meinen Privatbriefen an Freunde etwa einmal etwas getadelt habe, oder wenn sie etwas tadelten, ihrem Tadel das Recht nicht absprach.

Doch stets war auch ein Lob dabei, das der Sache die Schärfe nahm und Zeugnis ablegte für meine wahre Gesinnung. Mögen andere urteilen, wie sie wollen, mich reut meine Ehrlichkeit niemals.

Wenn der Herr Blaurer das ihm angetragene Amt übernimmt und Müslin als Professor der Theologie berufen wird, so kann ich nicht nur der Berner Kirche Glück wünschen, sondern so hoffe ich auch, es werde ein Band zu engerer Verbindung unter uns sein. Wenn es dir passt, so möchte ich dich bitten, mir von Euren Verhältnissen Bericht zu geben. Meine Kommentare zu den fünf Paulusbriefen hättest du längst erhalten, hätte ich nicht geglaubt, sie seien bei Euch im Handel zu haben. Weil aber nur selten Boten von hier nach Zürich gehen, so fürchtete ich, die Frachtkosten kämen für dich höher als der Kaufpreis. Ich sende nun den zum zweiten Korintherbrief und die vier folgenden. Zu Titus und den beiden Thessalonicherbriefen habe ich nichts herausgegeben. Ich schicke auch meine Antwort [aufs Interim], die Brenz sehr gefällt, was ich dir nicht anführe, um mich zu rühmen, sondern nur, damit du daraus den Schluss ziehen kannst, wie viel gemäßigter er jetzt in der Sakramentslehre ist als früher. Lebwohl, hochberühmter Mann und liebster Bruder im Herrn.

Der Herr Jesus leite stets dich und deine Kollegen, die ich dich alle von mir angelegentlich zu grüßen bitte. Meine Kollegen lassen dich ihrerseits grüßen, und einer von ihnen, des Gallars, überreicht dir ein kürzlich von ihm verfasstes Büchlein. Herrn Müslin und den andern frommen Brüdern viele Grüße.

Genf, 21. Januar 1549.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 256 - An die Pfarrer von Montbeliard.

 

Vgl. 253. Toussaint war in Montbeliard des Interims wegen als Pfarrer abgesetzt, doch wünschte Herzog Christoph, er möge seine Lehrtätigkeit beibehalten.

Lehramt und Pfarramt.

Auf die Frage, die uns von dem treuen Knecht Christi, unserm lieben Amtsbruder Pierre Toussaint, vorgelegt wurde, haben wir nach gebührender Anrufung des heiligen Geistes folgende Antwort beschlossen. Erstlich sehen wir zwei Gründe, die Toussaint zur Auswanderung bewegen könnten. Denn weil ihm die Verwaltung der Sakramente, die doch ein Teil des Amtes ist, das er bisher in der Kirche zu Montbeliard bekleidet hat, genommen worden ist, so kann er als abgesetzt gelten. Da ferner die übrigen Brüder, seine bisherigen Kollegen, entlassen worden sind, muss er fürchten, durch das Behalten der Lehrstelle vielen Ärgernis zu bereiten, als ob er sich von denen trennte, die gemeinsam berufen waren, und es werden es viele so auslegen, als sorge er mehr für seine persönlichen Verhältnisse, als für das gemeine Wohl der Kirche. Als nun vor Monatsfrist alle Brüder [von Montbeliard] um Rat fragten, was sie tun sollten, antworteten wir folgendermaßen: „Wenn auch der ein Verräter ist, der willig weicht und seinen Posten verlässt, so ist es andrerseits doch nicht unsere Pflicht, Widerstand zu leisten, wo man uns zwingt, wenn uns nicht etwa die Gemeinde besonders aufforderte, es zu wagen. Eure Lage ist nun aber ganz anders. Solange Ihr Hirten waret, fehlte Eurer Herde Eure tätige Fürsorge nie. Jetzt, da es keinen Nutzen hätte, länger auszuharren, und Eure Schafe selbst, denen Ihr verpflichtet waret, es nicht einmal für nützlich halten, dass Ihr weiterhin widersteht, seid Ihr Eurer Pflicht entbunden.“ Wird die hier angeführte Ausnahme angenommen, so ist die erste Schwierigkeit gelöst. Denn Toussaints Weiterwirken wird gewünscht, sowohl von dem durchlauchtigsten Herzog Christoph, als vom Volk selbst.

Also so lange er eine Gemeinde hat, der er nützen kann, handelt er allem Anschein nach nicht richtig und pflichtgemäß, wenn er sie verlässt. Wenn er festgehalten würde unter der Bedingung, er müsse die Freiheit, rein und ehrlich zu lehren, durch irgendwelches sündige Paktieren einschränken, wie es viele getan haben, so wäre es hundertmal besser, zu sterben, als die Lehrstelle um solchen Preis zu erkaufen. Doch nun, da ihm vollständige Freiheit geboten wird, Christum zu bekennen, besteht kein Grund, sich der Forderung zu entziehen.

Wenn ihm nun ein Teil seines Amtes genommen wird, so ist das zwar recht schmerzlich, aber deshalb ist er doch nicht ganz seiner Verpflichtung gegen die Kirche entbunden, denn er ist ja nicht ganz von seinem Amte abgesetzt. Denn wenn er das Pfarramt nun auch nicht in jeder Beziehung ausüben kann, so ist es doch noch viel, wenn er das Lehramt noch hat. Und da ja die Sakramente gleichsam nur zum Worte hinzutreten, so wäre es doch widersinnig, wollte man auch das Wort, das doch die Hauptsache ist, von sich werfen, wenn sie weggenommen sind. Also ist die Meinung unserer verehrten Brüder, der Pfarrer der Kirche zu Straßburg, ganz richtig, dass die Kirche zeitweilig durch das Wort allein, auch ohne die Sakramente, erhalten werden könne. Wenn Toussaint bisher gar keine Beziehung zur Kirche von Montbeliard gehabt hätte, so wäre es sogar recht wünschenswert für sie, wenn er zu freiem Lehren, aber noch nicht zur Sakramentsverwaltung zugelassen würde. Jetzt, da die Macht der Finsternis so stark geworden ist, dass der Satan durch seine Diener unserm Bruder entreißt, was er durch Christi Wohltat inne hatte, was bleibt da anders übrig, als zu jenen ersten Schritten zurückzukehren und dem bloßen Lehren und Ermahnen sich treulich zu widmen, bis der Herr wieder aufrichtet, was jetzt zusammengebrochen ist? Als vor Zeiten durch die Wut der Tyrannen die heiligen Hirten aus ihren Gemeinden verjagt wurden, besuchten sie sie heimlich, zuweilen sogar als Soldaten verkleidet, wie uns Eusebius berichtet. Deshalb ist die Möglichkeit, die Toussaint geboten wird, noch weniger zu verachten, dass er denen, deren Pfarrer er bisher war, nun als Lehrer diene. So tritt er ein Gott wohlgefälliges und der Kirche nützliches Amt an, auch wenn ihm die Hälfte seiner bisherigen Amtstätigkeit genommen ist.

Darauf weist ja auch das Beispiel der Propheten hin, die, als der Tempel in Trümmern lag und der Opferkult zeitweilig unmöglich war, doch ihre Lehrtätigkeit auszuüben fortfuhren. Wohl war das ihre Klage: Wie sollten wir des Herrn Lied singen im fremden Lande? [Psalm 137, 4]; aber indem sie dem Volke dieses Lied dichteten, übten sie ihr Lehramt aus. Ebenso darf ein Pfarrer, wenn ihm gewaltsam der Sakramentsgebrauch geraubt wird, durchaus seinen Posten nicht verlassen und sein Lehramt wegwerfen; vielmehr muss er ganz besonders darauf dringen und gewissermaßen seinen Eifer und Fleiß in der Lehrtätigkeit verdoppeln, wenns geht. So ist unser Beschluss: Da Toussaint die Sakramentsverwaltung zwar entzogen wird, der durchlauchtigste Herzog ihm aber eine Lehrstelle anbietet und das Volk sein Weiterwirken wünscht, so ist seine Entlassung nicht der Art, dass er dadurch seiner Pflicht entbunden würde, da er seinem Lehramt sich widmen muss, solange er Freiheit hat, die reine Lehre zu verkünden. Das halten wir nicht allein für ratsam, sondern für durchaus notwendig, wenn er sich nicht der Berufung von Gott, der er bisher gehorcht hat, entziehen will. Da wir fest überzeugt sind, dass er das herzlich verabscheut, so hegen wir die Zuversicht, es werde nicht schwer sein, ihn zum Bleiben zu bewegen.

Da er nun weiterhin fürchtet, die Böswilligen möchten behaupten, er lasse sich eher aus Sorge für seinen Bauch, als aus Eifer um die Erbauung der Kirche festhalten, so muss gewiss diesem Verdacht, so viel an uns liegt, eifrig vorgebeugt werden. Wenn ihn aber das heilige Band seiner rechtmäßigen Berufung festhält, wie wir glauben, so mag die Meinung der Menschen sein, wie sie will: er muss tapfer weiterwandeln in dem was nach seiner Meinung Gottes Wille ist. Wir erfahren ja auch zur Genüge, wie groß die Undankbarkeit unseres Geschlechtes ist. Freilich haben alle Knechte Gottes das Missgeschick erleben müssen, dass sie für das Gute, das sie taten, Böses hören mussten. Aber heute herrscht dieses Laster mehr als je. So darf auch unser Bruder Toussaint nicht erwarten, dass allen gefalle, was er in noch so großer Frömmigkeit unternähme, auch wenn er keine Todesgefahr scheute. Es gibt immer feige, nichtsnutzige Leute, die die Langeweile ihres Müßiggangs mit Verlästerung anderer totschlagen. Auch trennt sich Toussaint, wenn er die ihm angebotene Gelegenheit zur Erbauung der Kirche nicht abweist, keineswegs von seinen Brüdern, denen diese Gelegenheit genommen ist. Vielmehr müssen eher die Brüder ihn ermahnen, was noch übrig ist an Licht, nicht durch seine Schuld erlöschen zu lassen. Das steht den Knechten Christi wohl an, dass sie, wenn ihnen der Mund verschlossen wird, in jeder Weise danach trachten und das erstreben, dass die reine evangelische Lehre durch die Zungen anderer tönt und durch deren Stimme ihr Schweigen gleichsam wettgemacht wird. Nun bitten wir Gott, wie wir unserm Bruder Toussaint treulich geraten haben, was nach unserer Ansicht zum Wohl der Kirche dient, so möge auch er ihn stärken, mutig in den Kampf zu gehen, der ihm bevorsteht. Wir wundern uns nicht, wenn der fromme Mann bei so schwierigen Verhältnissen ratlos ist. Wir wundern uns auch nicht, wenn bei diesem plötzlichen Zusammenbruch der Kirche verschiedene Gedanken ihn beunruhigen. Wir wundern uns schließlich auch nicht, wenn in dieser bösen Zeit und unter diesem verkehrten, bösen Geschlecht ihm die Überlegung heiß und kalt macht, da er alle zufrieden stellen möchte. Aber wir wünschen ihm vor allem dazu herzlich Glück, dass er alle seine Gedanken, alle seine Pläne auf das eine Ziel hin richtet, Gott zu gehorchen und sich ganz seiner Kirche zu widmen. Das ist eine außerordentliche Gabe Gottes, dass er nichts anderes ins Auge fasst und wünscht, als für ein ruhiges, gutes Gewissen zu sorgen. Dass er nun, seinem eigenen Urteil misstrauend, sich vom Rat der Brüder leiten lassen wollte, darin bewundern wir seine fromme Bescheidenheit, wie sichs gebührt. Und wir sind gewiss bei diesem Rat nichts anderm nachgegangen, als was der Herr durch seinen Geist und sein Wort gebietet; wie wir ihn auch gebeten haben, er möge unser Herz und unsern Mund recht leiten. Auch Toussaint wird nun, wie wir hoffen, keine Frucht der Bescheidenheit ernten, die ihn reuen müsste, indem er seiner Berufung sicherer geworden ist und besser ausgerüstet zum Ertragen irgendwelcher Angriffe; denn im Vertrauen auf das Urteil frommer Leute wird er für die Verleumdungen der Bösen weniger empfindlich sein. Den Schwachen ist sicher damit genug getan, wenn sie hören, er sei in seiner Gemeinde geblieben, weil er dem Rat seiner Brüder nachgegeben habe. Außer der Rücksicht auf die Kirche hat uns auch die Frömmigkeit des tapferen Fürsten zu unserm Rat veranlasst, den wir so eifrig sehen, nichts zu unterlassen, um doch wenigstens etwas vom Reiche Christi in seinem Herzogtum unversehrt zu erhalten. Dieser heldenhaften Hochherzigkeit, die ihm vom Himmel verliehen ist, mit aller Kraft beizustehen, ist Toussaints Pflicht. Wir hoffen, der Segen Gottes werde sich bald durch alle Hindernisse einen Weg bahnen, ein so edles Beginnen zu fördern, dass es schließlich nicht ohne Erfolg bleibe.

Genf, 19. Februar 1549.

 

Nr. 257 - An Viret in Lausanne.

 

In Bern stand eine Synode bevor. Haupttraktanden waren die Abendmahlsfrage, zu der Calvin und seine Freunde ein Bekenntnis eingereicht hatten, und die Zensur einiger Pfarrer wegen Verstößen in Lehre und Leben. Der Genfer Pfarrer Ferron war wegen eines unsittlichen Verhältnisses in Anklage.

Von der Synode in Bern.

Über unsere Bekenntnisschrift rede, wie es unter uns abgemacht ist. Wird sie Jodocus Kilchmeier zuerst vorgelesen, so lass ihn wissen, dass diese Ehre ihm in meinem Auftrag zuteil wird. Er fühlt sich dann vielleicht etwas geschmeichelt. Die Namen derjenigen, die strenger zurechtzuweisen sind, habe ich Haller nicht geschrieben. Denn du weiß sie am besten und kannst ihm besser auseinandersetzen, was wir hauptsächlich wünschen. Marcourt hat sich gerühmt, er bringe eine Anklageschrift an die Synode, in der er gegen mich für die Heilsnotwendigkeit der Taufe donnert. Es ist nichts besser, als wenn das ans Licht gezogen wird. Denn unsere Sache wird sicher Beifall finden, die seine aber steht schlimmer als bös.

Dringe also darauf, dass er in die Falle geht, oder wenigstens den Lohn bekommt, den er für seine Dummheit und Aufdringlichkeit verdient. Wie es mit Ferron ausgeht, weiß man nicht.

Weil er sich noch nicht gerechtfertigt hat, schien es besser, ihn nicht mit unterschreiben zu lassen. Lebwohl, bester Bruder und Freund. Der Herr Jesus leite Euch. Grüße die Brüder und deine Frau angelegentlich. Die meine lässt grüßen. Grüße auch die Freunde in Bern. Wie wärs, wenn du [dem Stadtschreiber] Giron unser Bekenntnis zuerst zeigtest? Wenn es ihm gefällt, so ist uns sein Urteil und seine Stimme bei vielen eine gute Hilfe.

Genf, 14. März.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 258 - An Pfarrer Hans Haller in Bern.

 

Bern als Asyl der Gegner Calvins.

Darauf möchte ich dich aufmerksam machen, dass alle Böswilligen, sobald sie in Bedrängnis kommen, [zu Euch] als in eine allen gemeinsame Zufluchtsstätte fliehen, um zu ihrer Verteidigung Anschuldigungen vorzubringen, die dazu erfunden sind, uns verhasst zu machen. Damit nicht zufrieden, widerstreben sie auch, wenn niemand sie belästigt, unaufhörlich meiner Wirksamkeit, die doch, nach aller Guten Urteil, der Kirche Gottes nur von Nutzen ist. Meinetwegen wäre es ihnen ja gern erlaubt, mich ungestraft zu verlästern, denn es ist nichts besser, als das Bellen solcher Hunde zu verachten. Aber von Euch muss solche Frechheit im Zaum gehalten werden. Nun ist da ein gewisser Marcourt, ein Mensch von ganz unruhigem Wesen, oder, um einmal die Wahrheit zu sagen, ein Verrückter, der sich nun rühmt, er wolle irgendeine Erklärung gegen mich vorbringen, weil ich geschrieben habe, die Verheißung Gottes genüge zum Seelenheil der Christenkinder, wo die Taufe unmöglich sei. Er aber behauptet, die symbolische Handlung sei heilsnotwendig, und zwar so sehr, dass die Verheißung an sich nichts nütze. Ohne Zweifel erkennst du es als deine Pflicht an, derartig aufdringliche Dummköpfe zur Ordnung zu bringen. Wenn weiterhin, um meine persönlichen Angelegenheiten bei Seite zu lassen, in der Bestrafung der lasterhaften Pfarrer nicht strengere Zucht angewendet wird, so wird bald der ganze Stand in bösem Wahnsinn entbrennen, so dass keine Rettung mehr ist. Ich möchte dir das also ernstlich einprägen, damit wir wenigstens einen kleinen Versuch dazu zu spüren bekommen. Lebwohl.

Genf, 14. März 1549.

 

Nr. 259 - An Farel in Neuchatel.

 

Am 29. März 1549 starb Idelette nach langer Krankheit; von ihren Kindern aus erster Ehe lebte ein Sohn in Deutschland (vgl. 142), ein Töchterlein Judith bei ihr in Genf.

Von Idelettens Tod.

Der Bericht vom Tode meiner Frau ist vielleicht schon bis zu Euch gedrungen. Ich strenge mich an, so sehr ich kann, dass mich das Leid nicht ganz erdrückt. Auch die Freunde sind da und tun alles Mögliche, den bittern Gram meines Herzens etwas zu lindern. Als dein Bruder von hier abreiste, hatten wir schon fast keine Hoffnung mehr für ihr Leben. Als am Dienstag alle Brüder da waren, hielten sie es für das beste, gemeinsam miteinander zu beten. Es geschah. Als Abel sie in aller Namen ermahnte zum Glauben und zur Geduld, bezeugte sie in ein paar Worten (sie war schon recht schwach), wie ihr zu Mute sei. Auch ich schloss daran eine Aufmunterung, wie sie mir zu ihrer Lager zu passen schien, an. Da sie von ihren Kindern kein Wort geredet, fürchtete ich, sie möchte sich im Herzen um sie sorgen und sich scheuen, es zu sagen, und diese Sorge quäle sie vielleicht mehr als die Krankheit. So sagte ich zu ihr vor den Brüdern, ihre Kinder sollten mir am Herzen liegen, als ob es die meinen wären. Sie antwortete: „ich habe sie schon dem Herrn anempfohlen.“ Als ich nun sagte: „das hindert nicht, dass auch ich mein Teil an ihnen tun will“, erwiderte sie: „Wenn sie dem Herrn am Herzen liegen, so sind sie auch dir wohl empfohlen, das weiß ich.“ So groß war ihre Geistesstärke, dass sie bereits über der Welt zu stehen schien. An dem Tag, da sie ihre Seele dem Herrn übergab, sprach ihr unser Bruder Bourgoing gegen sechs Uhr mit frommen Worten zu; dabei tat sie einen Ausspruch, an dem alle merken konnten, dass ihr Herz bereits hoch über diese Welt sich aufgeschwungen hatte. Das waren ihre Worte: „O glorreich’ Auferstehn! O Gott Abrahams und aller unserer Väter, schon seit Jahrhunderten haben alle Gläubigen auf dich gehofft und keiner ist getäuscht worden: so harre denn auch ich deiner!“

Solche abgebrochenen Sätze stieß sie eher hervor, als dass sie sie sprach. Und das nicht etwa nach den Worten der andern, sondern wie die Gedanken ihr Herz bewegten, so bezeugte sie es in kurzen Worten, was sie bei sich dachte. Um sechs wurde ich von Hause fortgeholt. Nach sieben Uhr, als man sie ins andere Zimmer trug, begann gleich der Todeskampf. Als sie spürte, dass ihr gleich die Stimme versagen werde, flüsterte sie: „Beten, beten, betet alle für mich!“ Eben kam ich nach Hause. Sie konnte kein Wort mehr sprechen, doch zeigte ihre Miene die Bewegung ihres Herzens. Ich sprach zu ihr ein paar Worte von Christi Gnade, der Hoffnung des ewigen Lebens, vom Pilgerzelt dieses Lebens und der Heimkehr, dann nahm ich meine Zuflucht zum Gebet. Klaren Geistes hörte sie meinem Gebete zu und war aufmerksam auf meinen Zuspruch. Kurz vor acht Uhr gab sie still den Geist auf, so dass die Anwesenden den Übergang vom Leben zum Tod kaum merkten. Nun suche ich mein Leid so zu verwinden, dass ich keine Unterbrechung in meiner Amtstätigkeit erleide. Denn auch mit andern Kämpfen prüft mich der Herr neben dem allem. Lebwohl, bester Freund und Bruder; der Herr Jesus stärke dich mit seinem Geist, und auch mich in dieser Heimsuchung, die mich sicher ganz gebrochen hätte, hätte mir nicht vom Himmel her der die Hand gereicht, dessen Art es ist, die Gebeugten aufzurichten, die Schwachen zu stärken und den Müden wieder Kraft zu geben. Grüße alle Brüder und dein ganzes Haus.

Genf, 2. April.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 260 - An Viret in Lausanne.

 

Idelettens Frömmigkeit.

So furchtbar schwer mir auch der Tod meiner Frau war, so suche ich doch, so gut ich kann, meine Traurigkeit zu überwinden. Auch die Freunde tun ihre Pflicht eifrig. Zwar ich und sie kommen nicht so weit, als wir wünschen, aber schon das, was ich erreiche, hilft mir, ich kann nicht sagen wie viel. Du kennst die Empfindlichkeit oder besser Weichheit meines Herzens.

Deshalb, hätte ich mir nicht gewaltsam Mäßigung auferlegt, ich stünde nicht mehr aufrecht bis jetzt. Gewiss nicht klein ist die Ursache meines Schmerzes. Genommen ist mir die beste Lebensgefährtin! Wäre mir etwas Schlimmes widerfahren, sie hätte nicht nur willig Verbannung und Armut mit mir geteilt, sondern auch den Tod. Solange sie lebte, war sie mir auch eine treue Helferin in meinem Amt. Von ihr ist mir nie auch nur das geringste Hindernis in den Weg gelegt worden. Und wie sie nie für sich sorgte, so wollte sie mir auch während ihrer ganzen Krankheit nie wegen ihrer Kinder lästig werden. Weil ich fürchtete, es quäle sie doch in ihrem Herzen die drückende Sorge, so habe ich drei Tage vor ihrem Tod von mir aus einmal bemerkt, ich verspreche ihr, ich werde meine Pflicht an ihren Kindern nicht versäumen. Da erwiderte sie gleich: „Ich habe sie schon dem Herrn empfohlen.“ Als ich sagte, das sei kein Grund, dass sie die Kinder nicht auch meiner Fürsorge anvertraue, da antwortete sie: „Ich weiß wohl, dass du nicht vernachlässigst, was du dem Herrn empfohlen weißt.“ Erst gestern erfuhr ich, dass sie, als eine Frau in sie drang, über ihre Kinder mit mir zu sprechen, ausdrücklich sagte: „Das ist die Hauptsache, dass sie fromm und rein leben. Meinen Mann brauche ich nicht zu drängen, dass er sie in frommer Zucht und Gottesfurcht erzieht.

Sind sie fromm, so haben ich das feste Vertrauen, dass er ihnen von sich aus ein Vater ist; wären sie aber anders, so wären sie es ja nicht wert, dass ich ihn für sie bitte.“ Diese Geistesgröße gilt mir mehr, als hundert andere Empfehlungen. Für deinen freundlichen Trostbrief bin ich dir sehr dankbar. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Der Herr Jesus schütze und leite dich samt deiner Frau. Grüße sie und die Brüder vielmals von mir.

7. April 1549.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 261 - An Bullinger in Zürich.

 

Bullinger hatte Calvin geschrieben, dass einer dogmatischen Einigung auf ein schweizerisches Bekenntnis wenig mehr im Wege stehe; die Erneuerung des Bündnisses der Eidgenossen mit Frankreich lehnte Zürich ab, unter Hinweis auf 1. Kön. 22, den unglückseligen Bund Josaphats von Juda mit Ahab von Israel. Pharao Heinrich II. von Frankreich; die an seinem Hofe das Regiment hatten, sind die Guisen, Antiochus Karl V.

Calvins Verteidigung eines Bündnisses mit Frankreich.

Weil mir Zeitmangel nicht erlaubt, deinen Brief zu beantworten, so möchte ich dir nur bezeugen, das mir noch keiner von dir willkommener war, so dass er sogar nicht wenig dazu beitrug, meinen häuslichen Kummer zu lindern, der mich durch den Tod meiner Frau kurz vorher überfallen und gar sehr geängstigt hatte. Denn es freut mich sehr, dass nun nichts oder doch nur verschwindend wenig mehr übrig ist, worüber wir uns nicht auch im Wortlaut einigen können. Wenn du es für gut hältst, weigere ich mich gewiss nicht, eigens dazu nach Zürich zu kommen, damit du die ganze Gesinnung meines Herzens noch besser kennen lernst.

Und an mir soll es nie liegen, wenn wir uns nicht zu einem dauernden Frieden zusammenfinden, so dass wir alle auch im selben Wortlaut Christum bekennen.

Aber jetzt veranlasst mich ein anderer Grund, dir zu schreiben. Du deutest in gewissem Sinn an, was Euch von dem Bündnis mit Frankreich abhält. Mit Recht, das gebe ich zu, schreckt fromme Leute das Beispiel Josaphats ab, der zum Unheil seines Reiches sich durch Bündnis mit dem gottlosen Reich verknüpfte. Doch lege ich das so aus, dass er nicht deshalb gestraft wurde, weil er ein Bündnis schloss mit dem König von Israel, sondern weil er eine böse, ungerechte Sache auf sich nahm, um den Eroberungsgelüsten seines Alliierten zu Gefallen zu sein. Den trieb sein Ehrgeiz, die Syrer weiterhin anzugreifen. Josaphat ließ sich verleiten, tollkühn zu den Waffen zu greifen. Kommt dazu, dass beide, trotz Gottes ausdrücklichem Verbot durch den Propheten Micha, trotzig dahinfuhren. So ist dieses Beispiel mir nicht dafür beweiskräftig, dass jedes Bündnis mit Gottlosen unerlaubt sei. Ich sehe, dass den Abraham kein religiöses Bedenken hindert, mit Abimelech Freundschaft zu schließen [1. Mose 21, 22 ff.]. Ich sehe Isaak, David und andere dasselbe tun, ohne dass es getadelt oder gestraft wird.

Zwar das finde ich auch, Bündnisse dieser Art sind durchaus nicht erstrebenswert, weil immer irgendwelche Gefahr dabei ist. Aber wenn uns ein guter Grund dazu treibt, ja eigentlich dazu zwingt, so sehe ich nicht ein, warum man es durchaus verabscheuen müsste. Dieses Bündnis nun gerade, um das es sich eben handelt, fürchte ich so sehr, dass ich der Ansicht wäre, man müsse es durchaus vermeiden, wenn mich nicht die gegenwärtigen politischen Verhältnisse zur entgegen gesetzten Ansicht zwängen. Ihr habt es mit einem erklärten Feinde Christi zu tun, der Tag für Tag unsere Brüder wütend verfolgt. Wer uns samt Christo ausgerottet sehen möchte, verdient allerdings wenig Vertrauen. Widersinnig ists, wenn wir Freundschaft schließen mit dem, der Krieg führt gegen alle Knechte Christi miteinander, wenn wir die Hand als Freundeshand ergreifen, die von unschuldigem Blute trieft. Gewiss möchte ich nichts abgeschlossen sehen, ohne dass namentlich und ausdrücklich für die frommen Brüder Schonung verlangt wird. Denn eben wüten seine Statthalter mit unerhörter Grausamkeit überall gegen sie. Dazu kommt noch die Befürchtung eines Krieges gegen England. Das hielte ich nämlich für Sünde, wollten wir unsere Hilfe ihm bieten zur Bekämpfung eines Reiches, in dem man Christo dient. Und auch allein die Ungerechtigkeit des Vorwands ist schon ein Hindernis. Andrerseits wiederum, wenn ich bei mir überlege, wie schlimm unsere Verhältnisse liegen, welch weiteres Unheil uns noch droht, das geradezu eine vollständige Verwüstung der Kirche herbeiführen müsste, so fürchte ich, man könnte es mehr einer sträflichen Sicherheit als dem frommen Gottvertrauen zuschreiben, wenn wir Hilfskräfte außer acht lassen, die [wenn auch nicht erwünscht] doch erlaubt sind. Freilich ist mir das auch nicht verborgen, dass Gottes mächtige Hilfe uns dann am nächsten ist, wenn alle Menschenmacht versagt. Ich weiß auch wohl, dass nichts schwerer ist, als wenn irgendwo ein Schatten Ägyptens sich zeigt [Jes. 30, 2] nicht darauf die Augen zu richten, die doch immer zu ihrem eigenen Schaden in der Irre gehen, wenn sie sich nicht fest auf Gott allein richten.

So ist denn dieser Gefahr mit Eifer entgegenzutreten. Dabei müssen wir uns aber doch in acht nehmen, dass wir nicht in unsern Nöten eine Hilfe abweisen, die wir annehmen könnten, ohne Gott zu beleidigen, und dann zu unserm Schaden erfahren müssen, dass wir allzu sicher waren. Das fürchte ich am meisten, dass unser Pharao, wenn er alle Hoffnung auf Freundschaft mit uns scheitern sieht, sich dem Antiochus wieder nähert. So schwerwiegend die Ursachen ihres Zwistes sein mögen, so ist doch dieser letztere ein wunderbarer Künstler im Aussinnen solcher Machinationen. Und die Leute, die heute an unserm Hofe das Regiment haben, wünschen nichts mehr, als den Sinn des jungen, unerfahrenen und wenig mutigen Königs zur Annahme des Friedens unter jeder Bedingung zu bewegen. Sicher wirft er sich, wenn er nicht [von uns] etwas erreicht, ihm bald ganz in die Arme, und es wird nicht an Leuten fehlen, die ihn dazu drängen. Wären nur bei uns keine, die sich und uns dem Antiochus verkauften, wenn sich dazu Gelegenheit böte! Was dieser dann aber unternähme [gegen uns], würde er nicht nur mit Zustimmung [des französischen Königs], sondern sogar mit seiner Hilfe tun können, weil dieser damit die erlittene Zurückweisung [seiner Freundschaft] rächen zu können meinte. Unterdessen würde dann in Frankreich selbst die grausamste Verfolgung überall entbrennen. Denn nach Weiberart würde er seine Wut anderswo auslassen. Wir müssen auch dieser Stadt [Genf] Rechnung tragen, und zwar nicht in letzter Linie. Wollte ich nur für mein Leben oder für meine eignen Verhältnisse Sorge tragen, so könnte ich gleich anderswohin gehen. Aber wenn ich erwäge, wie wichtig dieser Weltwinkel zur Ausbreitung des Reiches Christi ist, so bin ich wohl mit Recht darauf bedacht, ihn zu schützen. In gewissem Sinn steht auch Euer Nutzen und Eure Ruhe auf dem Spiel. Wo könnte den schlecht beratenen Mann die Verzweiflung nicht hintreiben, wenn er Euch entfremdet wird? Glaubst du etwa, es gäbe bei uns keine Leute, die teils aus Unruhe und Umsturzgedanken, teils aus Ehrgeiz ihm die Hand böten? Besonders aber, so oft ich an die armen Brüder denke, die unter dieser grausamen Tyrannei schmachten, wird mein Herz weich und neigt sich zu dem Vorgehen, das am ehesten zur Erleichterung ihres Loses etwas nützen kann. Es ist leicht zu sehen, gegen wen dann die Wut des Tyrannen sich wenden wird, wenn er sich verachtet und zurückgestoßen sieht, wie viel mehr Freiheit dann die Bösen bekommen werden, die Unschuldigen zu plagen. Kommt aber ein neues Bündnis zustande, so wird Pharao selbst für den Moment etwas milder gestimmt, und seine Henker werden weniger wagen, und ebenso wird in Zukunft die Möglichkeit offen gelassen, die Verfolgungsfeuer etwas zu dämpfen. Ich bitte und beschwöre dich also, lieber Bullinger, dies alles zu bedenken, solange es Zeit ist. Und wenn Eure Obrigkeit sich auf irgendwelche Verhandlung einlässt, so bestrebe dich und bewirke, dass sie auch an ihre Brüder in Frankreich denken, deren Lage so schwer und hart ist. Obwohl ich weiß, wie sehr dir ihr Wohl am Herzen liegt, und dass du bei jedem Anlass bereit bist, für sie zu sorgen, so wollte ich doch auch meine Pflicht nicht versäumen. Zwar ist die Verfolgungsleidenschaft so, dass sie sich jedenfalls kaum etwas Bestimmtes vorschreiben lassen wird. Aber ich hoffe doch, es sei zu erreichen, dass sie sich einige Mäßigung auferlegt.

Lebwohl, trefflicher Mann und hochverehrter Bruder im Herrn. Den Herren Theodor, Pellikan, Gwalther, Werdmüller und den anderen Kollegen viele Grüße. Auch meine Kollegen lassen grüßen, unter ihnen besonders des Gallars. Ich bitte den Herrn Jesus, er möge Euch leiten mit seinem Geist, Euch beistehen und Euer Wirken segnen. Für den Band Predigten, den mir Haller in deinem Namen schickte, danke ich dir herzlich.

7. Mai 1549.

 

Nr. 262 - An Farel in Neuchatel.

 

Farel hatte Calvin aufgefordert, nach Zürich zu reisen, um dort für Erneuerung des Bündnisses der Eidgenossen mit Frankreich zu arbeiten, oder aber, wenn er nur schreibe, ihm den Brief (vgl. 261) zu senden. Pharao der König von Frankreich. Perrin war als Gesandter in Bern gewesen, um den Eintritt Genfs in die Eidgenossenschaft zu bewirken. Laurent de Normandie und Francois Hotman waren französische Refugianten. Hotman, der auch später in der Politik eine Rolle spielte, ist wohl der Mann, dem Calvins Reise nach Zürich ein Gefallen gewesen wäre.

Diplomatisches.

Nach Empfang deines Briefes bin ich ängstlich mit mir zu Rate gegangen, was zu tun sei. Die Mühe der Reise scheute ich nicht. Das Geschwätz habe ich tapfer verachten gelernt. Aber sonst stand mir vieles im Wege. Ich kann keine längere Reise unternehmen, ohne dass vielerlei ausgestreut wird. Doch das wäre das mindeste. Aber was soll ich dem Rat für einen Vorwand angeben, um Urlaub zu erhalten? Es wäre ja leicht etwas zu finden, was als Grund für eine Reise von ein paar Tagen genügte; aber man müsste doch eine längere Zeit in Betracht ziehen. Mehr noch schreckt mich Bern ab. Denn unser Komödien-Cäsar hat sie dort bei seiner letzten Gesandtschaftsreise sehr aufgehetzt und, wie ich fürchte, uns eine böse Geschichte angerichtet. Sobald man nun dort hörte, ich reise dahin, wo du mich haben willst, was würden sie da leichter argwöhnen, als war wir wirklich im Sinn haben. Dazu weißt du, dass es hochmütige Geister sind, mit denen wir zu tun haben. Brieflich lassen sie sich vielleicht sanfter stimmen, wenns keiner sieht und weiß; aber meine Ankunft bei ihnen würde ihnen vielleicht törichte Furcht einjagen. Nun habe ich dir meinen Brief [an Bullinger] abschreiben lassen. Anders konnte ich nicht. Denn einem Manne, von dem feststeht, dass er dem Pharao untertan ist, durfte ich doch nicht den Gefallen tun! Damit der Brief sicher hinkommt, zeige [die Abschrift] niemandem, es sei denn, dass du einen besonderen Vorteil darin siehst. Ich antworte dir kurz, weil ich nach der Predigt gleich zum Essen ging und dann erst nach der Kinderlehre heimkam. Dann habe ich fast den ganzen übrigen Tag gebraucht, mir die Sache zu überlegen. Lebwohl, bester Bruder und Freund. Der Herr Jesus behüte dich und leite dich stets zur Erbauung seiner Kirche. Amen. Den Kollegen viele Grüße. Zeigt sich Euch eine Hoffnung auf mehr Erfolg, so will ich die Reise [nicht aufgeben, sondern] nur verschieben und mich bereithalten, auf deinen Befehl hin zu reisen. Herrn Merveilleux grüße von mir. Mein lieber Laurent und Francois lassen dich freundlich grüßen.

7. Mai 1549.

 

Nr. 263 - An den König Sigismund August von Polen.

 

Der Pole Florian Susliga hatte die reformierten Länder und Städte bereist und den Reformatoren von erfreulichen Fortschritten des Evangeliums in Polen berichtet.

Widmung des Kommentars zum Hebräerbrief.

Zu dem, dass heutzutage so viel alberne Menschen in planlosem Drauflosschreiben unerfahrene und unkritische Leser durch ihr Geschwätz belästigen, erlauchtester König, kommt noch der weitere Übelstand, dass sie ihren Unsinn auch noch königlichen oder fürstlichen Persönlichkeiten widmen, um zu seinem Aufputz oder seiner Verdeckung einigen Glanz zu erborgen. Dadurch machen sie aber nicht nur sonst heilige Namen gemein, sondern in gewisser Weise werden auch die mit solcher Widmung bedachten von ihrer Schande befleckt. Die zudringliche Frechheit solcher Leute nötigt wirklich ernste und ruhige Schriftsteller, sich zu entschuldigen, wenn sie ihre Werke großen Männern öffentlich widmen wollen, Werke, in denen doch so gar nichts der Entschuldigung Wertes steht, dass sie der Größe derer, denen sie gewidmet sind, vielmehr durchaus entsprechen.

Ich wollte das vorausschicken, damit es nicht den Anschein hat, als gehöre ich zu den Leuten, die im Vertrauen auf das Beispiel anderer sich erlauben, was trotz seiner Verkehrtheit gewöhnlich und allgemein geschieht, als ob es dadurch erlaubt wäre. Auch ist mir keineswegs entgangen, wie sehr es nach törichtem Selbstvertrauen aussieht, wenn ich, um von anderm ganz zu schweigen, ein Dir unbekannter, obskurer Mensch, es wage, Deine königliche Majestät anzusprechen. Aber wenn Du, o König, den Grund meines Vorhabens gehört hast und mein Tun billigst, so macht es mir keine große Sorge, wie andere darüber urteilen.

Wiewohl ich nämlich meine Kleinheit nicht vergesse und wohl weiß, welche Ehrfurcht Deiner Majestät gebührt, hat mir im Grund doch der Ruhm Deiner Frömmigkeit allein, der zu allen, die nach der wahren Lehre Christi streben, gedrungen ist, schon genügt, alle meine Furcht wegzunehmen.

Denn ich bringe Dir ein Geschenk, das zurückzuweisen Dir schon diese Deine Frömmigkeit nicht erlaubt. Denn da der Brief an die Hebräer eine reichhaltige Darstellung der ewigen Gottheit Christi, seines höchsten Lehramts und einzigartigen Priestertums enthält, also die Hauptstücke der himmlischen Weisheit, und ihre Erklärung so vorbringt, dass uns die ganze Wirksamkeit und Aufgabe Christi aufs Lebendigste ausgedrückt wird, so nimmt er in der Kirche mit Recht den Rang und die Ehre eines unvergleichlichen Schatzes ein. Dass er aber auch Dir, der Du einzig wünschest, dass Christus herrsche und geehrt werde, gelte, was er wert ist, daran zweifle ich nicht. Über seine Auslegung, die ich unternahm, will ich nichts weiter sagen, als dass ich darauf traue, Du werdest, wenn Du etwas davon erprobt hast, meinen treuen Fleiß loben. Aber wie ich mir nicht das Lob hoher Begabung und Gelehrsamkeit anmaßen will, so schäme ich mich doch auch nicht, wo es die Sachlage mit sich bringt, zu zeigen, was mir der Herr an Schriftverständnis verliehen hat, denn das heißt ja, sich nicht anders rühmen als in ihm. Wenn in mir irgendwie Fähigkeit ist, der Kirche Gottes in dieser Beziehung zu helfen, so habe ich mich bei dieser Arbeit besonders bemüht, davon eine Probe abzulegen. So hoffe ich, wie gesagt, mein Geschenk werde mich bei Deiner königlichen Majestät nicht nur genügend entschuldigen, sondern mir auch Deine Gunst erwerben.

Zu dieser Widmung hat mir Mut gemacht der hochedle Florian Susliga von Warschau, eine nicht unrühmliche Zierde des polnischen Adels. Seine Bitten vermochten um so mehr bei mir, als er sie nicht, wie viele, aus Ehrgeiz und unüberlegter Liebe zu seinem Vaterland entflammt an mich richtete, sondern, damit es Deiner königlichen Majestät in Deiner freiwilligen Neigung zur Aufrichtung des Reiches Christi, und sehr vielen, die in deinem Reiche leben und auch die Absicht haben, solches zu unternehmen, eine neue Aufmunterung sei. Du hast ein weites und berühmtes Königreich, ausgestattet mit mancher Schönheit. Aber das wird erst sein festes Glück begründen, wenn es Christum zum obersten Herrn und Leiter erwählt und sich so befestigt in seiner treuen Hut. Ihm dein Zepter unterzuordnen, ist Deiner hohen Stellung so wenig unrühmlich, dass es vielmehr weit ehrenvoller wäre als aller Triumph der Welt. Denn wenn schon unter den Menschen Dankbarkeit als die Tugend gilt, die einem großen, hohen Sinn eigen ist, was wäre da für Könige schmählicher, als wenn sie sich dem Sohne Gottes, von dem sie auf dem Gipfel der Ehre erhoben worden sind, undankbar erwiesen? Denn das ist nicht nur eine edle, sondern eine mehr als königliche Knechtschaft, die uns in den Rang der Engel erhebt, wenn Christus seinen Thron errichtet unter uns, so dass allein sein göttliches Wort Hohen und Niedern Lebens- und Sterbensregel ist. Denn wenn es auch heutzutage ein viel gebrauchtes und fast allen geläufiges Bekenntnis ist, man gehorche dem Befehl Christi, so sind doch sehr wenige, die den Gehorsam, dessen sie sich rühmen, wirklich üben.

Das kann nicht anders geschehen, als wenn das ganze religiöse Leben geordnet wird nach der sichern Vorschrift seiner heiligen Lehre. Da gibt’s aber nun wunderliche Kämpfe, da die Menschen nicht nur aus Hochmut, sondern geradezu von ungeheurem Wahnsinn ergriffen, die ewigen Gebote des himmlischen Lehrmeisters weniger hoch achten als ihre eiteln Erfindungen. Denn welche Vorwände die auch vorbringen, die zu unserer Bekämpfung sich dem Antichrist von Rom verdingen, der Quell aller Kämpfe, die seit mehr als dreißig Jahren die Kirche so stark erregen, ist doch das, dass sie, welche als die ersten unter den Jüngern Christi gelten wollen, sich nicht seiner Lehre zu unterwerfen vermögen. Soweit ist ihr Ehrgeiz und ihre Frechheit gegangen, dass Gottes Wahrheit unter unzähligen Lügen begraben liegt.

Was er eingesetzt hat, ist von den schmutzigen Entstellungen besudelt, sein Dienst in jeder Hinsicht verderbt, die Glaubenslehre ganz umgestürzt, das Kirchenregiment in wilde Tyrannei verwandelt; ein schändlicher Jahrmarkt wird mit allem, was heilig ist, getrieben, die Herrschaft Christi ist zu zügelloser Tyrannei der Gottlosen geworden, an Stelle des Christentums ist eine entsetzliche Entweihung aller Dinge, voll des krassesten Hohnes getreten. Will man nun all dem furchtbaren Übel entgegenwirken mit dem einen Mittel, nämlich dass man dem Sohn Gottes, der vom Himmel her redet, auf Erden Gehör schenkt, so stehen sofort alle die Riesen dagegen auf, die zwar nicht wie Atlas die Kirche auf ihren Schultern tragen, sondern nur einen Götzen, den sie sich gemacht, mit dem leeren Prunk hoher Titel in den Himmel heben. Das ist der Haupteinwand, den sie in ihrem scharfen Tadel gegen uns erheben, wir störten durch unsern Einspruch den Frieden der Kirche. Kommt es dann zur Untersuchung, so malen uns die genialen Künstler eine Kirche hin, die nach der ganzen Art ihrer Leitung Christo fern und fremd ist. Was ist das aber anderes, als ein frevelhafter, heiligtumsschänderischer Versuch, den Leib von seinem Haupt zu trennen?

Daraus erhellt, wie leichtsinnig bei vielen das Prahlen mit dem Christennamen ist; die Mehrzahl will nichts weniger, als sich von der reinen, evangelischen Lehre lenken lassen.

Dass Du nun erkennst, o König, dass zu einer vollständigen Wiedereinsetzung Christi in seinen Besitz ein ernstliches Ausfegen vieler abergläubischer Bräuche notwendig ist, das spricht für deine einzigartige Klugheit; dass Du es aber unternimmst und anfassest, was Du so richtig für nötig hältst, für eine Tapferkeit, wie sie sich selten findet. Dass Du von Gott nach dem Vorbild eines Hiskia oder Josia dazu bestimmt bist, die reine evangelische Lehre, die durch Satans List und der Menschen Treulosigkeit in aller Welt verderbt worden, in Bälde im Königreich Polen wiederherzustellen, dafür gibt manches allen Guten fast sichere Hoffnung.

Denn, - um von Deinen andern hervorragenden Eigenschaften zu schweigen, die selbst die Fremden preisen, die Bewohner deines Landes aber mit großem Segen spüren, - es hat sich bei Dir stets ein außerordentlicher Eifer, fromm zu werden, gezeigt, und jetzt leuchtet Deine Frömmigkeit selbst. Doch das ist die Hauptsache, dass Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, Deinen Geist erleuchtet hat mit dem Licht seines Evangeliums, so dass Du nun weißt, die wahre Weise zur Leitung der Kirche sei nirgends zu suchen als bei ihm, und erkennen kannst, welcher Unterschied besteht zwischen der echten Religionsform, die er gestiftet, und der erfundenen und entarteten, die später eingeführt worden ist. Denn auch Du siehst, wie verderbt und entstellt der Gottesdienst ist, weil an seine Stelle unzählige abergläubische Bräuche eingedrungen sind, wie die Gnade Christi unwürdig verdunkelt, die Kraft seines Todes vermindert, er selbst fast zerrissen und zerpflückt ist; durch die gründliche Zerstörung der Heilsgewissheit sind die Gewissen elendiglich, ja in entsetzlicher Weise geplagt und gequält worden; von dem wahren, rechten Beten zu Gott sind die armen Menschen auf die verschiedensten, verworrenen Umwege geführt worden; die Kirche ist von grausamer Tyrannei bedrückt; es ist kein Teilchen des Christentums unverfälscht übrig geblieben.

Es ist nun nicht glaublich, edelster König, dass Gott Dich umsonst mit solcher Kenntnis ausgerüstet hat, wenn er Dich nicht zu seinem Mitarbeiter zu großen Dingen erwählt hat.

Damit auch kein unschuldiges Blut frommer Märtyrer Strafe herabziehe auf das berühmte Königreich Polen und so sein großes Glück aufhalte, so ist es auch durch Gottes wunderbare Vorsehung geschehen, dass auch kein Tropfen solchen Blutes vergossen worden ist. So gnädig und mild war König Sigismund seligen Angedenkens, Deiner Majestät Vater, dass er, als die Verfolgungssucht fast alle Länder der christlichen Welt ergriffen hatte, reine Hände behielt. Ja, auch Dein Adel, und zwar die Besten unter Deinen Edeln, lassen sich nicht nur willig Christum verkündigen, sondern verlangen mit Sehnsucht nach ihm. Da sehe ich einen Johannes von Laski, aus vornehmem Grafengeschlecht, auch andern Völkern die Fackel [des Evangeliums] vorantragen. Um so unerträglicher ist die Frechheit Ecks, der sein Büchlein vom Messopfer dem König Sigismund, Deiner Majestät Vater, widmete und dadurch dem erlauchten Königreich Polen einen, soweit es daran beteiligt war, hässlichen Makel aufbrannte. Freilich ist das an diesem Silen nicht zu verwundern, der als Fürst aller Weinsäufer den Altar nicht weniger als den Abtritt zu bespeien pflegte. Wenn ich nun mit der Widmung meines Werkes an Deine Majestät auch nur das erreiche, dass vom Namen Polen dieser dreckige Eckische Schmutz weggewischt wird, damit er nicht mehr da haftet, wo er so schmachvoll hingespritzt wird, so meine ich schon nicht wenig erreicht zu haben.

Dazu war nun kaum ein anderes Buch aus der ganzen heiligen Schrift geeigneter [als gerade der Hebräerbrief]. Denn darin bemüht sich der Apostel hauptsächlich zu zeigen, dass, was Eck ein Opfer nennt, mit dem Priestertum Christi in offenem Widerspruch steht. Zwar wird die Messe nicht erwähnt; die hatte Satan damals noch nicht aus der Hölle hervor gespieen.

Aber wenn der Apostel die Kirche zufrieden sein heißt mit dem einmaligen Opfer, das Christus am Kreuze gebracht habe, so dass aller Opferkult nun dahinfalle, so schließt er doch damit allen neuen Erfindungen dieser Art die Tür. Der Apostel ruft: einmal ist Christus am Kreuz geopfert [Hebr. 9, 28]. Eck behauptet: dieses Opfer wird täglich wiederholt. Der Apostel verkündet: Allein Gottes Sohn war ein Priester, tauglich, sich Gott darzubringen, und darum ward er eingesetzt nach [Gottes] Eid [Hebr. 7, 28]. Eck sagt: Nein, das Priestertum bleibt nicht an seiner Person, und überträgt dies Amt auf gedungene Priester. Es ist mir aber nicht verborgen, mit welchen Haarspaltereien er sich über diese und ähnliche Beweisstellen lustig zu machen versucht. Doch ist nicht zu befürchten, dass er damit andere anführe als solche, die freiwillig blind sind oder das Licht scheuen. Freilich war er auch so trunken von renommistischem Übermut, dass er mehr Mühe darauf verwandte, sich selbst frech herauszustreichen, als genau zu beweisen. Ich will aber, um nicht fruchtlos einen toten Hund zu beschimpfen, jetzt nichts weiter sagen, als dass mein Kommentar auch dazu dienen soll, den Schmutzfleck, den jener Kerl in seinem Rausch durch das Hervorbringen seines schmutzigen Buches auf den Namen Polen gebracht hat, abzuwischen. Wer mein Buch lesen will, von dem braucht man nicht mehr zu fürchten, dass er sich in Ecks Falle fangen lasse.

Wenn ich nun durch die Widmung meines Werkes an Deine Majestät nicht nur Dir, o König, persönlich einen Beweis meiner Ergebenheit zeigen, sondern sie auch aller Welt bezeugen wollte, so bleibt mir nun nichts anderes mehr übrig, als Deine Majestät demütig zu bitten, diesen meinen Eifer nicht zu verschmähen. Wahrlich, wenn er Deinem frommen Wirken ein Sporn wird, so glaube ich, den größten Erfolg gehabt zu haben. Wohlan denn, hochherziger König, übernimm unter Christi Glück bringender Führung die Aufgabe, die Deiner hohen königlichen Stellung wie Deines persönlichen Heldenmutes würdig ist, damit die ewige Wahrheit Gottes, in der seine Ehre und der Menschen Seligkeit liegt, soweit Deine Herrschaft reicht, ihr Recht wiedererlange, das ihr der Antichrist entrissen hat. Groß ist die Aufgabe und so schwer, dass sie auch dem Mutigsten mit Recht Sorge und Angst macht. Aber erstens gibt’s keine Gefahr, der wir nicht mutig entgegengehen, keine Schwierigkeit, die wir nicht standhaft ertragen, keinen noch so großen Kampf, in den wir uns nicht unverzagt stürzen müssten um einer so wichtigen Sache willen. Sodann, weil es Gottes eigenes Werk ist, so dürfen wir nicht darauf allein schauen, wie weit unsere Menschenkraft reicht, vielmehr müssen wir seiner Kraft die Ehre geben, so dass wir im Vertrauen nicht nur auf seine Hilfe, sondern auf seine Führung wagen, was über unsere Kraft geht. Ich meine, die Schrift nimmt nicht grundlos überall das Amt, die Kirche zu gründen und zu erneuern, für Gott in Anspruch.

Denn ganz abgesehen davon, dass das eine schon an sich göttliche Sache ist, die alles Verständnis der Welt weit übersteigt, so sammelt, sobald irgendwo ein Anfang davon sich zeigt, der Satan all seine schädlichen Ränke zu Hauf, um weitern Fortschritt zu hemmen oder doch zu verzögern. Wir wissen aber, dass es dem Fürsten dieser Welt nie an unzähligen Trabanten fehlt, die bereit sind, sich ihm zum Kampf wider Christi Reich zu verdingen. Die einen stachelt ihr Ehrgeiz dazu, die andern treibt ihr Bauch. Uns plagen solche Kämpfe nach unsrer geringen Bedeutung nur mäßig; Deine Majestät wird ohne Zweifel weit größere Schwierigkeiten erfahren. So muss, wer sich anschickt, die Lehre der Seligkeit und das Heil der Kirche zu fördern, gewappnet sein mit unüberwindlicher Festigkeit. Da nun die Sache über Menschenkraft geht, so reicht er uns eben die Waffen vom Himmel her. An uns ist nur, die Verheißungen, die wir überall in der Schrift treffen, unserm Geiste einzuprägen: Der Herr, der selbst den Grund seiner Kirche gelegt hat, wird nicht dulden, dass sie zerstört bleibt, sondern wird dafür sorgen, dass die Trümmer gesammelt und wieder aufgebaut werden. Mit solchen Worten verheißt er uns, er wolle uns nie allein lassen bei unserm Werk. Denn, wie er nicht will, dass wir als müßige Zuschauer seiner Wundermacht dasitzen, so hilft er uns auch bei unsrer Hände Werk und zeigt durch seine gegenwärtige Hilfe klar genug, dass er der Hauptbaumeister ist. Ferner wollen wir es uns nicht verdrießen lassen, uns immer wieder daran zu erinnern, was er so oft nicht ohne Absicht wiederholt und uns einprägt, wie oft wir nämlich kämpfen müssen mit den Feinden, die uns stets feindselig angreifen. Denn wie gesagt, ihrer sind eine fast unendliche Menge und gar verschieden sind sie von Art. Aber eins genügt, uns reichlich Mut zu machen: wir haben einen Feldherrn, der so unbesieglich ist, dass, je mehr er angegriffen wird, desto mehr Sieg und Triumph trägt er davon.

Lebwohl, unbesiegbarer König. Der Herr Jesus leite Dich mit dem Geist der Klugheit und unterstütze Dich mit dem Geist der Stärke, mit aller Art Segen überschütte er dich, er erhalte deine Majestät lange blühend und behüte dein Reich. Amen.

Genf, 23. Mai 1549.

 

Nr. 264 - An Farel in Neuchatel.

 

„Die Gäste“ sind französische Refugianten. Gegen den Genfer Pfarrer Ferron (vgl. 257) hatten Calvin und seine Kollegen wegen Sittlichkeitsvergehen Absetzung beantragt; der Rat aber hatte ihn in seiner Stellung gelassen und eine Versöhnung angeordnet.

Die Refugianten in Genf.

Ich habe nichts Neues zu berichten, als dass wir viele neue Gäste bekommen haben, wie ich hoffte. Das wird dir nicht neu erscheinen, dass Ferron seine Stelle behalten hat, wozu ihm die Bösen halfen mit ihrem Schutz. Was er nun Schönes verspricht, hat für mich den gleichen Wert, wie wenn er sich als unsern bittersten Feind erklärte. Ich muss manche Schmach hinunterschlucken, weil ich nicht so viele fromme Seelen, die von mir Treue verlangen, einfach im Stich lassen will. Das sehen die wohl, die meine Geduld missbrauchen, und eben das macht sie so frech.

Übrigens sende ich Merveilleux die viereinhalb Kronen zurück, die ich noch habe von dem Geld, das er mir gab. Grüße ihn und alle Freunde von mir. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr Jesus lenke dich, sie mit dir und segne deinen Dienst allezeit. Amen.

Genf, am Tag vor Pfingsten [8. Juni 1549].

Meine Brüder und viele gute Leute lassen dich grüßen, besonders mein Bruder de Normandie.

 

Nr. 265 - An Lady Anna Seymour in England.

 

Lady Anna Stanhope, die Gattin des Herzogs von Somerset, hatte Calvin als Antwort auf sein Schreiben an den Herzog (vgl. 246) einen Ring geschenkt; er bedankt sich bei ihrer Tochter, der gelehrten Anna Seymour.

Dank für einen geschenkten Ring.

Da mir die erlauchteste Fürstin, deine Mutter, einen Ring zum Geschenk geschickt hat, als Zeichen ihres Wohlwollens gegen mich, und das getan hat ohne mein Verdienst, so wäre es ja geradezu unnatürlich, wollte ich nicht auch wenigstens durch ein Zeugnis meiner Ergebenheit meinen Dank erzeigen. Da mir nun aber wieder die Sprache, in der ich eigentlich das bei ihr selbst tun sollte, nicht geläufig ist, so schien mir nichts besser, als dich zu Hilfe zu rufen, edelstes Fräulein, da du durch deine Tugend nicht weniger berühmt bist als durch deine Abstammung. Denn da du vor allen andern die beste Vermittlerin meines Dankes bei deiner Mutter sein wirst, wirst du mir auch diesen Dienst in deiner außerordentlichen Frömmigkeit gerne tun, besonders da du jedenfalls weißt, dass es ihr nicht unlieb sein wird. Denn wie ich vermute, hast du aus ihren Reden schon gemerkt, wie freundlich sie mir gesinnt ist. Wenn also meine Bitten bei dir etwas vermögen, so möchte ich dich gar sehr gebeten haben, dass du es dich nicht verdrießen lassest, meinen untertänigen Gruß mit allen Ergebenheitsbezeugungen deiner Mutter auszurichten, damit sie wenigstens merkt, dass sie das Geschenk, dessen sie mich gewürdigt, keinem Undankbaren gegeben hat. Ich wage umso eher, dir dies anzuvertrauen, als ich gehört habe, du seiest nicht nur in allen edeln Wissenschaften hochgebildet (ein ungewöhnliches Ding bei einem Mädchen von deiner Stellung und deinem Rang), sondern auch so wohl unterrichtet in der Lehre Christi, dass du gern seinen Dienern Gehör schenkst. Dass ich zu diesen gehöre, anerkennst du ohne Zweifel.

Es bleibt mir nun nur noch übrig, dich zu ermuntern, weiter zu fahren in dem, was du so glücklich begonnen. Denn wenn du auch, wie ich höre, den guten Willen zur Genüge hast, und hoffentlich auch der Herr, der dir bisher Mut gegeben, dir Standhaftigkeit verleiht, auszuharren bis ans Ende, so wirst du doch, da bei so manchem Hindernis und Aufenthalt durch die Welt und bei der Schwäche unseres Fleisches solch ein Ansporn nie überflüssig ist, meine Ermahnung gut aufnehmen. Sicherlich ist unter all den herrlichen Gaben, durch die dich der Herr ausgezeichnet und geschmückt hat, die doch die beste, dass er dir von deiner zarten Kindheit an die Hand reichte, um dich zu seinem Sohn, dem Bringer ewiger Seligkeit und Quell aller Güter, zu führen. Umso eifriger musst du danach streben, seinem Rufe fröhlich zu folgen, umso mehr, da er dir Hilfsmittel gegeben hat, die oft nicht nur Fürstentöchtern, sondern sogar den Fürsten selbst abgehen. Deinem Bruder, einem Knaben adliger Art, und deinen edeln Schwestern einen Gruß. Der Herr lasse Euch von Tag zu Tag zunehmen an seinem Segen und sei Euch ein ständiger Führer auf Eurem ganzen Lebensweg.

Lebwohl, trefflichstes, hochverehrtes Fräulein.

Genf, 17. Juni 1549.

Ganz der deine und zu deinem Dienst bereit

Johannes Calvin.

 

Nr. 266 - An Bullinger in Zürich.

 

Calvin hatte durch persönliche Verhandlung in Zürich einen Vergleich über die Abendmahlsfrage, den so genannten Consensus Tigurinus zustande gebracht. Zu dem aufgestellten Bekenntnis macht er nun noch einige Bemerkungen, von denen zwei unwichtigere weggelassen sind. Über Lelio Sozzini siehe auch Nr. 268.

Über Abschluss und Veröffentlichung des Consensus Tigurinus.

Bei meiner Heimkehr fand ich weder von dir noch von Lelio einen Brief vor. Doch kam der von Lelio bald darauf. Deinen brachte mir erst am 17. Juni einer der französischen Gesandten und zwar mit geöffnetem Siegel. Er sagte, auf Grund unserer alten Freundschaft habe er sich diese Freiheit genommen. Ich hielt mich über diese Handlungsweise, so schmählich sie ist, nicht auf. Indessen müssen wir uns doch in acht nehmen, dass unsere Briefe nicht in solche Hände kommen. Das Schriftstück, das wir von Zürich heimbrachten, las ich den Brüdern vor, und sie beglückwünschten uns alle dazu. Bei der Reise durch Lausanne las ich es Viret und seinen Kollegen nicht nur vor, sondern ließ sie auch eine Abschrift davon nehmen. Alle waren hocherfreut und wetteiferten im Lobpreis Gottes. Einige bemerkten aber, falls es veröffentlicht werden solle, so sei noch einiges wenige zu wünschen übrig; wenn man das noch beifüge, so werde es noch klarer und leichter annehmbar.

- - Nach Kapitel 18, wo wir die Worte, das ist mein Leib, das ist mein Blut, bildlich erklären, dürfte es meines Erachtens nicht unpassend sein, dem Bedenken gewisser Leute entgegenzutreten. Es wird nämlich zweifellos gute Leute geben, denen es leid tut, dass bei der Nennung des Sinnbilds die versinnbildlichte Sache selbst nicht erwähnt wird, besonders da in der ganzen Schrift kein Wort vom Essen des Fleisches steht. Wie wir nun aber nicht vorsichtig genug sein können darin, dass unser Wortlaut nicht nach etwas riecht, was der krassen Auffassung des Abendmahl verwandt ist, so müssen wir andrerseits darauf bedacht sein, dass gemäßigte und recht denkende Leute nicht weniger ausgedrückt finden, als nötig wäre. Nun wäre es nicht schwer, sie zufrieden zu stellen, wenn etwa folgende Erklärung beigefügt würde: „Wenn Christus durch das Essen seines Fleisches und das Trinken seines Blutes, das hier bildlich gebraucht wird, unsere Seele weidet durch die Kraft seines Geistes, so ist das nicht so zu verstehen, als ob irgendeine substantielle Mischung oder Durchdringung stattfände, sondern so, dass wir aus dem einmal zum Opfer gebrachten Fleisch und dem zu unserer Versöhnung vergossenen Blut Leben schöpfen.“

Darin liegt, glaube ich, nichts, was Euch missfallen, oder andern verdächtig sein, oder zu irgendwelcher Verleumdung Anlass bieten könnte. Wird’s weggelassen, so wird man von mancher Seite die Klage hören, es sei übergangen, was am allermeisten Bezug habe auf die Streitfrage. Es wird auch nicht an solchen fehlen, die behaupten werden, das sei in der Absicht, zu täuschen, geschehen. Weniger Feindselige und Bösartige werden es so auslegen, als schwiegen wir mit Absicht darüber, weil wir darin nicht übereinstimmten. So wird in manchen Herzen ein Bedenken über die Art und Weise des Essens beim Abendmahl zurückbleiben. Mit der Entschuldigung, es sei eben schnell gegangen, wird niemand zufrieden sein, weil in einer so wichtigen Sache jedermann reifliche Überlegung fordert und man niemand davon wird überzeugen können, dass wir so schnell gemacht haben.

Ich bringe das deshalb vertraulich bei dir vor, damit du, solange die Sache noch unentschieden ist, mit unsern Brüdern beraten kannst, was besser ist. Meint Ihr indessen, es sei nichts mehr zu ändern, oder beizufügen, so verspreche ich, dass wir mit der Unterschrift nicht zögern werden. Freilich handelt es sich gegenwärtig noch nicht so sehr darum, da unsere Brüder in Bern von einer Veröffentlichung nichts wissen wollen, wenn sie sich nicht schließlich durch das Beispiel der andern bewegen lassen, ihrer Meinung beizupflichten. Die Gründe, die sie abhalten, scheinen mir recht schwach. Denn weder bekennen wir damit, dass bisher Uneinigkeit geherrscht habe, noch geben wir den Bösen Anlass zur Lästerung, als wollten wir aus Furcht von den gegenwärtigen Wirren einen bösen Verdacht von uns abwälzen. Nichts davon wird behauptet werden können; vielmehr wird eher der Geist aller Guten durch unsere Einigung aufgerichtet zur Überwindung der Bösen. Unsere Standhaftigkeit und unser Freimut in diesen unruhigen Zeiten wird großen Eindruck machen.

Dass wir fromm und rechtgläubig denken, werden selbst solche sehen, die bisher vom Gegenteil überzeugt waren. Sehr viele, die heute noch im Ungewissen sind, werden etwas haben zur Beruhigung; Fremde, die in Ländern fern von Euch wohnen, werden Euch, hoffe ich, bald die Hand reichen. Schließlich, komme was will, so hat die Nachwelt ein Zeugnis unseres Glaubens, wie sie es aus den an Händeln reichen Disputationsakten nie hätte zusammenfinden können. Doch das will ich der Leitung Gottes überlassen, dessen Gnade ich dich samt deiner Familie und Eure ganze Gemeinde empfehle. Lebwohl, du hochberühmter Mann und im Herrn verehrter Bruder. Grüße, bitte, die Herren Theodor, Pellikan, Gwalther und die übrigen Kollegen angelegentlich. Dir und ihnen auch viele Grüße von meinen Brüdern.

Genf, 26. Juni 1549.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 267 - An Martin Butzer in Canterbury.

 

Butzer hatte infolge des Interims nicht mehr in Straßburg bleiben können und war einem Ruf nach Canterbury gefolgt. Am Schluss des Briefes, wo Calvin die Hauptpunkte des Consensus aufzählt, gibt das Corpus Reformatorum den Text verstümmelt wieder.

Trost für den Verbannten.

Dein Brief kam zu spät bei mir an, als dass du nun auch von Farel und Viret Antwort bekommen könntest. Auch mir bot sich dieser Bote wider mein Erwarten an; er käme aber erst gegen Ende der Messe dahin, von wo dir die andern schreiben könnten. Von deiner Ankunft in England hatte ich schon aus verschiedenen Briefen gehört, auch meldete das Gerücht beständig davon. Es nun von dir selbst zu wissen, ist mir umso lieber. Dass Gott dir für deine Verbannung diesen Ruhesitz angewiesen hat, hat nach meiner Überzeugung sicher darin seinen Grund, dass er dich nicht nutzlos lassen will. Ich höre, dass dir bereits eine Aufgabe gegeben ist, die deiner würdig und der ganzen Kirche überaus nützlich ist, und je mehr du nun Ruhe hast vor dem beständigen Getriebe der Beschäftigungen, mit denen du bisher überhäuft warst, umso reichere Früchte werden uns aus deinen Studien zufallen; dazu ist dir diese Wirksamkeit bestimmt, wie ich es mir auslege. Du machst mir nicht wenig Mut, wenn du meine Schriftstellerei für fruchtbringend für die Kirche Gottes hältst; aber nach deiner größern Bedeutung sollte lieber dir dieses Amt zufallen. Denn abgesehen davon, dass ich meine Kleinheit wohl erkenne, glaubst du gar nicht, wie wenig Zeit mir zum Schreiben bleibt. Predigten und Vorlesungen nehmen schon viel weg; beständige Besuche, und zwar oft sehr lästige, halten mich außerordentlich auf. Auch ist meine Gesundheit so gebrochen, dass ich mich aller übermäßigen Arbeit enthalten muss. Doch will ich nicht aufhören, aus meinem kleinen Bächlein den Kindern Gottes gelegentlich ein paar Tröpfchen zufließen zu lassen; du kannst ihnen mehr bieten. Bedenke auch, dass zur Hebung und Stillung deines Herzenskummers nichts besser ist, als solche schriftstellerische Tätigkeit, durch die du der Kirche, deren schlimme Lage allein dich ängstigt und quält, sichtlich in hohem Grade helfen kannst.