Die Briefe, Teil 3 - Johannes Calvin - E-Book

Die Briefe, Teil 3 E-Book

Johannes Calvin

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Beschreibung

Johannes Calvin (10. Juli 1509 - 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden "Unterweisung in der christlichen Religion" schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. Das vorliegende Werk umfasst seinen mannigfaltigen Briefwechsel. Dies ist der dritte von drei Bänden.

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Seitenzahl: 854

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Die Briefe

 

Band 3:

1557 - 1564

 

JOHANNES CALVIN

 

 

 

 

 

 

 

Die Briefe 3, J. Calvin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662783

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.

 

Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 88 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.

https://www.europeana.eu/item/2058612/PMRMaeyaert_b4ca2422261f4db3d5919ea7ff734329d08d9b34

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

1557. 1

1558. 54

1559. 119

1560. 181

1561. 236

1562. 311

1563. 349

1564. 411

 

1557

 

Nr. 516 - An Viret in Lausanne.

 

Weggelassen eine Notiz über die Besetzung einer Pfarrstelle in Paris. Antoine Calvin wohnte mit seiner Frau Anne, geb. Le Fert, bei seinem Bruder; der bucklige Pierre Daguet war der Famulus des Reformators.

Von häuslichem Leid.

- - - Mehr kann ich vor Betrübnis des Herzens nicht schreiben. Denn die Buhlerin, die in meinem Hause wohnte und meines Bruders Weib war, hat, wie wir entdeckt haben, mit dem buckligen Pierre Unzucht getrieben. Als Trost in unserm Kummer hoffen wir nur, dass mein Bruder wenigstens durch Scheidung von ihr frei werden kann. Lebwohl, liebster, bester Bruder. Grüße deine Kollegen von mir, auch deine Frau und deine Töchterlein. Der Herr behüte, leite und segne Euch alle.

Genf, 7. Januar 1557.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 517 - An Farel in Neuchatel.

 

Bern erlaubte Perrin und den andern Verbannten, sich für die Beschlagnahme ihres Besitztums in Genf an den Genfer Gütern auf Berner Gebiet schadlos zu halten; die dadurch herbeigeführten Faustrechtszustände veranlassten beinahe einen Krieg zwischen den beiden Städten; über den Rechtshandel Antoine Calvins und de Normandies gegen Perrin ist nichts näheres bekannt. Zu Antoine Calvins Scheidungsprozess vgl. 516. Weggelassen eine Notiz über den nach Paris bestimmten Pfarrer Gaspard Carmel.

Kummer im persönlichen, kirchlichen und politischen Leben.

Lieber Farel, du glaubst gar nicht, mit welcher Hinterlist und wie vielen heimlichen Ränken uns Satan ganz abgesehen vom offenen Kampf täglich angreift. Damit die Lage des Ganzen ruhig bleibe, dürfen wohl nicht alle ihre persönliche Ruhe haben. Zudem dass in Genf selbst viel verborgene Gegner sind, von denen aber jetzt ein Teil sich zu zeigen beginnt, bedrohen uns die Berner Nachbarn furchtbar; ja wenn ihre Leidenschaft sich nur mit Drohungen begnügte! Aber wo sie Anlass finden, spritzen sie das Gift ihres Hasses aus; das haben kürzlich auch mein Bruder und de Normandie erfahren. Denn obwohl sie gegen Perrin genau nach einem Berner Mandat vorgingen, begnügte man sich nicht, ihnen ihr ganz klares Recht abzusprechen, sondern auferlegte ihnen dazu noch alle Prozesskosten. Es ist überhaupt unglaublich, wie schändlich sie alle Genfer schikanieren.

Gar sehr bekümmern uns auch die Übelstände im Innern; ich meine die im Innern der Stadt; denn die in meinem Haus erdrücken mich fast. Die Richter finden keinen Grund, meinen Bruder von dieser Ehe loszumachen! Ich erkläre mir diese ihre Blindheit als gerechte Strafe für unsere eigene Blindheit; denn zwei ganze Jahre hat der diebische Famulus mich ausgeplündert, ohne dass ich etwas sah; mein Bruder hat ebenfalls nicht gemerkt, dass er ein Dieb und Ehebrecher war. Findet die Sache nicht durch richterlichen Spruch einen Ausgang, so habe ich vor, auf anderem Weg einen zu erzwingen. Doch möchte ich nicht, dass du ein Wort darüber verlörest, ehe es unbedingt nötig ist. - - Weiteres erzählen dir die Überbringer besser selbst. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Grüße den Herrn Landvogt und die übrigen Freunde angelegentlichst von mir; bei den Kollegen werden die Überbringer selbst meine Grüße ausrichten. Der Herr behüte Euch stets; er halte Euch aufrecht; er leite Euch und stärke Euch bis ans Ende. Meine schweren Nöte empfehle ich Eurer Fürbitte.

Genf, 3. Februar 1557.

Dein Johannes Calvin.

Alle Unsern, die du grüßen ließest, erwidern ihrerseits deinen Gruß.

 

Nr. 518 - An Johann Kaspar von Nidbruck in Wien.

 

Nidbruck (vgl. 491) war ein Gönner des Magdeburger Theologen Flacius Illyricus, der in seinen „Centurien“ die Kirchengeschichte bearbeiten wollte; Nidbruck hatte Calvin den Plan dieses Unternehmens vorgelegt und ihn um Rat gebeten.

Über den Entwurf der Magdeburger Centurien.

Als ich letzten Herbst nach Frankfurt reiste, nahm ich, weil ich glaubte, dir von dieser Stadt bei Gelegenheit der Messe am ehesten einen Brief senden zu können, dein Schreiben mir, in dem du mir den Plan zur Abfassung einer Kirchengeschichte skizziert hattest. Dass du dann doch keinen Brief von mir erhieltest, das bitte ich dich, hochberühmter und von Herzen verehrter Mann, nicht nur den Geschäften, die dort beständig und ohne jeden Unterlass auf mir lagen, zuzuschreiben, sondern ich kann mich auch damit entschuldigen, dass die Nachricht, du seiest von Österreich abwesend und der Tag deiner Rückkehr sei unbestimmt, in mir eine gewisse Unlust zum Schreiben weckte, die mich bis zu meiner Abreise nicht verließ. Du wirst sagen, das sei doch kein genügender Grund, so zu zögern, und ich will es nicht einmal bestreiten; ich wollte vielmehr nur ehrlich berichten, was mich damals von meiner Pflicht abhielt. Nun, da mir ein zweites Exemplar des Planes zukommt, tut es mir leid, dass du doppelte Mühe gehabt, besonders weil es mir nicht möglich ist, deinen Wunsch ganz zu erfüllen. Du wünschest, ich möchte dir meine Ansicht über diese Frage ausführlich und genau mitteilen; nun glaube ich aber, weil die Aufgabe recht groß und schwer ist und ich mich nie damit befasst habe, kein geeigneter Beurteiler zu sein und wage keinen Spruch zu fällen, um mir nicht den Vorwurf der Unbedachtsamkeit zuzuziehen. In vertraulichem Gespräch wollte ich vielleicht schon einiges darüber äußern, aber auf eine schriftliche Darstellung verzichte ich, weil ich die Frage, die langes Studium erfordert, nicht reiflich genug überlegt habe, lieber, als dass ich eine Aufgabe übernehme, deren Anblick mich schon erschreckt.

Dazu kommt, dass der Entwurf, den du mir sandtest, die Hand erfahrener Künstler verrät, so dass ich fürchten müsste, ihn zu verhunzen, wenn ich etwas daran feilen und glätten wollte.

Damit du aber nicht meinst, ich schlage dir glattweg alles ab, so will ich nicht verhehlen, dass mir der Plan, einiges wenige ausgenommen, sehr gut gefällt. Wäre nur die Geschichte bereits in der Anordnung, wie du sie beschreibst, geschrieben, seine Zuverlässigkeit würde das Werk empfehlen und der geschickte Aufbau es schmücken! Obwohl es eine geradezu unglaubliche Arbeit sein wird, so freue ich mich doch schon sehr, auf ein so unvergleichlich wertvolles Werk hoffen zu dürfen. Übrigens, während ich in allem sonst dir beistimme, weiß ich nur nicht, ob es sich empfiehlt, je ein Jahrhundert in einem Buche zu behandeln; denn es kann geschehen, dass ein Jahrzehnt reicheren geschichtlichen Stoff bietet als ein ganzes Jahrhundert, und darum wird es sich, wenn ich mich nicht irre, als unpraktisch erweisen, zum voraus an eine bestimmte Zahl von Jahren in jedem Band gebunden zu sein; die größten Historiker haben sich schon die Freiheit genommen, ihre Bucheinteilung der gebotenen Fülle des Stoffes und nicht der Chronologie anzupassen. Du scheinst dies ja auch selbst bemerkt zu haben, da du für aus bestimmten Gründen herausgerissene Zeiträume eine Änderung beifügst; doch ist mein Wink vermutlich nicht überflüssig und unangebracht. Die Unterscheidung der Stoffgebiete, die du vorschlägst, ist zwar brauchbar, doch fürchte ich, sie zwingt zu Wiederholungen und ermüdet und langweilt dadurch die Leser. Denn man von der Ausbreitung der Kirche, von der Art ihrer Lehre und den Irrtümern nicht reden, ohne zugleich von den Hauptpersonen zu sprechen; auch von den Konzilien, die du in den zweiten Abschnitt verweisest, dabei zu schweigen, wäre widersinnig. So wird man zusehen müssen, dass sich nicht unangenehme Wiederholungen ergeben. Vielleicht wäre es die beste Art, dies zu vermeiden, wenn der Verfasser, wer er auch sei, zwar die Einleitung der Kapitel, die du klug und vorsichtig beachtet hast, stets vor Augen hat, aber doch den Lauf der Erzählung so disponiert und führt, dass er nicht unter sich natürlicher Weise zusammenhängende, so zu sagen miteinander sich ereignende, Geschehnisse allzu sklavisch trennt und dadurch die Leser langweilt und Finsternis verbreitet statt Licht. Denn bei deiner Klugheit weißt du wohl, dass sich zuweilen eine klarere Darstellung ergibt aus einer verborgenen oder scheinbar vernachlässigten Disposition als aus einer pedantisch gewählten und festgehaltenen. Weil übrigens doch die von dir aufgestellte Reihenfolge der Kapitel daraufhin angeordnet ist, dass daraus Meinung und Absicht des Geschichtsschreibers erhelle, so möchte ich, dass gerade diese Kapitel an den Anfang gestellt würden, als ein Ziel, das stets das Auge des Lesers auf sich zieht. Doch will ich nicht verlangen, dass du mir hierin beipflichtest; es genügt mir, wenigstens in gewisser Beziehung deinem Wunsche nachgekommen zu sein. Lebwohl, hochberühmter, sehr verehrter Mann. [Der Herr behüte und leite dich und] mache dich reich an allen seinen Segnungen.

Genf, 13. Februar 1557.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 519 - An Bullinger in Zürich.

 

Weggelassen eine undurchsichtige Notiz. Zur politischen Lage vgl. 483. 488. Die drei Städte sind Zürich, Schaffhausen und Basel. Das unfertige Werk war Calvins Kommentar zu Hosea. P. M. Vermigli war als Pellikans Nachfolger Professor für altes Testament in Zürich.

Politisches und Literarisches.

- - - Kürzlich haben unsere Nachbarn [in Bern] uns wieder so fürchterlich gedroht, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass sie noch lange Ruhe und Frieden halten; schon jetzt sind alle ihre Schreiben voll von Schmähungen und Schreckworten. Weil nun die lange Frist die Genfer ängstlich macht und diese neuen Forderungen von Bern dazu kommen, so möchte ich dich, verehrter Bruder, wieder und wieder dringend bitten, mich doch wissen zu lassen, was die drei Städte unter sich beraten haben, was sie darauf für Bescheid erhalten haben, wie die Sache steht, auf welchen Ausgang man hoffen darf, und wie lange die Verhandlung noch hinausgezogen werden soll. Mehr braucht es bei dir ja nicht; du wirst schon dafür sorgen, dass der Bote nicht leer zurückkommt, dem ich ein noch unvollendetes Buch von mir aufgeladen habe, - nicht, um dich mit solcher Lektüre zu langweilen, sondern nur damit du siehst, wie wenig unsere Buchdrucker zu tun haben, dass sie solches Zeug herausgeben; zugleich kann auch Herr Pietro Martire daraus lernen, dass er seine reifen Geistesfrüchte herausgeben sollte, wenn er sieht, welche Frühgeburten ich ans Tageslicht bringen lasse. Ich weiß noch nicht, wann Ihr kommen wollt; doch bin ich überzeugt, dass Ihr kommt, und die Reisezeit naht schon, wenn Ihrs nicht etwa auf April verschieben wollt. Doch möchte ich nicht, dass Ihr diesen Monat auch vorübergehen ließet; dann werden wir auch allerlei von der Messe haben, worüber wir beraten können. Lebwohl, hochgeachteter, verehrter Bruder. Meine Kollegen und die übrigen Brüder lassen dich vielmals grüßen; richte auch deinen Kollegen viele Grüße von mir aus. Der Herr behüte, leite und stärke Euch alle.

Genf, 17. Februar 1557.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 520 - An einige polnische Pfarrer und Edelleute.

 

Sieben evangelische Pfarrer und zehn Edelleute Polens hatten Calvin aufgefordert, nach Polen zu kommen, um der Reformation zum Durchbruch zu verhelfen, und den Genfer Rat um seine Entlassung gebeten. Lismano war nach seiner Rückkehr nach Polen vom König auf Betreiben der Bischöfe zeitweilig wieder verbannt worden.

Ablehnung eines Rufes nach Polen.

Hätte ich Euern Brief, hohe und edle Herren und herzlich verehrte Brüder, an der Herbstmesse in Frankfurt erhalten, statt erst auf der Rückreise in Zürich, so hätte ich die Antwort nicht bis jetzt hinaus geschoben. Denn von jenem Handelsplatz aus findet sich stets günstige Gelegenheit, Botschaft zu senden, und damals war ja eben unser verehrter Bruder, Herr Johann von Laski, zur Reise bereit, der nicht nur um Euret- und meinetwillen dieses Amt gern übernommen hätte, sondern mir auch der treueste Vermittler meiner Gedanken gewesen wäre. Da sich mir aber seither kein Bote antrug, der einen Brief hätte mitnehmen können, so hielt ich besondere Eile für unnötig, besonders da ich aus der langen verstrichenen Frist leicht den Schluss ziehen konnte, dass man meine Hilfe nicht dringend brauche, und Herr Lismanino daran verzweifelte, dieses lange Warten noch länger aushalten zu können, und uns eher erwarten ließ, er komme wieder zu uns, als dass er uns durch Hoffnung auf Erfolg Mut zum raschen Handeln gemacht hätte. Wenn auch aus Euerm Schreiben zu ersehen war, dass Euch mein Kommen lieb gewesen wäre, so fürchtete ich doch, weil mein Wegzug von der Genfer Kirche einen nicht geringen Verlust bedeutet hätte, ich handelte in blindem Eifer wie ein unbedachter, allzu hitziger Mensch, wenn ich nach Polen käme, ehe es Zeit wäre. Als ich daher bei meiner Rückkehr Euer Schreiben dem Rat vorlegte, fügte ich gleich, weil alles betrübt und ängstlich wurde, bei, man brauche darüber gar nicht zu beraten; denn die fünf Monate, die schon damals nach Abgang Eures Briefes verflossen waren, hätten wohl die Sachlage bereits verändert. Ich sage, sie waren ängstlich, weil sie Euch nicht gern etwas abgeschlagen hätten, sondern aufs Beste für Euch hätten sorgen und sich Euch nach Kräften gefällig erweisen mögen, und doch nur sehr ungern mir Urlaub gegeben hätten. Jetzt, da Ihr durch Gottes Güte die Arbeit Herrn Johann von Laskis, dieses edeln Mannes und treuen Dieners Christi, genießen dürft, so sehe ich nicht ein, weshalb Ihr auch noch meine Gegenwart begehren solltet. Denn wenn er auch, wie ich hoffe, mich nicht ungern zum Genossen hätte, und es mir sehr angenehm wäre, gemeinsam mit ihm unter Euch zu wirken, so werdet Ihr mich doch nicht ohne Not von dem Posten, an dem ich jetzt mit Nutzen tätig bin, wegrufen wollen. Wenn ich mir nicht den Vorwurf des Leichtsinns zuziehen will, so darf ich bei so unsichern Verhältnissen nichts Derartiges probieren. Euch das früher zu schreiben, daran hat mich Herr Lismanino verhindert, der mir schrieb, er werde vielleicht erst in einigen Monaten bei Euch sein. Freilich kamen nachher noch andere Briefe, nach denen man hoffen konnte, es stehe besser, die aber doch durch das, was sie nicht meldeten, wohl merken ließen, dass kein Grund zu besonderer Eile sei. So bleibt mir nur eins übrig; ich will versuchen, durch mein fürbittendes Gebet das zu ersetzen, was Euch etwa durch mein Ausbleiben abgehen sollte; denn Eure Freudigkeit zum Guten ist so groß, dass sie eines besondern Ansporns durch Ermahnungen nicht bedarf. Lebt wohl, hohe Herren, ebenso edel durch Geburt als durch Eure außerordentliche Frömmigkeit. Der Herr leite Euch mit dem Geiste des Rats, stärke Euch durch seine unbezwingliche Kraft und halte Euch in seiner Hut.

Genf, 8. März 1557.

Dass unser Rat Euch nicht selbst antwortet, dafür habe ich die Verantwortung übernommen.

Euer Johannes Calvin.

 

Nr. 521 - An Bullinger in Zürich

 

Auf Calvins letzten Brief (519) hatte Bullinger geantwortet, dass das Vorgehen der drei Städte in Bern erfolglos gewesen sei, dass man aber die Sache vor die Tagsatzung in Baden gebracht habe und wieder bringen werde.

Die Burgrechtsfrage vor der Tagsatzung.

Da Euer wohlweiser Rat bei den Bernern durch Macht, Gunst und Bitten nichts erreicht hat, muss man eben an die Tagsatzung in Baden gehen. Da nun dort keine Abschiede gegeben werden, wenn nicht die Boten der Städte und Länder mit bestimmten Instruktionen kommen, so wird Euer wohlweiser Rat nochmals ersucht, den Eidgenossen die Forderungen mitteilen zu lassen, mit denen unsere Gesandten kommen. Kannst du etwas herausbekommen, was zu wissen für uns von Interesse ist, so lass dichs nicht verdrießen, es mir privatim mitzuteilen.

Obwohl es notwendig sein wird, auch den Bernern die Sache zu eröffnen, damit sie nicht klagen können, man habe es ihnen verheimlicht, ja eben mit dieser Ausrede die Unsern wieder leer heimschicken können, so möchten wir doch, dass sie etwas später davon erführen, damit sie es nicht hintertreiben. Wenn Ihr der rauen Witterung wegen jetzt noch nicht gerne reiset, so sorgt doch wenigstens dafür, dass wir Euch bald nach Ostern hier sehen dürfen. Bis dahin wollen wir auch die Beratung verschieben, von der du schriebst, ein Brief Herrn von Laskis mache sie notwendig. Lebwohl, hochberühmter Mann und hochverehrter Bruder, samt Herrn Vermigli, Herrn Gwalther, deinen Schwiegersöhnen, deinen andern Kollegen und deinem ganzen Haus. Der Herr segne Euch alle mehr und mehr.

Genf, 17. März 1557.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 522 - An Martin Schalling in Regensburg.

 

Pfr. Schalling in Regensburg hatte Calvin brieflich von der Richtigkeit der lutherischen Abendmahlslehre zu überzeugen gesucht, und um der Einheit der Evangelischen gegenüber Jesuiten und Antitrinitariern willen zum Frieden gemahnt.

Freundliche aber bestimmte Ablehnung der lutherischen Abendmahlslehre.

Dein Brief, trefflicher Mann und von Herzen verehrter Bruder, ist mir später, als wünschenswert war, übergeben worden, als bereits alle unsere Kaufleute zur Messe abgereist waren, und wenn sich mir jetzt auch wider Erwarten eine neue Gelegenheit geboten hat, einen Brief zu senden, so muss ich doch in großer Eile antworten, da der Bote schon reisefertig war, ehe man mir gesagt hatte, dass er reise. Ich will deshalb alle andern Kämpfe, in denen, wie du mit Recht klagst, übermütige Leute die Kirche spalten und verwirren, jetzt beiseite lassen. Die Meinungsverschiedenheit, die auch uns heute beschäftigt und unter sonst frommen, guten Männern sich erhoben hat, mahnt uns schon mehr als genug durch ihren schlimmen Anfang und um nichts glücklicheren Fortgang, wie sehr wir nach Frieden und Eintracht unter uns streben sollten. Hätten doch auch andere die Gesinnung, die ich an dir bemerke! Denn wenn dann überhaupt noch ein Zwist bliebe, so bleibe er doch ohne Gehässigkeit und Bitterkeit in seinen sachlichen Grenzen.

Zwar ist es schon schmerzlich, dass wir, an Zahl so wenige, die dasselbe Evangelium bekennen, just über das heilige Abendmahl, das das Hauptband unserer Einigkeit sein sollte, zu verschiedenen Meinungen gekommen sind; aber das ist doch noch ärger, dass dieser Kampf so feindselig geführt wird, als hätten wir nichts gemeinsam in Christo. Denn die Mehrheit der von uns Abweichenden wütet, von einem mir unverständlichen Trieb gereizt, so maßlos gegen uns, als ob wir eine ganz andere Religion hätten. Da die Lehrverschiedenheit anfänglich so groß war, wunderts mich nicht, dass Luther, heftiger Natur wie er war, grob dreingefahren ist. Jetzt aber, da man doch in Hauptpunkten übereingekommen ist, nämlich über den Zweck, zu dem der Herr die Sakramente eingesetzt hat, über ihren rechten Gebrauch, über ihre Wirksamkeit, ihren Wert und Nutzen für uns, da könnte, was noch strittig bleibt, maßvoller behandelt werden. Was mich betrifft, so habe ich ganze fünfzehn Jahre lang in guten Treuen versucht, soweit es das ehrliche Bekenntnis der Wahrheit litt, meine Lehrart dem Zweck der Vermittlung im Streite anzupassen, bis mich die Aufdringlichkeit Eures Westphal in den gehässigen Kampf hineinriss, und doch habe ich, was dadurch an bittern Gefühlen mir abgepresst wurde, sorgsam zusammengehalten, um nicht außer Westphal noch andere hineinzuziehen, und ich werde mir stets Mühe geben, dass durch meine Schuld die Kirchen nicht zerspalten und auseinander gerissen werden und dass keiner von mir verletzt wird, als wer mir absichtlich den Krieg erklärt hat. Ja, obschon Schnepf und ein mir unbekannter Phantast mich frech gereizt haben, will ich lieber schweigen, als um nichts Lärm schlagen. Denn wenn du schreibst, wenige von uns verstünden überhaupt die Ansicht Eurer Kirche, so wäre tatsächlich nicht schwer zu beweisen, dass lange nicht alle bei Euch die gleiche Meinung haben, wenn man all die widersinnigen Dinge, die sich in den Schriften mancher Eurer Theologen finden, sammeln und verfolgen wollte. Den einen Punkt freilich vertretet Ihr alle einmütig, wie ich sehe, nämlich dass jeder, der zum Abendmahlstisch tritt, der Gottlose wie der Gläubige, Christi Fleisch substanziell isst und sein Blut trinkt. Dass die Gläubigen im Abendmahl wirklich und substanziell mit Christi Fleisch und Blut gespeist werden, leugne ich nicht, wenn nur die Art, wie es geschieht, so beschrieben wird, dass durch die geheimnisvolle Wirkung des Geistes Christi Fleisch und Blut ihre Kraft auf uns übertragen. Warum du mich zu mehr bringen willst, verstehe ich nicht, denn ein sehr guter Grund hindert mich, eine andere Mitteilung [als diese geistige] anzunehmen; denn dass wir tatsächlich Christi Fleisch herunterschlucken und es sich mit unserm vergänglichen Fleische vereinigte, wäre doch eine zu krasse Vorstellung. Wenn du meinst, ein so großes Geheimnis dürfe eben nicht nach fleischlichem Sinne beurteilt werden, so gebe ich das zu, und nichts anderes weise ich von mir, als was der Glaube selbst als unvereinbar mit der Ehre Christi feststellt. Dazu kommt noch, dass Christi Leib in so substanzieller Weise nicht gegessen werden kann, wenn wir nicht annehmen, er sei räumlich unbegrenzt, was von der Schriftlehre nicht weniger abweicht als von allen Zeugnissen der alten Kirche. Denn wenn einige Eurer Theologen das behaupten und des Durchwaltung der Welt nennen, um uns zu überzeugen, Christi Leib sei zugleich sterblich am Kreuz und glorreich im Himmel gewesen, so straucheln sie aus Unkenntnis und treffen durchaus nicht das, was für die alten Kirchenlehrer der Ausdruck Durchwaltung der Welt bedeutete. Auch du, trefflicher Mann, mit deiner Erlaubnis sei es gesagt, irrst dich ein wenig, wenn du meinst, wir verwechselten, was uns im Abendmahl gegeben werde. Denn an verschiedenen Stellen habe ich es deutlich ausgesprochen, dass Christi Heilsgüter nicht unser werden, bis er selbst unser ist, und in meiner Institutio glaube ich klar genug geredet zu haben, wenn ich sage, die Materie oder Substanz des Abendmahls sei der gekreuzigte Christus selbst, die Kraft, die Wirkung, oder die Frucht aber ist, so lehre ich, das, was wir durch sein Sterben erlangen, nämlich Versöhnung aus Gnaden, neues Leben und himmlische Seligkeit. Das Wort „Wirksamkeit“ brauche ich, nicht um zu vermischen, was auseinander gehalten werden muss, sondern bloß, um eine substanzielle [magische] Durchdringung abzuweisen. Ich sage also: wir werden wirksam von Christi Fleisch und Blut gespeist, weil Christus durch die wunderbare und unbegreifliche Macht seines Geistes bewirkt, dass wir eins werden mit ihm; Leben schaffend soll uns sein Fleisch sein; sein Leben soll in unsere Seelen dringen. Auch bei dem zweiten Hauptpunkte wundert es mich, dass Ihr nicht sorgsamer auf die vielen Absurditäten achtet, zu denen die Annahme führt, dass Würdige und Unwürdige zugleich ohne Unterschied Christi Fleisch essen. Denn wie Eure Annahme von der substanziellen Art des Essens Christi Fleisch von seinem Blute trennt, so reißt dieses gemeinsame Essen seinen Leib und Geist auseinander und nimmt ihm alle Lebenskraft. Was soll das für ein Aufnehmen Christi sein, wenn sein Leib im Bauche eines Gottlosen tot liegt? Wenn dagegen eingewendet wird, es richte sich an alle gemeinsam das Wort: „Das ist mein Leib“, so ist das mühelos zu widerlegen. Denn nichts steht dem im Wege, dass zwar Christus sich wahrhaft allen anbietet, aber doch keiner ihn aufnehmen kann, außer wer dazu fähig ist. Dass ich diese Art der Lehre nicht aus Trotz festhalte, sondern weil ich mich durch die Schriftautorität dazu verpflichtet fühle, dafür ist Gott mein bester Zeuge. Es pflichtet mir darin auch das allgemeine Urteil der alten Kirche bei; zum Beweis genüge uns, da ich nun nicht näher darauf eintreten kann, das eine Wort Augustins: die andern Jünger aßen als Brot den Herrn, Judas nur das Brot des Herrn (Hom. zu Joh. 19). Wenn irgendjemand, so wünsche also auch ich eine wahre, ehrliche Übereinstimmung, nur muss sie Gott selbst mit seinem Worte bekräftigen. Auch das Augsburgische Bekenntnis weise ich nicht ab, das ich längst gern und willig unterschrieben habe, so wie sein Verfasser selbst es ausgelegt hat.

Wenn doch nur den Fürsten unsere Zerspaltung so große Sorge machte, wie sichs gehörte, dass sie durch eine Zusammenkunft frommer Theologen die Kirchen zu vereinigen suchten!

Aber von wem sie stets wieder zum Hass gegen uns aufgestiftet werden, ist ja nicht unbekannt. Das möchte ich dir vor Gottes Angesicht sagen, dass du weißt: Zu der Lehre, die ich angenommen habe, hat mich mein Gewissen und die Furcht Gottes geführt, und nichts kann mich davon wegreißen. Doch will ich mich in ihrer Verteidigung ruhig verhalten, so weit mir Eure Leute das erlauben, wie ich es bekanntlich vor Westphals maßlosem Angriff getan habe. Andrerseits ermahne ich auch dich, hochgeachteter Mann, erwäge die ganze Sache wohl, und was recht ist, nimm unbedenklich an. Lebwohl. Der Herr leite dich stets mit seinem Geiste; er erhalte dich in seiner Hut und segne dein Wirken zur Erbauung seiner Kirche.

Genf, 25. März 1557.

 

Nr. 523 - An Bullinger in Zürich.

 

Dringende Einladung nach Genf zur Besprechung des Religionsgesprächs.

Glaub mir nur, deine Reise zu uns wird der Kirche nicht weniger nützlich als mir persönlich angenehm sein. Denn wenn du glaubst, sie aus Gesundheitsrücksichten unterlassen zu müssen, so irrst darin meiner Meinung nach durchaus; denn nichts besseres ist zu finden zur Stärkung und Erholung als eine Reise; auch die Trauer um den Tod deines Verwandten, des Bürgermeisters Lavater, wird sie dir wenigstens einigermaßen wegnehmen oder erleichtern.

Die Hauptsache aber ist, dass wir miteinander über ein Religionsgespräch mit den Deutschen reden könnten. Zwar ist die Mehrheit von ihnen, das gebe ich zu, vom der krassen Irrlehre, die wir korrigieren möchten, so eingenommen, dass wenig Hoffnung auf Besserung besteht; aber doch gibt es eine kleine Zahl von Männern milderer Gesinnung, an denen unsere Arbeit vielleicht einigen Erfolg hätte. Einer von ihnen, Martin Schalling, Pfarrer der Kirche zu Regensburg, hat mir geschrieben, ohne zwar seine Meinung zu verhehlen, aber doch mit dem Wunsch, die brüderliche Eintracht festzuhalten. Du weißt, wie toll sich sein Kollege Hahn benommen hat; Schalling aber nennt mich doch Lehrer und sucht so maßvoll wie möglich die Meinungsverschiedenheit zu entschuldigen. Solche Leute muss man gewiss freundlich behandeln, oder doch wenigstens nicht unnötig erbittern; so ist meine Antwort, obwohl ich darin sein Bekenntnis mit allem Freimut behandle, doch recht freundlich gehalten. Weil aber für die ganze Schar der Gegner nur ganz geringe Hoffnung zu hegen ist, so habe ich ein Gespräch keineswegs gewünscht, wie du zu meinen scheinst; ja ich gebe mir sogar auf alle mögliche Weise Mühe, zu bewirken, dass wir nicht dazu berufen werden; kommt es aber doch dazu, so müssen wir recht darauf sehen, dass uns nicht eine Ablehnung Schimpf und Schande zuzieht. Übrigens befürchte ich nicht, dass es ein Massengespräch gäbe; wenn Melanchthon mit ein paar andern dazukommen wollte, so wäre nichts wünschenswerter, weil er sich den Brenz und ähnliche Fanatiker nicht dazu einladen würde, sondern nur solche, die er für versöhnlich hält, damit er vor ihnen uns ohne großes Ärgernis beipflichten könnte. Wie ich diesen seinen Plan billige, so müssen wir ihn meines Erachtens auch unterstützen, soweit es angeht. Doch für den Augenblick möchte ich dich nur dazu bringen, dass du den Plan eines Besuchs in Genf nicht aufgibst. Herrn Pietro Martire und Herrn Gwalther bitte ich dringend, dich darin zu bestärken. Sie und die übrigen Kollegen grüße, bitte, aufs Herzlichste von mir, samt deinem ganzen Haus. Der Herr erhalte Euch gesund und leite Euch mit seinem Geiste.

Genf, 30. März 1557.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 524 - An den Grafen Georg von Württemberg und Montbeliard.

 

Matteo Gribaldo, ein Rechtsgelehrter von Padua, der als Bestreiter der Dreieinigkeitslehre Servets Ideen nahestand, suchte damals an der Universität Tübingen anzukommen (vgl. 452). Graf Georg, der Oheim Herzog Christophs von Württemberg, ersuchte deshalb Calvin um ein Gutachten über Gribaldo, der früher in Farges in der Nähe von Genf gewohnt hatte.

Gutachten über Gribaldo.

Erlauchtester Fürst und Herr, da es mein einziger Wunsch ist, Ew. Hoheit gefällig zu sein, wie es meines Erachtens nicht nur Ihr Rang und Ihr hoher Adel, sondern auch Ihre herrlichen Tugenden und vor allem Ihre seltene Frömmigkeit erheischen, so möchte ich nur, es böte sich mir einmal ein erfreulicher Anlass, Ihnen meine Ergebenheit zu beweisen und einen Dienst zu leisten. Da Sie aber nun geruhen, sich nach Matteo Gribaldo zu erkundigen, so will ich Ihnen in aller Kürze auseinandersetzen, wie er sich hier benahm. Erstlich nun hat er stets nur so in Genf verkehrt, dass er weder je in unseres Rates Dienst treten wollte, noch auch durch irgendein Versprechen verpflichtet wurde, sondern er wurde stets als ein bloß zeitweiliger Gast und Fremder in unsrer Stadt angesehen. Wie er fast jedes Jahr hierher zu kommen pflegte, so war er zufällig auch hier, als eben Servet gefangen gesetzt worden war. Damals nun verhehlte er durchaus, dass er mit dessen gottlosen Irrlehren irgendetwas gemein hatte; vielmehr ließ er nur verblümte Redensarten fallen, es sei nicht recht, jemand wegen falscher Glaubensansichten zu strafen, weil jeder Glaubensfreiheit haben müsse. Später aber tat er kund, was er erst verheimlicht hatte, nämlich dass er sich nur deshalb über die Strenge unseres Rates beschwert hatte, weil er wünschte, selbst straflos seine gottlosen Wahnideen von sich geben zu dürfen. Damals nun hat er, das gebe ich zu, um eine Unterredung mit mir gebeten, und ich habe die Bitte abgeschlagen, weil ich früher schon erfahren hatte, welchen Geistes dieser Mensch war, und deshalb kein besseres Vorgehen fand, als dass passende Zeugen zu unsern Unterredungen zugezogen werden sollten, was er seinerseits nicht wollte; so schied er damals. Als er kurz darauf wiederkam, ließ ich ihm durch einen vertrauten Freund melden, es stehe ihm frei, wenn er wolle, sich mit mir brüderlich auseinanderzusetzen; nur müsse es vor meinen Kollegen und drei Kirchenältesten geschehen; ich ließ ihm auch sagen, er brauche keine Gefahr noch Hinterlist zu befürchten. Er war damit einverstanden und kam auf unsere Einladung; als er aber ins Zimmer trat, in dem wir saßen, und ich ihm nicht gleich beim Eintreten die Hand reichen wollte, verließ er uns gleich wieder mit geräuschvollem Protest, und doch hatte ich mich höflich, ja mit freundlichen Worten entschuldigt, ein solcher Handschlag zieme sich erst, wenn wir in unsern Glaubensgrundsätzen einig geworden seien; denn ich nahm die Sache zu ernst, als dass ich mit unwahren Förmlichkeiten hätte ein Spiel treiben wollen. Als wir sahen, dass Gribaldo sich nicht freundschaftlich gewinnen ließ, bemühten wir uns darum, ihn zur Verantwortung seines Glaubens aufs Rathaus laden zu lassen. Dort suchte er nicht nur Ausflüchte, sondern zeigte offen, dass er nicht Willens sei, seine Ansicht an diesem Orte zu bekennen. Kurz darauf ließ er aber doch Worte fallen, aus denen leicht zu entnehmen war, in welch schlimmen Irrlehren er steckte; als ich ihn mahnte, Maß zu halten, machte er durch sein windiges Prahlen wieder einmal kund, dass es nichts Frecheres gibt als die Unwissenheit; bei solchem Trotz hatte frommes, nützliches Mahnen keinen Erfolg. Er hielt uns als Schild das entgegen, es sei allzu streng und ungerecht, dass er in Genf nicht geduldet werde, weil er in der Glaubenslehre von unsrer Ansicht abwiche; dieser Einwand wurde, wie es sich gehörte, zurückgewiesen. Der Rat glaubte aber, einen Fremden nicht weiter drängen zu dürfen, und uns genügte es auch, dafür zu sorgen, dass er das Gift seiner gottlosen Lehren weiterhin in Genf nicht mehr verbreiten durfte. Ob diese meine Zeugenaussage Glauben verdient, mag Ew. Hoheit selbst beurteilen. Aus persönlichem Hass stammen kann sie sicher nicht, weil solcher nie zwischen uns gewesen ist, wie Gribaldo selbst zugeben muss. Obwohl er übrigens viele Irrlehren durcheinander mischt, so glaube ich doch, ein Muster vorlegen zu sollen, aus dem Ew. Hoheit leicht ersehen wird, dass ich von Gribaldo bisher noch weniger scharf gesprochen habe, als es seine Gottlosigkeit mit sich brächte, ja geradezu erforderte. Es handelt sich dabei nicht um einen Bericht von mir oder irgendjemand anderm, sondern, da er die Art der Lehre selbst handschriftlich dargestellt hat, so mag Ew. Hoheit selbst beurteilen, ob ein unfrommer Mensch, der so verkehrt das Wesen Gottes herunterreißt und behauptet, Christus sei als ein neu entstandener Gott vom Vater verschieden und nicht gleichen Wesens mit ihm geduldet werden kann. Da ich nun aber nicht vorhabe, seine Lästerungen zu widerlegen, um nicht durch einen allzu langen Brief langweilig zu werden, so glaube ich, meinen Auftrag nach Ihrem Sinne nicht besser erfüllen zu können, als wenn ich Ew. Hoheit das von seiner Hand geschriebene und unterschriebene Bekenntnis sende, in dem er sich seinen italienischen Landsleuten gegenüber zu rechtfertigen sucht.

Daraus kann auch der durchlauchtigste Fürst, Ihr Neffe, genug und übergenug erkennen, wie pietätlos und frevelhaft dieser Elende die Hauptlehre unseres Glaubens zerreißt und verkehrt.

Leben Sie wohl, erlauchtester Fürst und hochverehrter Herr. Ich will unsern Vater im Himmel bitten, dass er Sie samt Ihrer erlauchtesten Frau Gemahlin stärke, behüte und reich mache an allem Guten.

2. Mai 1557.

 

Nr. 525 - An Pfarrer Konrad Hubert in Straßburg.

 

Antoine Calvin war vom Genfer zum Getreideeinkauf nach Straßburg gesandt worden. Der „selige Bauch“ ist der Pfarrer Beatus Gerung, vgl. 433. Hubert hatte Calvin berichtet, wie Melanchthon in Wittenberg behandelt werde, und dass in Worms ein Religionsgespräch zwischen Protestanten und Katholiken stattfinden solle. Er hatte ihn auch fragen lassen, ob er von ihm und Viret Gedichte erhalten könne. Das Gedicht, das Calvin 1541 in Worms schrieb, war ein in lateinischen Hexametern verfasster Hymnus auf den siegreichen Christus.

Über Straßburger und Wormser Angelegenheiten. Calvin als Dichter.

In der eifrigen Hilfe, die du neulich meinem Bruder angedeihen ließest, hast du mir wieder, wie schon in manchem Freundschaftsdienst, deine Liebe bewiesen; wenn ich dir meinerseits in irgendetwas behilflich sein kann, sollst du meine Dankbarkeit erfahren. Es traf sich gut, dass mein Bruder damals nicht gar so viel Getreide in Straßburg kaufen konnte; denn kaum war er von hier abgereist, so ließ die Teuerung nach, die dem armen Volk als drohende Hungersnot erschienen war. So brauchst du dich also nicht mit Entschuldigungen zu bemühen; denn die kleinere Quantität bedeutet für uns einen geringeren Verlust, als wenn man mehr herbeigeschafft hätte.

Dass der selige Bauch abgedankt ist, nimmt von Euerm Pfarrkollegium einen hässlichen Flecken weg; aber alle Schmutz ist damit noch nicht abgewischt und weggeputzt; ich halte es nämlich auch für keine kleine Schande für die Straßburger Kirche, dass unter Euch ein Geselle Joachim Westphals sein Regiment führt, der, wie du wohl weißt, unsern lieben Vater Butzer unter die Ketzer zählt; lernte doch diese Marbach lieber Christum in seinen Gliedern aufzunehmen, anstatt seine Flügel vom Winde schwellen zu lassen!

Was du von den Verhältnissen in Sachsen schreibst, muss jeden Frommen mit tiefer Trauer erfüllen; freilich, sobald Melanchthon von dort wegzöge, fielen sie noch wütender über ihn her, aber weg muss er doch, damit er einmal frei wird! Dass das Wormser Religionsgespräch einen recht unerfreulichen Ausgang haben wird, vermuten alle Guten; was man auf Schnepf und seinesgleichen für Hoffnungen setzen darf, sehe ich nicht ein. Bude habe ich in deinem Namen gebeten, sein Versprechen zu halten; er hat versprochen, dafür sorgen zu wollen, dass du auf der Straßburger Messe etwas erhältst. Das Büchlein, das bei Henri Etienne unlängst erschienen ist, will ich dir schicken, wenn du es brauchen kannst. Zur Dichtkunst hatte ich von Natur ziemlich viel Lust, doch gab ich ihr den Abschied und habe seit fünfundzwanzig Jahren nichts mehr gedichtet, ausgenommen das Lied, das ich in Worms, durch Melanchthons und Sturms Beispiel ermuntert, zum Spaß schrieb und das du gelesen hast. So habe ich nichts, was ich von mir aus beitragen könnte. Viret behauptet, ihm seien die Musen so ungnädig, dass er noch nie das geringste Gedicht gemacht habe. Lebwohl, trefflicher Mann und von Herzen verehrter Bruder. Wenn ich unter deinen Kollegen noch Freunde habe außer Herrn Diebold Schwarz (an ihm zweifle ich nicht), so grüße sie herzlich von mir. Dass ich Herrn Lenglin, nach dem ich damals auf meiner Durchreise fragte, nicht finden konnte, als ob er mir auswiche, hat mich gewundert. Der Herr behüte dich; er stärke dich mit seiner Kraft und leite dich mit seinem Geiste. Amen.

Genf, 19. Mai 1557.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 526- An Bullinger in Zürich.

 

Farel und Beza waren im April nach Deutschland gereist, um die süddeutschen Fürsten zu einem Vorgehen zugunsten der Waldenser und Hugenotten zu veranlassen; in Baden hatten die beiden zu Händen der pfälzischen Lutheraner und Christophs von Württemberg ein sehr stark lutheranisierendes Bekenntnis aufgestellt und unterschrieben; Calvin wusste noch nichts von diesem Verrat an der reformierten Sache, durch den die Abgesandten den Herzog halbwegs für ein Religionsgespräch gewonnen hatten.

Herzog Christoph einem Religionsgespräch geneigt. Vom Bekenntnis der böhmischen Brüder.

Drei Briefe habe ich in den letzten zwei Monaten von dir erhalten, trefflicher Mann und verehrter Bruder. Im ersten schriebst du, Herr Pietro Martire und Herr Gwalther würden nach Genf kommen; dich hindere deine schwache Gesundheit daran. Ein privates Religionsgespräch, meintest du, werde auf wenig Erfolg hoffen lassen, da Brenz, ein verstockter und von seinen krassen Wahnideen viel zu sehr eingenommener Mensch, überall die erste Rolle spiele. Obwohl auch ich mehr als einmal bezeugt habe, dass ich die Gefährlichkeit solcher Zusammenkünfte wohl sehe, so wollte ich doch nicht ausweichen, damit die Gegner nicht triumphieren können, wie getrauten uns nicht. Da mir nun unsere lieben Brüder Farel und Beza berichtet haben, wenn sich Gelegenheit zu einem Gespräch biete, so seiest du von dir aus geneigt, sie zu ergreifen, so brauche ich darüber nicht lange zu reden; nur möchte ich dich noch recht sehr bitten, dass Euer Rat auf deine Mahnung hin auch die Berner dazu bringe. Denn der gute Wille eines Fürsten, den wir uns Feind glaubten, darf nicht zurückgestoßen werden, und die Sache hat Eile, damit Herzog Christoph rechtzeitig erfährt, dass unsere Wünsche seinem Plane entgegenkommen. Da du aber diese ganze Last auf dich nehmen musst, so ist, wenn du nicht eilst und energisch darauf dringst, zu befürchten, dass andere absichtlich durch ihr Stillschweigen die Zeit versäumen. Da es nun gut wäre, ja fast notwendig, einen passenden Zeugen zu senden, der den Herzog von Württemberg an sein Versprechen erinnert, so überlege es dir, ob nicht unser lieber Beza mit einem oder mehreren andern hin gesandt werden sollte. Freilich, wenn du etwas anderes zu tun nötig findest, so möchte ich dir nicht das kleinste Bedenken dagegen wachrufen; denn Verzögerung wird’s von andrer Seite her noch mehr als genug geben. Ich wollte nur freimütig sagen und deiner Überlegung anheim stellen, was dir vielleicht auch von selbst in den Sinn gekommen wäre.

Unser Glaubensbekenntnis wird eben jetzt, wenn man mir folgt, gar nicht erwähnt werden; denn wäre der Zutritt schwierig, so wäre es zwar wohl die beste Art sich einzuführen, unter den jetzigen Umständen aber könnte einer, der die Verhandlung hintertreiben wollte, uns vorwerfen, wir wollten schon vor dem Gespräch den andern [durch unser Bekenntnis] die Bedingungen vorschreiben; es ist auch gar nicht nötig, da der Herzog uns selbst zuvorgekommen ist. Ja, nichts wird unserer Sache förderlicher sein, als wenn wir als anerkannt voraussetzen, dass wir dieselbe Lehre bekennen und, den einen Punkt ausgenommen, unter uns in heiliger Übereinstimmung sind. Unsere Bekenntnisschrift aber würde auch über das, was bereits fest und klar ist, neuen Streit hervorrufen. Dem Vergerio habe ich nicht gesagt, was ich vorhabe. Bei Gelegenheit will ich Herrn Johann von Laski schreiben, dass er nicht in seinem Rigorismus die böhmischen Brüder aus unserer Gemeinschaft ausschließe; doch werde ich darin nichts tun ohne dein Mitwissen. Dem Überbringer dieses Briefes habe ich nur gesagt, der treffliche Herr von Laski sei zuweilen etwas streng; doch weil die Angelegenheit mir noch nicht klar sei, wolle ich nichts sagen; vor 16 Jahren, als ich noch in Straßburg war, hätten die böhmischen Brüder ein Bekenntnis gesandt, das dem guten Butzer und mir gefallen habe, später freilich sei mir eine Abschrift gezeigt worden, die einiges enthielt, was mir missfiel und was ich nicht zulassen wollte.

Lebwohl, hochberühmter Mann und von Herzen verehrter Bruder, samt Herrn Martire und allen Kollegen. Meine Amtsbrüder lassen Euch alle ehrerbietig grüßen. Der Herr behüte Euch, stärke Euch und mache Euch reich an jedem Segen.

Genf, 30. Mai 1557.

In Wahrheit dein Johannes Calvin.

 

Nr. 527 - An Vermigli in Zürich.

 

Durch einen Brief Valerand Poulains hatten die Zürcher von Bezas und Farels Bekenntnis (vgl. 526) erfahren und sich über die Sache, die die beiden selbst ganz verschwiegen hatten, bei Calvin beschwert, der selbst erst nachträglich davon erfuhr. Beza konnte ihre Tat nur sehr schwach entschuldigen; doch trat Calvin auf seine Seite und sucht den Freund in beschönigender Weise gegenüber den Zürchern zu verteidigen. Das Bekenntnis war in Wahrheit gar nicht das Resultat eines Gesprächs mit dem württembergischen Theologen Andreä. Weggelassen ist ein durch Unvollkommenheit des Textes unverständlich gewordener, aber, wie es scheint, mit dieser Sache nicht zusammenhängender Abschnitt.

Bezas unlauteres Bekenntnis.

Mit Farels und Bezas Bekenntnis ging es mir wie dir. Sie erwähnten bei ihrer Rückkehr gar nichts davon. Als mich kurz darauf ein Freund darauf aufmerksam machte, dass allerlei Gerüchte umliefen, zog ich Erkundigungen ein und warf auch Beza vor, dass er mir eine so wichtige Sache verschwiegen habe. Er antwortete, weil er auf Jakob Andreäs Bitte nur die Hauptpunkte einer Tags zuvor gehabten Unterredung aufgeschrieben habe, so habe er befürchtet, sich durch Veröffentlichung einer solchen privaten Aufzeichnung den Tadel bösen Ehrgeizes zuzuziehen; weil er sich also fürchtete, mit seinem Wirken zu prahlen, hat er etwas verschwiegen, dass zu wissen für uns von Interesse war. Hat mir dies damals missfallen, so freut es mich jetzt doch, dass es den beiden gar nicht in den Sinn kam, mir davon zu erzählen, da du daraus umso deutlicher siehst und ich umso bestimmter versichern kann, dass sie wirklich nicht hinterlistig gehandelt haben oder dass sie jemand nicht trauten. Diese Entschuldigung würde dich und die andern, wenn Ärgernis entstanden sein sollte, leicht befriedigen können; nun aber kann dich bei deiner freundlichen Gesinnung gewiss diese zwar recht unbedachte Scheu Bezas nicht verletzen. Weil ich aber weiß, dass Valerand nichts anderes vorhat, als durch indirekte Verleumdungen und heimliche Intrigen unsere brüderliche Eintracht zu zerstören, so ist mir mit Recht alles verdächtig, was von diesem Menschen kommt; damit er nicht etwa etwas Unrichtiges unterschieben kann, sende ich dir eine von Beza mir gegebene Abschrift des Bekenntnisses, dessen Klarheit und Ehrlichkeit, wenn ich mich nicht sehr irre, auch dir gefallen wird. Wenn er auch nicht alles Einzelne präzis ausdrückt, weil er das im Augenblick für nicht am Platze hielt, so finde ich doch nichts Zweideutiges und Unklares darin. Ich gebe zu, es steht nicht alles darin, was eine vollständige Erläuterung der Abendmahlsfrage eigentlich erforderte; doch entschuldige ich das einfach damit, dass sich dazu eben keine Gelegenheit bot. Sicher können die Gegner, so sehr sie darauf aus sind, Euch zu fangen, Euch daraus gewiss keine Schlinge legen.

- - Lebwohl, hochberühmter Mann und von Herzen verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite und segne dich. Herrn Bullinger und den andern Kollegen viele Grüße.

Genf, 20. Juli 1557.

Dein Johannes Calvin.

Unser lieber Herr Marchese, der Graf [di Martinengo] und die übrigen lassen dich grüßen.

 

Nr. 528 - Vorrede zum Psalmen-Kommentar.

 

Autobiographisches im Anschluss an die Erfahrungen Davids.

Wenn die Lektüre dieses meines Kommentars der Kirche Gottes soviel Nutzen schafft, als ich beim Schreiben Förderung verspürte, so braucht es mich nicht zu reuen, dass ich die Arbeit unternommen habe. Freilich, als ich vor drei Jahren in unserer kleinen Schule das Psalmbuch erklärte, glaubte ich, das genüge und hatte nicht vor, zu veröffentlichen, was ich vor meinen nächsten Freunden vertraulich behandelt hatte. Ich hatte auch, als ich die Erklärung des Psalmbuchs auf Bitten meiner Freunde unternahm, der Wahrheit gemäß bezeugt, dass meine Arbeit eigentlich unnötig sei, da ja der sehr getreue Lehrer der Kirche Gottes, Martin Butzer, mit all seiner in dieser Arbeit bewährten Gelehrsamkeit, seinem Eifer und seiner Treue jedenfalls soviel erreicht habe, dass ich nicht mehr Hand anzulegen brauchte. Ich hätte auch Wolfgang Müslins Psalmenkommentar dabei nicht schweigend übergehen dürfen, wenn er damals schon erschienen gewesen wäre, da auch er durch seinen Eifer und seinen Fleiß sich nach dem Urteil aller Guten großes Lob verdient hat. Ich war mit der Erklärung des Buches noch nicht zu Ende, als man mich mit der weiteren Bitte bestürmte, ich möge doch meine von einigen Zuhörern genau und wortgetreu und mit vieler Mühe nachgeschriebenen Betrachtungen nicht verloren gehen lassen. Ich blieb bei meinem Vorsatz; nur versprach ich, wie ich es schon längst vorgehabt hatte, etwas in französischer Sprache darüber zu schreiben, damit mein Volk nicht ohne Hilfsmittel zur Lektüre eines so guten Buches bleibe. Als ich nun das zu beginnen dachte, schrieb ich planlos, von einem unbestimmten Drang getrieben, zur Probe die Erklärung eines Psalms lateinisch, und als mir das weit über Erwarten geriet, wuchs mein Mut, und ich unternahm das Gleiche bei ein paar andern. Meine Freunde merkten das und drangen nun, als ob sie jetzt eine Verpflichtung von mir in der Hand hätten, umso kühner in mich, das Begonnene nicht aufzugeben. Mein Hauptgrund, ihnen nachzugeben, der mich auch schon zur Probe veranlasst hatte, war der, es könnten wider meinen Willen oder wenigstens ohne mein Wissen Nachschriften meiner mündlichen Erklärung in die Öffentlichkeit dringen. Diese Befürchtung trieb mich eigentlich mehr zur Abfassung dieses Werkes als ein freier Entschluss.

Beim Fortschreiten des Werkes merkte ich indessen immer mehr, dass meine Arbeit nicht überflüssig sei, und ich habe es persönlich an mir erfahren, dass ich für nicht allzu geübte Leser ein guter Helfer zum Verständnis der Psalmen werden könne. Wie viel glänzenden Reichtum nämlich dieser Schatz enthält, ist mit Worten freilich schwer zu sagen; ich wenigstens bin, das weiß ich, der Herrlichkeit des Stoffes bei weitem nicht gewachsen; weil es aber immerhin besser ist, den Lesern nur einen kleinen Vorgeschmack von dem Nutzen, der ihrer wartet, zu geben, als ganz zu schweigen, so mag es erlaubt sein, wenigstens anzudeuten, was sich um seiner Größe willen nicht vollkommen sagen lässt.

Ich pflege das Psalmbuch nicht ohne Grund eine Anatomie aller Teile der Menschenseele zu nennen; denn es findet sich kein Gefühl im Menschen, dessen Bild nicht in diesem Spiegel zu finden ist. Alle Schmerzen, alle Traurigkeit, alle Befürchtungen, Zweifel, Hoffnungen, Sorgen, Ängste, ja auch alle die gemischten Regungen schließlich, die den Menschengeist umtreiben, hat hier der heilige Geist nach dem Leben geschildert. Die übrige Schrift enthält die Gebote, die Gott seinen Knechten auftrug zur Verkündigung an uns; im Psalter aber reden die Propheten mit Gott, und weil sie dabei ihre innersten Regungen aufdecken, mahnen und bringen sie jeden von uns zur Prüfung seiner selbst, damit uns keine Schwäche, der wir unterworfen sind, keiner von den vielen Fehlern, die uns anhaften, verborgen bleibe. Es ist eine seltene und große Förderung für uns, wenn einmal alle Winkel unseres Herzens durchsucht werden und es dann auch vom schlimmsten Flecken, der Heuchelei, gereinigt ans Licht gezogen wird. Wenn schließlich das Gebet zu Gott die stärkste Stütze unseres Heils ist, so lässt sich dafür keine bessere und sicherere Weise finden als im Psalter, und je weiter jemand kommt in seinem Verständnis, einen umso größeren Teil der himmlischen Weisheit hat er erlangt. Das aufrichtige Gebet geht hervor erstlich aus der Empfindung unserer Not, dann aber auch aus der Zuversicht auf die Verheißung. Der Psalter aber weckt seine Leser, dass sie ihre Nöte recht empfinden, und macht sie zugleich aufmerksam auf die Hilfsmittel dagegen. Kurzum alles, was uns ermutigen kann, wo es sich ums Gebet zu Gott handelt, das wird uns in diesem Buche gezeigt. Denn wir finden hier nicht nur die Verheißungen, es wird uns hier auch oft ein Mensch gezeigt, der mitten zwischen der Einladung von Gott und den Hindernissen des Fleisches, sich anschickt zu beten, damit auch wir, wenn uns mancherlei Zweifel quälen, ringen lernen, bis sich unser Geist befreit zu Gott aufschwingt. Und nicht nur das, sondern mitten in Bedenken, Furcht und Zittern sollen wir uns zwingen zu beten, bis wir eine Erleichterung spüren, die uns beruhigt. Denn wenn auch der Mangel an Vertrauen unserem Gebet die Tür verschließt, so müssen wir doch wissen, dass wir nicht nachgeben dürfen, wenn unsere Herzen wanken und unruhig sind, bis der Glaube siegreich aus dem Kampf hervorgeht. Tatsächlich können wir an mancher Stelle des Psalters sehen, wie die Knechte Gottes so hin und hergetrieben werden beim Gebet, dass sie abwechselnd fast unterlagen und dann doch wieder durch heißes Ringen die Siegespalme davontrugen.

Einerseits zeigt sich dabei die Schwachheit des Fleisches, andrerseits aber erweist sich die Kraft des Glaubens, wenn auch nicht gleich so tapfer, wie man möchte, aber doch bereit zum Kampfe, bis sie allmählich volle Festigkeit erlangt.

Weil sich aber im ganzen Buch verstreut Stellen finden, die zur rechten Art des Betens anleiten, so will ich die Leser jetzt nicht mit einer überflüssigen Wiederholung belästigen und sie im Weiterlesen dadurch aufhalten. Ich hielt es nur für der Mühe wert, beiläufig zu sagen, dass uns der Psalter ein über alles wünschenswertes Gut bietet, indem er uns nicht nur den Weg des Vertrauens zu Gott eröffnet, sondern uns auch sagt, dass wir selbst die Schwächen, die wir uns den Menschen einzugestehen schämen, vor ihm ganz offen und freimütig darlegen dürfen. Aber auch wie man recht Lobopfer bringen soll, die nach Gottes Wort ihm am kostbarsten sind und am süßesten duften, wird hier nach der Regel gelehrt. Nirgends findet man herrlichere Lobsprüche auf Gottes Wohltaten an seiner Kirche sowohl, als auf seine Werke überhaupt, nirgends werden soviel Erlösertaten erzählt, noch die Beweise seiner väterlichen Vorsehung und Fürsorge für uns so ersichtlich geliefert, nirgends schließlich wird die rechte Art Gott zu loben vollkommener gelehrt und nirgends mehr zu solchem frommen Tun ermuntert. Und obschon der Psalter so voll ist an Vorschriften, wie man sein Leben fromm, heilig und gerecht gestalten soll, so kommt dazu als Hauptsache, dass er uns lehrt, auch unser Kreuz zu tragen; denn das ist die rechte Bewährung unseres Gehorsams, dass wir unserm eignen Gefühl den Abschied geben, uns Gott unterwerfen und unser Leben so leiten lassen von seinem Willen, dass selbst die für uns schwersten Mühsale süß werden, weil sie von ihm kommen. Endlich finden wir im Psalter nicht nur Lobeserhebungen über Gottes Güte im allgemeinen, die uns lehren, in ihm allein unsere Ruhe zu finden, dass unser Herz in aller Not auf seine sichere Hilfe harrt, sondern auch die Sündenvergebung aus Gnaden, die uns allein mit Gott versöhnt und uns Frieden und ruhiges Gewissen vor ihm erwirbt, wird uns darin verkündet, dass wirklich nichts fehlt zur Erkenntnis unseres himmlischen Seelenheils.

Übrigens, wenn meine Arbeit an diesem Kommentar den Lesern einigen Nutzen schafft, so mögen sie wissen, dass meine nicht unbeträchtliche Erfahrung in den Kämpfen, in denen mich der Herr geprüft hat, mir ziemlich geholfen hat, nicht nur die im Psalter enthaltenen Lehren auf das praktische Leben anzuwenden, sondern auch den Weg zum Verständnis jedes Psalmdichters zu finden. Und da unter diesen David der wichtigste ist, so hat mir zur volleren Erkenntnis seiner Klagen über die Übel im Innern der Kirche nicht wenig der Umstand geholfen, dass ich ähnliches wie das, worüber er klagt, auch leiden musste von den Feinden im Schoß der Kirche selbst. Denn, obwohl ich noch sehr weit hinter ihm zurückstehe, ja den großen Tugenden, durch die er sich auszeichnete, nur langsam und unter großer Schwierigkeit nachstrebe und noch unter ganz andern Fehlern leide, so darf ich doch wohl das, was ich mit ihm gemein habe, vergleichen. Wenn mir also auch beim Lesen der Zeugnisse seines Glaubens, seiner Geduld, seines heißen Eifers, seiner Untadeligkeit mit Recht ungezählte Seufzer über meine Unähnlichkeit mit ihm kommen, so ist es für mich doch von großem Nutzen, bei ihm wie in einem Spiegel den ersten Anfang meiner Berufung und den weiteren Verlauf meiner Wirksamkeit zu sehen und daraus als gewiss anzuerkennen, dass, was dieser herrlichste König und Prophet erlebte und ertrug, mir zum Vorbild gegeben ist.

Freilich brauche ich gar nicht zu sagen, wie viel niedriger meine Stellung ist; aber wie David von den Schafhürden weg zur höchsten Stelle im Reich erhoben worden ist, so hat Gott mich aus meinen dunkeln und geringen ersten Verhältnissen emporgezogen und mich des ehrenvollen Amtes gewürdigt, ein Verkünder und Diener seines Evangeliums zu sein. Zur Theologie hatte mich mein Vater zwar schon als kleinen Knaben bestimmt; als er aber später sah, dass die Rechtswissenschaft ihre Jünger gewöhnlich reicher macht, so brachte ihn diese Hoffnung auf einmal zu einer Änderung seines Planes. So kams, dass ich vom Studium der Philosophie weggenommen und angewiesen wurde, die Gesetzeskunde zu treiben. So sehr ich mich nun aber auch aus Gehorsam gegen meinen Vater bemühte, die getreulich zu tun, so hat doch Gott schließlich durch seine geheimnisvolle Vorsehung meinem Leben eine ganz andere Bahn gewiesen. Zuerst freilich war ich dem Aberglauben des Papsttums so hartnäckig zugetan, dass es nicht leicht war, mich aus diesem tiefen Abgrund herauszureißen. Gott aber hat mein Herz, das für sein Alter schon recht verstockt war, durch eine plötzliche Bekehrung gefügig und gelehrig gemacht. Sobald ich einen gewissen Geschmack an der wahren evangelischen Frömmigkeit gewonnen hatte, entflammte mich ein solcher Eifer, darin vorwärts zu kommen, dass ich zwar die andern Studien nicht gerade beiseite warf, aber doch weniger energisch betrieb. Es war aber noch kein Jahr vergangen, als bereits alle, die nach der reinen Lehre Verlangen trugen, zu mir, dem Neuling und Anfänger, kamen, um zu lernen. Ich, der ich von Natur etwas menschenscheu und schüchtern war und stets gerne ein ruhiges Leben im Schatten gehabt hätte, suchte mich in die Verborgenheit zurückzuziehen; aber weit entfernt, dass mir das von Gott gewährt worden wäre, wurden vielmehr alle meine Zufluchtsorte zu öffentlichen Schulen. Überhaupt, während ich nur im Sinne hatte, unbekannt irgendwo in Muße leben zu können, führte mich Gott auf allerlei Umwegen so, dass er mich nirgends Ruhe finden ließ, bis er mich meiner Naturanlage entgegen schließlich ans helle Licht zog. Ich verließ auch meine Heimat und reiste nach Deutschland in der Absicht, in irgendeinem unbekannten Winkel verborgen die mir seit langem versagte Ruhe zu genießen.

Aber sieh da, als ich nun wirklich unerkannt in Basel lebte, geschah es, dass in Frankreich eine Menge frommer Leute verbrannt wurden und, weil diese Verfolgung überall in Deutschland große Entrüstung wachrief, falsche und lügenhafte Traktate verbreitet wurden, um diese Entrüstung zu dämpfen durch die Behauptung, nur Wiedertäufer und Aufrührer seien so hart behandelt worden, die durch ihren tollen Wahnwitz nicht nur den Glauben, sondern auch jede Staatsordnung umstürzen wollten. Als ich sah, dass solches von den Intriganten am französischen Hof unternommen wurde, um nicht nur die Gräuel des vergossenen Blutes durch falsche Beschuldigung der heiligen Märtyrer zu verbergen, sondern sich auch für die Zukunft die Freiheit zu jeder Bluttat zu sichern, ohne dadurch das Mitleid anderer wachzurufen, da hielt ich dafür, dass Schweigen eine unentschuldbare Treulosigkeit wäre und dass ich dem nach Kräften tapfer entgegentreten müsse. Das wars, was mich bewog, meine Institutio zu schreiben: erstens meine Brüder, deren Tod in Gottes Augen soviel galt, gegen ungerechte Beschimpfung zu verteidigen, und dann, da noch vielen die gleiche Verfolgung drohte, für diese wenigstens das Mitgefühl und die Fürsorge des Auslandes zu wecken. Doch war die Institutio damals noch nicht das dicke, aus großer Arbeit hervorgegangene Buch wie heute, sondern sie erschien damals nur als ein kurzes Handbüchlein, mit dem einzigen Zweck, den Glauben derer darzulegen, die ich von gottlosen, unehrlichen Schmeichlern des Königs schändlich verleumdet sah.

Dass ich nicht die Absicht hatte, damit Ruhm zu erwerben, geht klar daraus hervor, dass ich gleich darauf Basel verließ, sogar als noch niemand dort wusste, dass ich der Verfasser sei.

Ich habe das auch anderswo stets verschwiegen und hatte vor, es auch weiterhin zu tun, bis ich in Genf, nicht bloß durch Zureden und Mahnen, sondern durch eine furchtbare Beschwörung Guillaume Farels festgehalten wurde, als ob Gott vom Himmel her gewaltsam seine Hand auf mich legte. Da mir der Krieg den direkten Weg nach Straßburg gesperrt hatte, hatte ich vorgehabt, rasch durch Genf zu reisen und mich nicht länger als eine Nacht in der Stadt aufzuhalten. Nun war hier vor kurzem durch die Wirksamkeit des genannten trefflichen Mannes und Pierre Virets das Papsttum niedergeworfen worden, doch waren die Verhältnisse noch ungeordnet und die Stadt in schlimmer, gefährlicher Weise in Parteien gespalten. Ein Mann, der seither in schmählichem Abfall wieder ins papistische Lage zurückgekehrt ist, hatte gleich verraten, wer ich sei, und darauf bemühte sich Farel mit aller Kraft, wie er denn von einem unglaublichen Eifer zur Förderung des Evangeliums förmlich glühte, mich festzuhalten. Als er nun hörte, ich wolle mich stillen Privatstudien hingeben, und sah, dass er mit Bitten nichts ausrichtete, da ließ er sich zu der Verwünschung hinreißen, Gott möge meiner Ruhe seinen Fluch senden, wenn ich ihm in solcher Not nicht helfen wolle. Da erschrak ich und gab die begonnene Reise auf, jedoch, im Blick auf meine Menschenscheu und Schüchternheit, ohne mich zur Übernahme eines bestimmten Amtes zu verpflichten.

Kaum vier Monate waren vergangen, als uns einerseits die Wiedertäufer angriffen, andrerseits ein böser Apostat, auf die geheime Hilfe großer Herren vertrauend, uns viel zu schaffen machen konnte. Dazu suchten uns Unruhen in der Stadt, eine nach der andern, heim. Ich, der ich von Natur, ich will es gestehen, ängstlich, weich und kleinmütig bin, musste gleich am Anfang meiner Wirksamkeit solche Sturmfluten über mich hereinbrechen lassen; wenn ich ihnen auch nicht unterlag, so hielt mich doch auch kein so großer Mut aufrecht, dass ich mich nicht über meine Verjagung infolge dieser Wirren mehr als recht gefreut hätte. Als ich nun so von der Fessel dieser Berufung frei war und als Privatmann in Frieden leben wollte, zog mich der treffliche Diener Christi, Martin Butzer, wieder mit einer ähnlichen Beschwörung, wie sie Farel gebraucht hatte, gewaltsam in eine neue Amtsstellung zurück. Betroffen über das Beispiel des Jonas, das er mir vorhielt, fuhr ich also fort, des Lehramts zu walten. Auch wurde ich, obwohl ich mir stets gleich blieb und allem Aufsehen machen auswich, ich weiß eigentlich nicht wie, an die deutschen Reichstage gezogen, wo ich, ich mochte wollen oder nicht, vielen vor Augen kommen musste. Später, als der Herr sich Genfs erbarmte, die Unruhen stillte und mit seiner wunderbaren Macht alle frevelhaften Pläne und blutigen Wirren zerstreute, wurde ich gegen meines Herzens Wunsch genötigt, meine frühere Stellung wieder einzunehmen. Lag mir auch das Wohl der Genfer Kirche so am Herzen, dass ich mich nicht hätte weigern können, für sie das Leben zu lassen, so flößte mir doch meine Ängstlichkeit viele entschuldigende Ausreden ein, meine Schultern nicht gerne wieder unter eine so schwere Last zu beugen. Schließlich siegte aber doch mein Pflichtgefühl und meine Treue, so dass ich der Herde, von der man mich weggerissen, wieder zurückgegeben wurde; mit welcher Trauer aber, unter wie viel Tränen, in welcher Angst, dafür ist Gott mein bester Zeuge und viele fromme Leute, die mich gern von dieser Last frei gewusst hätten, wenn sie nicht dieselbe Befürchtung, die mich trieb, auch gebunden hätte. Mit wie viel Kämpfen mich Gott seitdem heimgesucht, mit welchen Prüfungen er mich auf die Probe gestellt hat, das gäbe eine lange Geschichte, wollte ichs erzählen; doch um die Leser nicht mit unnützem Gerede zu ermüden, will ich nur, was ich vorhin andeutete, kurz wiederholen: wenn ich so sah, wie David mir das Schritt für Schritt den Weg wies, so hat mich das nicht wenig getröstet. Denn wie diesen heiligen König die Philister und andere Feinde von außen beständig mit Krieg überzogen, dabei ihn aber auch die Bosheit und Unehrlichkeit treuloser Menschen im Innern seines Reiches noch tiefer verletzten, so habe ich, von allen Seiten angegriffen, kaum je einen Augenblick Ruhe gehabt vor Kämpfen von außen und innen. Da der Satan oft versucht hat, auf mancherlei Art die Ordnung der Genfer Kirche zu zerstören, so ist es dahin gekommen, das ich unkriegerischer und furchtsamer Mensch todbringende Zusammenstöße durch Dazwischenwerfen meines Leibes verhindern musste. Ganze fünf Jahre, während deren arge Menschen übergroße Macht hatten und auch ein Teil des Volkes, von ihnen verlockt und verderbt, ungezügelte Freiheit verlangte, mussten wir ohne Unterlass um die Aufrechterhaltung der Kirchenzucht kämpfen. Denn diesen Weltmenschen und Verächtern der himmlischen Lehre war es gleich, wenn es mit der Kirche drunter und drüber ging, wenn sie nur die Macht bekamen, die sie haben wollten, nach ihren Gelüsten zu leben. Viele trieb auch Armut und Hungersnot, andere ungestillter Ehrgeiz oder schnöde Gewinnsucht zu der Leidenschaft, alles durcheinander zu wirren und lieber mit uns sich zu Grunde zu richten, als bei der Ordnung zu bleiben. In diesem langen Zeitraum haben sie, glaube ich, kaum etwas unterlassen, was in dieses Teufels Werkstatt geschmiedet wird. Schließlich konnten ihre argen Ränke kein anderes Ende nehmen als in einer schmählichen Niederlage. Das war aber auch ein trauriges Schauspiel für mich; denn obwohl sie jeder Strafe wert waren, so hätte ich sie doch lieber heil und unverletzt gesehen, was auch hätte geschehen können, wären sie nicht jedem guten Rate unzugänglich gewesen.

So schwer und schmerzlich mir auch diese fünf Jahre dauernder Prüfung waren, so quälte mich doch ebenso sehr die Bosheit der Leute, die mich und meinen Dienst am Wort unaufhörlich mit giftiger Verleumdung bekämpften. Wenn auch die Mehrheit dieser Leute von ihrer Schmähsucht so verblendet ist, dass sie ihre Unverschämtheit zu ihrer eignen Schande gleich verraten, und die übrigen ihre Verschmitztheit nicht davor schützt, ebenso schmählich überführt zu werden, so ist es doch eine schwer zu ertragende Schmach, dass die Vorwürfe, von denen man sich schon zum hundertsten Mal gereinigt hat, stets aufs neue ohne allen Grund wider einen erhoben werden. Weil ich behaupte, durch Gottes geheimnisvolle Vorsehung werde die Welt regiert, erheben sich freche Menschen und beschuldigen mich, damit werde Gott zum Urheber der Sünde gemacht. Eine eitle Verleumdung, die von sich aus leicht verschwände, fände sie nicht so willige Hörer; aber es sind eben die Herzen vieler Menschen so eingenommen von Neid und Missgunst, von Undankbarkeit und Bosheit, dass sie vor der tollsten und abenteuerlichsten Lüge nicht zurückschrecken. Andere wollen die Lehre von der Prädestination Gottes, durch die er die Verworfenen von den Erwählten sondert, umstürzen; wieder andere übernehmen die Verteidigung der Willensfreiheit, und gleich treibt dann weniger die Unwissenheit, als vielmehr ein unverständlicher Trieb zum Verkehrten viele in ihr Lager. Es wäre noch zu ertragen, wenn einem nur erklärte Feinde so zu schaffen machten. Wenn aber solche, die sich verbergen unter dem Namen von Brüdern, die nicht nur vom gleichen heiligen Abendmahlsbrot Christi leben, sondern es auch andern spenden, ja die sich mit lauter Zunge rühmen, Prediger des Evangeliums zu sein, wenn die so unselige Kämpfe gegen mich beginnen, ist das nicht abscheulich? Da darf ich doch mit dem besten Recht wie David klagen: „Auch mein Freund, dem ich mich vertraute, der mein Brot aß, tritt mich unter die Füße.“ (Psalm 41, 10) und wiederum (Psalm 55, 14): „Es greift mich feindselig an mein Freund und mein Geselle, die wir freundlich waren miteinander unter uns und wandelten im Hause Gottes zu Haufen.“

Andere wiederum verbreiten leichtsinnige Gerüchte von meinen Schätzen, von meiner unermesslichen Macht; wieder andere reden von meinem prunkvollen Leben. Aber kann man einen Menschen, der sich an einfachem Tisch und bürgerlicher Kleidung genügen lässt und vom geringsten Mann nicht mehr Einfachheit verlangt, als man sie an ihm selbst sieht, zu Prunk liebend nennen? Ich wollte, dass die Leute, die mich um meine Macht beneiden, einmal selbst an meiner Stelle wären; denn sie schätzen die Arbeitslast, die mich fast erdrückt, als ein Königreich für mich. Und wenn ich sie zu meinen Lebzeiten nicht davon überzeugen kann, dass ich nicht reich an Geld und Gut bin, so wird mein Tod das ja dann zeigen. Ich gebe zwar zu, dass ich nicht arm bin, weil ich nicht mehr begehre, als ich habe. Wenn auch an solchen Erfindungen nichts ist, so finden sie doch bei vielen Leuten Beifall, weil die meisten Menschen meinen, damit ihre eigenen Fehler am besten zudecken zu können, wenn sie das Weiße ein wenig schwärzen; auch scheint es ihnen das beste Mittel, selbst straflos sich alles erlauben zu dürfen, wenn sie das Ansehen der Diener Gottes zerstören. Dazu kommen dann noch die schmarotzenden Spaßmacher, über die sich auch David in Psalm 35, 16 beklagt, und damit meine ich nicht nur die Liebhaber eines guten Tisches, sondern alle, die durch falsche Berichte die Gunst großer Herren erhaschen wollen.

Obwohl ich nun längst daran gewöhnt bin, solche Beleidigungen einfach hinzunehmen, ja fast abgestumpft bin dagegen, so ists doch nicht anders möglich, als dass ich, wenn ihre Frechheit stets wächst, doch zuweilen die Bitterkeit solcher Stiche empfinde. Aber es war noch nicht genug, dass ich von meinen Nachbarn so unmenschlich behandelt wurde, es musste auch noch von der eisigen Nordsee her irgendein Wetter kommen und eine Wolke von Menschen, die zu viel freie Zeit haben, gegen mich treiben. Ich meine damit auch Feinde im Schoß der Kirche, die sich großartig des Evangeliums Christi rühmen, aber, weil ich ihre krasse Einbildung vom fleischlichen Essen Christi nicht annehme, mehr als feindselig über mich herfallen; von ihnen darf ich auch mit David sagen: „Ich halte Frieden, aber wenn ich rede, fangen sie Krieg an“ (Psalm 120, 7). Nun verrät sich ja schon darin die ungeheure Undankbarkeit aller dieser Leute, dass sie einem Mann, der sich eifrig Mühe gibt, die gemeinsame Sache zu verteidigen und dem sie dabei zu Hilfe kommen sollten, in die Flanke und in den Rücken fallen.

Wahrlich, wäre nur ein Funke von Anstand in ihnen, so müsste schon die Wut der Papisten, die sich in maßlosem Fanatismus gegen mich wendet, selbst ihren größten Hass gegen mich stillen.

Da es aber auch die Lage Davids war, dass er bei allem Verdienst um sein Volk doch von vielen ohne Ursache gehasst wurde, wie er Psalm 69, 5 klagt: „Ich muss bezahlen, da ich nicht geraubt habe“, so ist es mir kein geringer Trost, wenn ich in grundlosem Hass von solchen verfolgt werde, die mir eigentlich beistehen sollten, dass ich mich an ein so hohes, herrliches Vorbild halten kann; ja diese Erfahrung hat mir nicht wenig genützt zum Verständnis der Psalmen, so dass sie mir nicht wie ein unbekanntes Land waren, das ich durchwandern sollte.

Auch die Leser werden es merken, wenn ich mich nicht irre, dass ich bei der Erklärung der intimsten Empfindungen Davids wie von Dingen reden kann, die ich aus vertrautem Umgang kenne.