Die Briefe an die Epheser und Galater - Johannes Calvin - E-Book

Die Briefe an die Epheser und Galater E-Book

Johannes Calvin

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Beschreibung

Johannes Calvin (10. Juli 1509 - 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden "Unterweisung in der christlichen Religion" schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. In diesem vorliegenden Werk befasst er sich mit den Briefen an die Epheser und Galater.

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Seitenzahl: 382

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Die Briefe an die Epheser und Galater

 

JOHANNES CALVIN

 

 

 

 

 

 

 

Die Briefe an die Epheser und Galater, J. Calvin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662615

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.

 

Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 89 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.

https://www.europeana.eu/de/item/2058612/PMRMaeyaert_56377d4ed8dd1c3e798b283c12b0bb788cc7aff7

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Der Brief an die Epheser1

Einleitung.1

Kapitel 1.3

Kapitel 2.17

Kapitel 3.32

Kapitel 4.44

Kapitel 5.66

Kapitel 6.80

Der Brief an die Galater92

Einleitung.92

Kapitel 1.96

Kapitel 2.109

Kapitel 3.126

Kapitel 4.147

Kapitel 5.163

Kapitel 6.176

Der Brief an die Epheser

Einleitung.

Ephesus war früher eine in vieler Beziehung berühmte Stadt in Kleinasien. Lukas berichtet uns in der Apostelgeschichte (Apg. 18, 24 ff.; 19), wie der Herr hier durch die Arbeit des Paulus ein Volk gewann, wie diese Gemeinde entstand und sich entwickelte. Ich will mich indessen auf eine Inhaltsübersicht unseres Briefes beschränken. Paulus hatte die Epheser in der reinen Lehre des Evangeliums unterrichtet. Als er nun in Rom in der Gefangenschaft war und sah, dass sie Stärkung nötig hatten, schrieb er zu diesem Zweck den vorliegenden Brief.

Die ersten drei Kapitel enthalten vor allem eine Empfehlung der göttlichen Gnade. Nach dem Gruße handelt gleich der Anfang des ersten Kapitels von der Erwählung Gottes aus Gnaden: wir sollen erkennen und bedenken, dass wir nur deshalb zum Reiche Gottes berufen wurden, weil wir schon vor unserer Geburt zum ewigen Leben bestimmt waren. Das ist ja das glänzendste Zeugnis der Barmherzigkeit Gottes, dass er uns in freier Gnade zu seinen Kindern annahm und so den wahren Quell der Seligkeit uns erschloss. Da aber der menschliche Geist zu stumpf ist, um ein solch erhabenes Geheimnis zu fassen, so betet der Apostel, Gott möge die Epheser erleuchten, damit sie zur vollen Erkenntnis Christi gelangen. – Das zweite Kapitel erinnert die Leser an ihre unglückliche Lage vor ihrer Berufung zu Christo: so soll sich die Herrlichkeit der Gnade umso klarer abheben. Denn wenn uns nicht vorgehalten wird, wie traurig unsere Lage ohne Christus sein würde, fühlen wir es nie genug, wie viel wir ihm verdanken, und würdigen seine Wohltaten nicht nach Gebühr. Insbesondere stellt Paulus seinen Lesern vor Augen, wie sie als Heiden früher von den Verheißungen des ewigen Lebens fern waren, deren Gott nur die Juden gewürdigt hatte. – Im dritten Kapitel hebt er dann hervor, dass sein Apostelamt besonders für die Heiden bestimmt sei, damit diese, die lange Zeit fern waren, jetzt in Gottes Volk aufgenommen würden. Weil dieses aber etwas Ungewohntes war und wie alles Neue leicht die Gemüter beunruhigen konnte, so nennt er die Berufung der Heiden ein Geheimnis, das in den vorigen Zeiten verborgen gewesen, und dessen Offenbarung ihm übertragen ward. Ungefähr am Schluss bittet er Gott noch einmal, dass Er die Epheser mit der gewissen Erkenntnis Christi erfülle, dass sie nicht danach trachten, etwas anderes zu wissen. Dieses tut er nicht nur, damit die Erinnerung an so viel göttliche Wohltaten sie antreibe, sich dankbar gegen Gott zu erweisen und ihre Dankbarkeit dadurch zu bezeugen, dass sie sich ihm ganz weihen, sondern besonders um ihnen dadurch jeden Zweifel an ihrer Berufung zu nehmen. Denn Paulus befürchtete wahrscheinlich, die falschen Apostel möchten den Glauben der Epheser dadurch wankend machen, dass sie behaupteten, sie seien nur halb unterrichtet. Als Heidenchristen hatten sie nämlich nur das reine Christentum empfangen und hatten von den Zeremonien und der Beschneidung nichts gehört. Nun gab es aber Leute, welche den Christen das Gesetz aufdrängen wollten und darum mit allem Nachdruck jeden Unbeschnittenen für unheilig und ausgeschlossen von Gottes Gemeinschaft erklärten. Sie predigten alle immer nur das Eine: Kein Unbeschnittener darf zum Volke Gottes gerechnet werden, und alle heiligen Gebräuche, die von Moses vorgeschrieben sind, müssen beobachtet werden. Daher tadelten sie auch Paulus, weil er den Heiden in gleicher Weise wie den Juden Anteil an Christo verhieß, und nannten sein apostolisches Wirken eine Entheiligung der himmlischen Lehre, weil er den Gnadenbund unreinen Menschen ohne Ausnahme offen stellte. So sieht er sich denn veranlasst, den Glauben der Epheser gegen die Anfechtungen zu schützen, die sich aus solchen Verleumdungen notwendig ergeben mussten. Daher schärft er es ihnen so eifrig ein, dass sie nur deswegen zum Evangelium berufen wurden, weil Gott sie vor der Erschaffung der Welt erwählt hatte. Und damit sie nicht denken sollten, der Wille eines Menschen habe ihnen eigenmächtig das Evangelium gebracht, oder der Zufall habe es ihnen zugetragen, so erklärt er, dass sich in der Verkündigung des Evangeliums bei ihnen lediglich jener ewige Ratschluss Gottes vollzogen habe. Und der Hinweis auf den vorigen unglücklichen Zustand dieser Heidenchristen muss zur Bewunderung der einzigartigen göttlichen Gnade anleiten, welche sie aus der Tiefe solches Abgrundes emporhob. So müssen die Ausführungen des Paulus über sein Heidenapostolat die Leser in ihrem neugewonnenen Glauben stärken: denn sie gründen die Zugehörigkeit zur Gottesgemeinde auf Gottes Berufung. Zugleich sind die einzelnen Lehren, die sich hier finden, ebenso viele Ermahnungen an die Epheser zur Dankbarkeit.

Das vierte Kapitel schildert, in welcher Weise Gott seine Gemeinde regiert und erhält, nämlich durch das Evangelium, welches durch Menschen gepredigt wird. Daraus folgt, dass die Gemeinde auch durch nichts anderes erbaut und zur wahren Vollkommenheit geführt werden kann. Die Absicht des Apostels hierbei ist, den Ephesern das Amt des Wortes zu empfehlen, durch welches Gott unter uns das Regiment führt.

Zum Schluss wendet Paulus sich zu den Früchten der Predigt. Er lehrt nicht nur im Allgemeinen, wie die Christen leben sollen, sondern gibt auch besondere Vorschriften für jeden Beruf und Stand.

 

Kapitel 1.

 

V. 1. Paulus, ein Apostel usw. Da der Gruß in allen Briefen fast dieselbe Form zeigt, oder doch nur wenig abweicht, so ist es nicht nötig, das früher Gesagte hier zu wiederholen. Paulus nennt sich einen Apostel Jesu Christi: denn alle, welchen das Amt der Versöhnung übertragen ist, richten eine Sendung für Christum aus. Darüber hinaus hat aber der Aposteltitel noch ein besonderes Gewicht: nicht jeder Diener des Evangeliums ist ja, wie wir alsbald (4, 11) sehen werden, ein „Apostel“ im eigentlichen Sinne (vgl. auch zu Gal. 1, 1). – Paulus setzt hinzu: durch den Willen Gottes. Denn niemand darf sich selbst diese Ehre nehmen, sondern muss warten, bis er von Gott dazu berufen wird. Diese göttliche Berufung gibt allein das Recht zum Dienst. So stellt der Apostel von vornherein seine ihm von Gott verliehene Autorität gegen die frevelhaften Verdächtigungen seiner Feinde, um jedem unnützen Angriff die Spitze abzubrechen.

Heilige sind dieselben Leute, die sofort auch Gläubige an Christum heißen. Folglich ist niemand gläubig, der nicht auch zugleich heilig ist; und andererseits ist niemand heilig, der nicht auch gläubig ist.

V. 3. Gelobt sei Gott. Dieser erhabene Lobpreis der göttlichen Gnade will die Herzen der Epheser zur Dankbarkeit stimmen oder vielmehr begeistern, dass der Gedanke daran sie ganz erfülle. Denn wer von solcher überreichen Gottesgnade erfahrungsmäßig zur rühmen weiß, die es ihm an nichts fehlen lässt, und in ihrer Betrachtung sich stetig übt, ist gegen fremdartige Lehren, welche diese Gnade nur verdunkeln können, gesichert. So ist es denn des Apostels Absicht, mit seinem Ruhm der Gnade den Glauben seiner Leser wider die Angriffe der falschen Apostel zu wappnen. Sie sollen sich nicht durch die Behauptung irremachen lassen, dass ihre Berufung unsicher sei, und ein anderer Heilsweg gefunden werden müsse. Dabei belehrt uns der Apostel, dass völlige Heilsgewissheit lediglich auf der Tatsache ruht, dass Gott uns in Christo und durch das Evangelium seine Liebe erschlossen hat. Damit aber diese Gewissheit umso fester stehe, wird sie auf ihren letzten Grund und ihre tiefste Quelle zurückgeführt, nämlich auf Gottes ewige Erwählung, die uns, noch ehe wir geboren, zu Gotteskindern macht. Wir sollen wissen, dass die Seligkeit, die wir genießen, auf Gottes ewigem und unveränderlichem Ratschluss ruht, nicht auf einem Zufall oder irgendeiner unberechenbaren Wendung des Geschicks. – Wäre es möglich, den griechischen Ausdruck genau wiederzugeben, so müssten wir etwa übersetzen: „Gesegnet sei Gott …, der uns gesegnet hat.“ So würden wir erst den Gegenklang des einmal von Gott, das andere Mal von den Menschen gebrauchten Wortes vernehmen. Ich finde in der Schrift eine zweifache Bedeutung dieses Wortes. Wir segnen (loben) Gott, wenn wir seine Güte preisen. Gott segnet uns, wenn er unsere Arbeit mit Erfolg krönt und uns seine Güte täglich erfahren lässt, so dass es uns gut geht, und wir glücklich sind. Und er schafft solchen Segen durch einen bloßen Wink. Wie eindrücklich muss uns also die Macht des göttlichen Wortes werden, wenn wir hören: Er hat uns gesegnet! Drittens segnen Menschen sich gegenseitig, wenn sie sich Gutes wünschen. Der priesterliche Segen endlich über die Gemeinde und jeden einzelnen Gläubigen ist nicht nur ein Segenswunsch, sondern zugleich ein Zeugnis und Unterpfand des göttlichen Segens. Denn den Priestern war das Amt übertragen, im Namen Gottes zu segnen. Spricht nun Paulus von einem geistlichen Segen, so mag er damit wohl leise auf den Unterschied zwischen dem Segen Moses und dem Segen Christi anspielen. Das Gesetz hat auch seine Segnungen, aber die Vollendung finden wir allein in Christo, weil er die vollkommene Offenbarung des Reiches Christi ist, die uns unmittelbar zum Himmel erhebt. Und weil in Christo das Wesen selbst erschienen ist, so bedarf es der Sinnbilder nicht mehr. – Hat uns Gott endlich in himmlischen Gütern gesegnet, so erkennen wir daraus die Herrlichkeit der Gnade Christi, die uns nicht hier auf Erden, sondern im Himmel und im ewigen Leben glücklich macht. Die christliche Religion hat ja allerdings, wie an einer anderen Stelle (1. Tim. 4, 8) gelehrt wird, Verheißungen nicht nur für das zukünftige, sondern auch für dieses Leben, aber ihr Ziel ist das geistliche Glück, wie auch Christi Reich ein geistliches Reich ist. So unterscheidet denn der Apostel Christum von allem jüdischen Formenwesen, welches den Segen noch unter einer gesetzlichen Hülle birgt. Wo Christus ist, fällt dies alles hin.

V. 4. Wie er uns denn erwählt hat. Hier macht Paulus die ewige Erwählung Gottes zur Grundlage und zur ersten Ursache sowohl unserer Berufung, als auch aller Güter, welche wir von ihm empfangen. Wenn wir also fragen, weshalb Gott uns zur Teilnahme am Evangelium berufen, weshalb er uns täglich so viele Wohltaten erweist, weshalb er uns den Himmel geöffnet hat, so kommen wir immer wieder auf diesen ersten Grund zurück, dass er uns erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war. Schon diese Zeitbestimmung zeigt, dass es sich um eine Erwählung aus Gnaden handelt. Denn welche Würdigkeit oder welches Verdienst konnten wir vor Gründung der Welt aufweisen? Die Ausflucht, wir seien nicht deshalb erwählt, weil wir schon würdig waren, sondern weil Gott vorhersah, dass wir würdig sein würden, hilft hier nichts, denn wir sind in Adam alle verloren, und wenn die Rettung durchs Evangelium nicht wäre, so würde Gott in uns nichts vorhersehen können als Verderben. Demselben Beweis begegnen wir auch Röm. 9, 11, wo es von Jakob und Esau heißt: ehe sie geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten usw. Einen weiteren Hinweis auf die freie Gnade enthält der Zusatz: durch denselbigen. Durch Christum hat uns Gott erwählt: so liegt der Grund unserer Erwählung außer uns. Wir sind nicht erwählt wegen unserer Würdigkeit, sondern einfach darum, weil der himmlische Vater uns zu Kindern angenommen und Christo einverleibt hat. Endlich schließt Christi Name jegliches Verdienst aus und alles, was die Menschen von sich selbst haben, denn wenn es heißt, dass wir in Christo erwählt wurden, so folgt daraus, dass wir in uns selbst unwürdig sind.

Dass wir sollten sein heilig usw. Damit wird der nächste Zweck, nicht aber das eigentliche Endziel der Erwählung beschrieben. Ihr wesentliches Ziel ist, wie wir alsbald (V. 6) hören, die Verherrlichung Gottes, welchem unsere Heiligung untergeordnet erscheint. Im Übrigen muss nach unserem Satze unsere Heiligkeit und Erneuerung, kurz alles Gute im Menschen, als eine Frucht der Erwählung gelten. So schließt denn auch dieses Satzglied alles eigene Verdienst vollkommen aus. Wäre es des Apostels Meinung gewesen, dass Gott uns erwählt, weil er Gutes in uns vorausgesehen, so hätte ja der Ausdruck genau umgekehrt lauten müssen. So aber folgt nicht die Erwählung aus unserem gerechten Wandel, sondern ein gerechter Wandel aus der Erwählung. Denn freilich soll die göttliche Erwählung uns nicht Anlass zu einem zügellosen Leben werden, wie etwa gottlose Leute schmähen und sagen: wir wollen herrlich und in Freuden leben und tun, was uns gefällt, - denn wenn wir erwählt sind, können wir nicht verloren gehen. Paulus sagt ganz im Gegenteil, dass mit der Gnadengabe der Erwählung untrennbar ein heiliges Leben verbunden ist: denn welche Gott in Ewigkeit erwählt hat, die beruft und rechtfertigt er in der Zeit. Von einer fleckenlosen Heiligkeit ist dabei auf der anderen Seite auch nicht die Rede: sie bezeichnet nur das letzte Ziel, das wir erst nach vollendetem Lauf erreichen. – Wo bleiben nun hier Leute, die vor der Lehre von der Erwählung zurückschrecken und fliehen als vor einem unentwirrbaren Irrgarten, ja dieselbe nicht nur unnütz, sondern auch für schädlich halten? Kein Lehrstück ist nützlicher als dieses, wenn es nur richtig und nüchtern behandelt wird, wie es hier von Paulus geschieht, der uns lehrt, die Vorherbestimmung dankbaren Sinnes als ein Zeugnis der unermesslichen Güte Gottes zu betrachten. Sie ist der rechte Quell, aus dem wir Erkenntnis des göttlichen Erbarmens schöpfen. Mögen die Menschen sonst überall Ausflüchte suchen, - die Erwählung schließt ihnen den Mund, dass sie nichts mehr sich anmaßen dürfen und können. Würden wir freilich diesen Zusammenhang des Erwählungsglaubens aus dem Auge verlieren, so möchten wir leicht auf die Abwege gefährlicher Spekulation geraten.

Gott will nun, dass wir unseren heiligen Wandel vor ihm in der Liebe führen, d. h. wir sollen vor seinem Angesicht ein gutes Gewissen haben. Gott lässt ja sich nicht wie ein Mensch durch äußeren Schein täuschen, sondern sieht auf wahre Treue und ein aufrichtiges Herz. – Die letzten Worte könnte man übrigens auch zum folgenden Satz ziehen: in der Liebe hat er uns verordnet zur Kindschaft. Ich bevorzuge indessen die erstere Verbindung: danach besteht die Vollkommenheit der Gläubigen in der Liebe, die zwar nicht alles ist, was Gott von uns fordert, wohl aber der entscheidende Beweis wahrer Furcht Gottes und des Gehorsams gegen sein Gesetz. Was nun folgt, soll Gottes Gnade in noch helleres Licht setzen. Der Apostel nennt in diesem Verse drei Ursachen unseres Heils, und etwas später fügt er noch eine vierte hinzu. Die eigentlich bewirkende Ursache ist das Wohlgefallen des göttlichen Willens. Das Mittel ist Christus, der Zweck ist das Lob der Gnade. Sehen wir jetzt, was er über jeden einzelnen Punkt sagt. Auf den ersten Punkt beziehen sich die Worte: Und hat uns verordnet zur Kindschaft gegen ihn selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens. Das hat Gott zu einer Zeit getan, da wir überhaupt noch nicht vorhanden waren. Es lag also kein Verdienst von unserer Seite vor, und die Veranlassung zu unserer Rettung ist demgemäß nicht von uns, sondern von Gott ausgegangen. So begnügt sich denn Paulus nicht, einfach von Gottes Willen zu sprechen, sondern fügt ausdrücklich noch einen Hinweis auf das „Wohlgefallen“ des göttlichen Willens hinzu. So fällt jeder Anstoß von außen und jedes Verdienst vollends dahin. Als uns Gott zu seinen Kindern annahm, hat er nicht auf das gesehen, was wir sind, noch hat ihn irgendein Vorzug von unserer Seite bewogen: was ihn bestimmte, uns zu erwählen, war allein sein ewiges Wohlgefallen. Und nach einer so deutlichen Aussprache wagt man es noch, nach anderen Gründen auszuschauen? Damit aber gar nichts fehle, sagt Paulus endlich noch von Gottes Gnade (V. 6): durch welche er uns hat angenehm gemacht. Dass Gott uns liebt und in seine Gemeinschaft aufnimmt, haben wir also nicht verdient, sondern geschenkt empfangen, und zwar in dem Geliebten. Damit wird die vermittelnde Ursache unserer Seligkeit gestreift: von Gottes geliebtem Sohne geht Gottes Liebe auf uns über. Zuvor ist schon die Endursache unserer Erwählung genannt, ihr letztes und höchstes Ziel: Gott hat uns erwählt zu Lob seiner herrlichen Gnade. Wer also nicht Gott einzig und allein den Ruhm unserer Errettung lassen will, der kämpft gegen seinen ewigen Ratschluss an.

V. 7. An welchem wir haben usw. Diese Sätze beschäftigen sich noch mit der vermittelnden Ursache unseres Heils. Sie legen dar, wie Christus uns mit Gott wieder versöhnte, indem er durch seinen Tod uns das Wohlgefallen des Vaters zuwandte. Suchen wir also in Christo Gnade, so sollen wir unsere Gedanken ganz besonders auf sein Blut richten. Die Erlösung wird dann genauer als Vergebung der Sünden beschrieben: wir sind also erlöst, weil die Sünden uns nicht zugerechnet werden. Das ist die Gerechtigkeit aus Gnaden, die uns den Zugang zu Gott eröffnet und uns aus der Macht des Teufels und des Todes befreit. Wir müssen diesen Zusatz wohl beachten, weil er die Art und Weise der Erlösung näher bestimmt. Solange wir unter dem göttlichen Strafurteil stehen, liegen wir in jämmerlichen Banden: köstliche Freiheit genießen wir erst, wenn wir von der Schuld losgesprochen werden.

Nach dem Reichtum seiner Gnade. Damit kehrt die Rede noch einmal zu der eigentlich bewirkenden Ursache unserer Seligkeit zurück: darum ward uns Christus zum Versöhner gegeben, weil Gott liebreich bereit ist, uns Gutes zu tun. Diese Gnadenbereitschaft rückt der Apostel in ein noch helleres Licht, wenn er von dem Reichtum der Gnade spricht, welche uns reichlich widerfahren ist. Er kann sich im Lobpreis der göttlichen Güte gar nicht genug tun, um unseren ganzen Sinn zur Bewunderung hinzureißen. Ach, wenn doch dieser Reichtum der göttlichen Gnade den Menschen immer im Gedächtnis geblieben wäre! Dann hätten die falschen Genugtuungen und andere Torheiten, durch welche die Welt sich selbst zu erlösen sucht, als wenn Christi Blut ohne dieses Hilfsmittel vertrocknen müsste, keinen Eingang gefunden.

Durch allerlei Weisheit. Das ist nun wieder die Mittelursache, durch welche das Heil erst in Wirklichkeit unser Eigentum wird. Gemeint ist die Predigt des Evangeliums, durch welche Gott seine Güte über uns ausgießt. Denn nur durch den Glauben gewinnen wir Anteil an Christo, der uns zu Gott führt und die Gnadengabe der Gotteskindschaft schenkt. Mit köstlichen Titeln schmückt der Apostel das Evangelium. Er nennt es Weisheit und Klugheit. Damit will er das Ohr der Epheser von aller Gegenlehre abwenden. Suchten sich doch die Lügenapostel unter dem Vorwande einzuschmeicheln, dass sie eine höhere Weisheit brächten, während Paulus nur Anfangsgründe geboten habe. Und auch jetzt sucht der Teufel noch immer dadurch uns in unserem Glauben wankend zu machen, dass er uns das Evangelium möglichst verächtlich macht. Demgegenüber sucht Paulus das Ansehen des Evangeliums bei uns zu befestigen, damit die Gläubigen ruhig dabei bleiben und darauf sich stützen: allerlei Weisheit birgt das Evangelium in sich, so merken wir, dass es keiner weiteren Ergänzung bedarf. Weil aber andererseits auch die überraschende Neuheit des Evangeliums Anstoß erregte, so beugt der Apostel auch in dieser Richtung vor: Gott hat uns eben (V. 9) das Geheimnis seines Willens wissen lassen, welches er jetzt erst offenbaren wollte. Und auch diese Berufung ist, wie die Erwählung, ein Ausfluss der freien göttlichen Gnade. Auch dass Christus uns bekannt gemacht und das Evangelium uns gepredigt wurde, haben wir nicht verdient. Gottes Wohlgefallen hat es uns geschenkt.

V. 10. So er sich vorgesetzt hatte bei sich selbst, dass es ausgeführt würde. Es geschieht alles in seiner Ordnung. Was ist natürlicher, als dass dem Herrn allein seine Ratschlüsse bekannt sind, und dass diese den Menschen solange verborgen bleiben, als Gott sie bei sich behält, und dass es in seiner Macht steht, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann sie den Menschen kund werden sollen? Paulus sagt daher, dass der Ratschluss Gottes von der Annahme der Heiden bisher in Gott verborgen gewesen, da er ihn bei sich verschloss bis zur Zeit der Offenbarung. Sollte nun jemand sich darüber beklagen, dass es etwas Neues und Unerhörtes wäre, wenn Menschen, die bisher ferne von Gott gewesen, jetzt in die Gemeinde aufgenommen wurden, - so möge er sich selbst sagen, wie verkehrt der Gedanke ist, als könne Gott nicht mehr wissen wie wir Menschen! Sollte man aber weiter die Frage aufwerfen, warum diese Offenbarung erst jetzt und nicht schon längst geschehen, so schlägt Paulus auch diese Neugier nieder, indem er (wie Gal. 4, 4) sagt, dass Gottes Ratschluss eben ausgeführt ward, da die Zeit erfüllt war. So möge denn der menschliche Vorwitz an sich halten und sein Urteil über den Wechsel der Geschicke der göttlichen Vorsehung unterwerfen: denn dass alles nach Gottes Willen ausgeführt wird, versteht sich von selbst.

Auf dass alle Dinge zusammen verfasset würden in Christo. Alles, was außerhalb der Verbindung mit Christus steht, ist losgerissen und verwirrt, und kann nur durch ihn in rechte Ordnung gebracht werden. Oder sähe man in der Welt sonst wirklich etwas anderes, als ein großes Trümmerfeld? Hat die Sünde uns von Gott losgerissen, so ergibt sich von selbst die traurige Notwendigkeit, dass wir auch in allen anderen Beziehungen verwirrt und verstört sind. Denn nur wenn sie mit Gott im rechten Verhältnis stehen, halten die Geschöpfe auch unter sich die rechte Ordnung. In diesem Sinne sagt der Apostel, dass wir durch Christum und in der Verbindung mit ihm „zusammen verfasset“ werden. Sind wir dem Leibe Christi eingefügt, so sind wir ja mit Gott und dann auch untereinander verbunden. Ohne Christum ist die Welt ein schreckliches Durcheinander. Er allein bringt die rechte Vereinigung unter uns zustande. Doch inwiefern kann der Apostel sagen, dass in Christo zusammenverfasset ward, nicht bloß was auf Erden, sondern auch was im Himmel ist? Einige Ausleger denken daran, dass Engel und Menschen zusammengefasst und mit Gott vereinigt wurden, in welcher allumfassenden Verbindung sie nun wahre Seligkeit genießen. Aber es hindert nichts, auch von den Engeln für sich zu sagen, dass sie „zusammengefasst“ wurden – nicht zwar aus einer eigentlichen Zerstreuung, in die sie ja niemals sich verloren hatten, sondern zu vollkommener und gänzlicher Verbindung mit Gott, in der sie nun beständig bleiben sollen. Denn wie könnte irgendein Geschöpf ohne Mittler wahrhaft seinem Gott nahen? Auch die Engel, die doch Geschöpfe sind, konnten erst durch Christus über Wandelbarkeit und möglichen Abfall erhoben werden: so werden sie erst durch ihn in Ewigkeit selig. Man kann also nicht leugnen, dass sowohl die Engel wie die Menschen durch Christi Gnade in feste Ordnung gebracht worden sind, denn die Menschen waren verloren, und die Engel nicht außer Gefahr. Beide hat Christus dadurch, dass er sie sich einverleibte, so mit dem Vater verbunden, dass jetzt eine wahre Harmonie im Himmel und auf Erden besteht.

V. 11. Durch welchen wir auch usw. Hat der Apostel bisher von allen Erwählten insgemein geredet, so macht er jetzt einen Unterschied zwischen sich und den Juden, die gleichsam die Erstlinge der Christen waren, einerseits und den Ephesern andererseits. Für die Epheser bedeutet es sicherlich eine rechte Glaubensstärkung, wenn ein Paulus sie sich selbst und den anderen, die sozusagen die Erstgeburt der Gemeinde bildeten, gleichstellte. Der Apostel will sagen: im tiefsten Grunde stehen alle Gläubigen auf gleicher Linie: denn auch wir, die Gott zuerst berufen hat, verdanken dies nur seiner einzigen Erwählung. Alle Christen, vom ersten bis zum letzten, dürfen ihren Kindschaftsstand nur auf freie Gnade und Gottes ewige Wahl gründen.

Der alle Dinge wirkt. Dieser Ausdruck ist zu beachten, denn er zeigt Gott als einen solchen, der alles wirkt nach seinem eigenen Rat, sodass er den Menschen nichts übrig lässt. In keiner Weise gestattet er den Menschen Anteil an diesem Ruhm, als ob diese von dem Ihrigen dazu etwas beitrügen. Gott sieht bei unserer Erwählung auf nichts außer sich, wodurch er sich bestimmen ließe. Allein der Ratschluss seines eigenen Willens ist der Grund unserer Erwählung. Welcher Wahnsinn ist es nun, noch einen weiteren Grund zu suchen, und wenn man ihn nicht findet, sich wider Gottes Ratschluss aufzulehnen! Dann erfolgt ein erneuter Hinweis auf das Ziel der Erwählung: auf dass wir etwas seien zu Lob seiner Herrlichkeit. Wird doch Gottes Ehre am höchsten verherrlicht, wenn wir nichts mehr sind, als Gefäße seiner Barmherzigkeit! Gottes Herrlichkeit im allereigentlichsten Sinne ist aber die Offenbarung seiner Güte.

V. 13. Hier stellt nun der Apostel die Epheser sich und den anderen Erstlingen der Gemeinde Christi gleich. Im Sinne dieses Zusammenhanges werden wir zu ergänzen haben, was nicht ausdrücklich dasteht: auch ihr habt auf Christum eure Hoffnung gesetzt. So schlingt sich um sie alle das Band des gemeinsamen Glaubens. Hoffnung und Glauben, so ruft Paulus der Gemeinde zu, hat ja euch das Evangelium gebracht, welches erstens das Wort der Wahrheit ist, und zweitens das Evangelium eurer Seligkeit, welches nämlich eure Seligkeit gewirkt hat. Diese beiden Ehrentitel des göttlichen Wortes gibt uns der Apostel wie einen doppelten Schild wider die Angriffe des Satans in die Hand, der ja alles daransetzt, das Evangelium verächtlich und damit unseren Glauben wankend zu machen. Wider alle Zweifel setzen wir die Gewissheit, dass wir am Evangelium das Wort der Wahrheit haben, außer welchem es keine Wahrheit im eigentlichen Sinne gibt. Jede Geringschätzung und Gleichgültigkeit überwinden wir mit der Erinnerung an die Kraft des Wortes, welches unsere Seligkeit wirkt. In diesem Sinne hörten wir auch Röm. 1, 16: das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die da selig macht. In unserer Stelle wird aber außerdem ein Hinweis darauf verborgen liegen, dass die Epheser die beseligende Kraft des Evangeliums bereits selbst erfahren haben. Wie unglücklich sind also Menschen, die auf immer neuen Irrwegen sich müde laufen, - wie ja die Welt ganz überwiegend am Evangelium vorbeigeht, um sich an Irrtümern und Menschengedichten zu erbauen! Immerzu lernt man und kommt niemals zur Erkenntnis der Wahrheit, wird auch nie das Leben finden. Glücklich dagegen ein Mensch, der bei dem einmal angenommenen Evangelium treulich feststeht: er findet darin unerschütterliche Wahrheit und Leben!

Durch welchen ihr auch, da ihr glaubtet, d. h. nachdem ihr gläubig geworden, versiegelt worden seid usw. Hier öffnet sich der Grund der Gewissheit, welche wir dem Evangelium zuschreiben. Gibt es einen zuverlässigeren Bürgen für die Wahrheit, als den heiligen Geist? Paulus will sagen: habe ich das Evangelium als Wort der Wahrheit gerühmt, so stütze ich mich dabei nicht auf menschliche Autorität, sondern auf den heiligen Geist selbst, der diesen Glauben in euren Herzen versiegelt hat. Dieser Vergleich des heiligen Geistes mit einem Siegel ist überaus passend. Ein Siegel macht aller Ungewissheit ein Ende. Durch Siegel werden Urkunden und Testamente beglaubigt. Früher war das Siegel auch das Haupterkennungszeichen eines Briefes. Jedenfalls ist das Siegel ein Mittel, echte und zuverlässige Schriftstücke von gefälschten und untergeschobenen zu unterscheiden. Eben diese Bedeutung schreibt nun Paulus hier wie auch anderwärts (4, 30; 2. Kor. 1, 22) dem heiligen Geiste zu. Denn solange der heilige Geist uns nicht von der göttlichen Wahrheit überzeugt hat, ist die Überzeugung bei uns nicht so fest, dass sie sich gegen alle Versuchungen des Satans behaupten kann. Die rechte Überzeugung sowohl von der Wahrheit des Wortes Gottes als auch von ihrer Seligkeit und von der Wahrheit der Religion überhaupt haben die Gläubigen also nicht aus ihrer natürlichen Erkenntnis, noch durch menschliche oder philosophische Beweise, sondern durch die Versiegelung mit dem heiligen Geiste, der ihr Gewissen so gewiss macht, dass alle Zweifel aufhören. Wollte man den Glauben auf menschliche Weisheit gründen, so würde man ihm ein sehr unsicheres, stets wankendes Fundament geben. Ist nun die Predigt das Mittel, Glauben zu wirken, so macht doch erst der heilige Geist dieses Mittel wirksam. – Schwierig scheint freilich, dass erst die Versiegelung durch den Geist den Glauben wirken soll, während doch andererseits Glauben vorhanden sein muss, um die Versiegelung zu empfangen. Die Schwierigkeit löst sich indessen, wenn wir bedenken, dass der heilige Geist in doppelter Weise auf unseren Glauben einwirkt, wie es denn überhaupt eine doppelte Stufe des Glaubens gibt. Der Geist erleuchtet den Verstand und festigt weiter das Herz: der Anfang des Glaubens ist die Erkenntnis, seine Vollendung aber erst die feste und gewisse Herzensüberzeugung, die keinen Zweifel mehr aufkommen lässt. Beides ist, wie gesagt, das Werk des heiligen Geistes. Deshalb brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn Paulus sagt, dass die Epheser nicht nur die Wahrheit des Evangeliums im Glauben erfasst haben, sondern auch dass sie hierin durch das Siegel des heiligen Geistes befestigt worden sind. Unter eben diesem Gesichtspunkte heißt der heilige Geist auch der Geist der Verheißung. Er schafft es ja, dass die Verheißung des Evangeliums erst wirklich eine Verheißung wird, die uns gilt. Gott verheißt uns in seinem Worte, dass er unser Vater sein will: in der Tat aber empfangen wir das Zeugnis unserer Kindschaft erst durch den heiligen Geist.

V. 14. Welcher ist das Pfand unseres Erbes. Auch dieses weitere Beiwort wird dem heiligen Geist nicht bloß hier gegeben (vgl. 2. Kor. 1, 22; 5, 5). Wir haben uns ein Kaufgeschäft vorzustellen, welches durch Übergabe eines Pfandes abgeschlossen ist und nun nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. So hat Gott seine Zusagen gewiss gemacht, als er uns den heiligen Geist schenkte: nun brauchen wir nicht zu fürchten, dass er wieder zurückziehen könnte. Freilich sind Gottes Verheißungen an und für sich keineswegs wankend, - aber wir können nicht sicher auf ihnen ruhen, wenn uns das Zeugnis des Geistes nicht stützt. So erscheint der heilige Geist als das Unterpfand unseres Erbes d. h. des ewigen Lebens, auf die Zeit, da Gott uns völlig erlösen wird. Solange wir auf Erden wallen, dienen wir dem Herrn auf Hoffnung und brauchen ein Pfand, welches erst überflüssig wird, wenn der Besitz selbst in unsere Hände gelangt. In diesem Sinne heißt es auch Eph. 4, 30, dass wir mit dem Geist versiegelt sind „auf den Tag der Erlösung“ d. h. des letzten Gerichts. Sind wir auch schon durch Christi Blut erkauft, so ist doch die Frucht dieser Erlösung noch nicht in Erscheinung getreten, weil alle Kreatur noch seufzt und nach der Erlösung von der Eitelkeit verlangt. Und auch wir, die wir die Erstlinge des Geistes empfangen haben, sehnen uns nach derselben Befreiung, die wir bislang nur in der Hoffnung besitzen, und die wir völlig erst genießen werden, wenn Christus zum Gericht erscheinen wird. Von dieser zukünftigen „Erlösung“ redet nicht bloß Paulus (Röm. 8, 23), sondern auch der Herr (Lk. 21, 28): „Erhebt eure Häupter, darum dass sich eure Erlösung naht!“

Inzwischen hat sich uns Gott bereits zum Eigentum erworben; denn sein Eigentum ist nicht erst die Versammlung der Seligen im Himmel, sondern bereits die Gemeinde auf Erden. Einen Hinweis darauf fügt der Apostel wie zum Troste hinzu: so lernen wir, in getroster Hoffnung der Wiederkunft Christi entgegen zu warten, und tragen es nicht mehr allzu schwer, dass wir auf den eigentlichen Besitz des Erbes noch warten müssen; teilen wir doch dies Los mit der ganzen Gemeinde.

Zu Lob seiner Herrlichkeit. Immer wieder kehrt die Rede zu diesem Zielpunkt zurück: denn das Unermessliche lässt sich nie völlig erschöpfen. Das gilt insbesondere von Gottes Erbarmen, für dessen Schilderung ein wirklich frommer Mensch seine eigene Rede stets unzureichend finden wird. So sollen denn fromme Zungen nie müde werden, Gottes Lob zu verkünden, und fromme Ohren nicht, davon zu hören: alle Menschen- und Engelzungen werden Gottes Ruhm auszureden nicht vermögen. Übrigens wollen wir auch bedenken, dass es kein besseres Mittel gibt, der Gottlosen Mund zu stopfen, als dass wir laut uns zu Gottes Herrlichkeit bekennen, die jene in den Staub ziehen wollen.

V. 15. Darum auch ich usw. Diese Danksagung ist nicht allein ein Zeugnis von des Apostels Liebe zu den Ephesern, sie zeigt auch, wie er über sie urteilt. Denn, dass er in dieser Weise vor Gottes Angesicht sich rühmend über sie äußert, bedeutet für sie eine große Ehre. Bemerkenswert erscheint dabei, dass Paulus unter den Titeln des Glaubens und der Liebe die ganze christliche Vollkommenheit begreift. Er spricht vom Glauben an den Herrn Jesum, weil Christus das eigentliche Ziel und der Gegenstand des Glaubens ist. Die Liebe soll zwar alle Menschen umfassen: hier ist sie aber zunächst Liebe zu allen Heiligen, weil eine rechte Liebe von diesem festen Mittelpunkt aus erst ihre weiteren Kreise zieht. Sieht doch christliche Liebe zuerst auf Gott, ordnet also ihre weiteren Gegenstände jeweils nach ihrem Verhältnis zu ihm.

V. 16. Und gedenke euer in meinem Gebet. Mit der Danksagung verbindet Paulus nach seiner Gewohnheit die Fürbitte, um die Gemeinde dadurch zum weiteren Fortschritt anzutreiben. War es zunächst nötig, die Epheser in der Zuversicht zu stärken, dass sie auf rechtem Wege wandelten, um sie dadurch gegen allerlei neue Lehren zu wappnen, so galt es nun auch, sie vorwärts zu treiben. Denn in geistlichen Dingen ist nichts gefährlicher als satte Selbstzufriedenheit. Es gibt keine Vollkommenheit, die uns vom Fortschritt entbinden dürfte. Was der Apostel nun seiner Gemeinde anwünscht, ist der Geist der Weisheit und erleuchtete Augen des Verständnisses. Hatten sie dieses denn nicht? Ja – aber sie mussten darin zunehmen, der Geist musste ihnen in immer reicherem Maße zugeteilt werden, und sie mussten immer mehr erleuchtet werden, um das, was sie schon hatten, immer fester und innerlicher zu besitzen. Denn die Erkenntnis der Frommen ist nie so klar, dass ihr geistlicher Blick gar nicht mehr getrübt und durchaus keine Dunkelheit mehr vorhanden wäre.

V. 17. Gott heißt der Gott unseres Herrn Jesu Christi, weil der Sohn Gottes Mensch ward, damit sein Gott auch unser Gott würde, wie er dieses bezeugt Joh. 20, 17: Ich fahre auf zu meinem Gott und zu eurem Gott. Gott ist unser Gott, weil er Christi Gott ist, an welchem wir als Glieder hängen. Dabei schwebt stetig die menschliche Natur Christi vor, welche der Gottheit sich unterordnet: daneben besteht ungeschmälert seine göttliche Natur. Weiter heißt Gott der Vater der Herrlichkeit. Dieser Titel ergibt sich aus dem vorigen: denn darin offenbart sich Gottes herrliche Vaterart am greifbarsten, dass er den Sohn in unsere abhängige Lage hineingab, um durch ihn unser Vater zu werden.

Mit dem Geist der Weisheit und der Offenbarung wünscht Paulus der Gemeinde zugleich eben diese Gaben selbst. Dabei wollen wir uns einprägen, dass wirkliche Geistesgaben sich also niemals einfach aus natürlicher Begabung ableiten lassen. Die Augen unseres Herzens sind blind, bis der Herr sie öffnet. Alle unsere Weisheit ist nur Torheit und Unwissenheit, wenn wir nicht in der Schule des heiligen Geistes unterrichtet werden. Unser Verstand ist unfähig, die göttliche Berufung zu erkennen, bis der heilige Geist sie uns durch eine besondere Offenbarung erschließt.

V. 18. Der Reichtum seines herrlichen Erbes. Schon diesem Ausdruck, welcher die unvergleichliche Herrlichkeit der Gottesgabe rühmt, können wir entnehmen, wie weit diese Offenbarung über unser Begreifen und Vermögen geht. Denn wenn der Apostel sagt, dass Gott die Größe seiner Kraft an uns offenbar gemacht hat, so ist dies wahrlich keine geringe Sache, zumal er von einer überschwänglichen Größe redet. Bei alledem verfolgt er das Ziel, die Epheser auf dem einmal betretenen Wege ihrer Berufung festzuhalten. Darum preist er immer wieder Gottes Gnade gegen sie, damit keine Gleichgültigkeit oder Geringschätzung sie verleite, abzubiegen. Uns aber mögen diese hohen Worte einen Hinweis geben, dass der Glaube als eine herrliche Gnadengabe Gottes gar nicht hoch genug gepriesen werden kann. Paulus ergeht sich ja nicht in gedankenlosen Übertreibungen, sondern will uns mit voller Absicht im Hinblick auf den Glauben und seine wahrhaft übernatürliche Bedeutung zu hoher Bewunderung der Macht unseres Gottes anleiten.

V. 19. Nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke. Noch immer kann Paulus sich nicht genugtun, das Gnadenwunder unserer Berufung zu preisen. Und gewiss zeigt sich darin eine wunderbare Kraft Gottes, wenn wir vom Tode zum Leben gebracht werden und aus Kindern des Verderbens Gottes Kinder und Erben des ewigen Lebens werden. Törichte Leute mögen hier eine leere Übertreibung finden: wer aber die mannigfachen Gewissenskämpfe, welche die Frommen täglich durchzumachen haben, aus Erfahrung kennt, wird zugeben, dass Paulus keineswegs zu viel sagt. Bei der Erhabenheit des Gegenstandes lässt sich überhaupt nicht zu viel sagen: und der Apostel wählt seine hohen Worte in Rücksicht auf unsere Neigung zu Kleinglauben oder Undankbarkeit. Denn entweder wissen wir den großen Wert des Schatzes, der uns im Evangelium angeboten wird, nicht zu würdigen, - oder, wenn wir ihn erkannt haben, so können wir es uns nicht denken, dass er für uns bestimmt wäre: denn wir finden in uns selbst keinen Anknüpfungspunkt, sondern nur Widerstreben. Deshalb gibt Paulus sich auch so viel Mühe, um den Ephesern sowohl die Herrlichkeit des Reiches Christi anzupreisen, als auch in ihnen den rechten Sinn und das rechte Verständnis für die göttliche Gnade zu wecken. Damit aber das Bewusstsein ihrer eigenen Unwürdigkeit sie nicht verzagt mache, fordert er sie auf, Gottes Macht ins Auge zu fassen. Er ruft ihnen zu: eure Wiedergeburt ist ein Werk Gottes, und zwar kein gewöhnliches, sondern ein solches, bei dem Gott seine unermessliche Kraft in wunderbarer Weise gezeigt hat. Die Ausdrücke, die er gebraucht, unterscheiden sich in folgender Weise: die Stärke ist gleichsam die Wurzel, die Macht ist der Baum, die Wirkung die Frucht, gleichsam die Offenbarung des göttlichen Armes, wenn er sich bewegt, um zu wirken.

V. 20. Welche er gewirkt hat in Christo. Mit Recht fordert Paulus uns in diesem Zusammenhange auf, Gottes Macht, von welcher er sprach, auch in Christo anzuschauen: denn in uns ist sie noch verborgen und wird nicht anders, als in der Schwachheit mächtig (2. Kor. 12, 9). Wodurch zeichnen wir uns aus vor den Kindern dieser Welt, außer dass unser Stand noch niedriger zu sein scheint? Wenn die Sünde auch nicht mehr in uns herrscht, so wohnt sie doch in uns, der Tod ist noch mächtig in uns, die Seligkeit steht noch in der Hoffnung und ist der Welt noch nicht sichtbar geworden, und die Kraft des Geistes ist etwas, was Fleisch und Blut nicht erkennen kann. Indessen sind wir tausend Drangsalen unterworfen, so dass wir verächtlicher scheinen als alle anderen. So ist also allein Christus der Spiegel, in welchem das, was bei uns wegen der Schwachheit des Kreuzes noch verborgen bleibt, geschaut werden kann. Wenn wir unsere Herzen im Vertrauen auf die Gerechtigkeit, das Heil und die Herrlichkeit stärken wollen, so müssen wir sie zu Christus erheben. Wir sind noch der Herrschaft des Todes unterworfen – Er, durch die himmlische Macht aus den Toten auferweckt, ist der Fürst des Lebens. Wir seufzen noch unter der Knechtschaft der Sünde und haben hier, von zahllosen Leiden umringt, einen harten Kampf zu kämpfen (1. Tim. 1, 18) – Er sitzt zur Rechten des Vaters, übt die oberste Herrschaft im Himmel und auf Erden und triumphiert über seine besiegten und unterworfenen Feinde. Wir sind hier verachtet und unedel – Ihm ist ein Name gegeben, vor dem auch die Teufel und Gottlosen sich fürchten. Wir leiden hier Mangel an allen Gütern – Er ward vom Vater zum Herrn und Verwalter über alles gesetzt. Aus diesen Gründen lohnt es sich, dass wir unsere Gedanken auf Christus richten, damit wir in ihm wie in einem Spiegel die herrlichen Schätze der göttlichen Gnade und die unermessliche Größe seiner Macht schauen, die bei uns noch nicht in Erscheinung getreten sind.

Und gesetzt zu seiner Rechten im Himmel. Diese Stelle zeigt uns deutlicher als alles andere, was die „Rechte“ Gottes bedeutet: nämlich nicht einen bestimmten Ort, sondern die Macht, die der Vater seinem Sohne übertragen hat, damit er in seinem Namen Himmel und Erde regiere. Darum ist es auch unnütz darüber zu streiten, wer Recht habe, ob Stephanus, der ihn zur Rechten Gottes stehen sah (Apg. 7, 55), oder Paulus, der hier sagt, dass er zur Rechten Gottes sitze; wie einige dieses tun. Es ist eben von Christi leiblichem Aufenthalt keine Rede, sondern von seiner Regierungsgewalt. Ebendahin deuten auch die folgenden Worte, die als lauter erklärende Zusätze verstanden sein wollen: Christus ward über alle Fürstentümer usw. erhoben. Das Bild ist von den irdischen Herrschern genommen, die ihre Beamten bei sich sitzen lassen, um sie dadurch zu ehren. Da aber die Rechte Gottes Himmel und Erde erfüllt, so folgt daraus, dass Christi Herrschaft und Macht sich über alles erstreckt. Christi Menschheit freilich befindet sich nicht mehr auf Erden, sondern ward zum Himmel erhoben. Aber mit dieser ganzen Frage hat der vorliegende Satz überhaupt nichts zu schaffen.

V. 21. Über alle Fürstentümer. Ohne Zweifel bezeichnet dieser Ausdruck die Engel, durch deren Hand ja Gott seine Macht, Kraft und Herrschaft ausübt. Denn Gott pflegt den Geschöpfen, sofern er ihnen das überträgt, was sein ist, auch seinen Namen beizulegen. In diesem Sinne heißen obrigkeitliche Personen wohl einmal „Götter“ (2. Mo. 21, 6; Ps. 82, 6). Die verschiedenen Namen an unserer Stelle lassen übrigens darauf schließen, dass es mehrere Rangstufen unter den Engeln gibt: aber genauere Untersuchungen über sie anzustellen, ist nicht nur törichte Neugierde, sondern auch gefährliche Vermessenheit, die mit wirklicher Frömmigkeit gar nichts zu tun hat. Dass aber Paulus nicht schlechtweg von Engeln redet, sondern diese ganze Titelreihe aufzählt, tut er wohl, um Christi Herrlichkeit umso höher zu erheben. Er will sagen: Nicht ist so erhaben, so herrlich, wie es auch genannt mag werden, dass es Christi Majestät nicht unterworfen wäre. Das gilt aber nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Daher nennt Jesaja (9, 5) den Messias, dessen Herrscherstellung nicht in dieser Welt beschlossen bleibt, sondern in Gottes ewiges Reich hinübergreift, „Ewig-Vater“. Alles in allem: der Apostel drückt alle Herrlichkeit der Engel und der Menschen zu Boden, damit Christus unbehindert den beherrschenden Platz behaupte.

V. 22. Und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde. Das hat Gott getan, damit Christus in seiner Gemeinde alles regieren und verwalten soll. Es handelt sich also nicht um einen bloßen Ehrenposten: vielmehr gebührt dem Haupte der Gemeinde unbeschränkte Gewalt und Macht. Heißt aber allein Christus das Haupt, so müssen wohl alle Engel und Menschen höchstens Glieder sein, und für ein irdisches Haupt der Kirche bleibt kein Raum. Wir bedürfen auch eines solchen nicht: denn zur wahren Einigkeit der Kirche ist es genug, dass jedes Glied des Leibes an dem einigen Haupte Christus hänge. Wer freilich diesem sich nicht unterordnen will, ist nicht wert, ein Glied der Gemeinschaft zu heißen.

V. 23. Einen höheren Ehrentitel kann der Apostel der Gemeinde nicht geben, als dass er sie die Fülle des nennt, der alles in allen erfüllt. Gottes Sohn weiß sich also nicht zu ganzer Fülle vollendet, als bis er sich mit uns verbunden hat. Welcher Trost für uns! Christus ist erst vollständig, wenn er uns bei sich hat. Der Leib ist nicht ganz, wenn ihm die Glieder fehlen (vgl. 1. Kor. 12, 12). Damit aber niemand auf den verkehrten Schluss verfalle, als wäre Christus arm, wenn wir ihn nicht reich machen, betont der Apostel mit allem Nachdruck, dass er alle Kreaturen und also auch uns durchwaltet und erfüllt. Es treibt ihn also nicht eigener Mangel, sondern seine allumfassende Liebe, wenn er uns aus dem Nichts ins Dasein ruft, um in uns zu wohnen und zu leben. Immerhin dürfte der Zusammenhang darauf führen, unter dem „alles“, was Christus erfüllt und regiert, nicht das Weltall, sondern die Gemeinde zu verstehen, in welcher sein Geist die Herrschaft führt.

 

Kapitel 2.

 

V. 1. Und auch euch usw. Ein Blick in ihren eigenen früheren Zustand muss nun den Lesern zur Erläuterung dessen dienen, was Paulus bisher von Gottes Gnade rühmend ausgeführt. Deutlich ergeben sich zwei Grundgedanken: ihr wart vordem verloren, - jetzt aber hat Gott in seiner Gnade euch aus dem Verderben gerissen. Doch lässt die Rede den glatten Fortschritt des Satzbaus fallen, weil sie sich in jeden dieser beiden Gedanken immer tiefer versenkt und immer weiter verliert. Sachlich bleibt doch alles klar, wenn man nur diese beiden Hauptpunkte im Auge behält.

Wenden wir uns denn genauer zum ersten Gliede. Paulus sagt, dass wir tot waren, und bezeichnet als Ursache dieses Todeszustandes unsere Übertretungen und Sünden. Er meint also nicht, dass wir nur in Todesgefahr standen, sondern dass ein wirklicher und gegenwärtiger Todeszustand uns drückend gefangen hielt. Wenn doch der geistliche Tod nichts anderes ist, als die Trennung der Seele von Gott, so werden wir alle schon als Tote geboren und leben als Tote, bis wir an Christi Leben Teil erlangen. Hierauf bezieht sich der Spruch Joh. 5, 28: Schon kommt die Stunde, dass die, die in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie hören, werden leben. Demgegenüber sind die Papisten darauf aus, auf alle mögliche Weise die Gnade Gottes einzuengen. Deshalb sagen sie, dass wir außer Christo halbtot seien. Aber nicht ohne Grund spricht der Herr selbst, und danach auch der Apostel uns alles Leben ab, solange wir in Adam bleiben, und nicht ohne Grund heißt die Wiedergeburt eine Auferweckung vom Tode. Immerhin will ich zugeben, dass eine Art von Leben auch solche Leute in sich tragen, die von Christo noch ferne sind. Denn der Unglaube zerstört nicht die Seelenfunktionen selbst, Fühlen, Denken und Wollen. Aber können uns diese Seelentätigkeiten den Eingang in Gottes Reich oder ins ewige Leben erschließen, wenn doch alles, was wir fühlen, denken und wollen, nur Tod ist? So muss die Wahrheit wohl unangetastet bleiben, dass wahres Leben nur in der Gemeinschaft unserer Seele mit Gott besteht. Dann aber ist es auch wahr, dass wir ohne Christum in völligem Tode liegen: denn ohne ihn herrscht die Sünde in uns, des Todes Mutter.

V. 2. In welchen ihr weiland gewandelt habt. An den Wirkungen und Früchten zeigt Paulus den Ephesern, dass die Sünde einst in ihnen herrschte. Erst an diesen äußeren Werken wird ja die Macht der Sünde vollends klar. Heißt es dann, dass wir solchen Wandel nach dem Laufe dieser Welt geführt haben, so wird klar, dass der Tod, wie ihn der Apostel beschrieben, die Natur des Menschen durchdrungen hat, sodass das Übel allgemein ist. Unter dem Laufe dieser Welt versteht er nämlich nicht den von Gott geordneten Lauf der Welt, sondern die Verdorbenheit, die uns alle angesteckt hat. Hier ist kein Fehler, der nur einzelnen anhaftet, sondern an dem die ganze Welt leidet. Den tieferen Grund dieses Verderbens enthüllt der weitere Hinweis auf den Fürsten, der in der Luft herrscht. Damit empfängt die Welt vollends ihr Verdammungsurteil. Denn wenn alle Menschen, die außerhalb des Reiches Christi stehen, Sklaven des Teufels sind, die durchaus seinen Willen tun müssen, so kann in der Tat nichts Gutes an ihnen sein. Mit Recht müssen wir Schauder empfinden vor diesem unserem Zustande, wenn er auch vielen gefällt oder wenigstens nicht missfällt. Wo ist nun der freie Wille, die Herrschaft der Vernunft, die sittliche Tüchtigkeit der Menschen, wovon man so viel reden hört? Nach der klaren Lehre der Schrift steht dem Reiche der Kinder Gottes unter ihrem Haupte Christus ein anderes Reich der Bösen gegenüber, welche des Satans Leib sind. Ein einziger Herrscher regiert diesen gottlosen Haufen. Inwiefern derselbe „in der Luft herrscht“, werden wir später sehen (zu 6, 12). Natürlich bleibt auch sein Regiment der Oberherrschaft Gottes unterworfen. Satan ist der Henkersknecht, der im Dienste Gottes und auf seinen Wink die Strafe des Herrn über alle menschliche Undankbarkeit vollziehen muss. So ergibt sich, dass der Teufel nur in den Kindern des Ungehorsams d. h. in den widerspenstigen Menschen sein Werk hat, deren Unglaube unweigerlich als ein Quell des Ungehorsams sich erweist. Darum gilt auch die gottlose Entschuldigung nichts, dass ein Mensch eben aus Zwang des Teufels sündigt: denn er würde diesem Zwange nicht unterliegen, hätte er sich nicht wider Gott aufgelehnt.

V. 3. Unter welchen wir auch usw. Paulus will auch den Schein meiden, als habe ihm Schmähsucht oder jüdische Selbstüberhebung gegenüber den Heiden seine Aussprache eingegeben. So schließt er sich selbst mit ein. Dabei macht er keine Redensarten, sondern gibt in aufrichtigem Bekenntnis Gott die Ehre. Befremdend scheint freilich das Bekenntnis, dass er nach den Begierden des Fleisches gewandelt habe, während er an anderen Stellen (Phil. 3, 6; 1. Thess. 2, 10) von sich rühmt, dass er in seinem ganzen Leben untadelig gewesen. Indessen kann über keinen Menschen, bevor er eine Erneuerung durch Christi Geist erfahren, das Urteil anders lauten. Mögen auch einzelne in ihrer Lebensführung untadelig erscheinen, weil bei ihnen die Begierden noch nicht vor den Augen der Menschen zum Ausbruch gekommen sind, so gibt es doch nichts Reines und Unverdorbenes außerhalb der Quelle aller Reinheit. Was ein Wandel in den Lüsten des Fleisches ist, erklärt der folgende Satz: wir taten den Willen des Fleisches und der Vernunft d. h. wir lebten nach den Neigungen und Trieben des eigenen Fleisches und nach unseren eigenen Gedanken. So waren wir denn alle Kinder des Zorns von Natur. Alle Menschen ohne Ausnahme stehen in Schuldverhaft, bis Christus sie frei macht. Weder Juden noch Heiden können ohne Christus irgendetwas von Gerechtigkeit und Heil oder irgendeinen Vorzug aufweisen (vgl. Gal. 2, 15). Sie sind Kinder des Zorns d. h. verloren, dem ewigen Tode verfallen und von Gott verworfen. Denn Gottes Zorn äußert sich in seinem Gericht. So sind alle Menschen, auch, trotz ihrer Vorzugsstellung in der Gemeinde Gottes, die Juden, von Natur, d. h. infolge ihrer Abstammung oder vom Mutterleibe an. Dieses ist eine wichtige Stelle gegen die Leugner der Erbsünde: denn was wir von Natur haben, das ist uns angeboren. Nun sagt Paulus, dass wir alle von Natur der Verdammnis verfallen sind, deshalb muss die Sünde in uns wohnen, weil Gott keinen Unschuldigen verdammt. Die Pelagianer[1]