Die Psalmen, Band 1 - Johannes Calvin - E-Book

Die Psalmen, Band 1 E-Book

Johannes Calvin

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Beschreibung

Johannes Calvin (10. Juli 1509 - 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden "Unterweisung in der christlichen Religion" schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. In diesem vorliegenden Werk befasst er sich mit der Auslegung der Psalmen. Dies ist der erste von zwei Bänden.

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Seitenzahl: 1382

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Die Psalmen

 

Band 1

 

JOHANNES CALVIN

 

 

 

 

 

 

 

Die Psalmen 1, J. Calvin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662721

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.

 

Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 83 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.

https://www.europeana.eu/item/2058612/PMRMaeyaert_ca16ddc552af4d10f3a4c3c4ae25ae9d95d6f453

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Einleitung.1

Psalm 1.9

Psalm 2.13

Psalm 3.23

Psalm 4.28

Psalm 5.35

Psalm 6.42

Psalm 7.47

Psalm 8.55

Psalm 9.61

Psalm 10.71

Psalm 11.81

Psalm 12.86

Psalm 13.90

Psalm 14.93

Psalm 15.100

Psalm 16.106

Psalm 17.114

Psalm 18.122

Psalm 19.144

Psalm 20.155

Psalm 21.160

Psalm 22.165

Psalm 23.180

Psalm 24.185

Psalm 25.191

Psalm 26.203

Psalm 27.210

Psalm 28.219

Psalm 29.225

Psalm 30.230

Psalm 31.238

Psalm 32.250

Psalm 33.259

Psalm 34.268

Psalm 35.278

Psalm 36.287

Psalm 37.293

Psalm 38.311

Psalm 39.319

Psalm 40.327

Psalm 41.337

Psalm 42.343

Psalm 43.351

Psalm 44.353

Psalm 45.365

Psalm 46.374

Psalm 47.379

Psalm 48.385

Psalm 49.393

Psalm 50.403

Psalm 51.414

Psalm 52.428

Psalm 53.434

Psalm 54.435

Psalm 55.438

Psalm 56.446

Psalm 57.452

Psalm 58.456

Psalm 59.461

Psalm 60.468

Psalm 62.474

Psalm 63.482

Psalm 64.487

Psalm 65.490

Psalm 66.497

Psalm 67.503

Psalm 68.505

Psalm 69.520

Psalm 70.535

Psalm 71.536

Psalm 72.544

Psalm 73.553

 

Einleitung zum Psalter.

 

Johannes Calvin wünscht den frommen und edlen Lesern Heil.

 

Wenn das Lesen meiner Erklärung der Psalmen der Gemeinde Gottes so großen Nutzen bringt wie mir das Schreiben derselben, so wird es mich nicht gereuen, diese Arbeit unternommen zu haben. Ich habe vor drei Jahren an unserer kleinen Hochschule die Psalmen gelesen. Nach Vollendung dieser Arbeit war ich entschlossen, das, was ich meinen Schülern gegeben hatte, nicht zu veröffentlichen. Schon vor Beginn dieser Vorlesungen hatte ich meinen Brüdern, als diese mich um Herausgabe derselben baten, erklärt – was auch der Wahrheit entspricht -, dass dieses unnötig sei, weil der sehr treue Lehrer der Kirche Marin Butzer schon hierüber ein Werk mit Sachkenntnis, Fleiß und Treue geschrieben habe[1]. Auch hätte ich von der Erklärung des Wolfgang Musculus[2] nicht schweigen dürfen, wenn dieses Buch damals schon erschienen wäre, da dieser nach dem Urteil der Gutgesinnten wegen seines emsigen Fleißes und seiner Tüchtigkeit großes Lob verdient. Noch hatte ich meine Vorlesungen nicht beendet, siehe, da wurde ich aufs Neue mit Bitten bestürmt, meine Betrachtungen, die ich treu und redlich verfasst und auf die ich großen Fleiß verwandt hatte, nicht untergehen zu lassen. Ich blieb aber trotzdem bei meinem Vorsatze, außer dass ich versprach, was ich schon früher im Sinne hatte, hierüber etwas in französischer Sprache zu schreiben. Als ich mich mit diesem Gedanken trug, machte ich plötzlich absichtslos, ich weiß nicht, wie es kam, den Versuch mit der Veröffentlichung eines Psalms in lateinischer Sprache. Der Erfolg überstieg alle Erwartungen. So wuchs mir der Mut. Ich unternahm es, dasselbe mit einigen anderen zu versuchen. Als meine Freunde dieses bemerkten, hielten sie mich für gefangen und drangen kühner auf mich ein, hiervon nicht abzulassen. Ein Grund, der mich auch schon früher zu meinem ersten Versuch veranlasst hatte, war es vor allem, der mich bestimmte, ihnen zu willfahren. Ich befürchtete nämlich, es möchte die Nachschrift meiner Vorlesungen ohne mein Wissen und Wollen im Druck erscheinen. Sicherlich hat die Absicht, mein Eigentumsrecht zu verteidigen, mich mehr zur Herausgabe bestimmt als der freie Wille. Indessen gewann ich, je mehr mein Werk fortschritt, immer mehr die Überzeugung, dass meine angestrengte Arbeit nicht umsonst sein werde. Ich hatte auch die Erfahrung gemacht, dass ich solchen Lesern, die noch wenig geübt sind, ein geeigneter Helfer zum Verstehen der Psalmen sein könne.

Es ist schwer mit Worten auszusprechen, welch mannigfaltige und herrliche Kleinode in diesem Schatzhause aufbewahrt sind. Ich wenigstens bin mir bewusst, dass alles, was ich sagen werde, bei weitem nicht dem Wert der Sache entspricht. Da es jedoch besser ist, die Leser wenigstens etwas von diesem großen Segen schmecken zu lassen, als ganz davon zu schweigen, so wird es mir gewiss gestattet sein, das wenigstens anzudeuten, was ich wegen der Größe der Sache nicht vollständig aussprechen kann. Mit Recht pflege ich dieses Buch eine Zergliederung aller Teile der Seele zu nennen; denn ein jeder findet hier ein Spiegelbild aller inneren Regungen, die ihn bewegen. Ja fürwahr! Hier schildert der heilige Geist uns lebendig die Schmerzen, die Traurigkeit, die Befürchtungen, Zweifel, Hoffnungen, Sorgen, Ängste, Verwirrungen, kurz, alle Regungen, durch die das menschliche Gemüt hin und her gezerrt wird. Die übrigen Teile der Schrift enthalten das, was Gott seinen Dienern aufgetragen hat, um es uns zu übermitteln. Hier jedoch rufen die Propheten, weil sie selbst mit Gott sprechen und alle ihre verborgenen Gedanken offenbaren, einen jeden von uns zur Selbstprüfung und zwingen ihn dazu, so dass keine der vielen Schwächen, die uns anhaften, keiner von den Fehlern, an denen wir so reich sind, verborgen bleibt. Es ist ein einzigartiger, seltener Erfolg, wenn das Herz, nachdem alle seine Falten bloßgelegt sind und die Heuchelei, dieses größte Verderben, zerstört ist, in seiner wahren Gestalt offenbar wird. Endlich wird uns in diesem Buche die beste und zuverlässigste Anweisung zur Anrufung Gottes gegeben, und wenn es wahr ist, dass diese der beste Schutz unseres Heils ist, so wird ein jeder, der tiefer in das Verständnis der Psalmen eindringt, dadurch viel himmlische Weisheit erlangen. Das ernstliche Gebet wird einmal aus dem Gefühl unserer Bedürftigkeit und zweitens aus dem Glauben an die Verheißungen geboren. Hier werden die Leser sowohl aufs Beste angeleitet, ihre Übel zu fühlen, als auch gemahnt, die nötigen Heilmittel zu suchen, - ja alles, was nur dazu dienen kann uns zu ermuntern, wenn wir Gott anrufen, wird uns in diesem Buche, gezeigt. Aber es begegnen uns hier nicht nur Verheißungen, sondern der Beter zeigt sich uns oft mitten zwischen der Einladung Gottes und den Hindernissen des Fleisches stehend, damit wir, falls einmal verschiedenartige Zweifel uns beunruhigen, von ihm lernen, solange zu ringen, bis unser Geist sich frei zu Gott erhebt. Lasst uns trotz Schwanken, Furcht und Zweifel uns anstrengen zum Beten, bis der Trost als Frucht unseres Gebets uns zuteilwird. Wir müssen uns nämlich an diesen Grundsatz halten: Wenn das Misstrauen unseren Gebeten die Tür verschließt, so dürfen wir trotzdem nicht nachlassen, wenn auch unser Herz schwankend oder durch Unruhe erschüttert wird, bis der Glaube als Sieger aus diesen Kämpfen hervorgeht. An vielen Stellen können wir die Beobachtung machen, dass die Diener Gottes beim Beten so schwankend sind, dass sie dem fortwährenden Wechsel fast unterliegen und der Unsicherheit erst nach hartem Kampf Herr werden. Hier zeigt sich einerseits die Schwachheit des Fleisches, anderseits die Kraft des Glaubens. Ist dieser auch nicht so tapfer, wie er eigentlich sein müsste, so ist er doch wenigstens bereit zum Kämpfen, bis er allmählich feste Kraft gewinnt. Da jedoch diese Anleitungen zum rechten Beten in dem ganzen Werke zerstreut sind, so will ich die Leser nicht durch überflüssige Wiederholungen langweilen noch sie aufhalten. Ich hielt es jedoch für nötig, im Vorbeigehen darauf hinzudeuten, dass uns in diesem Buche das Allerwünschenswerteste geboten wird. Wir lernen hier nicht nur, dass für uns ein vertrauter Umgang mit Gott möglich ist, sondern auch, dass wir unsere Schwachheiten, die wir aus Scham den Menschen nicht gestehen mögen, vor ihm frei und offen bekennen dürfen. Ebenfalls finden wir hier ganz genaue Vorschriften darüber, wie wir Gott das Opfer des Dankes, von dem er das Zeugnis gibt, dass es ihm sehr angenehm sei, darbringen müssen. Nirgends sonst haben wir solche Verherrlichungen der einzigartigen Güte Gottes gegen sein Volk und aller seiner Werke; nirgends sonst solch glänzende Zeugnisse seiner väterlichen Vorsehung und Fürsorge für uns, nirgends wird uns vollständiger gezeigt, wie wir Gott zu loben haben, nirgends werden wir mehr zur Erfüllung dieser Pflicht der Frömmigkeit angetrieben. Das Buch ist voll Vorschriften für ein heiliges, frommes und gerechtes Leben, aber vor allem unterweist es uns, wie wir das Kreuz zu tragen haben. Das ist die wahre Bewährung des Gehorsams, wenn wir den eigenen Neigungen entsagen, uns dem Herrn unterwerfen und unser Leben durch seinen Willen so bestimmen lassen, dass auch die bittersten Widerwärtigkeiten uns süß werden, weil sie von seiner Hand kommen. Endlich werden uns hier nicht nur allgemeine Lobpreisungen der Güte Gottes geboten, aus denen fromme Seelen lernen, sich allein auf ihn zu verlassen und sichere Hilfe in aller Not von ihm zu erwarten, sondern die Vergebung der Sünden aus Gnaden, durch die wir allein mit Gott versöhnt werden und Ruhe und Frieden mit ihm erlangen, wird uns hier ebenfalls so angepriesen, dass nichts zur Erkenntnis des ewigen Heils fehlt.

Übrigens, wenn die Arbeit, die ich auf diese Erklärung verwandt habe, den Lesern zum Nutzen sein wird, so ist dieses vor allem dem Umstande zuzuschreiben, dass die Erfahrungen, die ich in den Kämpfen, durch die Gott mich geübt hat, gemacht habe, wenn sie auch gering waren, mich einigermaßen in den Stand setzten, nicht nur die Lehren, die ich gefunden, für die Gegenwart nutzbar zu machen, sondern auch die Absicht der Verfasser der einzelnen Psalmen leichter zu erkennen. Vor allem trifft dieses bei David zu: das Verständnis für seine Klagen über die inneren Übel der Kirche ist mir besonders dadurch eröffnet worden, dass ich dasselbe, was er selbst beklagt, oder doch Ähnliches von den inneren Feinden der Kirche erduldet habe. Wenn ich auch weit hinter ihm zurückstehe, und viele Tugenden, durch die er glänzte, sich bei mir kaum zeigen, während ich an vielen Gebrechen leide, so scheue ich mich doch nicht, das hervorzuheben, was ich mit ihm gemeinsam habe. Allerdings habe ich beim Lesen der Beweise seines Glaubens, seiner Geduld, seines brennenden Eifers, seiner Redlichkeit, oft darüber geseufzt, dass ich ihm hierin so wenig gleiche. Trotzdem war es mir von großem Nutzen, hier gleichsam wie in einem Spiegel sowohl den Anfang meiner Berufung als auch den Fortgang meiner Arbeit zu schauen, sodass alles, was dieser große König und Prophet erduldete, für mich ein Vorbild zur Nachahmung zu sein schien. Es ist nicht nötig zu sagen, wie weit ich hinter ihm zurückstehe. Trotzdem haben wir vieles miteinander gemein. Wie jener von den Schafhürden zur höchsten Würde erhoben worden ist, so hat Gott auch mich von den dunkelsten und geringsten Anfängen emporgehoben, und hat mich gewürdigt, das hohe Amt eines Verkündigers und Dieners des Evangeliums zu bekleiden. Mein Vater hatte mich schon als zarten Knaben für die Gottesgelehrtheit bestimmt; als er jedoch sah, dass die Rechtswissenschaft größere Aussichten bot, bestimmte dieses ihn, plötzlich seinen Plan zu ändern. So kam es, dass ich von dem Studium der Philosophie zur Rechtswissenschaft überging. Im Gehorsam gegen den Willen meines Vaters lag ich treu diesem Studium ob. Aber Gott gab doch endlich durch die verborgenen Zügel seiner Vorsehung meinem Leben eine andere Richtung. Ich war dem Aberglauben des Papsttums sehr ergeben, sodass es nicht leicht war, mich aus diesem Sumpfe herauszuziehen. Deshalb hat Gott mich, weil mein Geist schon trotz meiner Jugend sehr verhärtet war, zuerst durch eine plötzliche Bekehrung zu einem gelehrigen Schüler gemacht. Kaum hatte ich jedoch etwas von der wahren Frömmigkeit gekostet, da entbrannte ich von solchem Eifer, hierin fortzuschreiten, dass ich die übrigen Studien, wenn ich sie auch nicht vernachlässigte, doch weniger eifrig betrieb. Noch war kein Jahr vorübergegangen, da kamen alle, die nach der reinen Lehre verlangten, zu mir, um zu lernen, obgleich ich hierin selbst noch ein Neuling war. Ich bin von Natur schüchtern, immer habe ich die Verborgenheit und die Ruhe geliebt, deshalb suchte ich immer unbekannt zu bleiben. Das ist mir aber so wenig gelungen, dass vielmehr alle Schlupfwinkel, in denen ich mich zu verbergen suchte, zu öffentlichen Schulen wurden. Während es meine Absicht war, unbeachtet der Ruhe zu pflegen, hat Gott mich immer so herumgeführt, dass es mir nie vergönnt war, zu ruhen, bis ich zuletzt trotz meines Widerstrebens ins öffentliche Leben hineingezogen wurde. Ich verließ mein Vaterland und reiste mit der Absicht nach Deutschland, dort in irgendeinem verborgenen Winkel die lang versagte Ruhe zu genießen. Doch siehe, es kam ganz anders. Ich hielt mich unbekannt in Basel auf. Damals wurden in Frankreich viele fromme Menschen verbrannt. Diese Scheiterhaufen hatten die Deutschen zum Teil mit großem Hass erfüllt. Um diesen zu dämpfen, wurden gottlose und lügenhafte Bücher verbreitet, in denen die Sache so dargestellt wurde, als seien die, die so grausam verfolgt wurden, nur Wiedertäufer und Aufrührer, welche durch ihre verkehrten Lehren nicht nur die Religion, sondern auch die ganze Gesellschaftsordnung zu zerstören wünschten. Ich sah hierin Intrigen des französischen Hofes. Man beabsichtigte, die unwürdige Vergießung unschuldigen Blutes durch solch falsche Verleumdung der heiligen Glaubenszeugen zu begraben, um nachher mit Morden wüten zu können, ohne durch Mitleid anderer daran gehindert zu werden. Es wurde mir klar, dass ich, falls ich schwiege, ein Verräter sein werde. Daher sah ich es für meine Pflicht an, diesem nach Kräften entgegenzutreten. Das war der Grund, der mich zur Herausgabe meines Christlichen Unterrichts veranlasste[3]. Einmal wollte ich dadurch meine Brüder, deren Tod wert geachtet war vor Gott, von der unverdienten Schmach befreien. Dann wollte ich auch für die vielen Elenden, denen dieselbe Strafe drohte, wenigstens etwas Mitgefühl und Teilnahme bei den anderen Völkern erwecken. Damals erschien aber noch nicht das jetzige umfangreichere Werk, auf das so viel Mühe verwandt worden ist, sondern nur ein kleines Handbuch, und zwar nur zu dem Zweck, um ein Zeugnis für den Glauben derjenigen zu sein, die ich von verruchten und treulosen Schmeichlern schändlich gelästert sah. Dass ich nicht beabsichtigte, mir hiermit einen Namen zu machen, beweist meine baldige Abreise, zumal dort keiner wusste, dass ich der Verfasser sei. Auch an anderen Stellen suchte ich verborgen zu bleiben, und es war meine Absicht, bei dieser Weise zu verharren. Dann wurde ich aber in Genf, nicht so sehr durch den Rat und die Ermahnung als vielmehr durch die furchtbare Verwünschung Wilhelm Farels zurückgehalten, gleich als ob Gott selbst vom Himmel seine starke Hand auf mich gelegt hätte. Als ich nämlich geradeswegs nach Straßburg reisen wollte, war dieser Weg mir durch den Krieg verschlossen. Ich hatte vor, möglichst bald von Genf weiter zu reisen. Nur eine Nacht wollte ich mich in dieser Stadt aufhalten. Hier war kurz vorher durch die Arbeit dieses vorzüglichen Mannes und des Petrus Viret das Papsttum verdrängt worden. Aber es war noch alles ungeordnet und die Stadt in schlimme und gefährliche Parteien zerrissen. Ein Mann, der jetzt nach schmählichem Abfall zu den Päpstlichen zurückgekehrt ist, machte alsbald, dass ich bekannt wurde. Farel nun, da er von unglaublichem Eifer, das Evangelium zu verbreiten, beseelt war, setzte eifrig alle Hebel an, um mich zurückzuhalten. Als er sah, dass ich dem stillen Privatstudium so ergeben war, dass er durch Bitten nichts bei mir erreichen konnte, scheute er sich nicht, mich zu beschwören. Er sagte, Gott möge meine Muße verfluchen, wenn ich ihm in dieser großen Not meine Hilfe versagen würde. Hierüber war ich so erschrocken, dass ich davon abstand, meine Reise fortzusetzen. Meiner Schüchternheit und Furchtsamkeit mir bewusst, verpflichtete ich mich nicht zur Übernahme eines bestimmten Amtes. Kaum waren vier Monate vergangen, da griffen uns von der einen Seite die Wiedertäufer an, von der anderen Seite ein gewisser verruchter Abtrünniger. Dieser konnte uns viel zu schaffen machen, da er sich auf die heimliche Unterstützung einiger Vornehmen verließ. Zu gleicher Zeit beunruhigten uns unaufhörlich innere Unruhen, die sich auf wunderbare Weise immer aufs Neue erhoben. Ich, der von sich gestehen muss, dass er wenig Mut hat und von Natur furchtsam und schlaff ist, wurde gleich anfangs in diese wilden Fluten hineingeworfen. Wenn ich in denselben auch nicht unterging, so war mein Mut doch nicht sehr groß. Daher freute ich mich mehr als billig, als wir in wilder Aufregung verbannt wurden. (Im Jahre 1538). Frei von meiner übernommenen Pflicht, beschloss ich, als Privatmann ein ruhiges Leben zu führen – da rief mich der ausgezeichnete Diener Christi Martin Butzer wiederum durch eine ähnliche Beschwörung, wie sie Farel gebrauchte, auf einen neuen Posten. Erschreckt durch das Beispiel des Jonas, das er mir vorhielt, setzte ich meine Lehrtätigkeit fort. Da ich mir immer gleich blieb, mied ich die Öffentlichkeit; trotzdem wurde ich, ich weiß nicht, wie es kam, zu den Religionsgesprächen, die der Kaiser angeordnet hatte, hinzugezogen. Hierbei musste ich, ich mochte wollen oder nicht, mich vielen zeigen. Später erbarmte der Herr sich über unsere Stadt Genf. Er beschwichtigte die Unruhen und vereitelte durch seine wunderbare Macht sowohl verruchte Pläne als auch blutige Unternehmungen. Jetzt trat an mich gegen meinen Wunsch die Notwendigkeit heran, meinen, früheren Posten wieder einzunehmen (Im Jahre 1541). War die Sorge für das Heil dieser Kirche bei mir auch so groß, dass ich mich nicht geweigert hätte, für sie zu sterben, so zeigte meine Furchtsamkeit mir doch so viele Schwierigkeiten, dass ich Bedenken trug, mir eine so schwere Last aufzubürden. Doch endlich siegten das Pflichtgefühl und der Glaube, und ich kehrte zu der Herde zurück, von der ich gewaltsam getrennt worden war. Gott ist mein Zeuge, dass ich es unter großer Trauer, mit vielen Tränen und in großer Angst getan habe. Dasselbe können auch viele fromme Menschen bezeugen; diese hätten gewünscht, dass ich von dieser Mühe und Last freigeblieben wäre, aber sie fürchteten wie ich, dass ich dadurch meine Pflicht versäumen würde. Es würde eine lange Geschichte sein, wenn ich erzählen wollte, wie mannigfache Kämpfe ich seit jener Zeit zu bestehen hatte und wie Gott mich geprüft hat.

Um nicht die Leser mit unnötigem Gerede zu langweilen, will ich nur kurz wiederholen, was ich schon früher berührt habe, nämlich dass ich darin einen großen Trost fand, dass David mir den Weg zeigte, den ich zu wandeln hatte. Die Philister und andere äußere Feinden haben jenen heiligen König fortwährend bekriegt, aber mehr noch kränkte ihn die Bosheit und Frechheit treuloser Menschen im eigenen Staate. Gleicherweise habe auch ich fast keinen Augenblick Ruhe gehabt von äußeren und inneren Kämpfen. Da Satan es viel und oft versuchte, diese Kirche zu zerstören, so kam es zuletzt dahin, dass ich, der ich unkriegerisch und furchtsam bin, gezwungen wurde, meinen eigenen Körper diesen tödlichen Angriffen entgegenzusetzen, um sie zu brechen. Ganze fünf Jahre hindurch mussten wir ununterbrochen kämpfen, um die Kirchenzucht aufrecht zu erhalten, da verderbte Menschen, die sehr große Macht besaßen, und ein Teil des gemeinen Volkes, der durch ihre Verführungen verdorben worden war, eine zügellose Freiheit erstrebten. Diesen gemeinen Menschen, welche die himmlische Lehre verachteten, lag nichts daran, ob die Kirche unterging, wenn sie nur die Macht erlangten, die sie sich wünschten; darum scheuten sie auch vor nichts zurück. Viele trieb auch Mangel und Hunger, einige unersättlicher Ehrgeiz oder schnöde Gewinnsucht zur Raserei. Sie wollten alle Ordnung zerstören und lieber sich selbst und uns zu Grunde richten, als der Ordnung sich fügen. Ich glaube, dass in dieser langen Zeit kaum ein Mittel, das in Satans Apotheke gebraut wird, unversucht gelassen worden ist. Erst ihre schimpfliche Niederlage machte ihren ruchlosen Bestrebungen ein Ende. Für mich war dieses ein trauriges Schauspiel. Denn wenn sie auch jede schwere Strafe verdient hatten, so hätte ich es doch lieber gesehen, wenn sie verschont geblieben wären. Das würde auch der Fall gewesen sein, wenn sie sich nicht jedem vernünftigen Rat widersetzt hätten. Diese fünfjährige Prüfung war hart für mich, aber ihre Bosheit kränkte mich noch mehr, da sie nicht abließen, mit giftigen Schmähungen mich und mein Amt zu bekämpfen. Einen Teil von ihnen hatte die Schmähsucht so verblendet, dass sie ihre Unverschämtheit gleich ohne Scheu zeigten, andere suchten sie durch Verschlagenheit zu verdecken, aber auch diese wurden entlarvt und zu Schanden.

Trotz alledem ist es eine äußerst kränkende Nichtswürdigkeit, wenn eine Beschuldigung, von der man hundertmal gereinigt worden ist, immer wieder aufs Neue aufgewärmt wird. Da ich lehre, dass die Welt durch Gottes verborgene Vorsehung regiert werde, so brachten diese frechen Leute hiergegen ein, dass ich auf diese Weise Gott zum Urheber der Sünde mache. Es war dieses eine ungesalzene Verleumdung, die, wenn sie keine begierigen Hörer gefunden hätte, leicht von selbst hingefallen wäre; aber Neid, Missgunst, Undankbarkeit und Bosheit beherrschten viele Herzen so, dass sie vor keiner auch noch so verkehrten und wunderlichen Lüge zurückschreckten. Andere suchten die göttliche Vorherbestimmung, die die Verworfenen von den Auserwählten scheidet, umzustoßen, andere warfen sich zu Verteidigern des freien Willens auf. Alsbald zog nicht so sehr die Unwissenheit als vielmehr ein mir unverständliches verkehrtes Streben viele auf ihre Seite. Wenn ausgesprochene Feinde mich in dieser Weise belästigt hätten, so wäre es zu tragen gewesen – aber meine Gegner waren solche, die sich Brüder nannten und nicht nur das heilige Brot Christi genossen, sondern es auch anderen austeilten, ja die sich laut rühmten, Herolde des Evangeliums zu sein. Welch eine Schande war es, dass diese in so schändlicher Weise kämpften! Hier konnte man wahrlich mit vollem Recht mit David klagen (Ps. 41, 10): „Auch mein Freund, dem ich mich vertraute, der mein Brot aß, tritt mich unter die Füße. “ Und wiederum (Ps. 55, 14 f. ): „Du bist mein Geselle, mein Freund und Verwandter, wir waren freundlich miteinander unter uns; wir wandelten im Hause Gottes unter der Menge; der hat mich schmählich wie ein Feind angegriffen. “ Andere verbreiteten abgeschmackte Gerüchte über meine Schätze oder meine gewaltige Macht. Von anderen wiederum wurde meine Pracht gerühmt, während ich doch einfach lebe und mich in ganz gewöhnlicher Weise kleide. Wie kann man jemand üppig nennen, wenn er auch von den geringsten Leuten keine größere Einfachheit fordert, als er sie selbst zeigt? Sie beneiden mich wegen meiner Macht. Ach, dass sie selbst meine Nachfolger wären! Sie beurteilen meinen Einfluss nämlich nach der Last meiner Arbeit, unter der ich seufze. Wenn ich einige bei meinem Leben nicht davon überzeugen kann, dass ich nicht begütert bin, so wird dieses sich bei meinem Tode zeigen. Allerdings gestehe ich, durchaus nicht arm zu sein, da ich nichts mehr erstrebe, als ich nötig habe. Obgleich diese falschen Beschuldigungen ganz gehaltlos waren, so fanden sie doch deswegen vielfachen Beifall, weil mancher darin das einzige Mittel sah, seine Schandtaten zu verdecken, dass er aus Schwarz Weiß machte, - und weil man hoffte, dann ungestraft ein zügelloses Leben führen zu können, wenn das Ansehen der Diener Christi zerstört sein würde. Zu diesen kamen noch die glatten, witzigen Streber, über welche David sich Ps. 35, 16 beklagt. Ich meine nicht nur die Speichellecker und Schmarotzer, sondern alle, die durch falsche Angebereien um die Gunst der Mächtigen buhlten. War ich auch schon lange an solche Ungerechtigkeiten gewöhnt, dass ich fast dagegen gefeit war, so konnte es doch nicht ausbleiben, dass es mich bisweilen bitter schmerzte, wenn ihre Frechheit zunahm. Nicht allein von den Nachbarn wurde ich so unmenschlich behandelt, selbst vom Eismeer her schleuderten überspannte Tagediebe ihre brennenden Pfeile. Bisher spreche ich nur von den inneren Feinden der Kirche, die das Evangelium herrlich priesen, aber mich nichtsdestoweniger heftiger als die Feinde anfielen, weil ich ihre verkehrte und grob sinnliche Ansicht von dem fleischlichen Essen Christi nicht teilte. In Bezug auf diese habe ich ebenfalls ein Recht mit David zu bezeugen (Ps. 120, 7): „Ich halte Frieden, aber wenn ich rede, so fangen sie Krieg an. “ Besonders zeigte sich das darin die grenzenlose Undankbarkeit aller, dass sie einen Mann, der ritterlich für die gemeinsame Sache kämpfte, und dem sie Hilfe bringen mussten, von der Seite und hinterrücks angriffen. Sicherlich, hätten sie auch nur etwas menschliches Gefühl gehabt, so hätte die Wut der Päpstlichen, die sich mit aller Wucht gegen mich richtete, wenigstens ihren größten Hass besänftigen müssen. Aber David war ja auch in derselben Lage. Obgleich er sich um sein Volk aufs Beste verdient gemacht hatte, war er doch vielen ohne Grund verhasst. Wie er sich Ps. 69, 5 beklagt: „Ich muss bezahlen, was ich nicht geraubt habe. “

Es war für mich daher, als ich ohne Grund von denen gehasst wurde, die mich billig hätten unterstützen müssen, ein großer Trost, dass ich an David ein so herrliches Vorbild hatte, nach dem ich mich richten konnte. Diese Erfahrung nützte mir auch sehr zum Verständnis der Psalmen. Die Leser werden, wie ich glaube, merken, dass ich, wenn ich die geheimen Gedanken Davids und auch der anderen entwickele, wie von persönlich Erlebtem rede. Es war mein ernstliches Bestreben, diesen Schatz allen nutzbar zu machen. Wenn ich auch nicht erreicht habe, was ich wollte, so verdient doch wenigstens der Versuch dankbare Anerkennung. Ich beanspruche jedoch nichts anderes, als dass ein jeder meine Arbeit billig und vorurteilslos nach der Frucht und dem Nutzen, den er selbst daraus gewonnen, beurteile. Sicherlich wird ein jeder beim Lesen das bestätigt finden, was ich gesagt habe, dass ich nämlich durchaus nicht darnach getrachtet habe, zu gefallen, sondern nur zu nützen, deshalb habe ich mich nicht nur immer einer einfachen Lehrweise bedient, sondern mich auch möglichst aller Widerlegungen enthalten, um jede Prahlerei zu vermeiden. Es ist ja bekannt, dass gerade hier ein weites Feld ist, sein Licht leuchten zu lassen und sich Beifall zu erwerben. Entgegenstehende Ansichten habe ich nur dann berührt, wenn zu befürchten war, dass ich, wenn ich schwieg, die Leser in Unklarheit lassen würde. Ich weiß wohl, welch ein Genuss es für viele ist, eine Menge Stoff aufzuhäufen, umso recht ihre Gelehrsamkeit zu zeigen. Aber mir lag mehr daran, die Kirche zu erbauen. Möge Gott, der mir diesen Vorsatz gegeben hat, machen, dass der Erfolg ihm auch entspreche.

Genf, 22. Juli 1557.

 

Psalm 1.

 

Inhaltsangabe: Es scheint, dass Esra oder ein anderer, der die Psalmen zu einem Buche vereinigte, diesen Psalm dem ganzen Werke als eine Art Vorrede vorangestellt hat, um dadurch alle Frommen zur Betrachtung des göttlichen Gesetzes zu ermahnen. Der Hauptinhalt des Psalms ist folgender: Diejenigen, die sich eifrig mit der Betrachtung der himmlischen Weisheit beschäftigen, sind glücklich, während die gemeinen Verächter Gottes endlich ein schreckliches Ende nehmen werden, wenn sie auch eine Zeitlang glücklich zu sein wähnen.

V. 1. Wohl dem, der nicht wandelt usw. Der Hauptgedanke ist, wie ich schon sagte, dass es den frommen Verehrern Gottes, die fortwährend bestrebt sind, durch das Gesetz Gottes sich fördern zu lassen, immer gut gehen wird. Diese Einfältigen werden von dem meisten verlacht, als ob sie sich vergeblich abmühten. Deshalb ist es für sie von Nutzen, wenn sie sich mit dem Schilde wappnen, dass alle Sterblichen ohne Gottes Segen unglücklich sind, da Gott nur den Schülern seiner Weisheit sich geneigt zeigt. – Die Welt ist von jeher so verderbt gewesen, dass die gewöhnliche Lebensweise der Menschen fast immer ein Abfall vom göttlichen Gesetze war. Deshalb beginnt der Prophet nicht damit, die Schüler des Gesetzes glücklich zu preisen, sondern er befiehlt ihnen zuerst, sich zu hüten, damit sie nicht von der allgemeinen Gottlosigkeit mit fortgerissen werden. Er brandmarkt die Bösen, indem er erklärt, dass keiner sein Herz der Betrachtung des göttlichen Gesetzes zuwenden könne, der sich nicht zuvor von der Gesellschaft der Gottlosen getrennt und abgesondert hat. Das ist eine nützliche Ermahnung; denn wir sehen ja, dass fast alle sich leichtsinnig in die Schlingen Satans stürzen und dass nur sehr wenige sich vor den Lockungen der Laster hüten. Wollen wir sicher gehen, so müssen wir immer im Auge behalten, dass die Welt voll verderblicher Versuchungen ist. Deswegen ist der erste Schritt auf dem rechten Wege, dass wir den Umgang mit den Gottlosen meiden, um nicht von ihrer Verderbtheit mit angesteckt zu werden. Da der Prophet den Frommen an erster Stelle befiehlt, sich vor den verderblichen Hindernissen zu hüten, so müssen auch wir diese Regel befolgen.

Die allgemeine Meinung und das allgemeine Urteil werden dem schwerlich zustimmen, dass diejenigen glücklich sind, die mit den Gottlosen nichts gemein haben. Alle trachten zwar von Natur danach, glücklich zu werden, dabei ergeben sie sich aber sorglos dem Dienst der Sünde. Und wenn sich jemand auch ganz durch seine Begierden treiben lässt und sehr weit von der Gerechtigkeit abgekommen ist, so wird er doch für glücklich gehalten, wenn er das erreicht hat, was er sich wünschte. Dem gegenüber lehrt der Prophet, dass keiner zu der Furcht Gottes und zur Verehrung Gottes recht erweckt werden könne, der nicht vorher zu der Überzeugung gelangte, dass alle Gottlosen unglücklich sind, und dass alle, die sich nicht von der Gemeinschaft mit ihnen ferngehalten haben, in ihren Untergang mit hineingezogen werden. Da es aber sehr schwer hält, die Gottlosen, mit denen wir ja zusammenleben, zu fliehen, so gebraucht der Prophet, um seiner Ermahnung einen stärkeren Nachdruck zu geben, eine Reihe von wiederholten Ausdrücken. Zuerst verbietet er, zu wandeln in ihrem Rat, dann zu stehen in ihrem Wege, und zuletzt, zu sitzen auf ihrem Sitze. Der Hauptgedanke ist, dass die Diener Gottes sich Mühe geben müssen, um sich mit Abscheu von ihren Sitten ganz fern zu halten. Da Satan schlau seine Schlingen legt, so zeigt der Prophet, damit keiner wegen seiner Sorglosigkeit gefangen werde, wie die Menschen meist allmählich vom rechten Wege abkommen. Sie werden nicht gleich anfangs stolze Verächter Gottes, sondern der Satan bringt sie, nachdem sie einmal angefangen haben, den bösen Ratschlägen Gehör zu geben, immer weiter, bis es bei ihnen zum offenbaren Abfall kommt. Deshalb beginnt der Prophet mit dem Rat. Darunter verstehe ich die Schlechtigkeit, die noch nicht offenbar geworden ist. Dann nennt er den Weg. Dieses Wort bezeichnet den Lebenswandel oder die Lebensweise. An dritter Stelle nennt er den Sitz. Damit bedient er sich eines Bildes: die Sünde hat sich gleichsam festgesetzt; so ist die Verstocktheit die Frucht der lange geübten bösen Sitte. Diesen drei Wörtern entsprechen die drei anderen: er wandelt, tritt, sitzt. Denn nachdem jemand aus eigenem Antriebe auf Irrwege geraten ist, weil er durch böse Begierden sich verleiten ließ, wird er berauscht durch die Gewöhnung an die Sünde, so dass er sich zuletzt ganz selbst vergisst und sich in der Schlechtigkeit verhärtet. Dieses nennt der Prophet: „er tritt auf den Weg der Sünder“, der ihm eine viel betretene Straße geworden ist. Darauf folgt dann die hoffnungslose Halsstarrigkeit oder Verstockung, von der es heißt, dass man in ihr festsitzt. Ob bei den Wörtern: Gottlose, Sünder, Spötter dieselbe Steigerung vorliegt, wage ich nicht zu entscheiden. Nur bei dem letzten Worte wird dies sicher der Fall sein. Denn „Spötter“ werden solche genannt, die aller Gottesfurcht sich entledigt haben und vor keiner Sünde zurückscheuen, weil sie glauben, ungestraft zu bleiben und die sorglos Gottes Gericht verspotten, als wenn nie ein Tag der Abrechnung käme. Da aber die Übeltäter oft mit besonderem Nachdruck „Sünder“ genannt werden, so passt dieser Ausdruck auch gut für solche, die einen offenbar schlechten Lebenswandel führen. Wenn es zur Zeit des Propheten für die Gottesfürchtigen nötig war, sich von der Gemeinschaft der Gottlosen zu trennen, wenn sie den rechten Weg wandeln wollten, so müssen wir heutzutage noch viel ängstlicher jede schädliche Gesellschaft meiden, da die Welt jetzt noch viel verderbter ist als damals. Doch befiehlt der Prophet den Gläubigen nicht nur, sich von den Gottlosen zurückzuziehen, um nicht von ihrer Verderbtheit angesteckt zu werden. Die Ermahnung erstreckt sich noch weiter. Es soll sich auch niemand selbst zur Gottlosigkeit verführen; denn es kommt auch vor, dass Menschen, die kein schlechtes Beispiel verleitet, doch den Bösen gleich werden, weil sie dieselben aus eigenem Antriebe nachahmen.

Der zweite Vers preist nicht, wie dies sonst wohl geschieht, einfach die Gottesfürchtigen glücklich, sondern beschreibt die Frömmigkeit als die eifrige Beschäftigung mit dem göttlichen Gesetze. Hieraus lernen wir, dass Gott nur dann recht verehrt wird, wenn man seinem Worte gehorsam ist. Daher kann ein jeder für sich nicht seine Religion nach seinem Gutdünken bilden, sondern die Regeln der Frömmigkeit sind dem Worte Gottes zu entnehmen. Denn ist hier auch nur vom Gesetz die Rede, so will dies doch nicht so verstanden sein, als ob die übrigen Teile der Schrift keine Bedeutung hätten; sondern da die ganze Schrift nur eine Ausführung des Gesetzes war, so steht dieser ihr Hauptteil hier für das Ganze. Der Prophet empfiehlt hier also das Gesetz mit seinem Zubehör. Sonst würde auch das nicht stimmen, was wir im Eingang gesagt haben, dass es seine Absicht sei, die Gläubigen auch zum Lesen der Psalmen zu ermahnen. Das erste Erfordernis beschreibt er mit dem Satze, dass der Fromme Lust zum Gesetz des Herrn hat. Aus diesen Worten lernen wir, dass Gott kein Gefallen hat an einem knechtischen und erzwungenen Dienst, sondern dass nur die allein die rechten Schüler des Gesetzes sind, die mit Freudigkeit an dasselbe herangehen und an der Belehrung durch das Gesetz solche Freude haben, dass es für sie nichts Besseres und Angenehmeres gibt, als hierin gefördert zu werden. Diese Liebe zum Gesetz treibt dazu, dass man über demselben Tag und Nacht sinnt, d. h. es fortwährend betrachtet. Menschen, die Gottes Gesetz recht lieb gewonnen haben, können gar nicht anders als sich gerne darin üben.

V. 3. Ein Gleichnis erläutert den vorhergehenden Gedanken und bestätigt ihn zugleich. Es wird uns gezeigt, wieso Menschen, die Gott fürchten, als glücklich gelten dürfen: sie genießen nicht eine nur zeitweilige, vergängliche und leere Freude, sondern ihr Glück ist beständig. Die Lebenskraft des Baumes, der an einen wasserreichen Ort gepflanzt ist, steht hier nämlich im Gegensatz zu dem vergänglichen äußeren Aussehen eines anderen Baumes, der wohl für eine kurze Zeit prächtig grünt, aber wegen der Unfruchtbarkeit des Bodens bald verdorrt. Allerdings wird die Kehrseite hier nicht so ausdrücklich beschrieben, wie wir sonst (Ps. 37, 35) erinnert werden, dass die Gottlosen bisweilen den Zedern Libanons gleichen. Sie sind so reich an Mitteln und Ehren, dass ihnen für den Augenblick nichts am Glücke fehlt. Doch wenn sie auch hoch und erhaben sind und ihre Zweige weit ausbreiten, so wird doch ihr ganzer Schmuck bald verwelken und vergehen, weil sie unter der Erde nicht gewurzelt sind und ihnen die Feuchtigkeit zur Saftbildung fehlt. Nur der Segen Gottes gewährt uns ein dauerndes Glück. Einige deuten das Gleichnis noch weiter aus: dass die Gläubigen ihre Früchte bringen zu ihrer Zeit, wolle besagen, dass sie durch ihre Weisheit den rechten Zeitpunkt erkennen, wann das Gute zu tun sei. Das ist aber nach meiner Ansicht ein spitzfindiger Gedanke, der dem Propheten fernliegt. Er will nur lehren, dass die Kinder Gottes immer blühen und durch die verborgene Gnade Gottes immer bewässert werden, so dass alles, was sie trifft, für sie eine Förderung zu ihrem Heile bedeutet, während die Gottlosen durch einen plötzlichen Sturm weggerafft oder durch eine übermäßige Hitze verzehrt werden. Dass aber der Fromme seine Früchte zu seiner Zeit bringt, deutet auf ein rechtes Ausreifen: mögen die Gottlosen auch vielleicht frühreife Früchte hervorbringen, so erzeugen sie doch nur Fehlgeburten.

V. 4. Der Psalmist hätte die Gottlosen mit einem Baume vergleichen können, der bald verdorrt, wie Jeremias (17, 6) sie mit einer Myrrhe in der Wüste vergleicht. Aber ein solcher Vergleich genügt ihm nicht. Er macht sie noch viel verächtlicher: denn er übergeht das kurze Glück, das sie für eine kurze Zeit übermütig macht, und berücksichtigt nur den Ausgang, den sie schließlich nehmen. Der Sinn ist mithin dieser: Wenn die Gottlosen jetzt auch glücklich sind, so werden sie doch bald der Spreu gleichen. Wenn Gott sie in Mange gesetzt haben wird, so wird er sie durch den Hauch seines Zornes überallhin zerstreuen. Durch diese Redeweise lehrt der heilige Geist uns das, was sonst unglaublich erscheinen könnte, mit den Augen des Glaubens zu betrachten. Denn wenn der Gottlose auch wie ein schlanker Baum hervorragt, so muss man doch überzeugt sein, dass er Spreu sein wird, sobald es Gott gefällt, ihn von seiner Höhe hernieder zu werfen.

V. 5. Im 5. Verse lehrt der Prophet, dass das Glück des Lebens auf einem guten Gewissen beruht. Deshalb ist es auch nicht zu verwundern, dass das Glück, von dem die Gottlosen geträumt, plötzlich zusammenbricht. Es ist dieses eine Art von Einräumung, durch die der Prophet stillschweigend eingesteht, dass die Gottlosen an sich selbst Gefallen haben und triumphieren, so lange in der Welt die Unordnung herrscht. Ebenso wie die Räuber ausgelassen sind, wenn sie in den Wäldern und Höhlen fern von den Augen des Richters sind. Diese Unordnung dauert aber nicht immer. Einmal, wenn alles wieder in den rechten Stand gesetzt ist, werden den Gottlosen ihre Ergötzungen ausgetrieben werden, und dann werden sie merken, dass sie nur berauscht waren, als sie sich für glücklich hielten. Wir sehen also, dass der Prophet die Gottlosen deshalb unglücklich nennt, weil das wahre Glück etwas Innerliches ist und in einem guten Gewissen besteht. Er leugnet nicht, dass ihnen alles glückt, bevor sie gerichtet werden, aber er behauptet, dass sie trotzdem nicht glücklich seien, weil ihr Glück nicht auf die feste und sichere Grundlage der Rechtschaffenheit gegründet ist. Die Gerechten bestehen die Prüfung, und dann wird es offenbar, dass ihre Rechtschaffenheit rein und lauter war. – Der Herr übt täglich sein Gericht aus, indem er die Gerechten von den Verworfenen scheidet. Da dieses aber nur teilweise geschieht, so müssen wir unsere Blicke höher erheben, wenn wir die Gemeinde der Gerechten, von der hier die Rede ist, sehen wollen. Der Gottlosen Glück beginnt allerdings schon jetzt zu vergehen, wenn der Herr ihnen die Vorboten seines Gerichts sendet; denn dann werden die Gottlosen aufgeweckt und müssen erkennen, dass sie von der Gemeinde der Gerechten abgeschnitten sind. Da dieses aber nicht immer und bei allen geschieht, so müssen wir mit Geduld auf den Tag des letzten Gerichts warten, wo Christus die Schafe von den Böcken scheiden wird. Doch müssen wir daran festhalten, dass alle Gottlosen unglücklich sind, weil das böse Gewissen sie quält und weil sie jedes Mal, wenn sie über ihr Leben Rechenschaft geben müssen, wie aus einem Schlafe erwachen und erkennen, dass es nur ein Traum war, als sie sich für glücklich hielten, und dass sie damals nicht recht bei Besinnung waren. Da hier der Zufall zu regieren scheint und es nicht leicht ist, bei dieser Unordnung das, was der Prophet sagt, zu erkennen, so weist er uns auf die feststehende Tatsache hin, dass Gott Richter ist auf Erden. Daraus folgt, dass es notwendig den Gerechten einst gut gehen muss, und dass den Gottlosen ein schreckliches Ende bevorsteht. Wenn den Verehrern Gottes ihre Reinheit dem Augenschein nach keinen Nutzen bringt, so müssen sie doch unter dem Schutze Gottes glücklich sein, weil es Gottes eigentliches Geschäft ist, sie zu beschützen und für ihr Heil zu sorgen. Es steht fest, dass er der Rächer aller Verbrechen ist, und wenn er sich auch für eine Zeitlang verborgen hält, so wird er doch einmal alle Gottlosen verderben. Deshalb müssen wir immer, wenn die Unordnung herrscht, an Gottes Vorsehung denken, durch die alles in der Welt wieder in die rechte Ordnung gebracht wird, damit wir uns nicht durch das Scheinglück der Gottlosen täuschen lassen.

 

Psalm 2.

 

Inhaltsangabe: David rühmt, dass sein Reich, obgleich es von vielen Feinden und durch starke Macht bekämpft wurde, doch dauernden Bestand haben werde, weil Gottes Hand und Kraft es stützt. Ja er fügt noch hinzu, dass es gegen den Willen seiner Feinde sich bis zu den äußersten Grenzen der Erde ausbreiten werde. Daher ermahnt er die Könige und die anderen Regenten, den Stolz aufzugeben und das Joch, das ihnen Gott auflegt, geduldig auf sich zu nehmen, da sie doch vergeblich versuchen würden, es von sich abzuschütteln. Da nun David als ein Vorbild dasteht, das auf Christum deutet, so birgt unser Psalm auch eine Weissagung auf das zukünftige Königreich Christi.

V. 1. Es ist bekannt, dass viele sich gegen David verschworen und seine Regierung zu hindern suchten. Hätte er sich durch menschliche Gefühle bestimmen lassen, so hätten diese Feinde ihn leicht so erschrecken können, dass er jede Hoffnung auf die Regierung aufgegeben hätte. Sicherlich wird er auch mit Angst und mit sehr schweren Anfechtungen zu kämpfen gehabt haben. Da er jedoch sich aufrichtig bewusst war, nichts leichtsinnig unternommen zu haben (wie sonst wohl der Ehrgeiz und die schlechte Begierde viele zu Neuerungen treiben), und ebenfalls fest überzeugt war, dass er, da er nichts dergleichen erstrebt hatte, von Gott zum Könige erwählt sei, so erhebt er sich mit großer Zuversicht gegen die ganze Welt. Mit den Worten dieses Psalms spottet er stolz der Könige und ihrer Heere. Er gesteht zwar ein, dass er einen harten Kampf habe, da nicht eine nur geringe Mannschaft, sondern ungeschwächte Völker mit ihren Königen sich gegen ihn verschworen haben; aber trotzdem rühmt er kühn, dass ihr Unternehmen umsonst sein werde, weil sie nicht einen Krieg gegen einen sterblichen Menschen, sondern gegen Gott selbst begonnen hätten.

Es ist nicht klar, ob David nur von inneren Feinden redet, oder ob seine Klage sich auch auf äußere Feinde bezieht. Da es jedoch feststeht, dass sich von allen Seiten Feinde gegen ihn erhoben und dass nach Unterdrückung der Empörungen unter dem Volke auch die Nachbarvölker, eins nach dem andern, seine Feinde wurden, so bin ich geneigt, an beide, nämlich an die Juden und die Heiden, zu denken. Zudem würde es auch nicht passen, dass mit vielen Völkern ein Volk bezeichnet, und dass von vielen Königen geredet würde, während allein Saul gemeint wäre. Hierzu kommt noch, dass der Psalm eine Weissagung auf Christum ist. Für ihn passt es aber besser, dass verschiedenartige Feinde sich gegen ihn verbinden. Wir wissen ja, dass Christus es nicht nur mit inneren, sondern auch mit äußeren Feinden zu tun hatte; denn die ganze Welt verschwor sich, um seinen Untergang zu betreiben. Die Juden begannen zuerst, sowohl gegen Christum als gegen David zu wüten. Dann erfasste derselbe Taumel auch die anderen Völker. Der Hauptgedanke ist: Wenn auch diejenigen, die ihn zu stürzen suchen, über eine starke Macht verfügen, so sind ihre Empörungen doch umsonst und ihre Beschlüsse eitel. Sehr treffend sind die Ausdrücke gewählt: die Völker toben und reden murrend, die Könige und Herren ratschlagen miteinander. Damit ist zugleich angedeutet, dass, wenn die Könige auch lange und viel ratschlagen, und wenn auch die Völker mächtig toben, sie doch alle nichts erreichen werden. Zu beachten ist auch der Grund, auf den David sein Vertrauen stützt. Dieser besteht darin, dass er nicht leichtsinnig oder aus eigenem Antriebe nach der Herrschaft gestrebt hat, sondern dass er hierin nur dem Rufe Gottes gefolgt ist. Daraus schließt er, dass in seiner Person Gott selbst angegriffen wird; der Herr, der ihn ins Regiment gesetzt, wird die Auflehnung nicht ungestraft lassen. Denn wenn David sich den Gesalbten des Herrn nennt, will er zu verstehen geben, dass er nur unter Gottes Schutz und in seinem Namen regiere, da die von Samuel empfangene Salbung ihn aus einem Privatmanne zum König gemacht hat. Die Feinde Davids dachten nicht daran, dass sie sich gegen Gott erhoben. Hätte man ihnen dies vorgeworfen, so würden sie es tapfer geleugnet haben. Und doch hat es seinen guten Grund, dass David von seinen Feinden sagt, dass sie wider Gott kämpfen und geradeswegs gegen ihn ihre Angriffe richten: denn wer ein Regiment zu stürzen sucht, welches Gott eingesetzt hat, rennt mit blinder Wut gegen Gott selbst an. Gilt es schon im Allgemeinen, dass dem Herrn widerstrebt, wer sich wider die von ihm gesetzte Obrigkeit auflehnt, so trifft dies noch in einem ganz besonderen Sinne zu, wo es sich um jenes geheiligte Königreich handelt, dem Gott sich in einzigartiger Weise schützend zur Seite stellte.

Wenden wir uns jetzt der Erfüllung dieser Weissagung zu! Dass David hier von Christo weissagt, geht daraus klar hervor, dass er wusste, dass seine Regierung nur ein Schatten und ein Vorbild war. Wenn wir lernen wollen, alles das, was David einst von sich selbst gesungen hat, auf Christum zu beziehen, so müssen wir diesen Grundsatz festhalten (der uns auch oft bei den Propheten begegnet), dass er und seine Nachfolger nicht so sehr um ihretwillen zu Königen erwählt waren, als vielmehr um Vorbilder des Versöhners zu sein. Denn jenes zeitliche Regiment war für das Volk gewissermaßen ein Unterpfand für das ewige Reich, das später durch Christum aufgerichtet worden ist. Wir werden hierauf noch öfters zurückkommen. Für diesmal genügt es, die Leser daran zu erinnern, dass das, was David hier von sich aussagt, nicht künstlich umgedeutet zu werden braucht, sondern leicht als eine wirkliche Weissagung auf Christum sich erkennen lässt. Denn wenn man die Art dieses Reiches bedenkt, so sieht man leicht ein, dass es verkehrt ist, bei der zeitlichen Erscheinung stehen zu bleiben, ohne den eigentlichen Zweck und das Ziel desselben zu beachten. Das Zeugnis der Apostel ist für uns eine sichere Bürgschaft, dass hier Christi Reich beschrieben wird. Denn damals, als sie sahen, dass die Gottlosen sich gegen Christum verbanden, gab dieser Psalm ihnen Kraft zum Beten (Apg. 4, 25). Hierauf kann unser Glaube sich getrost stützen. Aus allen Propheten geht klar hervor, dass das, was David von seinem Reiche bezeugt, sich eigentlich auf Christum bezieht. Daher steht es auch fest, dass Leute, die sich nicht der Herrschaft Christi unterwerfen, mit Gott Krieg führen. Denn da es Gottes Wohlgefallen ist, uns durch seine Hand zu regieren, so geben sie umsonst vor, dass sie Gottes Regiment nicht verwürfen, wenn sie Christo den Gehorsam verweigern. Der Spruch ist Wahrheit (Joh. 5, 23): „Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat. “ Für uns ist es von großer Bedeutung, dass wir diesen engen Zusammenhang zwischen dem Vater und dem Sohn immer wohl beachten. Denn so wie Gottes Herrlichkeit in dem eingeborenen Sohne erglänzt, so will der Vater auch in seiner Person gefürchtet und verehrt werden.

Aus dieser Stelle können wir einen doppelten Trost ziehen. Erstens, wenn die Welt in Aufruhr kommt und Christi Reich dadurch in Unordnung gebracht oder aufgehalten wird, so brauchen wir uns dadurch doch nicht erschüttern zu lassen: denn wir denken daran, dass sich jetzt nur erfüllt, was schon lange vorher verkündigt wurde. Und es wird uns großen Nutzen bringen, wenn wir das, was die Apostel erfahren haben, mit unseren gegenwärtigen Erfahrungen zusammenstellen. An und für sich ist ja das Reich Christi ein ruhiges Reich, das der Welt den wahren Frieden bringt. Nur die Verderbtheit und die schlechte Gesinnung der Menschen sind schuld daran, dass es sich nie ohne Aufruhr ausbreiten kann. Deshalb ist es nicht zu verwundern, dass die Welt in Unruhe kommt, wenn Christo der Thron errichtet wird. Der zweite Trost besteht darin, dass, wenn die Gottlosen ihre Kräfte vereinigen und im Vertrauen auf ihre gewaltige Menge, Hilfsmittel und Macht nicht nur stolze Gotteslästerungen ausstoßen, sondern selbst wütend den Himmel angreifen, wir sie doch sicher verspotten können, indem wir auf dies eine Wort vertrauen, dass sie Gott im Himmel angreifen. Wenn wir daher sehen, dass Christus durch die Macht und Kraft seiner Feinde fast erdrückt wird, so müssen wir daran denken, dass sie Gott selbst angreifen, dem sie nicht gewachsen sind. Deshalb wird alles umsonst und nichtig sein, was sie auch immer unternehmen werden. Das Gesagte gilt für den ganzen Lauf des Evangeliums. Das Gebet der Apostel, das wir angeführt haben, zeigt uns deutlich, dass wir es nicht auf Christi Person beschränken dürfen.

V. 3. „Lasst uns zerreißen ihre Bande“. Der Prophet führt seine Feinde redend ein, um dadurch die Gottlosigkeit und Unheiligkeit ihres Rates besser zum Ausdruck zu bringen. Man muss jedoch nicht meinen, dass sie offen eingestehen, Aufrührer gegen Gott zu sein. Im Gegenteil, sie suchen mit jeglichem guten Schein ihre Halsstarrigkeit zu verdecken und rühmen frei, dass Gott auf ihrer Seite sei. Da sie aber in ihrem Innern fest entschlossen sind, David seine königliche Würde zu nehmen, einerlei ob mit Recht oder Unrecht, so mögen sie sagen, was sie wollen, sie sinnen doch nur darauf, wie sie die Regierung, die von Gott eingesetzt ist, stürzen können. Ohne Zweifel soll auch das hochfahrende Wesen der Aufrührer damit gegeißelt werden, wenn David sie seine Herrschaft mit Banden und Seilen vergleichen lässt. Er lässt sie so sprechen, als wenn sein Regiment für sie eine knechtische und schimpfliche Unterdrückung wäre. Gleicherweise sehen wir auch, dass alle Feinde Christi, wenn sie gezwungen werden ihm zu gehorchen, dieses ebenso unwillig tragen, als wenn ihnen die größte Schmach angetan würde.

V. 4 … Nachdem David den Lärm, die Beschlüsse, den Hochmut, die Zurüstung, die Heere, Kräfte und Unternehmungen seiner Feinde aufgezählt hat, stellt er diesem allen die Macht Gottes entgegen. Dass diese ihnen zuwider sein werde, schließt er daraus, dass sie gegen Gottes Ratschluss ankämpfen. Vorher hat er die Herrscher „Könige der Erde“ genannt, um damit ihre unsichere und vergängliche Stellung anzudeuten. Jetzt bezeichnet er Gott als den, der im Himmel wohnt. Mit dieser Lobpreisung erhebt er seine Macht, als wenn er sagen würde: diese wird unverletzt und unversehrt bleiben trotz allem, was die Menschen gegen sie unternehmen. Mögen sie sich auch noch so sehr erheben, sie werden niemals bis in den Himmel hinein gelangen. Wenn sie auch alles in Verwirrung zu bringen suchen, so ist es doch nur ein Tanz von Heuschrecken. Indessen betrachtet Gott von seinem erhabenen Throne in Ruhe ihre wahnsinnigen Empörungen. Dass Gott lacht, sagt David aus einem doppelten Grunde. Zunächst will er damit ausdrücken, dass Gott keiner großen Hilfskräfte bedarf, um die Menschen, die in frevelhafter Weise sich gegen ihn empören, zu zügeln. Das ist für ihn keine schwierige und mühevolle Sache, sondern etwas, was er spielend tut, so oft es ihm gefällt. Weiter zeigt er damit an, dass Gott nicht müßig ist, wenn er es zulässt, dass das Reich seines Sohnes verwirrt wird. Er tut es nicht, weil er sonstwo beschäftigt wäre oder nicht helfen könne oder sich um die Ehre seines Sohnes nicht kümmerte, sondern er schiebt absichtlich seine Rache bis zur gelegenen Zeit auf, um dann die Wut seiner Feinde dem Gespött preiszugeben. Lasst uns dieses wohl beachten! Wenn Gott seine Hand nicht sofort gegen die Frevler erhebt, so hat er seine Zeit zum Lachen. Wenn wir auch unterdessen weinen müssen, so mildert doch dieser Gedanke die Bitterkeit unseres Schmerzes, ja trocknet unsere Tränen, dass Gott sich nicht aus Lässigkeit oder Schwäche verborgen hält, sondern weil er für eine bestimmte Zeit den Mutwillen der Feinde durch ruhige Verachtung brechen will: „einst“ kommt schon die gelegene Zeit zum Richten. Eine Zeitlang schien es, als ob Gott die frevelhaften Unternehmungen derer, die wider das Reich seines Sohnes kämpfen, unbeachtet ließe, aber dann ändert er seine Stellung ihnen gegenüber und zeigt, dass er durch nichts so beleidigt wird, als durch eine solche Anmaßung. Wenn es von Gott heißt: er wird mit ihnen reden, so ist damit nicht gemeint, dass er die Feinde belehren, sondern nur, dass er sie ihres Wahnsinns überführen wird: sie sollen einen Eindruck von dem göttlichen Zorn bekommen, den die Gottlosen nicht anders innewerden, als wenn sie ihn selbst schmecken müssen. Die Feinde Davids meinten, dass es für sie ein leichtes Werk sein werde, ihn zu stürzen, denn sie hielten ihn für einen, der aus einer geringen Hütte hervorgegangen und leichtsinnig nach der Herrschaft gestrebt habe: die Weissagungen und die Salbung Samuels waren für sie nur Fabeln. Als Gott jedoch endlich die Feinde in die Flucht schlug und David in seiner Herrschaft bestätigte, da hat er nicht so sehr mit dem Munde als mit der Hand geredet, um kund zu tun, dass er der Urheber dieses Regiments sei. Es handelt sich hier also um ein Reden durch die Tat. Denn wenn Gott auch kein Wort gesprochen hat, so hat er doch seinen Beschluss bekannt gemacht. So redet er noch immer vernehmlich, wenn er durch die Offenbarung seines Zorns das Reich seines Sohnes gegen die Feinde schützt, wenn er auch in Wirklichkeit schweigt. Dass Gott selbst redend eingeführt wird, ist ein handgreiflicher Beweis dafür, dass Davids gottlose Feinde wider den Herrn selbst anstürmen, wenn sie dem König sich nicht beugen wollen, den Er eingesetzt hat. Alles in allem: Wie frech auch die Gottlosen sind, sie werden es doch endlich erfahren, was es heißt, gegen den Himmel Krieg zu führen. Das Wort „Ich“ steht hier mit großem Nachdruck: der so spricht, kann mit staubgeborenen Menschen überhaupt nicht in Vergleich treten; ihr ganzer Schwarm wird seine unvergleichliche Herrlichkeit nicht im Mindesten verdunkeln. So oft daher die Macht der Menschen uns erschreckt, lasst uns daran denken, wie weit der Eine Gott ihnen überlegen ist. Hier wird uns auch der unabänderliche Beschluss Gottes vorgehalten, der unseren Glauben in allen Stürmen dieser unruhigen Welt stützen kann. Denn da Gott der Urheber des Reiches seines Sohnes ist, so wird er es ohne Zweifel auch bis ans Ende schützen. Was auch immer die Menschen unternehmen mögen, uns genügt dieses Eine, dass die Salbung Gottes von ihnen nicht zerstört werden kann.

Noch wird ausdrücklich erwähnt, dass Gott den König auf seinen heiligen Berg Zion eingesetzt hat, - nicht als hätte dort zuerst schon Davids Salbung stattgefunden, sondern weil daselbst durch eine feierliche Weihe die Wahrheit der Weissagung offenbart und durch die Erfüllung bestätigt worden ist. David ruft mit diesen Worten sich und anderen die göttliche Weissagung ins Gedächtnis zurück. Zugleich will er aber damit auch andeuten, dass sein Reich ein heiliges Reich und von dem Tempel Gottes unzertrennlich ist. Dieses gilt mit noch größerem Rechte von dem Reiche Christi, das sowohl ein geistliches Reicht ist, als auch mit dem Priestertum verbunden; zudem deuten alle Stücke des Gottesdienstes auf dieses Reich hin.

V. 7. Melden will ich usw. Damit die Feinde Davids sich nicht mit Unkenntnis entschuldigen können, übernimmt er das Amt eines Herolds, um Gottes Befehl zu verkündigen. Wenigstens erklärt er, dass er nicht ohne ein sicheres und klares Zeichen seiner Berufung komme. Er gibt zu verstehen, er komme nicht ohne Legitimation, um die Herrschaft einzunehmen, sondern er zeige einen Befehl Gottes vor, ohne den er sich die Ehre unrechtmäßig anmaßen würde. Da dieses im Vollsinne bei Christo in Erfüllung gegangen ist, so ist es gewiss, dass David mit prophetischem Geiste vor allem auf ihn blickte. So ist den Ungläubigen jede Entschuldigung genommen. Christus bestätigt nicht nur durch seine Wunder, dass er mit rechtmäßiger Macht von Gott ausgerüstet wurde, sondern erklärt dies auch öffentlich durch die Verkündigung des Evangeliums. Ja, dieses Zeugnis erschallt täglich in der ganzen Welt. Zuerst haben die Apostel es bezeugt, dass Christus von Gott dem Vater zum König erwählt ist; dann haben die Lehrer nach ihnen dieses Amt übernommen. Da sie aber alle in Christi Auftrage handeln, so nimmt er mit Recht das für sich selbst in Anspruch, was er durch sie tut. Ebenso schreibt auch Paulus es dem Herrn Christus persönlich zu, was die Diener des Evangeliums in seinem Namen tun (Eph. 2, 17): „Er ist kommen, hat verkündigt den Frieden euch, die ihr ferne wart, und denen, die nahe waren. “ Auch dadurch wird das Ansehen des Evangeliums bestätigt, dass dieses, wenn auch jetzt andere es verkündigen, doch noch immer „das Evangelium Christi“ heißt. Immer, wenn wir das Evangelium von Menschen verkündigen hören, muss dieses bei uns feststehen, dass sie nicht so sehr selbst reden, als dass vielmehr Christus durch sie redet. Es ist eine ganz besondere Wohltat, dass Christus, damit die Herrlichkeit seines Reiches uns nicht zweifelhaft sei, uns mit seiner eigenen Stimme freundlich zu sich einlädt. Aber umso mehr müssen wir uns auch hüten, dass wir den Befehl, den er verkündigt, nicht freventlich verwerfen.

„Du bist mein Sohn. “ David konnte auch im Blick auf seine Königswürde ein Sohn Gottes genannt werden. Wir wissen ja, dass die Fürsten, weil sie vor den andern hervorragen, sowohl Götter als auch Söhne Gottes genannt werden (Ps. 82, 6; 2. Sam. 7, 14). Aber hier gibt Gott dem David einen ganz besonderen Ehrentitel, der ihn nicht nur über alle Sterblichen, sondern selbst über die Engel erhöht. Dieses hebt der Apostel (Hebr. 1, 5) hervor, indem er uns darauf aufmerksam macht, dass solches nie von einem Engel gesagt ward. Stand David auch als Mensch unter den Engeln, so hatte er doch, sofern er ein Vorbild Christi war, vor ihnen den Vorzug. Wir sehen also, dass hier mit „Sohn Gottes“ nicht irgendeiner aus der Menge bezeichnet wird, sondern der Eingeborene, der im Himmel und auf Erden unvergleichlich dasteht. Der Ausdruck: „Ich habe dich gezeugt“ muss von dem Zeitpunkt verstanden werden, da für menschliche Erfahrung und Kunde seine Erwählung deutlich wurde. Darauf deutet auch das „heute“. In dem Augenblick, als David als der von Gott erwählte König kenntlich wurde, erschien er wie ein neu aus Gott geborener Mensch: denn einem gewöhnlichen Privatmanne konnte solche Ehre nicht zuteilwerden. Diese Bezeichnung ist auch bei der Anwendung auf Christus festzuhalten: der Vater hat ihn „gezeugt“, da er ihn öffentlich zu seinem Sohn erklärte. Freilich ist mir bekannt, dass viele Ausleger unsere Stelle auf die ewige Zeugung des Sohnes deuten: überscharfsinnig wird dann das „heute“ als ein Hinweis auf die zeitlose Ewigkeit genommen. Der zuverlässigste Erklärer unseres Satzes wird doch Paulus sein, der ihn (Apg. 13, 33) auf das Kundwerden der himmlischen Herrlichkeit Christi bezieht. Dass Christus „gezeugt“ ward, will also hier nicht sagen, dass er an und für sich anfing, der Sohn Gottes zu sein, sondern dass er als solcher der Welt offenbar wurde. Diese Zeugung bezieht sich nicht auf das Verhältnis des Vaters zum Sohne, sondern das Wort besagt nur, dass der, der von Anfang an in dem Schoße Gottes verborgen war, darauf dunkel unter dem Gesetze abgebildet wurde, von der Zeit an, als er öffentlich mit dem deutlichen Zeichen seiner Würde auftrat, als Sohn Gottes erkannt worden ist. Wie es auch Joh. 1, 14 heißt: „Wir sahen seine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater. “ Zugleich müssen wir auch an das denken, was Paulus (Röm. 1, 4) lehrt, dass Christus kräftiglich erwiesen ward ein Sohn Gottes, seit er auferstanden ist von den Toten. Auf diesen Tag bezieht sich das vorher Gesagte daher in erster Linie. Sei es, wie es sei: der heilige Geist bezeichnet hier jenen feierlichen und ordnungsmäßigen Zeitpunkt seiner Offenbarung. So auch später (118, 24): „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht, lasst uns uns freuen und fröhlich drinnen sein. “

V. 8. Heische von mir usw. Es ist wohl wahr, dass Christus (Joh. 17, 5) Gott gebeten hat, ihm die Herrlichkeit zu geben, die er bei ihm hatte vor Grundlegung der Welt. Hierauf bezieht sich diese Stelle aber nicht, sondern sie bedeutet einfach, dass der Vater dem Sohne nichts versagen wird, wenn er ihn um die Ausbreitung seines Reiches bis an die Grenzen der Erde bittet. Christus tritt hier in einer neuen Stellung auf, indem er sich dem Vater mit Bitten naht. Dabei zeigt es sich, wie groß die Gnade Gottes ist, die er uns dadurch erwiesen hat, dass er seinen Sohn gewürdigt hat, ihm zum Herrscher der ganzen Welt zu machen. Als das ewige Wort Gottes hatte er schon die höchste Macht, Herrschaft und Herrlichkeit, so dass er als solcher nicht höher steigen konnte. Er ist aber erhöht worden im Fleische, in welchem er Knechtsgestalt angenommen hatte. Darum haben wir hier nicht nur eine Lobpreisung seiner Gottheit, sondern der ganzen Person des Mittlers. Denn nachdem Christus erniedrigt worden war, ist ihm der Name gegeben, der über alle Namen ist, so dass vor ihm sich alle Knie beugen sollen (Phil. 2, 9). Obgleich wir nun wissen, dass David herrliche Siege errungen und seine Herrschaft soweit ausgedehnt hat, dass viele Völker ihm tributpflichtig waren, so ist doch in keiner Weise das bei ihm in Erfüllung gegangen, was hier geweissagt ist. Denn im Vergleich mit anderen Reichen war sein Reich doch klein. Diese Weissagung von der gewaltigen Größe des Reiches würde sinnlos sein, wenn wir sie nicht auf Christum beziehen dürften. Er allein hat die Welt sich unterworfen, so dass seine Herrschaft alle Völker und Länder umfasst. Wir haben also hier, wie an vielen anderen Stellen, eine Weissagung von der Berufung der Heiden: man sollte den Erlöser, den Gott senden wollte, nicht nur für den König eines Volkes halten. Dieses Reich ist dem Augenschein nach zerstreut und an manchen Stellen zerfallen, missgestaltet und zerstückelt. Das kommt aber von der Schlechtigkeit der Menschen, die sie einer solch glücklichen und erwünschten Herrschaft unwürdig macht. Doch wenn auch die Undankbarkeit der Menschen die vollkommene Blüte des Reiches Christi verhindert, so kann sie doch die Wirkung dieser Prophezeiung nicht zerstören: denn Christus sammelt die zerstreuten Reste zuhauf und hält die Seinen inmitten der traurigsten Verwüstung durch das heilige Band des Glaubens zusammen, sodass nicht nur ein Winkel, sondern der ganze Erdkreis seiner Herrschaft unterworfen ist. Man nehme hinzu, dass wenn auch die Gottlosen wüten und seine Herrschaft verwerfen, sie doch seine Gewalt und Macht durch ihre Halsstarrigkeit nicht zerstören können. Hierauf bezieht sich auch das Folgende:

V. 9. Dieses wird ausdrücklich hervorgehoben, damit wir wissen sollen, dass Christus mit Macht ausgerüstet ist, um auch die Widerwilligen und Widerstrebenden seiner Herrschaft zu unterwerfen. David deutet damit nämlich an, dass nicht alle sich ihm freiwillig unterwerfen werden, sondern dass es viele unbeugsame Aufrührer geben würde, die jedoch mit Gewalt gebändigt und unterjocht werden sollen. Das eigentliche Wesen und die Schönheit des Reiches, von dem er hier handelt, zeigt sich freilich darin, dass an jenem Tage das Volk freiwillig herzukommt, um damit seinen Gehorsam zu bezeugen. Da aber die Mehrzahl in unheilbarer Wildheit sich empört, so musste auch hinzugefügt werden, dass der König solchem Widerstand gewachsen sein werde. Eine Probe dieser kriegerischen Tüchtigkeit hat Gott uns in der Person Davids gegeben, durch den, wie wir wissen, sehr viele Feinde mit Waffengewalt besiegt und niedergeworfen worden sind. Die wahre Erfüllung kam aber erst durch Christus, der nicht mit Schwert und Spieß, sondern mit dem Geiste seines Mundes die Gottlosen bis zur Vernichtung schlägt. Es könnte nun vielleicht auffallen, dass Christus hier als ein harter und strenger König beschrieben wird, der Schrecken um sich verbreitet, während die Propheten sonst seine Milde, Güte und Leutseligkeit preisen. Aber diese ernste und schreckenerregende Herrschaft dient nur dazu, den Feinden Furcht einzuflößen. Sie steht nicht in Widerspruch mit seiner Milde, mit der er die Seinen freundlich und sanft hegt. Den sanftmütigen Schafen gegenüber erweist er sich als der liebevolle Hirte; aber die wilden Tiere muss er hart behandeln, um ihre Wildheit zu bessern oder wenigstens zu zügeln. So wird auch im 110. Psalm zuerst (V. 3) der Gehorsam der Frommen gelobt, dann aber (V. 5) Christo die Macht beigelegt, die Könige und Heere, die ihm entgegen sind, an dem Tage des Zorns zu verderben. Sicherlich wird beides ihm mit Recht zugeschrieben. Er ist vom Vater gesandt, um die Armen und Unglücklichen mit der Heilsbotschaft zu erfreuen, um die Gefangenen zu erlösen, die Kranken zu heilen, die Traurigen und Niedergeschlagenen aus des Todes Dunkel zum Licht zu führen (Jes. 61, 1). Da aber viele ihn durch ihre Undankbarkeit zur Rache zu zwingen, so nimmt er, um ihre Hartnäckigkeit zu brechen, gleichsam eine andere Gestalt an. Was ist das nun für ein eisernes Zepter, das der Vater Christo in die Hand gegeben hat, um seine Feinde damit zu schlagen? Statt aller Waffen genügt ihm der Geist seines Mundes, wie Jesaja in der angeführten Stelle lehrt. Wenn er auch keinen Finger regt, so schleudert er durch seine Reden Blitze gegen seine Feinde, die stark genug sind, sie zu verderben. Er vernichtet sie mit dem bloßen Stabe seiner Lippen. Mögen sie noch so sehr schnauben, widerstreben und mit wütendem Ansturm Widerstand leisten, sie werden doch einmal gezwungen werden, es anzuerkennen, dass der ihr Richter ist, dem sie die königliche Ehre verweigern. Der Herr hat mancherlei Weisen, seine Feinde zu zermalmen, bis sie zum Schemel seiner Füße werden. Paulus zeigt uns 2. Kor. 10, 4 f. , inwiefern die Lehre des Evangeliums ein eisernes Zepter ist. Denn dort lehrt er uns, dass seine Diener mit geistlichen Waffen ausgerüstet sind, um jede Höhe niederzuwerfen, die sich wider Christum erhebt. Ich gebe gern zu, dass auch die Gläubigen dem Herrn als Opfer geschlachtet werden müssen, damit er sie durch seine Gnade lebendig mache: wir haben uns erst zu demütigen, bevor Christus uns die Hand reicht. Da aber Christus seine Jünger so zur Buße erzieht, dass er ihnen durchaus nicht schrecklich erscheint, sondern vielmehr, wenn er ihnen seinen Hirtenstab zeigt, ihre Trauer bald in Freude verwandelt, so gebraucht er ihnen gegenüber kein eisernes Zepter, um sie zu zerschlagen, sondern er deckt sie vielmehr mit dem heilsamen Schatten seiner Hand und stützt sie durch seine Kraft. Das Zerschlagen bezieht sich mithin nur auf die Aufrührer und Ungläubigen, die sich nicht bußfertig beugen wollen. Diese werden endlich durch die Verzweiflung gezwungen werden, sich vor Christo zu beugen. Er redet nicht alle mit seiner Stimme an; da er aber durch sein Wort die Gerichte verkündigt, die er über sie bringen wird, so wird doch mit Recht von ihm gesagt, dass er den Gottlosen mit dem Geiste seines Mundes töte (2. Thess. 2, 8). Mit einem überaus treffenden Gleichnis spottet der Psalm über die törichte Überhebung der Feinde. Mag ihre Hartnäckigkeit noch so hart und fest sein, so sind sie doch zerbrechlicher als irdene Töpfe. Allerdings tritt es nicht gleich in Erscheinung, dass sie geschmissen werden, die Christo widerstehen. Uns scheint es vielmehr so, dass die Gottlosen ein eiserner Hammer seien und die Gemeinde ein schwaches Gefäß. Aber die Frommen mögen immerhin in den täglichen Gerichten, welche über die Gottlosen ergehen, Vorspiele des schrecklichen Untergangs erblicken, dem sie mit Sicherheit entgegengehen: so können sie in Geduld den jüngsten Tag abwarten, an welchem der Herr wiederkommt und mit der Glut seines Zorns die Widerspenstigen verzehren wird. Unterdessen müssen sie sich daran genügen lassen, dass er inmitten seiner Feinde herrscht.