Die Sergeant-Pepper-Generation - Volker Schoßwald - E-Book

Die Sergeant-Pepper-Generation E-Book

Volker Schoßwald

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Beschreibung

Am 1. Juni 1967 veröffentlichten die Beatles ihr bahnbrechendes "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band". Was damals in gewisser Weise revolutionär war, ist heute ein Zeitdokument. Doch anders als Dokumente, die man in Museen bewundern kann oder in Anthologien nachlesen kann, ist dieses Zeitzeugnis anzuhören und auf diese Weise lebendig geblieben. Wir können in gewisser Weise in jene Jahre hineintauchen. Für die, die diese Zeit miterlebten, wirkt Sgt. Pepper immer wieder wie ein Jungbrunnen und dazu will dieses Buch auch beitragen.

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Seitenzahl: 54

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Inhaltsverzeichnis

Wir und sie

Revolutionäre Reformation

Musik, Religion und Identität

Die neue Identität

Die Band beginnt, um ihr Leben zu spielen

With a little help… und Joe Cocker

Kinderbild und Urmutter

Mit Mantra wird alles besser

Fixing a hole…

Ein fiktiver Tod

Loslösung: She’s leaving home…

Künstler for the Benefit of Mr.Kite

Fremdes und Vertrautes

When I’m sixty four…

Lovely Rita…

Abschied von der Nachkriegszeit

Reprise… und Rock ist doch alles

Sinn des Lebens und Klang des Raumes

…und ein Schnipsel am Schluss

Penny Lane und Carnaby-Street

Eine andere Seite des Juni 67

All you need is love – trotz allem

Quellen u Infos

1 Wir und sie

Wo sind die Helden von 67? Neu erstanden auf den Bühnen? Meditierend im Ashram? 74 ist ein gewisser Paul McCartney 2017, während er 1967 phantasierte, wie es mit 64 wäre…

Fünfzig Jahre „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, was für ein Thema für Menschen, die sich immer noch so jung fühlen wie damals.

Dieses Album spiegelte und prägte eine Generation, die unsere heutige Gesellschaft nachhaltig gestaltete, aber allmählich das Steuer anderen überlassen muss.

Da lohnt es sich, anlässlich eines „goldenen“ Jubiläums sich dieses wirkmächtige Zeitzeugnis wieder einmal anzuhören und auch ein bisschen mit den Inhalten zu beschäftigen. Gerade der Abstand verdeutlicht seine Zeitbezogenheit, die blitzlichtartig ihre Gegenwart abbildete wie auch nach vorne wies und dies in divergierende Richtungen.

In der Weihnachtszeit nahm sich damals meine Mutter ein Herz, forschte nach den Wünschen ihres pubertierenden Sohnes, hörte von den „Bitels“ und notierte sich dem Klang nach „Sardschend Peppers Lohnli Hards Klab Bänd“. Damit marschierte sie zum Haushaltswarengeschäft am Marktplatz, das zugleich Platten vertrieb und war erfolgreich. Der Weihnachtsbaum erstrahlte noch mit echten Kerzen (den Wassereimer daneben), während auf dem Dual-Plattenspieler nach einem konzertanten Auftakt Rockmusik erklang. Sergeant Pepper war ins Wohnzimmer der Mittelschicht eingedrungen. A splendid time was guaranteed for me…

2 Revolutionäre Reformation

1967 stach an „Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ dreierlei hervor:

Die Musik der bedeutendsten Musikgruppe ihrer Zeit,

der Weg, auch über die Bildgestaltung des Covers sich künstlerisch auszudrücken,

und die Betonung der Texte durch den Abdruck auf der Hülle, was als Novum galt.

Text, Musik und Bild: 2017 trifft 50 Jahre Sgt. Pepper sich mit 500 Jahren Reformation. Die Intentionen des Reformators Martin Luther scheinen mit dem Album ungewollt aktualisiert zu werden, auch wenn die führenden Köpfe der Fab Four Katholiken waren und die britische Insel dank Luthers Briefpartner Henry, the Eighth keine lutherische Kirche, sondern die anglikanische Staatskirche hat.

Trotzdem: Luther durchbrach Schranken des Mittelalters, indem er dafür sorgte, dass man Texte nicht nur hören, sondern auch nachlesen konnte, jedermann. Für uns als deutsche Rezipienten von Sgt. Pepper war der Abdruck der Texte auf dem Plattencover ein Segen. Wir konnten wenigstens nachlesen, was wir nicht verstanden. Das mag im religiösen Bereich ähnlich gewesen sein: Als die Leute im 16. Jahrhundert lesen konnten, was sie interessierte, verstanden sie es noch nicht unbedingt…

Luther unterstützte seinerzeit die bildende Kunst, da er ihre Bedeutung für die Verbreitung biblischer Inhalte angesichts fehlender Lesekompetenzen erkannte. Das ist bei Sgt. Pepper natürlich anders: Hier erweitert die bildliche Darstellung das Spektrum der musikalischen Aussage, ebenfalls ins Kryptische hinein.

Der Reformator forcierte den Einsatz von Musik, und bei Sgt. Pepper wurde mit einem Mal deutlich, was heute noch viel eindeutiger ist, dass die neue Musik, die Musik der jungen Generation nicht nur Wegwerfmusik für einen Hitparadentag ist, sondern sich in der weiteren Biographie der Hörer wiederfindet.

Das Sgt-Pepper-Album signalisiert somit analoge Intentionen zur Reformation: Auch die Beatles wollten Botschaften vermitteln, über Töne, Texte, Bilder.

Die Beatles als Reformatoren? Das wäre im Verständnis ihrer eigenen Zeit untertrieben. Sie wurden eher als Revolutionäre gesehen, verdammt oder gefeiert. Dass der staatliche Rundfunk (BBC) sofort ein Lied des Albums bannte, enthält eine fast religiöse Komponente. Es erinnert an den Index der römischkatholischen Kirche, an das Bücherverbot.

Die Plattenverbrennungen der Beatles im nordamerikanischen Bible-Belt kurze Zeit vorher erinnerten bereits an Aktionen wie die Ächtung des Reformators durch den Kaiser.

3 Musik, Religion und Identität

Ihre Karriere begannen die Pilzköpfe auf einem Kirchengemeindefest, wo John (an der Gitarre) Paul (der dann auch zu einer Gitarre griff) kennen lernte.1 Diese Karriere beendeten die Beatles schließlich mit der Hymne „Let it be“, die inzwischen auch auf Kirchenorgeln gespielt wird – mitunter mit Beifall durch die Kirchenbesucher bedacht.

Zwischendurch jedoch wurden die Musiker von Evangelikalen dämonisiert; in den USA2 gab es Plattenverbrennungen, die an die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen wie auch an Hexenverbrennungen erinnerten.

Inzwischen gibt es von den Beatles nur noch den Mythos, also auch etwas Religiöses. Mystisch ist ihr Sgt. Pepper Album, dessen Bedeutung schon daraus leuchtet, dass Kritiker es jahrzehntelang ikonoklastisch zu zermalmen versuchten; wäre es nicht so bedeutend, hätten die Kritiker sich gar nicht mehr dafür interessiert... Das erinnert an diverse antibiblische Pamphlete: eine bedeutungslose Bibel würde man einfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Beim Koran ist es einfacher: Da reicht bereits die Existenz eines Buches, das nur auf Arabisch wirklich gültig ist. Wer will – und viele wollen das -, kann bei allem, was man sagt, behaupten, es stünde darin. Wie viele Muslime lesen schon den Koran… gerade auch in der Bundesrepublik.

Uns als Zeitgenossen der Beatles verrät das Album eine Menge über diese, unsere Generation. „My Generation“ artikulierte sich hier. Die Platte signalisiert die Suche nach einer neuen Identität. „Who are you?“ fragten The Who erst einige Jahre später.

Die Supergruppe trat auf dem Cover pseudonym in Erscheinung, fast schon wie ein Novize, der sich für seinen geistlichen Namen entscheidet, weil er sich von alter Oberflächlichkeit distanzieren will.

Dabei verrät bereits der Titelsong auch durch die akustische Simulation eines Konzertsaales eine unaufregende Sehnsucht: Die Musiker wollten als Musiker, als Künstler, die unterhalten, wahrgenommen werden. Das waren sie 1967 schon länger nicht mehr; ihre Apotheose hatte in vielen Herzen und Köpfen stattgefunden; in sie wurden Heilserwartungen projiziert. In ihren Konzerten, die sie 1966 abrupt beendeten, konnten sie oft sich selbst nicht mehr hören, und das Publikum sie wohl auch nicht vor lauter Hysterie.

Das heißt aber: es war nicht mehr die konkrete Musik, es ging um etwas Transpersonales. Im Unterschied zu ihrem früheren Idol Elvis Presley packten sie den Stier bei den Hörnern und gaben sich eine neue Identität.

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