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Jeder Christ, egal ob Katholik, Protestant oder sonstiger, kennt die Zehn Gebote, oder glaubt sie zumindest zu kennen. Kaum einer weiß, dass es zwei grundsätzlich unterschiedliche Versionen davon im AT gibt, und dass die Kirchen diese teilweise noch kräftig überarbeitet bzw. umformuliert haben. Außerdem sind diese nur für die Nachkommen von Jakob/Israel gültig und keineswegs für andere Völker. Viele von Jahwes Gesetzen sind äußerst kurios, und widersprechen sowohl den Menschenrechten als auch der Vernunft. So ist es verboten das Blut von Schlachttieren über ungesäuertes Brot fließen zu lassen. Wer den Sabbat entweiht, oder mit seiner Schwester schläft, soll mit dem Tod bestraft werden. Auch gibt es Todesstrafen für Tiere. Allerdings finden wir im AT auch das Gebot der Nächstenliebe, von dem die meisten Christen annehmen, es stamme von Jesus. Mit diesem Ansatz präsentiert der Autor eine völlig neue aber in sich stimmige Kritik der Zehn Gebote.
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Seitenzahl: 136
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Ich danke allen Menschen,
die dazu beigetragen haben,
dass dieses Buch erscheinen konnte.
Ich widme dieses Buch allen Menschen,
die sich nicht vorschreiben lassen wollen,
was sie glauben sollen.
1.
Jahwes zweimal Zehn Gebote
1.1 Jahwes Zehn Gebote sind exklusiv für sein auserwähltes Volk
1.2 Die Urfassung in den sieben Gesetzen Noachs
1.3 Die ersten Zehn Gebote und das Problem der Zählung
1.4 Die ersten Zehn Gebote und ihre Bedeutung
1.5 Die zweiten Zehn Gebote und ihre Bedeutung
2.
Die Zehn Gebote der modernen christlichen Kirchen
2.1 Die christlichen Probleme mit den jüdischen Geboten
2.2 Die christliche Umdeutung der jüdischen Gebote
2.3 Die zwölf Verfluchungen als Negativkopie der Zehn Gebote
3.
Jahwes kuriose Gesetze
3.1 Jahwes Sippenhaftung
3.2 Jahwes Todesstrafenorgie
3.3 Jahwes Todesstrafe für Tiere
3.4 Jahwes Speisegesetze
3.5 Jahwes rassistisches Zinsgebot
3.6 Blutrituale bei Jahwes auserwähltem Volk
3.7 Diverse Anweisungen Jahwes
Abkürzungen
Wir alle wissen, dass Jahwe seinem auserwählten Volk die Zehn Gebote als Richtschnur seines Handelns gegeben hat. Die meisten wissen, was grundsätzlich in den Zehn Geboten steht, oder glauben es zu wissen. Ich habe allerdings noch keinen Menschen gefunden, der genau wusste, was wirklich im AT an den drei Stellen steht, wo die Zehn Gebote wiedergegeben werden. Und ich habe auch noch niemanden gefunden, der wusste, dass es zwei weitestgehend unterschiedliche Versionen dieser Zehn Gebote in der Bibel gibt.
Im allgemeinen herrscht etwa folgende Meinung vor: „Die Zehn Gebote wurden von Jahwe dem Volk Israel durch Mose am Berg Sinai auf den zwei Steintafeln gegeben, anlässlich des Bundes, den Jahwe mit seinem auserwählten Volk schloss“. Die meisten Leser werden total erstaunt sein, wenn sie das erste Mal in ihrem Leben lesen, was wirklich in den Zehn Geboten steht, denn sie kennen nur die christlich verfälschten Versionen, wobei die katholische mehr, die evangelische weniger von der ersten Version des Originaltexts abweicht. Die zweite Version hat keinen Eingang in die christliche Lehre gefunden.
Im Grunde genommen braucht das die Christen auch nicht wirklich zu beunruhigen, denn die Zehn Gebote gelten nur für die leiblichen Nachkommen von Jakob bzw. Israel und nur innerhalb des historischen Siedlungsgebietes der Stämme Israels. Für diese Menschen und nur für dieses Gebiet sind laut AT diese Zehn Gebote und alle anderen Gebote und Gesetze Jahwes bindend. Das soll nicht dahingehend missverstanden werden, dass alle anderen Menschen wahllos lügen, stehlen und morden dürfen, aber es ist ihnen nicht aufgrund dieser Zehn Gebote untersagt, da diese für sie rechtlich absolut nicht bindend sind, besonders aus der Sicht Jahwes.
Da es laut biblischer Tradition keine anderen Überlebenden der Sintflut gegeben hat als Noach und seine Nachkommen, so müssen, dieser Logik folgend, all jene Menschen, die nicht Nachkommen Jakobs/ Israels sind, in diesen Bund mit Noach eingeschlossen sein. Für sie sind – zumindest theoretisch – die sogenannten noachidischen Gebote verbindlich, das sind jene, die Gott [elohim] anlässlich seines Bundes mit Noach gegeben hat. Das ist jener Bund, der mit einem Regenbogen besiegelt wurde.
Interessanterweise findet sich die von den Israeliten selbst als oberstes Gebot bezeichnete Aufforderung »Seid fruchtbar und vermehrt euch« weder in den Zehn Geboten noch wird sie zu den sieben noachidischen Gesetzen gezählt. Noch erstaunlicher ist aber die Tatsache, dass die erste Aufforderung, fruchtbar zu sein und sich zu vermehren (Gen 1,22) am fünften Schöpfungstag nicht an die Menschen, sondern an die Wassertiere und Vögel ergeht. Erst beim zweiten Mal am sechsten Schöpfungstag sagt Gott es zu den ersten Menschen. Ja, Sie haben richtig gelesen, nicht nur zu Adam alleine, sondern zu den ersten Menschen, denn es steht ganz eindeutig geschrieben:
(Gen 1,27) … Als Mann und Frau schuf er sie. (28) Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.
Es wäre ja auch ganz und gar unlogisch, wenn Jahwe zu Adam, als es noch keine Eva gab, gesagt hätte: „Seid fruchtbar, und vermehrt euch“, außerdem hätte es „Sei fruchtbar, und vermehre dich“ heißen müssen, denn Gott spricht einen Menschen nie mit der Höflichkeitsform an, schon gar nicht mit dem majestatis pluralis. Wie hätte sich denn Adam vermehren sollen? Durch Teilung, wie eine Amöbe etwa?
Doch dieses wichtigste Gebot des AT ergeht das nächste Mal an Noach, unmittelbar nachdem die Sintflut vorbei, das Wasser verlaufen und die Erde wieder trocken ist. Später kommt diese Aufforderung fruchtbar zu sein und sich zu vermehren nur noch im Zusammenhang mit Jakob / Israel bzw. deren Nachkommen vor.
(Gen 8,15) Da sprach Gott [elohim] zu Noach: (16) Komm heraus aus der Arche, du, deine Frau, deine Söhne und die Frauen deiner Söhne! (17) Bring mit dir alle Tiere heraus, alle Wesen aus Fleisch, die Vögel, das Vieh und alle Kriechtiere, die sich auf der Erde regen. Auf der Erde soll es von ihnen wimmeln; sie sollen fruchtbar sein und sich auf der Erde vermehren.
(Gen 9,1) Dann segnete Gott Noach und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, vermehrt euch, und bevölkert die Erde!
(Gen 9,7) Seid fruchtbar, und vermehrt euch; bevölkert die Erde, und vermehrt euch auf ihr!
(Gen 28,3) Gott der Allmächtige wird dich segnen, er wird dich fruchtbar machen und vermehren: Zu einer Schar von Völkern wirst du werden.
(Gen 35,11) Und Gott sprach zu ihm: Ich bin Gott, der Allmächtige. Sei fruchtbar, und vermehre dich! Ein Volk, eine Schar von Völkern soll aus dir hervorgehen, Könige sollen deinen Lenden entstammen.
(Gen 47,27) Israel ließ sich in Ägypten nieder, in der Landschaft Goschen. Sie wurden dort ansässig, waren fruchtbar und vermehrten sich sehr.
(Ex 1,7) Aber die Söhne Israels waren fruchtbar, so dass das Land von ihnen wimmelte. Sie vermehrten sich und wurden überaus stark; sie bevölkerten das Land.
Als die Elohim mit Noach und seinen Söhnen den Bund eingehen, wiederholen sie sogar zweimal das Fruchtbarkeitsgebot (Gen 9,1 und 9,7). Damit das Ganze nicht zu einfach wird, gibt es neben der Urfassung in den sieben Gesetzen Noachs aber noch die schon erwähnten zwei unterschiedlichen Versionen der Zehn Gebote. Die ersten Zehn Gebote sind noch dazu in zwei unterschiedlichen Formen erhalten, die sich allerdings nur in einem Punkt wesentlich unterscheiden.
Diese sind die Zehn Gebote, die den meisten Menschen bei uns – zumindest in deren christlichen Umarbeitung – noch irgendwie bekannt vorkommen. Die zweiten Zehn Gebote unterscheiden sich sehr wesentlich von den ersten, denn nur drei Gebote sind mehr oder weniger ähnlich, sieben sind gänzlich verschieden.
Obwohl häufig der Ausdruck noachidische Gebote zu finden ist, finde ich ihn nicht wirklich passend, denn es handelt sich ausschließlich um Verbote und nicht um Gebote. Diese sind allerdings nicht wie die Zehn Gebote taxativ aufgezählt, sondern nur aus dem Zusammenhang entnommen. Eine Aufzählung finden wir im Talmud-Traktat Sanhedrin 65a:
Verbot des Ungehorsams gegen die Obrigkeit
Verbot des Götzendienstes
Verbot der Gotteslästerung
Verbot der Unzucht (insbesondere Inzest)
Verbot des Raubes
Verbot des Blutvergießens (Mordes)
Verbot [des Genusses] blutigen Fleisches (Tierquälerei)
Das sechste Gesetze wurde in der Folge dann bei der Anwendung des siebenten geradezu pervertiert, denn beim Schächten wird ja dem kopfüber hängenden Tier bei lebendigem Leib und vollem Bewusstsein die Halsschlagader aufgeschnitten, damit alles Blut vom Herz herausgepumpt werden kann, damit dann das Fleisch koscher und damit zum Verzehr geeignet ist.
Betrachten wir einmal die ersten Zehn Gebote. Wir finden sie zweimal im AT, einmal in Ex 20,2–21 in 20 Versen und das zweite Mal in Dtn 5,6–21 in 16 Versen. Abgesehen von kleinen Abweichungen in der Formulierung oder in der Wort- bzw. Satzstellung gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied bei den Zehn Geboten nach Dtn 5 gegenüber Ex 20. Er betrifft die Begründung für die Sabbatruhe. Wird in Ex 20,11 verständlicherweise auf den
7. Schöpfungstag Bezug genommen, so wird es in Dtn 5,15 als eine Art Dankesschuld an Jahwe für seine Großtat der Befreiung aus ägyptischer Sklaverei dargestellt.
Legen wir einen strengen Maßstab an, dann müssen wir feststellen, dass sich die christlichen Kirchen untereinander bzw. mit den Vertretern des mosaischen Glaubens bei Etwas dermaßen Essentiellem, wie den Zehn Geboten, nicht auf eine einheitliche Zuordnung haben einigen können. Denn nur ein halber Vers wird von allen Kirchen dem gleichen Gebot zugeordnet, nämlich der zweite Teil von Ex 20,17 bzw. von Dtn 5,21 dem 10. Gebot. Bei weniger strenger Auslegung werden die Verse Ex 20,8–16 bzw. Dtn 5,12–20 zumindest in gleicher Weise sechs Geboten zugeordnet, auch wenn sich die Nummerierung der entsprechenden Gebote um jeweils eins unterscheidet. Es handelt sich um die Gebote 3 – 8 oder eben 4 – 9.
In der folgenden Aufstellung bedeuten die Spalten folgendes:
Zehn Gebote nach jüdischer Zählung
Zählung nach Philo, Josephus, der griechisch-katholischen und der reformierten Kirche
Zählung nach Augustinus, der katholischen und lutheranischen Kirche (frühere Version)
Zählung nach der revidierten Lutherbibel von 1984
Text nach Ex 20,2–17 (Einheitsübersetzung)
Text nach Dtn 5,6–21 (Einheitsübersetzung)
Unabhängig davon, welchen Vers man jetzt welchem der Zehn Gebote zuordnet, möchte ich die einzelnen Verse kommentieren, wobei ich der Einfachheit halber die Verse nach der Zählung in Ex 20 der Einheitsübersetzung zitiere.
(Ex 20,2) Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
Dieser Vers ist kein Gebot im klassischen Sinn, sondern von der Formulierung her eine Feststellung. Für die Juden stellt er das 1. Gebot dar, während er in der Lutherischen Zählung gemeinsam mit Vers 3 das 1. Gebot bildet. Bei den anderen Zählungen fällt dieser Vers 2 komplett aus.
(Ex 20,3) Du sollst neben mir keine anderen Götter [elohim] haben.
In diesem Satz gibt es drei wichtige Aussagen, nämlich:
Aussage 1: „Es gibt neben Jahwe andere Götter [elohim]“, denn gäbe es keine, dann bräuchte Jahwe seinem Volk nicht gebieten, keine anderen zu haben.
Aussage 2: „Jahwe und die Elohim sind nicht identisch“, denn wären sie identisch, dann würde es wiederum keine Elohim außerhalb des Kollektivs der Elohim, genannt Jahwe, geben.
Aussage 3: „Auch wenn es andere Götter gibt, so sollen die Israeliten keinen der anderen als Gott haben“, dies wird im Vers 5 nochmals im Detail wiederholt.
(Ex 20,4) Du sollst dir kein Gottesbild [im Original kommt das Wort Gott nicht vor, sondern nur der Begriff Schnitzbild] machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.
Während in allen Tempeln der damaligen Zeit teils überlebensgroße Statuen der jeweils verehrten Götter zu finden sind, verlangt Jahwe von seinem auserwählten Volk, dass sie weder von ihm noch von irgendeinem Ding oder Lebewesen ein Schnitzbild anfertigen dürfen. Doch auch dieses Gebot vergisst Jahwe, denn später fordert er selbst Mose auf, das Abbild einer Schlange herzustellen.
(Num 21,8) Der Herr antwortete Mose: Mach dir eine Schlange, und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht. (9) Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Fahnenstange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben.
Interessanterweise liefert er keine Begründung dafür, warum kein Abbild von ihm oder von irgendeinem Geschöpf, die er angeblich erschaffen hat, erlaubt ist. Andererseits hat man sich aber schon um Christi Geburt auch in den Synagogen nicht mehr an dieses Gebot gehalten, wie man in den schönen Mosaiken sehen kann.
(Ex 20,5) Du sollst dich nicht vor anderen Göttern [elohim] niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr [jahwe], dein Gott [elohim], bin ein eifersüchtiger Gott [el]: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; (6) bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.