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Unbedingt will der König der Zentralwelt ein gesondertes Handelsabkommen mit Herzog Valen up Tervur von Dorovar schließen, um bevorzugt Magalit erwerben zu können. Mittlerweile hängt die komplette Energieversorgung des Planetenverbundes von dem seltenen, nur auf Dorovar vorkommenden Mineral ab.
Nach mehreren gescheiterten Verhandlungen, die auf beiden Seiten für Misstrauen sorgten, fordert der Herzog, dass der König ihm zur Sicherheit eines seiner Kinder schickt. Erst dann ist er bereit, den Wünschen des Königs nachzukommen und die geforderte jährliche Menge Magalit bereitzustellen.
Als ungeliebter und unnützer Sohn ausgewählt wird Sean de Gracier, um nach Dorovar zu reisen. Als eines der über siebzig Kinder des Königs wird sein Fehlen nicht auffallen und als Blutsüchtiger ist seine Anwesenheit regelrecht ein Affront im königlichen Palast.
Findet Sean auf Dorovar endlich den Frieden, den er sucht? Kann er sich an die vermeintlich rückständige Gesellschaft auf dem fremden Planeten anpassen oder wird er immer ein Fremdkörper bleiben?
Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet.
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Sämtliche Personen dieser Geschichte sind frei erfunden und Ähnlichkeiten daher nur zufällig.
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Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet.
Im wahren Leben gilt ein verantwortungsbewusster Umgang miteinander und Safer‐Sex!
Mit heftig schlagendem Herz saß Sean de Gracier in dem verdunkelten Gleiter. Bis zum Raumhafen hat ihn noch sein Bruder, Kronprinz Falcon van Seer begleitet, doch Sean hatte es gewagt, eine Frage an ihn zu stellen und hatte dafür postwendend die Quittung erhalten. Jetzt pochte seine komplett linke Gesichtshälfte von dem Schlag seines Halbbruders, für den er nicht extra den gepanzerten Handschuh seiner modernen Kampfrüstung ausgezogen hatte, und er reiste alleine ins Exil. Seufzend akzeptierte Sean, dass er für seine riesige Familie nie mehr als Abschaum darstellen würde. Als Sohn einer der unzähligen Konkubinen des Königs hätte er eigentlich sein Leben im Unbemerkten fristen sollen, doch das Schicksal hatte ihm diesen Weg versperrt. Missmutig erinnerte er sich an die Nacht, die alles verändern sollte.
Vor etwas mehr als zwei Jahr besuchte Sean mit seinen Freuden eines der vielen Amüsierviertel der Hauptstadt, um sich, wie unter seinen Altersgenossen üblich, den Vergnügungen des Lebens hinzugeben. Doch aus anderen Gründen als seine Kameraden wollte er im Bordell unbedingt mit einer Prostituierten anbändeln und endlich Erfahrung sammeln. Natürlich wusste Sean, dass er sich eigentlich nur zu Männern hingezogen fühlte, aber als Sohn des Königs durfte er dieser Versuchung niemals nachgeben. Wer sich als Homosexueller zu erkennen gab, verlor in den gehobenen Kreisen jegliches Ansehen und wurde zur Persona non grata. Als einfacher Mann könnte er diesen Gelüsten nachgeben. Dort interessierte es niemanden, mit wem man schlief, solange man seine Steuern zahlte und seinen Kriegsdienst leistete. Folglich versuchte Sean sich selbst davon zu überzeugen, dass er mit einer Frau ebenso zufrieden sein könnte. Seine Versuche scheiterten an diesem Abend kläglich. Er schaffte es einfach nicht, den weichen Körper einer Frau auch nur anzufassen. Nichts stimmte! Die Damen des lockeren Gewerbes dufteten nach lieblichem Parfum und ihre zarte Haut lud zum Erkunden ein. Nichts dergleichen verfing bei Sean. Der süßliche Geruch stieß ihn ab und er hätte seine Fingerspitzen lieber über behaarte oder stopplige Männerhaut streifen lassen.
Frustriert hatte er einige Becher synthetischen Wein getrunken und sich auf den Heimweg gemacht. Natürlich wäre es klüger gewesen, mit dem Aufbruch bis zum Morgen zu warten oder sich einen Gleiter direkt zum Etablissement zu bestellen, doch Sean konnte das Bordell nicht mehr ertragen und musste dort weg. Der große helle Vollmond und die wenigen Laternen des dunklen Stadtviertels genügten ihm, um den rechten Weg zu finden. Es erstaunte Sean immer wieder, wie sehr ihre Kultur dem alten und vergangenen anhing. Heutzutage gab es künstlich zubereitete Nahrung und trotzdem bevorzugten die Menschen echtes Fleisch, insofern sie es sich leisten konnten. Fast alle Vergnügungsviertel der Zentralwelt hatten die Städteplaner historischen Epochen nachempfunden und die Betreiber der Geschäfte, Restaurants, Bars und ähnlichem waren gesetzlich dazu verpflichtet, sich an die entsprechende Epoche anzupassen. Wenn die Menschen auf Amüsiertour gingen, kleideten sie sich entsprechend ihres Ziels, um den Genuss des Erlebnisses so authentisch wie möglich zu machen. Daher trug Sean an diesem Abend die Mode des frühen Mittelalters. Die Kleidung betonte seine schlanke hochgewachsene Statur und machte ihn für Frauen attraktiv, auch wenn er keinen Nutzen davon hatte.
Die zentralen Bereiche der Hauptstadt, rund gelegen um das Regierungsviertel und den Königspalast, wirkten wie eine bunte Ansammlung verschiedener Epochen. Es gab Viertel, die dem Mittelalter nachempfunden waren, zumindest oberflächlich. Andere Stadtteile erinnerten an die ägyptische Geschichte, wieder welche schienen der Zeit der Renaissance zu entstammen. Doch alles war nur ein Trugbild. Die anscheinend gemauerten Wände bestanden aus einem Plexibetonguss und ein gesamtes Gebäude inklusive Innenausbau konnte innerhalb eines einzigen Tages errichtet werden. Computergesteuerte Schweberoboter erledigten solche Arbeiten in einer Nacht, damit ihr Anblick die Idylle nicht störte. Ihre Welt war mehr Schein als Sein und Sean verstand den Wunsch der Menschen, sich nicht dieser Illusion hinzugeben. Die restlichen Bezirke lebten im Hier und Jetzt. Die Bewohner der historischen Viertel nannten sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen Futurianer. Wenn es nach Sean gegangen wäre, hätte man überall eine moderne Architektur und nicht diese Nachbildungen. Die Zentralwelt war erst vor etwa fünfhundert Jahren besiedelt worden und aus einem ihm unerfindlichen Grund hatten die Neubürger eine Verbindung zu ihrer ursprünglichen Heimat, der Erde gebraucht, welche die Menschheit mutwillig zerstört und unbewohnbar gemacht hatte. Warum sie sich damals für diesen eher kuriosen Weg entschieden hatten, wusste Sean nicht.
Stolpernd fing Sean seine Schritte ab. Die Pflasternachbildung war so authentisch, dass sogar einzelne Steine vorstanden. Sicher hätte er sein Ziel auch erreicht, wenn ihm nicht ein dunkelverhüllter Mann in die Quere gekommen wäre. Plötzlich wurde Sean von hinten gepackt. Bevor er hätte akkurat reagieren können, beugte sich der Fremde über ihn und zerrte ihn zu sich her. Als nächstes explodierte der Schmerz in Seans Schulter und eine Lähmung sorgte dafür, dass Sean stillhielt. Im ersten Moment fühlte es sich an, als zerschnitten scharfe Klingen seine Haut und verarbeiteten das Fleisch darunter zu Gehacktem. Schreiend versuchte sich der junge Mann zu befreien, doch er kam gegen die übermenschlichen Kräfte des Blutsüchtigen nicht an. Dann setzte die bekannte Betäubung und Beruhigung durch den Biss ein. Obwohl Sean als Sohn des Königs eine besondere Schulung seiner kämpferischen Fähigkeiten erfahren hatte, konnte er nichts gegen den schmerzhaften Übergriff tun. Erstmals in seinem Leben fühlte er sich hilflos und den Gegebenheiten ausgeliefert.
Die Blutkrankheit entstand nach dem letzten großen planetenumfassenden Weltkrieg, der die Erde vollständig in Schutt und Asche legte. Der nukleare Fallout veränderte das Genom der Menschen und machte einige mit den entsprechenden Genmarkern einerseits stärker und andererseits schwächer. Diese sogenannten Blutsüchtigen erster Generation hatten so gut wie keine Kontrolle über ihre Triebe und hinzu kam, dass die Krankheit hochgradig ansteckend war. Sie tranken und töteten dabei wahllos. Wer das Glück hatte zu überleben, litt fortan ebenfalls unter Blutsucht, wobei die Triebhaftigkeit wesentlich besser beherrschbar war.
Ebenso frönten die Genveränderten den anderen Lustbarkeiten des Körpers. Frauen wurden reihenweise durch die Bluttrinker geschändet und gebaren neun Monate später deren Brut, da die Erkrankten viel potenter waren als Menschen. Dieses Vorgehen der Genveränderten sorgte für Furcht in der Bevölkerung und die Regierung fühlte sich genötigt, zu handeln. In einem planetenüberziehenden Genozid löschten sie fast alle Blutsüchtigen aus. Niemand unternahm den Versuch nach einer Heilungsmöglichkeit zu suchen. Nur eine Handvoll Genveränderte der späteren Generation und Infizierter überlebte diesen weltweiten Holocaust und gelangte mit den Siedlungsschiffen auf die neue Zentralwelt. Dabei handelte es sich meist um Kleinkinder, die trotz ihrer zweifelhaften Entstehung von ihren Müttern geliebt und daher versteckt wurden und Infizierten, die ihre Triebe gut beherrschen konnten. Diese jungen Nachkommen der Erkrankten wuchsen zu vollwertigen Mitgliedern der Nachkriegsgesellschaft heran und integrierten sich problemlos. Doch die latente Angst blieb. Mit jedem vergehenden Jahrzehnt wurden die Blutsüchtigen mehr zum Mythos, immer weiter verklärt, bis niemand mehr sagen konnte, wo die Wahrheit endete und die Sage begann.
Obwohl Sean diese Sagengestalten nur aus Erzählungen kannte, wusste er ganz genau, was da gerade mit ihm passierte. Heute würde er entweder sterben oder sein Leben sich grundlegend verändern. Es gab vereinzelte Überfälle durch die wenigen verbliebenen Blutsüchtigen, doch sie wurden mit jedem Jahrzehnt weniger, denn ihr Genom vermischte sich immer mehr mit normalen Menschen. In den meisten Fällen tranken die Blutsauger von ihren Opfern und ließen diese desorientiert zurück. Ab und an starb ein Opfer auch am Blutverlust. Die Lust nach Blut war für jede weitere Generation leichter zu kontrollieren und sie tranken mittlerweile meist von Tieren. Hinzu kam, dass nur die Wenigsten heute noch die Krankheit übertrugen.
Seans Angreifer gehörte zu den wenigen Ansteckenden und empfand nach dem Stillen seines extremen Hungers Schuld. Daher rettete er das Leben des fast blutleeren Menschen, gab ihm von seinem eigenen Blut und setzte so den Kreislauf in Gang. Von diesem Tag an brauchte Sean Blut zum Überleben. Zu seinem Glück konnte er sich sehr gut von Tieren ernähren und bedurfte nicht eines menschlichen Spenders.
Torkelnd, mit zerrissenen Kleidern schleppte sich Sean bis zur nächsten Gleiterstation. Während die Morgendämmerung den Palast in fahles Licht tauchte, kehrte er zu seiner Familie zurück. Ein Blick genügte und jeder wusste, dass er einem Blutsüchtigen zum Opfer gefallen war. Ab diesem Tag fristete Sean sein Leben im Verborgenen. Sein Vater bestand darauf, dass Sean ihm nicht unter die Augen trat und sich auch sonst von der Familie fernhielt. Die modernen Überwachungsmethoden, jedem Bürger der Zentralwelt wurde ein ID-Chip im Genick implantiert, der den Tod eines jeden Individuums an die Zentral-KI meldete, schützten Seans Leben effektiv, denn selbst der König musste sich vor der Justiz verantworten. Außerdem spielte es für Araik van Seer keine wirkliche Rolle, ob sein nun verdorbener Sohn lebte oder starb. Vielleicht konnte er irgendwann aus dessen Existenz noch Kapital schlagen. Heute war es dann wohl soweit.
Die Sonne versank gerade hinterm Horizont und die Burg von Valen up Tervur kam in Sicht. Vorsichtig zog Sean das sehr gut imitierte Samttuch zurück und wagte einen ersten Blick auf sein neues Zuhause. Das riesige Gemäuer aus grauem Granitstein stand halb in einen großen See gebaut und spiegelte sich auf der glatten Oberfläche des Gewässers. Noch nie hatte Sean solch eine Burg gesehen. In seiner Heimat gab es ebenfalls Schutzwälle und sogenannte Burgfriede, doch nicht solch monumentale freistehende Bauten, was zum größten Teil am enormen Platzbedarf lag, welcher auf der Zentralwelt nicht mehr vorhanden war und außerdem in der modernen Welt keinen ergonomischen Nutzen hatte. Im Laufe der Jahrhunderte hatten die Menschen jeden freien Zentimeter Land, bis auf die geschützten Nationalparks, mit Hochhäusern bebaut. Dass die Dorovaren so viele Kredits in den Bau solcher Burganlagen investierten, lag vermutlich an der Kampfeslust der Krieger und dass sie daher benötigt wurden.
Die Geschichte Dorovars unterschied sich sehr von der Zentralwelt. Auf Dorovar fand erst vor drei Jahrhunderten die Besiedlung statt und der ganze Planet wurde damals in zwölf Herzogtümer eingeteilt. Jedes der zwölf Raumschiffe landete in dem ihm zugewiesenen Areal und machte es für sich urbar. Für die Namensgebung der Herrschaftsgebiete bedienten sie sich der Historie ihrer ursprünglichen Heimat, dem historischen Europa der Erde. So gab es jetzt das Herzogtum der Goten, Cherusker, Pikten, Vandalen, Sachsen und vieler andere. Die Siedler hielten sich strikt an den damals aktuellen Baustil und gestalteten den Planeten optisch nach dem frühen Mittelalter. Die Wege bestanden aus gefaktem Pflaster oder blieben naturbelassen, die Burgmauern aus augenscheinlich massivem Stein, es gab nur im Verborgenen moderne Technik, und die Menschen hielten sich an den Kodex dieser Zeit. Man sagte, dass die Dorovaren jede Gelegenheit für Streitereien und Schlägereien nutzten je größer umso besser. Niemand schlug die Dorovaren im Nahkampf und das wusste auch Seans alter Herr. Als das Magalit entdeckt wurde, reagierten die Herzöge umgehend und sorgten zusätzlich für einen planetaren Rundumschutz. Vom Planetenverbund erstanden sie eine Batterie von Weltraum-Geschützen, die als Satelliten rund um Dorovar kreisten. Ohne Landeerlaubnis riskierte man, aus dem All gepustet zu werden, wenn man sich dem Planeten näherte. So konnten sie flächendeckend ihren Planeten schützen und hinzu kam noch die Verteidigung durch die Flotte des Planetenverbunds. Denn genau dafür erhielten sie die jährliche Lieferung Magalit.
Nur aus diesen Gründen hatte der König niemals versucht, sich einfach zu nehmen was er begehrte, sondern hatte sich aufs Verhandeln verlegt. Vier Jahre lang sandte er einen Unterhändler nach dem anderen nach Dorovar, sprach mit jedem einzelnen Herzog und letzten Endes landete er bei Valen up Tervur, dem Herzog der Cherusker. Dieser stimmte einem gesonderten Handelsvertrag mit dem König zu, wenn er als Sicherheit eines seiner Kinder als Geisel bekäme. Diese Praxis hatte im originalen Mittelalter der alten Welt Anwendung gefunden und Sean hielt dieses Vorgehen für barbarisch. Da seinem Vater aber die ihm zugeteilte Menge des Energieträgers zu wenig war, musste er sich fügen und sich in die Hand von Valen up Tervur begeben.
Wie sein Leben dort aussehen würde wusste Sean nicht, aber er hoffte, dass es sich verbesserte. Das ständige Versteckspiel im Palast hatte ihn ermüdet und dazu geführt, dass er sich in die Bibliothek zurückzog und die meiste Zeit mit Studien verbrachte. Wissen zu erwerben, gab ihm ein gutes Gefühl und beruhigte seine Nerven.
Missmutig starrte Valen von der Burgmauer hinab auf die herabgesenkte Zugbrücke. Es ärgerte ihn noch immer, dass er beim Treffen der Herzöge den Kürzeren gezogen hatte und nun eine Handelsbeziehung mit der Zentralwelt eingehen musste. Vor zweihundert Jahren hatten Sonden der Bergbaukonsortien das Magalitvorkommen auf Dorovar entdeckt und sich darangemacht, den Planeten zu erobern. Rücksichtslos hatten sie versucht die Bevölkerung zu unterjochen und zu zwingen, ihnen als Minenarbeiter zu dienen. Doch die Dorovaren hatten schon viel früher das Magalit entdeckt und es analysiert. All ihre Rüstungen, Schwerter, Dolche und Schilde bestanden aus dem widerstandsfähigen Material, welches zusätzlich noch Energieentladungen reflektierte. Schoß man mit einem Laserblaster oder ähnlicher Strahlenwaffe auf das Metall, bekam man die Entladung selbst ab. Hinzu kam, dass Dorovar nicht so primitiv war, wie es auf den ersten Blick wirkte. Die Herzöge hatten sofort einen Funkruf an den Planetenverbund abgesetzt und diesem Magalit für dessen Hilfe angeboten. Im Kampf Mann gegen Mann hatten die Kampftruppen nicht bestehen können und die hinzu gekommene Weltraumschlacht sorgte dafür, dass die Kosten bei weitem den Nutzen überstiegen. Daher strebten die Bergbauunternehmen einen Kompromiss an. Sie versuchten nun, das Magalit käuflich erwerben. Doch die Herzöge hatten ihr Geschäft bereits mit dem Planetenverbund direkt gemacht und ihre Schäfchen im trockenen.
Damals wurde ein Abkommen mit dem Verbund geschlossen und jedes Jahr eine Tonne Magalit direkt an die Zentralregierung geliefert. Diese verteilte sie dann entsprechend der Bevölkerungszahlen an die angehörigen Planetensysteme. Nach einer einfachen Katalyse konnte mit einem Krümel Magalit, etwa von der Größe einer Erbse, ein Raumschiff für etwa fünfzig Jahre mit Energie versorgt werden. Eine Tonne des Minerals genügte voll auf, um die Weltwirtschaft am Laufen zu halten. Nur die Bergbaukonsortien gingen bei dem Handel leer aus, ihnen blieb nur noch das Schürfen anderer Erze auf Kometen und unbewohnten Planeten.
Araik van Seer wollte aber nicht mehr vom Wohlwollen und der Freigiebigkeit der ihm unterstellten zentralen Planetenregierung abhängig sein. Er bestand darauf mehr Magalit zu erhalten, daher hatte er Unterhändler zu den einzelnen Herzögen geschickt. Die Drohung hinter der Forderung war klar. Die Zentralwelt hatte zwölf Milliarden Einwohner und ein Viertel davon konnte zu den Waffen gerufen werden. Selbst wenn sich die Dorovaren im Kampf behaupteten, würde der ständige Nachschub an Soldaten sie auslaugen und für Jahre den Planeten mit Krieg überziehen. Bei der alle vier Jahre stattfindenden Versammlung der Herzöge, sie nannten es Reichstag, wurde daher beschlossen, dass man den Forderungen des Königs nachkam, um den Schein zu wahren. Tatsächlich verfügte Dorovar über ausreichend Weltraumgeschütze, um eine ausreichende Verteidigung gegen alle Invasoren zu gewährleisten. Valen zog simpel und einfach den Kürzeren und hatte nun den König am Bein. Um sich und seine Untertanen abzusichern, hatte er ein Faustpfand verlangt und dieses schwebte gerade in einem Gleiter heran.
Der Gleiter passierte mit Einsetzen der Dämmerung das geöffnete Tor, flog über den gepflasterten Vorhof der Burg und hielt sanft an. Sean atmete mehrmals tief durch, bevor er sich aufmachte, die Tür des Gleiters zu öffnen. Doch noch bevor er die Hand an den Griff legen konnte, wurde diese von außen aufgerissen und der Kopf eines Hünen erschien in der schmalen Öffnung. Etwas erschrocken musterte Sean das ausdrucksstarke Gesicht des fremden Mannes. Er hatte eine breite Stirn, eine leicht abwärts gebogene Nase, ausdrucksstarke grüne Augen und wirres rotes Haar. Das markante Kinn und der herrische Blick verrieten Sean alles was er wissen musste. Er hatte niemand anders als Valen up Tervur vor sich. Natürlich hatte sich der Königssohn im Vorfeld genau informiert. Auf keinen Fall wollte er blind in die Sache hineingehen.
Hinter dem Eindringling wurde es laut. Sean hörte den Hauptmann seiner Eskorte wütend keifen. Doch up Tervur störte sich daran kein bisschen. „Du bist also der Sohn des Königs“, kam es von dem großgewachsenen Herzog der Cherusker. Ein interessiertes Aufblitzen erschien in den ausdrucksstarken Augen des Mannes.
Mit einem kleinen Lächeln nickte Sean mit dem Kopf und bestätigte: „Ja, Herzog, ich bin Sean de Gracier. Einer der vierundzwanzig Söhne des Königs.“ Den unsicheren Blick konnte Sean leider nicht verhindern. Trotz seiner körperlichen Überlegenheit schüchterte ihn der andere Mann ein. Als Blutsüchtiger verfügte er über enorme Kräfte und es konnten ihm nur wenige Menschen gefährlich werden.
„Vierundzwanzig?“, erkundigte sich up Tervur mit schnarrender Stimme. Dabei ließ er fast anzüglich seinen Blick über Seans schlanke Gestalt wandern.
Da Sean sein restliches Leben unter der Herrschaft dieses Mannes verbringen sollte, wollte er nicht mit einer Lüge beginnen. „Ja, Herzog. Ich bin einer seiner Söhne. Aber um ehrlich zu sein, keiner der wichtigen. Ich weiß nicht, wieviel Bedeutung er meinem Leben beimisst.“
„Verstehe“, kam es postwendend von dem Burgherrn, bevor er sich ruckartig wieder aus dem schwebenden Gefährt zurückzog und es dabei leicht zum Wippen brachte.
Da der Hof von der Sonne nicht mehr erreicht wurde, folgte ihm Sean und stand nun hinter der extrem beeindruckenden Gestalt. Up Tervur überragte ihn um einen halben Kopf und hatte dermaßen breite Schultern, wie Sean sie noch nie bei jemandem gesehen hatte. Allgemein waren die Dorovaren großgewachsen. Ihr ständiges Kampftraining sorgte für gestählte Muskeln und ihr kriegerisches Auftreten tat ihr übriges.
„Versucht mich der König über den Tisch zu ziehen? Wie wertvoll ist ihm das Leben seines Sohnes tatsächlich?“, kam es schneidend von up Tervur. Dabei blitzte er grimmig den Hauptmann der Eskorte an.
„So ist es nicht!“, ereiferte sich der Soldat sofort. „Ich…“ Doch weiter kam er nicht. Die schneidende Stimme des Hausherrn unterbrach ihn.
„Wie soll man das sonst auffassen, wenn er mir irgendeinen seiner Söhne schickt. Ich habe nach einer Sicherheit verlangt und der Nachwuchs irgendeiner der zahllosen Konkubinen erfüllt diesen Tatbestand nicht“, harsch und hart klang die Stimme des Dorovaren. Bewusst erzeugte Valen Druck. Er verfolgte ein ganz bestimmtes Ziel und wollte es zu seinen Bedingungen erreichen.
Nach einem tiefen Durchatmen setzte der Soldat erneut an: „Ich habe entsprechend den Anweisungen des Königs gehandelt. Er ist eine annehmbare Geisel. Der Herrscher würde seinen Anspruch auf das Magalit nicht durch einen Angriff verwirken. Aber…“ Wieder wurde er rigoros unterbrochen.
„Das ist die Vorgehensweise des Königs? So handeln Feiglinge. Er hat seinen Sohn nicht einmal begleitet oder ihm einen adäquaten Begleiter an die Seite gestellt. So lasse ich nicht mit mir umgehen!“ Mit dieser Aussage machte er alle anwesenden Zentralweltbewohner für einige Herzschläge sprachlos.
Mit aufgerissenen Augen starrte Sean den Dorovaren an. Natürlich stand er noch immer halb hinter ihm verborgen und konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, doch die Stimme klang gereizt. Er wollte ihn als Pfand nicht akzeptieren? So war das nicht geplant! Doch eigentlich spielte es Sean in die Hände. Vielleicht konnte er hier seinen Stand sichern. Sorge bereitete ihm einzig seine Krankheit. Wie standen die Dorovaren zur Blutsucht? „Mein Bruder ist im Raumhafen.“
„Noch ein unnützer Sohn?“, kam es leise vom Herzog.
Kopfschüttelnd verneinte Sean: „Nein, der Kronprinz Falcon van Seer.“ Es enttäuschte Sean tief in seinem Innersten, dass Herzog up Tervur ihn für ebenso unnütz hielt wie sein Erzeuger. Schon vor Ewigkeiten hatte er es sich abgewöhnt, vom König als seinem Vater zu denken. Ein Vater sollte sein Kind lieben, beschützen und das Beste für es wollen. Keine dieser Eigenschaften hatte Araik van Seer jemals gezeigt, zumindest nicht den vielen unehelichen Kindern gegenüber. Dieses Schicksal teilte Sean mit fünfundsechzig anderen Kindern und es wurden jährlich mehr. „Er ist mit einer umfassenden Handlungsvollmacht ausgestattet. Wenn er einen Handel im Namen des Königs abschließt, muss sich die Zentralwelt daran halten.“
Mit in den Nacken gelegtem Kopf dachte Valen nach. Er brauchte mehr Sicherheit als nur die, die ihm der Kleine als Geisel bot. Wie hieß er noch gleich? Valen hatte es vergessen und im Moment spielte es auch weiter keine Rolle. Wie sollte er sich und den ganzen Planeten vor dem gierigen Zugriff des Königs schützen?
Dann kam ihm ein revolutionärer Gedanke. Es gab Bündnisse die nicht einmal der planetare Gerichtshof antastete und die durch die Ordnungshüter des Planetenverbandes immer respektiert und verteidigt wurden. Erbschaften durften nach Überprüfung durch die Nachlassverwaltung nicht angetastet oder angezweifelt werden und Ehen galten noch immer als heiliges Sakrament. Eine Ehe würde ihn ans Ziel bringen. Ruckartig fuhr Valen herum und starrte den Sohn des Königs an. Der Kleine war etwa einen halben Kopf kleiner als er selbst, hatte mausbraune Haare, ebensolche Augen und ein unscheinbares Gesicht. Die Statur entsprach der eines Weichlings, schlank, fast schon hager kam der Junge daher. Seufzend akzeptierte Valen, dass er sich mit etwas Zweitklassigem würde zufrieden geben müssen.
Eigentlich hatte er nicht mehr heiraten wollen, da er aus erster Ehe bereits zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, hatte. Er brauchte keine weiteren Erben. Daher stellte als zweite Verbindung einer Ehe mit einem Mann nichts im Wege. Zwar hätte er einen ganzen Kerl mit Muskeln und stahlhartem Willen bevorzugt, aber er würde sich mit dem Kleinen begnügen.
„Dann will ich mit ihm sprechen.“
Mit gerunzelter Stirn starrte der Hauptmann der Wache seinen Gastgeber an und erklärte in ruhigem Ton: „Der Kronprinz steht unter unserem Schutz. Er ist für sie unantastbar, Herzog.“
„Keine Sorge, Soldat. Ich habe keinerlei Interesse an Falcon van Seer persönlich. Ich muss nur unsere Vereinbarung modifizieren und er ist berechtigt, den Handel abzuschließen.“ Die Erklärung des Herzogs klang fast schon schneidend. Man konnte heraushören, dass er sein Tun sonst nie erläuterte, sondern einfach Befehle gab.
Seufzend nickte der Befehlshaber: „So sei es. Steigt in den Gleiter, dann sind wir in etwa einer Stunde am Raumhafen.“
Nickend stimmte Valen zu und schob Sean vor sich zurück in das schwebende Gefährt. Danach bestieg er selbst den Gleiter und betätigte den Knopf zum Schließen der Tür. Mit einem zischenden Geräusch versiegelte sich die Öffnung und Valen nahm auf der bequemen Sitzbank gegenüber seines zukünftigen Ehemannes Platz. Er würde den Kleinen von seinen Plänen überzeugen müssen, wenn sie gelingen sollten.