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Erst vor wenigen Wochen sind die Floristin Judith und der Sanitäter Jeremias zusammengezogen, und noch immer sind sie dabei, ihre neue Wohnung einzurichten. Doch selbst auf dem Flohmarkt muss Judith einsehen, dass ihr Geld für die meisten Dinge nicht ausreicht. Sie stottern gerade die Raten für die neue Küche und die Schlafzimmereinrichtung ab, da können sie sich keine großen Sprünge erlauben. Die junge Frau bekümmert das nicht weiter, denn sie weiß, wofür sie spart: für eine glückliche Zukunft mit Jeremias.
Leider ist dieser nicht so diszipliniert. Ohne sich mit seiner Freundin abzusprechen, macht er weitere Schulden für Dinge, die zwar schön, aber nicht dringend notwendig sind. Dass er dabei wichtige Versicherungen nicht bezahlt, erkennt Judith erst, als es zu spät ist. Enttäuscht macht die Zweiundzwanzigjährige ihrem Freund schwere Vorwürfe, und es kommt zum Streit.
Immer wieder wurde die Floristin von Bekannten und der Familie gewarnt, dass sie zu jung seien, um sich für immer aneinander zu binden. "Die erste Liebe hält nie", hat sogar ihre beste Freundin geunkt. Haben sie alle recht gehabt? Ist das wirklich der Anfang vom Ende? Es ist nämlich nicht allein der Vertrauensmissbrauch, der Judith zu schaffen macht. Etwas anderes wiegt noch viel schwerer: Sie verdächtigt Jeremias einer schrecklichen Tat ...
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Seitenzahl: 126
Cover
Impressum
Schwere Zeiten für junge Gefühle
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/WAYHOME studio
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5463-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Schwere Zeiten für junge Gefühle
Durch Schulden drohte ihre Liebe zu zerbrechen
Erst vor wenigen Wochen sind die Floristin Judith und der Sanitäter Jeremias zusammengezogen, und noch immer sind sie dabei, ihre neue Wohnung einzurichten. Doch selbst auf dem Flohmarkt muss Judith einsehen, dass ihr Geld für die meisten Dinge nicht ausreicht. Sie stottern gerade die Raten für die neue Küche und die Schlafzimmereinrichtung ab, da können sie sich keine großen Sprünge erlauben. Die junge Frau bekümmert das nicht weiter, denn sie weiß, wofür sie spart: für eine glückliche Zukunft mit Jeremias.
Leider ist dieser nicht so diszipliniert. Ohne sich mit seiner Freundin abzusprechen, macht er weitere Schulden für Dinge, die zwar schön, aber nicht dringend notwendig sind. Dass er dabei wichtige Versicherungen nicht bezahlt, erkennt Judith erst, als es zu spät ist. Enttäuscht macht die Zweiundzwanzigjährige ihrem Freund schwere Vorwürfe, und es kommt zum Streit.
Immer wieder wurde die Floristin von Bekannten und der Familie gewarnt, dass sie zu jung seien, um sich für immer aneinander zu binden. „Die erste Liebe hält nie“, hat sogar ihre beste Freundin geunkt. Haben sie alle recht gehabt? Ist das wirklich der Anfang vom Ende? Es ist nämlich nicht allein der Vertrauensmissbrauch, der Judith zu schaffen macht. Etwas anderes wiegt noch viel schwerer: Sie verdächtigt Jeremias einer schrecklichen Tat …
„Erde an Judith. Erde an Judith.“
Eine kühle Hand legte sich auf Judiths Schulter.
„Hm? Was?“ Sie fuhr hoch und blickte in das sommersprossige Gesicht ihrer Freundin.
Pia zwinkerte ihr verständnisvoll zu.
„Du warst in Gedanken gerade Lichtjahre weit weg, oder?“
„Beinahe.“ Judith betrachtete sehnsüchtig die Kartons, die sich am Verkaufsstand vor ihr aneinanderreihten. Jeder enthielt Bücher: Liebesromane, Krimis und Reiseberichte. Und jedes Buch kostete nur einen Euro. Wie sollte sie da widerstehen?
„Schlag ruhig zu, aber vergiss nicht, dass der Flohmarkt groß ist. Alles, was du jetzt kaufst, musst du noch eine ganze Weile mit dir herumtragen.“
„Das macht nichts“, entschied Judith und traf eine Auswahl an Romanen. Der Stapel auf ihrem Arm wurde immer höher.
Das Wetter meinte es an diesem Nachmittag gut mit den Veranstaltern des Flohmarktes. Es war ein sonniger Septembertag. Die Temperaturen waren auf angenehme vierundzwanzig Grad geklettert, der Himmel wölbte sich postkartenblau über München, und der leichte Wind war so mild wie ein Streicheln.
Die Verkaufsstände waren im Schatten ausladender Platanen aufgebaut worden. Zahlreiche Passanten schlenderten umher und stöberten in bunten Stoffen, altem Porzellan und Haushaltswaren. Von Aufbewahrungsboxen bis Zwirn wurde alles angeboten, was im Alltag gebraucht wurde.
Judith schwitzte, obwohl sie nur Jeans und ein luftiges gelbes Top trug. Ihre Füße steckten in Flip-Flops.
Sie kaufte dem Händler fünf Bücher ab und verstaute diese in ihrer Umhängetasche, die mit Margeriten bestickt war.
„Oh, sieh mal!“ Ihre Freundin hatte einen Stand entdeckt, an dem Tierbedarf angeboten wurde. Eine flauschige Hundedecke wanderte gegen einen kleinen Geldschein in ihren Rucksack. Pia liebte Hunde, aber ihr Vermieter erlaubte ihr keine Haustiere, deshalb half sie in ihrer Freizeit im Tierheim aus und schenkte den Bewohnern regelmäßig ihre Zuneigung und hin und wieder auch Zuwendungen.
Judith und Pia waren zusammen zur Schule gegangen. Nach dem Abschluss war Judith Floristin geworden, während Pia als Zimmermädchen in einem Hotel in der Münchner Innenstadt angefangen hatte. Sie sahen sich nicht mehr so oft wie früher, aber das tat ihrer Freundschaft keinen Abbruch. Sie telefonierten mehrmals in der Woche miteinander und trafen sich, wann immer sie es einrichten konnten.
Gemeinsam bummelten sie nun an einem Stand mit Modeschmuck vorbei. Nebenan wurden antike Holzwaren angeboten. Judiths Blick fiel auf einen Bilderrahmen im Vintage-Stil: das mattweiße Holz war mit altenglischen Wildrosen bemalt. Der Rahmen bot Platz für eine Collage aus zahlreichen Bildern.
„Wow, der ist wunderschön!“ Andächtig strich sie über das Holz.
„Der ist riesig“, sagte ihre Freundin zweifelnd. „Darin würden die Fotos eines ganzen Lebens Platz finden.“
„Genau das gefällt mir daran. Der Rahmen lässt noch Raum für die Zukunft.“
„Wenn du ihn magst, solltest du ihn mitnehmen.“
„Mal sehen, was er kostet.“ Judith suchte den Stand nach einem Preisschild ab und zuckte zusammen, als sie die Zahl entdeckte. Nein, das konnte sie sich nicht leisten. Keinesfalls.
„Gefällt Ihnen der Rahmen?“ Der Verkäufer hatte ihr Zaudern bemerkt und kam heran. Er hatte einen Strohhut auf dem Kopf und strich über seinen graumelierten Bart. „Soll ich den Rahmen für Sie einpacken?“
„Leider nicht. So viel Geld habe ich nicht dabei.“
„Ich kann den Rahmen für Sie zurücklegen. Ich sehe, dass er Ihnen gefällt. Kommen Sie einfach später wieder.“
„Er ist leider zu teuer für mich.“
„Verstehe, aber vielleicht kommen wir trotzdem ins Geschäft. Wir könnten tauschen.“
„Was möchten Sie denn für den Rahmen haben? Ich glaube nicht, dass ich etwas bei mir habe, was ich Ihnen dafür anbieten könnte.“
„Ihre Kette.“ Er deutete auf ihren Hals. „Die würde passen.“
Unwillkürlich fasste Judith nach dem Silberschmuck. Der Anhänger hatte die Form eines Kleeblatts und war ein Geschenk ihrer Großmutter gewesen. Zum Schulabschluss. Die Kette sollte ihr Glück bringen.
„Davon kann ich mich nicht trennen. Trotzdem, vielen Dank. Auf Wiedersehen!“ Sie lächelte entschuldigend und setzte ihren Weg fort.
Pia zog sie am Arm.
„Warum hast du den Bilderrahmen denn nicht gekauft, wenn er dir so gut gefällt? Ich hätte dir das Geld geliehen.“
„Hast du den Preis gesehen?“
„Natürlich. Der war ganz schön happig, aber das war er wert. Ich verstehe nichts von Antiquitäten, aber das schien eine großartige Arbeit zu sein. Der Rahmen hätte wunderbar in deine neue Wohnung gepasst.“
„Reib nur noch Salz in die Wunde. Ich hätte ihn sehr gern mitgenommen, aber dann hätte es für den Rest des Monats nur Wasser und trockenes Brot zu essen gegeben.“ Judith winkte ab.
Ihr Freund und sie waren vor wenigen Wochen zusammengezogen und noch dabei, ihr erstes gemeinsames Zuhause einzurichten.
„Jeremias und ich stottern die Raten für die Küche und die Schlafzimmereinrichtung ab. Wir müssen vorsichtig wirtschaften, bis die Kredite bezahlt sind.“
„Auch wieder wahr. Dein Schatz hat Glück, dass du so denkst.“
„Das sieht er leider anders.“
„Wirklich? Wieso denn das?“
„Er hält mich für knauserig, weil ich ihn hin und wieder bremse, wenn er etwas für uns anschaffen will.“
„Ich finde es vernünftig, dass du auf euer Geld achtest und aufpasst, dass ihr euch nicht übernehmt. Jeremias sollte das zu schätzen wissen. Er würde sich umschauen, wenn seine Freundin das Geld mit beiden Händen zum Fenster rauswerfen würde.“
„Ihm wäre es lieber, ich würde nicht ständig auf die Bremse treten, wenn er einen Geschirrspüler oder einen Hometrainer kaufen will. Es ist nur so, dass ich eine Heidenangst vor Schulden habe. Manchmal sind sie unumgänglich, die neue Küche mussten wir beispielsweise haben, aber was nicht unbedingt sein muss, sollte warten.“
„Und Jeremias sieht das anders? Hm.“ Pia krauste die Stirn. „Lass dich von ihm zu nichts überreden, das du nicht willst. Wenn es auseinandergeht, sollst du nicht auf einem Berg Schulden sitzen bleiben.“
„Wenn es auseinandergeht? Warum glaubst du, dass das passieren wird?“
„Ich weiß, ihr seid gerade bis über beide Ohren verliebt, aber die erste Liebe ist niemals von Dauer. Das solltet ihr bei all dem Rosarot nicht vergessen. Die erste Liebe hält nie.“
„Bei meinen Eltern tut sie es.“ Judith lächelte versonnen. Ihr Freund arbeitete im Rettungsdienst als Fahrer und Sanitäter. Jeremias hatte ein großes Herz und starke, liebevolle Arme. Sie liebte seine Aufrichtigkeit und seinen Humor – und die Art, wie er alle Dinge anging: mit ganzem Herzen.
Jeremias machte keine halben Sachen. Er tat alles entweder ganz oder gar nicht. Auch in der Liebe. Das Band zwischen ihnen war stark. Und Judith war sicher, dass ihre Beziehung alle Lebensstürme überstehen würde.
Der zweifelnde Blick ihrer Freundin verriet, dass sie in diesem Punkt anders dachte, aber Pia würde ihr niemals in ihr Leben hineinreden und behielt ihre Skepsis für sich. So bummelten sie noch eine Weile über den Markt, bis Pia einen Blick auf ihre Armbanduhr warf und bedauernd feststellte, dass der Nachmittag schon vorüber war und sie zu ihrem Schwimmkurs aufbrechen musste.
„Ich möchte nie wieder zu einer Sommerparty eingeladen werden und um ein Haar ertrinken, weil ich in den Pool falle und nicht schwimmen kann“, seufzte sie. „Das war eine Erfahrung, die ich wirklich nicht wiederholen möchte.“ Sie umarmte Judith zum Abschied. „Sehen wir uns morgen Nachmittag? Wir könnten zusammen walken gehen, wenn es nicht zu heiß ist.“
„Gern. Lass uns heute Abend telefonieren und eine Zeit ausmachen.“
„Prima! Bis dann!“ Ihre Freundin winkte – und weg war sie.
Judith wandte sich um und machte sich auf den Heimweg. Unterwegs kam sie an einem Café vorbei. Tische im Freien sowie ein wunderbares Kuchenangebot lockten zu einer Pause, aber dann rechnete sie im Kopf aus, dass sie für ein Kuchengedeck eine halbe Stunde arbeiten musste, und passierte das Lokal, ohne einzukehren.
Ihre Wohnung lag im Dachgeschoss eines modernisierten Altbaus im Süden von München. Die hellgelben Mauern leuchteten ihr schon von Weitem entgegen. Im Vorgarten blühten Rosen – ein Anblick, bei dem das Herz der jungen Floristin weit wurde. Sie liebte alles, was grünte und blühte, und hatte ihr Zuhause dementsprechend eingerichtet.
In jedem Raum gab es Pflanzen – echte und dekorative hinter Glas oder an den Wänden. Ihr Freund bevorzugte eine moderne, schlichte Einrichtung, während sie es gemütlich mochte. So war ihre gemeinsame Wohnung eine Mischung aus beidem.
In der Küche dominierten gerade Linien, Glas und Marmor, und im Wohnzimmer bildeten farbenfrohe Kissen, selbst genähte Vorhängen und eine zur Blumenbank umfunktionierte alte Nähmaschine fröhliche Blickfänge.
Judith schloss die Wohnungstür auf. Schlagartig kam ihr ein Schwall Wärme entgegen. Trotz der Dämmung heizte sich die Wohnung hier unter dem Dach an warmen Tagen spürbar auf. Das war der Preis für die reizende und für Münchner Mietpreise durchaus günstige Wohnung.
Aus dem Wohnzimmer drang ein vernehmliches Rascheln.
„Hallo?“ Judith legte ihre Tasche ab.
„Da bist du ja, Schatz.“ Ihr Freund kam in den Korridor und umarmte sie. Sie versank beinahe in seinen Armen, denn Jeremias war gut einen Kopf größer als sie. Unter seinen braunen Haaren blitzten braune Augen und ein jungenhaftes Lächeln. Innig küsste er sie.
„Du bist schon daheim?“, staunte sie, als sie wieder Luft bekam.
„Hab meine Schicht mit Manuel getauscht. Er hat gestern überraschend für ein paar Tage Besuch bekommen und wollte die Nachtschicht übernehmen, um tagsüber daheim zu sein. Mir war das ganz recht. So konnte ich nämlich eine Überraschung für uns besorgen.“
„Eine Überraschung?“
„Komm mit. Ich zeige sie dir.“ Jeremias nahm ihre Hand und zog sie mit sich ins Wohnzimmer. Auf dem Parkettboden stand ein riesiger Karton, und an der Wand hing ein nagelneuer Flachbildfernseher, der es in seiner Größe beinahe mit einer Kinoleinwand aufnehmen konnte.
Judith schnappte nach Luft.
„Du liebe Zeit! Haben wir im Lotto gewonnen?“
„Es war eine günstige Gelegenheit. Das ist ein sechzig Zoller mit Ultra Surround. Der Klang ist umwerfend. Ein Film hört sich so an, als würde man mitten im Geschehen sitzen. Full HD, Digital Clean View und EPG hat er natürlich auch. Und Internet. Wir können also in Zukunft all deine Lieblingsserien streamen. Dabei ist er so dünn, dass er sich kaum von der Wand abhebt. Großartig, oder?“
Ihr Freund strahlte sie an.
„Was sagst du dazu?“
Judith hatte von den meisten Begriffen, mit denen ihr Schatz gerade um sich geworfen hatte, noch nie etwas gehört. Aber die pure Größe des neuen Fernsehers verschlug ihr den Atem. In ihrem Magen bildete sich ein Knoten. Sie presste die Hände vor der Brust zusammen.
„Wovon hast du das Gerät denn nur bezahlt?“
„Ich habe ihn noch gar nicht bezahlt. Es gab ihn auf Raten – und ganz ohne Anzahlung. Ist das nicht toll? Er kostet nicht einmal Zinsen. Bei dieser Gelegenheit musste ich einfach zuschlagen. Auf meinem alten Gerät konnte man kaum etwas erkennen, so klein war es. Es war höchste Zeit für ein Neues!“
„Aber das bedeutet eine weitere monatliche Ausgabe.“
„Ich weiß, aber die Rate ist nicht allzu hoch. Wir können sie uns leisten. Ehrlich.“
„Geben wir nicht zu viel und zu schnell aus?“
„Mach dir darum keine Sorgen. Das Geld ist doch für unser gemeinsames Zuhause. Damit ist es gut angelegt. Außerdem arbeiten wir beide hart. Warum sollen wir uns nicht auch hin und wieder mal etwas Schönes gönnen?
„Das stimmt schon …“ Judith sah zögernd zwischen der Neuanschaffung und ihrem Freund hin und her.
„Lass es uns genießen. Was hältst du davon, wenn du uns eine Pizza zum Abendessen machst, und ich baue derweil hier alles fertig auf und schließe den Fernseher an. Später weihen wir ihn zusammen ein. Wie wäre es mit einem gemütlichen DVD-Abend?“
„Das würde mir gefallen.“
„Mir auch.“ Jeremias schlang die Arme um sie. „Du bist mein Ein und Alles, Judith, weißt du das?“, raunte er ihr zärtlich ins Ohr.
„Also muss ich nicht befürchten, dass du heute Nacht lieber mit dem neuen Fernseher kuschelst als mit mir?“, neckte sie ihn lächelnd.
Ihr Freund lachte. „Nein, wirklich nicht. Du hast die Nase vorn. Immer.“
„Dann ist es ja gut.“ Sie schmiegte sich an ihn und genoss die Wärme, mit der er sie einhüllte, und das sichere Gefühl, dass sie zusammengehörten.
Eine Weile standen Judith und Jeremias eng umschlungen beieinander und tauschten innige Küsse.
Dabei ahnten sie noch nicht, dass unbemerkt bereits dunkle Wolken an ihrem Schicksalshimmel aufzogen.
***
Judith liebte die frühen Morgenstunden. Abends war nach zweiundzwanzig Uhr nichts mehr mit ihr anzufangen, aber morgens war sie mit dem ersten Sonnenstrahl hellwach. Sie mochte es, wenn der Tag noch jung und voller Möglichkeiten vor ihr lag.
Nach dem vergangenen Filmabend mit ihrem Schatz war es später geworden, als sie es gewohnt war. Trotzdem stand sie um vier Uhr in der Früh auf und fuhr mit dem Lieferwagen ihrer Chefin zum Großmarkt, um frische Blumen für den Laden zu erstehen.
Der Verkehr auf den Straßen hielt sich in Grenzen. Um diese Uhrzeit war es selbst in der großen Stadt noch ruhig. Nur einige wenige Fahrzeuge und Passanten waren schon oder noch unterwegs.
Judith war früh genug dran, um mehrere Kisten mit neuen Blumen und frischem Blattgrün zu bekommen: traumhaft schöne Hortensien, Levkojen, Dahlien und Frauenmantel, der eine wunderbare Leichtigkeit in Sträuße brachte, ähnlich dem Schleierkraut. Auch bei den Mohnkapseln und dem Moos griff sie zu. Beides eignete sich für schmückende Arrangements.
Auf dem Markt herrschte bereits reges Kommen und Gehen. Blumenhändler feilschten um Kartons mit frischen Blumen, handelten Preise aus oder strebten zum nächsten Anbieter, um dort von vorn zu beginnen.
Judith hatte gerade die letzte Kiste mit Hortensien auf ihren Lieferwagen geladen, als sie sich plötzlich beobachtet fühlte. Sie drehte sich um und bemerkte einen Mann mit einem Fotoapparat, der in der Nähe stand und seine Kamera auf sie gerichtet hielt.