Dr. Stefan Frank 2423 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2423 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Nachdenklich betrachtet Dr. Stefan Frank das Mädchen, das vor seinem Schreibtisch sitzt. Kaja ist erst sechzehn, und gerade hat er ihr mitgeteilt, dass sie schwanger ist. Was für die meisten seiner Patientinnen stets ein Anlass zu größter Freude ist, bedeutet für die Schülerin eine Katastrophe.
"Sie müssen es wegmachen, Herr Dr. Frank. Ich will jetzt noch kein Kind", fleht Kaja den Grünwalder Arzt an.

Einfühlsam bemüht sich Dr. Frank, seine junge Patientin zu beruhigen. Natürlich ist das ein Schock, aber bevor sie weitreichende Entscheidungen trifft, sollte sie die Neuigkeit zunächst einmal sacken lassen und sich in Ruhe mit dem werdenden Vater und ihrer eigenen Familie beraten.
Doch die Schülerin weist alle Ratschläge von sich. Ihr Entschluss steht fest. Sie will jetzt noch keine Mutter sein! Sie möchte weiter zur Schule gehen, sich mit Freundinnen treffen - sie hat ja noch gar nicht richtig gelebt!

Stefan Frank weiß, dass er momentan nicht zu Kaja durchdringen kann. Erst einmal muss sie diese unerwartete Nachricht verarbeiten. Aber ob sie danach wirklich anders denken wird?

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Seitenzahl: 119

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Inhalt

Cover

Impressum

Das ungewollte Baby

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Luna Vandoorne/shutterstock

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5713-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das ungewollte Baby

Wie der kleine Luis dennoch ein Zuhause fand

Nachdenklich betrachtet Dr. Stefan Frank das Mädchen, das vor seinem Schreibtisch sitzt. Kaja ist erst sechzehn, und gerade hat er ihr mitgeteilt, dass sie schwanger ist. Was für die meisten seiner Patientinnen stets ein Anlass zu größter Freude ist, bedeutet für die Schülerin eine Katastrophe.

„Sie müssen es wegmachen, Herr Dr. Frank. Ich will jetzt noch kein Kind“, fleht Kaja den Grünwalder Arzt an.

Einfühlsam bemüht sich Dr. Frank, seine junge Patientin zu beruhigen. Natürlich ist das ein Schock, aber bevor sie weitreichende Entscheidungen trifft, sollte sie die Neuigkeit zunächst einmal sacken lassen und sich in Ruhe mit dem werdenden Vater und ihrer eigenen Familie beraten.

Doch die Schülerin weist alle Ratschläge von sich. Ihr Entschluss steht fest. Sie will jetzt noch keine Mutter sein! Sie möchte weiter zur Schule gehen, sich mit Freundinnen treffen – sie hat ja noch gar nicht richtig gelebt!

Stefan Frank weiß, dass er momentan nicht zu Kaja durchdringen kann. Erst einmal muss sie diese unerwartete Nachricht verarbeiten. Aber ob sie danach wirklich anders denken wird?

Dr. Stefan Frank betrachtete nachdenklich das Mädchen, das vor dem Schreibtisch seines Sprechzimmers saß. Kaja Reitemeier war sechzehn Jahre alt. Er hatte sie seinerzeit auf die Welt geholt und erinnerte sich noch gut an die schwierige Geburt: Die Nabelschnur hatte sich um ihren Hals gelegt, er hatte Angst um ihr Leben gehabt. Aber alles war gut gegangen.

Sehr hübsch war sie geworden mit ihren blonden Haaren, der niedlichen Stupsnase und dem noch kindlichen Mund. Ihre Figur freilich war nicht mehr kindlich. Bestimmt waren die meisten Jungen ihrer Klasse in sie verliebt.

Er wünschte sich, wie schon so oft in ähnlichen Situationen, die Zeit vorspulen zu können, um die nächsten fünfzehn bis zwanzig Minuten einfach zu überspringen. Zu genau wusste er, was passieren würde, und er war dessen müde. Ihre blauen Augen waren fragend auf ihn gerichtet. Es hatte wenig Sinn, das Unvermeidliche noch länger aufzuschieben, also gab er sich einen Ruck.

„Du bist schwanger, Kaja“, sagte er.

Ihre Haltung und ihr Gesichtsausdruck veränderten sich kaum. Er kannte das, der Schock kam meistens mit Verzögerung.

„Das kann nicht sein“, erklärte sie wie erwartet.

„Nein? Hast du nicht mit deinem Freund geschlafen?“

„Doch.“ Ihre Wangen röteten sich leicht, aber noch immer saß sie ganz ruhig da. „Aber wir haben immer verhütet.“

„Immer? Jedes einzelne Mal?“

Zum ersten Mal bewegte sie sich auf ihrem Sitz, sie rutschte ein wenig nach hinten, drückte den Rücken an die Lehne.

„Eigentlich schon, ja.“

„Denk nach. Gab es keine Ausnahmen?“

Jetzt fingen die Hände an, unruhig zu werden, er sah, dass auch ihr Bein leicht zu wippen begann.

„Also, einmal waren wir zu … zu ungeduldig, aber das war an meinen sicheren Tagen. Und Kamil hat außerdem aufgepasst.“

„Du hast deine Temperatur gemessen, um die sicheren Tage zu ermitteln?“

Sie wich seinem Blick aus und sah auf die Hände in ihrem Schoss, die einander fest umklammert hielten.

„Manchmal“, gab sie endlich zu. „Normalerweise hat Kamil ein Kondom benutzt. Wenn wir keins hatten … oder so … also, dann hat er sich zurückgehalten.“

„Auch wenn er das getan hat, kann Samenflüssigkeit in deinen Körper gelangt sein, das weißt du doch?“

Sie sah erschrocken aus, offenbar hatte sie es nicht gewusst.

„Wie oft habt ihr ohne zuverlässige Verhütung miteinander geschlafen, was denkst du?“

Er sah, dass sie versuchte, sich zu erinnern, aber längst konnte sie nicht mehr klar denken, da die Information, dass sie schwanger war, ihr Gehirn erreicht hatte und begann, erste Schockwellen auszusenden.

„Ich … ich weiß es nicht. Ein paar Mal, denke ich.“

Es spielte ohnehin keine Rolle. Er bereitete sich auf den nächsten Akt vor.

„Wie oft ist deine Periode ausgeblieben?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Sie kommt sowieso immer so unregelmäßig. Ein- oder zweimal, glaube ich.“

„Du bist in der neunten Woche, also Anfang des dritten Monats.“

Dieses Mal reagierte sie ganz unmittelbar. Sie setzte sich kerzengerade hin, ihr Atem ging schneller. Das Blut wich aus ihrem Gesicht, ihr Körper zappelte nicht mehr, sondern war mit einem Schlag angespannt wie eine Feder.

„Sie müssen es wegmachen, Herr Dr. Frank. Bitte, machen Sie es weg. Ich will jetzt noch kein Kind. Kamil will auch kein Kind. Niemand will es.“

„Immer langsam, Kaja. Zuerst solltest du mit deinem Vater und natürlich deinem Freund sprechen.“

Ihre Stimme überschlug sich beinahe, als sie ihn unterbrach.

„Mein Vater darf nichts davon erfahren, auf gar keinen Fall, Herr Dr. Frank! Er ist gerade in einer Krise, ich kann ihm das nicht antun, bitte. Sie dürfen ihm nichts sagen.“

„Ich darf ihm sowieso nichts sagen, es gibt eine ärztliche Schweigepflicht, aber du musst mit ihm reden.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Nie im Leben, das mache ich nicht, Herr Dr. Frank! Ich weiß ganz genau, dass ihm das den Rest geben würde.“

Gut möglich, dachte Stefan, dass sie mit dieser Ansicht nicht einmal falsch lag.

Arno Reitemeier war kurz nach Kajas achtem Geburtstag Witwer geworden, Kajas Mutter war an Krebs gestorben. Er hatte sich zusammengerissen, vor allem wegen seiner Tochter, und irgendwie hatten die beiden ihr Schicksal bewältigt.

Drei Jahre zuvor hatte sich Arno Reitemeier dann noch einmal verliebt und geglaubt, ein neues Glück zu finden. Doch seine zweite Frau war auf Kaja eifersüchtig gewesen, hatte versucht, Vater und Tochter auseinanderzubringen. Die Ehe war bald wieder geschieden worden.

Nachdem er jahrelang um seine verstorbene Frau getrauert hatte, war diese Erfahrung für Kajas Vater eine Katastrophe gewesen – die Sache hatte ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Aber es war noch schlimmer gekommen: Er hatte kurz nach der Scheidung auch noch seine Arbeit verloren.

„Sie haben mich wegrationalisiert, einfach so“, hatte er bei seinem letzten Besuch in Stefan Franks Praxis gesagt. „Die Spitze der Bank macht Fehler, die Manager werden mit hohen Abfindungen entlassen, aber jemand wie ich wird einfach entsorgt und kann sehen, wo er bleibt.“

Arno Reitemeier hatte im Kreditwesen einer renommierten Großbank gearbeitet, die durch ihre waghalsigen und nicht immer legalen Geschäfte in eine schlimme Schieflage geraten war und viele Angestellte hatte entlassen müssen. Er war einer von ihnen gewesen, obwohl er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen. Aber das war natürlich kein Argument gewesen.

Die Bank hatte sich verkleinern müssen, auf einen Schlag waren weltweit mehrere tausend Leute entlassen worden.

Und jetzt also, als letzter Schlag, die Schwangerschaft seiner sechzehnjährigen Tochter.

„Er darf es nicht erfahren“, wiederholte Kaja. „Sie müssen mir helfen, Herr Dr. Frank. Bitte.“

„Ich nehme keine Abtreibungen vor, Kaja“, erwiderte er ruhig. „Aber wenn du, oder besser, wenn ihr keine andere Möglichkeit seht, werde ich dir sagen, wohin du dich wenden kannst. Im Moment bist du aufgewühlt, und in einem solchen Zustand sollte man keine so wichtigen Entscheidungen treffen.“

Sie verlor die Nerven und sprang auf.

„Egal, wie lange ich darüber nachdenke“, rief sie, „ich werde zu keiner anderen Entscheidung kommen. Ich will kein Kind, ich bin erst sechzehn, Herr Dr. Frank. Ich will Abitur machen und studieren und die Welt sehen!“ Sie sank auf den Stuhl zurück, schlug beide Hände vors Gesicht und fing an zu weinen.

Er hätte ihr jetzt vieles sagen können, zum Beispiel, dass man sich so etwas klarmachen musste, bevor man ungeschützten Verkehr hatte, aber er wusste, dass es sinnlos war. Sie würde ihm nicht zuhören, im Gegenteil: Sie würde seine mahnenden Worte nur als lästig empfinden. So kamen sie nicht weiter. Außerdem wusste sie das natürlich selbst, aufgeklärt waren die Jugendlichen heutzutage ja. Nur richteten sie sich nicht immer nach dem, was ihnen die Älteren vermittelten.

„Kaja“, sagte er ruhig, „sieh mich an, bitte.“

Sie weinte weiter, ließ aber schließlich doch die Hände sinken.

„Rede mit deinem Freund. Ihr beide seid an dieser Schwangerschaft beteiligt, er hat also bei der Entscheidung, was nun geschehen soll, mitzureden, denke ich. Das kannst du nicht mit dir allein ausmachen. Und überleg dir auch, wem du dich sonst noch anvertrauen könntest, wenn es nicht dein Vater sein soll. Es sollte jemand sein, der bereits erwachsen ist. Eine Frau am besten. Hast du eine Tante, mit der du dich gut verstehst?“

Sie ließ sich immerhin auf dieses Gespräch ein, das war ein gutes Zeichen. Er hatte schon befürchtet, sie würde ohne ein weiteres Wort aus der Praxis stürmen.

„Annika“, sagte sie zögernd.

Er nickte. Annika Cornelius war eine gute Freundin von Vater und Tochter, von ihr war öfter die Rede. Arno Reitemeier hatte sie ihm einmal vorgestellt, und Dr. Frank hatte sich angeregt mit ihr unterhalten. Eine sehr aparte und kluge Frau. Sie hatte ihm auf Anhieb gefallen.

„Mit ihr könnte ich reden. Aber sie wird auch sagen, dass ich das Kind abtreiben soll, weil mein Papa sonst garantiert durchdreht.“

„Es kann ja sein, dass ihr euch letztlich für diese Lösung entscheidet – das müsstet ihr dann allerdings bald tun. Je weiter eine Schwangerschaft fortschreitet, desto schwieriger und auch gefährlicher wird eine Abtreibung. Aber etwas Zeit bleibt schon noch.“

Er sah seine junge Patientin aufmunternd an.

„Rede mit deinem Freund und mit Frau Cornelius, hör dir an, was die beiden zu sagen haben, und schlaf ein paar Mal darüber. Jetzt, wo du weißt, dass du schwanger bist, wirst du das Kind vielleicht sogar spüren – nicht zuletzt dadurch, dass sich dein Körper zu verändern beginnt.“

„Mein Busen ist größer geworden“, murmelte sie, „das habe ich schon gemerkt. Kamil findet das ganz toll.“ Die Tränen flossen schon wieder.

Er ließ sie weinen. Wie auch immer sie sich entschied, sie hatte eine schwierige Zeit vor sich, und er verstand, dass sie davor Angst hatte.

„Ich schlage vor, dass du gegen Ende der Woche noch einmal hierherkommst“, sagte er, als sie sich beruhigt hatte. „Bis dahin hast du ein paar Gespräche geführt und gründlich über alles nachgedacht. Auf jeden Fall wirst du klarer sehen als jetzt.“

„Aber ich werde keine andere Entscheidung fällen“, sagte sie leise. „Das Kind muss weg, ich kann es nicht kriegen, Herr Dr. Frank.“

Der Grünwalder Arzt ließ das so stehen. Es konnte durchaus sein, dass sie sich von dem Weg, für den sie sich spontan entschieden hatte, nicht mehr abbringen ließ.

Er brachte sie zur Tür.

„Wenn du vorher noch einmal mit mir sprechen möchtest, melde dich, bitte. Ich sage Frau Flanitzer Bescheid, dass sie dich jederzeit einschieben soll. In Ordnung?“

Sie nickte. „Aber wenn ich eine Abtreibung will – dann sagen Sie mir, wohin ich gehen kann?“, fragte sie ängstlich. „Sie lassen mich nicht hängen?“

„Das tue ich sowieso nicht. Ich würde, falls du deinen Vater doch einweihen willst, das fällige Gespräch auch mit dir und ihm zusammen führen. Was auch immer ich tun kann, um dir zu helfen, werde ich tun.“

„Nur die Abtreibung wollen Sie nicht machen.“

„Nein, das will ich nicht. Ich wäre auch nicht gut darin.“

„Weil Sie Abtreibungen falsch finden?“

„Das kann ich so allgemein nicht sagen, Kaja. Wenn eine Frau vergewaltigt wurde, wer bin ich, dass ich ihr vorschreibe, auch in diesem Fall ein Kind auszutragen? Das ist ein sehr weites und auch heikles Feld. Einfache Antworten gibt es nicht. Nur ich für mich habe entschieden: Ich möchte das nicht machen. Das heißt aber nicht, dass ich dich nicht gut verstehen könnte.“

Er legte eine Hand auf ihre Schulter.

„Natürlich passt ein Kind zurzeit nicht in deine Lebensplanung, natürlich bist du erst einmal verzweifelt. Aber meine Erfahrung zeigt, dass es gut ist, sich ein paar Tage Zeit zum Nachdenken zu geben. Nicht immer ist die Lösung, die einem zuerst durch den Kopf schießt, auch die richtige.“

Sie war ganz ruhig jetzt, sie nickte sogar. Er hatte den Eindruck, dass sie endlich verstanden hatte, worum es ihm ging. Zum Abschied reichte sie ihm die Hand.

„Danke, dass Sie mir das alles erklärt haben, Herr Dr. Frank. Und dass sie mir helfen wollen, selbst wenn ich etwas tun will, was Sie nicht gut finden.“

Er begleitete sie auch noch zur Praxistür, anschließend wandte er sich an Marie-Luise Flanitzer, seine junge Mitarbeiterin, die am Empfang saß und für die Praxisorganisation zuständig war.

„Es kann sein, dass sich Kaja Reitemeier in den nächsten Tagen meldet. Schieben Sie sie dann auf jeden Fall ein, Marie-Luise, möglichst noch am selben Tag. Vertrösten Sie sie auf gar keinen Fall.“

„Geht in Ordnung, Chef.“ Marie-Luise machte sich eine entsprechende Notiz.

Als Stefan Frank in sein Sprechzimmer zurückkehrte, folgte ihm Martha Giesecke, Marie-Luises ältere Kollegin, mit der Stefan schon so lange zusammenarbeitete, dass er sich seine Praxis ohne sie überhaupt nicht mehr vorstellen konnte.

Martha war gebürtige Berlinerin, hatte sich ihren Dialekt aber weitgehend abtrainiert. Vor allem, wenn sie aufgeregt war, vergaß sie das jedoch gelegentlich, dann kam die Berlinerin in ihr durch.

„Ist sie schwanger?“, fragte sie.

Er wunderte sich nicht über diese Frage. Was die Patienten und ihre Geschichten anging, verfügte Martha anscheinend über einen sechsten Sinn – und über ein unfehlbares Gedächtnis sowieso. Was ihr beim Gewichtmessen oder Blutabnehmen anvertraut wurde, vergaß sie nicht, und oft genug waren es solche vertraulichen Geständnisse, die sich bei schwierigen Diagnosestellungen als hilfreich erwiesen.

„Ja“, antwortete er. „Und sie will das Kind nicht haben.“

„Kein Wunder, sie ist sechzehn.“

„Ich habe ihr trotzdem geraten, zuerst ein paar Gespräche zu führen, bevor sie eine endgültige Entscheidung fällt.“

„Weiß denn ihr Freund schon davon?“

„Sie hatte ja selbst keine Ahnung, als sie herkam! Sie hat mir erzählt, dass ihr morgens oft übel ist und dass sie vermutet, mit ihrem Bauch sei etwas nicht in Ordnung. Als ich ihr eine gynäkologische Untersuchung vorgeschlagen habe, ist sie aus allen Wolken gefallen. Sie dachte, sie bekäme ein paar Pillen von mir und damit wäre der Fall erledigt. Ich hoffe, sie redet mit ihrem Freund und bleibt nicht einfach bei ihrer Entscheidung.“

„Ihrem Vater will sie natürlich nichts sagen“, stellte Martha fest. „Wo er nun zu allem Überfluss auch noch seine Arbeit verloren hat.“

„So ist es. Sie meint, ihre Schwangerschaft würde ihm den Rest geben.“

„Damit hat sie ziemlich sicher recht. Er ist in keiner guten Verfassung.“

Arno Reitemeier war vor nicht allzu langer Zeit in der Praxis gewesen, er hatte über zahlreiche Beschwerden geklagt: Schlaflosigkeit, Magenschmerzen, Kopfschmerzen, ständige Müdigkeit, Erschöpfung.