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Vor elf Jahren standen Ruth und ihr damaliger Freund unmittelbar vor ihrer Hochzeit, doch kurz vor dem Trauungstermin erfuhr Ruth, dass Tim sie mehrfach mit unterschiedlichen Frauen betrogen hatte. Schmerzerfüllt löste sie damals die Verlobung und beendete die Beziehung.
Seitdem ist viel Zeit vergangen. Das Leben der Bankangestellten hat sich inzwischen sehr geändert, und sie ist überaus erfolgreich in ihrem Beruf. Doch noch immer sitzt der erlittene Verlust wie ein Stachel in ihrem Herzen.
Als sie eines Morgens in der Bank unverhofft ihrer alten Liebe gegenübersteht, stockt Ruth für einen Moment der Atem. Ist das wirklich ihr Exfreund? In den letzten elf Jahren hat er sich augenscheinlich sehr verändert. Trotzdem ist da sofort wieder diese magische Anziehungskraft zwischen ihnen ...
Schlagartig erkennt die junge Frau, dass ihre Gefühle für Tim niemals ganz erloschen sind. Am liebsten würde sie sich sofort in seine starken Arme werfen. Und auch er scheint von ihrem Anblick hingerissen zu sein. Aber Ruth weiß, dass sie sich von ihm fernhalten muss. Tim hat sie schon einmal furchtbar verletzt, dieser Gefahr darf sie sich nicht noch einmal ausliefern. Ganz davon abgesehen, dass sie inzwischen anderweitig gebunden ist ...
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Seitenzahl: 120
Cover
Impressum
Diesmal für immer
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: solominviktor/shutterstock
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5715-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Diesmal für immer
Nach Jahren erwachte ihre Liebe neu
Vor elf Jahren standen Ruth und ihr damaliger Freund unmittelbar vor ihrer Hochzeit, doch kurz vor dem Trauungstermin erfuhr Ruth, dass Tim sie mehrfach mit unterschiedlichen Frauen betrogen hatte. Schmerzerfüllt löste sie damals die Verlobung und beendete die Beziehung.
Seitdem ist viel Zeit vergangen. Das Leben der Bankangestellten hat sich inzwischen sehr geändert, und sie ist überaus erfolgreich in ihrem Beruf. Doch noch immer sitzt der erlittene Verlust wie ein Stachel in ihrem Herzen.
Als sie eines Morgens in der Bank unverhofft ihrer alten Liebe gegenübersteht, stockt Ruth für einen Moment der Atem. Ist das wirklich ihr Exfreund? In den letzten elf Jahren hat er sich augenscheinlich sehr verändert. Trotzdem ist da sofort wieder diese magische Anziehungskraft zwischen ihnen …
Schlagartig erkennt die junge Frau, dass ihre Gefühle für Tim niemals ganz erloschen sind. Am liebsten würde sie sich sofort in seine starken Arme werfen. Und auch er scheint von ihrem Anblick hingerissen zu sein. Aber Ruth weiß, dass sie sich von ihm fernhalten muss. Tim hat sie schon einmal furchtbar verletzt, dieser Gefahr darf sie sich nicht noch einmal ausliefern. Ganz davon abgesehen, dass sie inzwischen anderweitig gebunden ist …
Für einen Augenblick erstarb jedes Geräusch in der mit Perserteppichen ausgelegten Empfangshalle der Bank. Es war, als hätte jemand den Lautstärke-Regler einfach nach unten geschoben.
Der grauhaarige Herr am Schalter zog irritiert die Augenbrauen nach oben. Seine Hand ruhte auf der goldenen Kreditkarte, die er gerade über den Tisch schieben wollte. Jetzt wirkte es, als sei er mitten in der Bewegung eingefroren.
Die junge Auszubildende mit dem Gesicht einer klassischen Schönheit starrte mit unverhohlener Neugierde an ihrem Kunden vorbei und zum Eingang hinüber. Und selbst die mit allen Wassern gewaschene Sekretärin des Bankenvorstands blieb unvermittelt stehen. Sie balancierte ein silbernes Tablett mit Espresso-Tassen in der Luft, aber der ungewöhnliche Anblick hatte auch sie jäh innehalten lassen.
Das Gespann, das soeben die honorige Münchner Privatbank betreten hatte, war eine kleine Sensation.
Es handelte sich um die siebzigjährige Aurelia, deren bürgerlicher Name eigentlich „Margarete Sophia Elisabeth von Herzogenaurach“ lautete. Aber diesen protzigen Namen verwendete sie schon lange nicht mehr. Er war nur noch bei förmlichen Anlässen wie dem heutigen nötig.
Aurelia hatte ihre adligen Wurzeln brutal gekappt. Seit vielen Jahrzehnten war sie als Schamanin und Seherin tätig. Ihre üppigen silbernen Locken flossen ihr wie ein glitzernder Wasserfall den schmalen Rücken hinab und endeten erst knapp unterhalb der Hüfte.
Sie steckte in einem Wildledermantel mit dickem Fell. Bunte Federn hingen ihr als Schmuck an den Ohren. Ihr Mund war weinrot geschminkt, die geheimnisvollen braunen Augen waren mit einem schwarzen Kohlestift dick umrandet. Sie wirkte wie eine alte, weise Indianerin. Es schien, als wäre sie aus einem Märchen entsprungen.
Im Schlepptau hatte sie einen jungen, etwas verschüchtert wirkenden Mann. Im Gegensatz zu ihr war er offenbar bemüht, kein Aufsehen zu erregen. Er trug schlichte Cordhosen, ein notdürftig gebügeltes Hemd und eine Wolljacke, die wohl schon drei, vier Winter mitgemacht hatte.
So oder so passten die beiden nicht hierher, und eilig trat ein Mitarbeiter der Bank zu ihnen.
„Meine Herrschaften …“ Der Mann bemühte sich, leise zu reden. „Sie haben sicherlich am Eingang überlesen, dass es sich hier um eine Privatbank handelt. Wir haben einen übersichtlichen, sehr ausgewählten Kundenstamm. Darf ich Sie beide deshalb zurück zum Ausgang begleiten?“
Ein erheiterter Ausdruck zauberte sich in das bleiche Gesicht der alten Seherin. Sie machte nicht die geringsten Anstalten, umzukehren.
„Herr Dr. Schikedanz erwartet mich“, sagte sie nur. „Margarete Sophia Elisabeth von Herzogenaurach ist mein Name.“
Nun entglitt dem voreiligen Mitarbeiter das Gesicht. Die Familie von Herzogenaurach war seit Jahrzehnten Stammkundschaft der Bank. Es handelte sich um alten Adel, der es dank kluger Investitionen geschafft hatte, den geerbten Reichtum zu vermehren. Auch wenn die Frau mit der grauen Mähne und dem Federschmuck am Ohr nicht gerade den Eindruck machte, in Geld zu schwimmen.
„Oh, verzeihen Sie, gnädige Frau!“ Die Stimme des Bankmitarbeiters sprang eine Oktave höher. Er deutete eine unterwürfige Verbeugung an. „Und Sie sind der Sohn der werten Frau Gräfin?“
„Bitte lassen Sie das Gräfin weg!“, wiegelte der junge Mann ab. „Sie kann das nicht leiden. Ich bin lediglich Aurelias Assistent. Tim Schneider ist mein Name.“
Mit betontem Übereifer führte der Mitarbeiter die beiden Herrschaften nun in das Privatbüro des Bankleiters Dr. Horst Schikedanz. In rauem Tonfall befahl er der Sekretärin, eine Karaffe Wasser zu bringen.
Als sie allein an dem wuchtigen Schreibtisch saßen, sahen Aurelia und Tim sich kopfschüttelnd an.
„Immer der gleiche Zirkus!“, seufzte Aurelia. „Kaum wittern sie Geld, wirst Du interessant. Ich bin froh, dass ich diesen versnobten Kreisen rechtzeitig Lebewohl gesagt habe! Wie schade, dass wir nun gezwungen sind, uns in diese erbärmliche Unterwelt der Reichen und Mächtigen hinabzubegeben!“
Tim musste lächeln. Es war immer wieder schwer vorstellbar für ihn, dass Aurelia aus einer Adelsfamilie stammte. Sie passte doch überhaupt nicht in dieses Milieu! Aber ein bisschen kannte er die Situation ja. Tims Eltern waren beide erfolgreiche Unternehmer, und sie hatten die Welt nicht mehr verstanden, als ihr einziger Sohn Yogalehrer geworden und auf einen schamanischen Einsiedlerhof gezogen war.
Jetzt wurde die schwere Eichenholztür aufgeschoben, und der glatzköpfige Herr Dr. Schikedanz schritt in den Raum. Sein Anzug war maßgeschneidert. Seine ganze Erscheinung strahlte Würde und Strenge aus. Er schüttelte beiden Kunden höflich die Hand und ließ sich dann in den wuchtigen Stuhl hinter dem Schreibtisch sinken.
Seine Augen überflogen die Unterlagen, die er sich bereits zurechtgelegt hatte. Eine steile Falte entstand auf seiner breiten Stirn.
„Meine liebe, werte Gräfin von Herzogenaurach …“, setzte er an.
Aurelia zog die Nase kraus.
„Herr Schikedanz, das hatten wir doch schon mal! Sie wissen, dass ich es vorziehe, bei meinem spirituellen Namen gerufen zu werden. Bitte nennen Sie mich einfach Aurelia. Und vermeiden Sie vor allem diesen albernen Titel!“
Unbeholfen räusperte sich der Bankenvorstand.
„Unabhängig davon, wie ich Sie nenne …“, murmelte er. „So kann ich Ihnen bereits jetzt sagen, dass wir Ihnen den Kredit leider nicht bewilligen können.“
Tim sah den übergewichtigen Bankenchef ungläubig an. Aurelia hatte klar vorausgesagt, dass sich die schweren finanziellen Nöte über kurz oder lang beseitigen ließen. Und jetzt wurde ihre Bitte nach einem Kredit einfach so abgelehnt? Sie brauchten Geld, sonst würden sie den Hof nicht halten können. Es musste sich also um einen Irrtum handeln …
Tim wollte protestierend das Wort ergreifen, aber Aurelia hob mahnend die Hand.
„Herr Schikedanz“, begann sie und ließ den Doktortitel extra weg. „Ich habe Ihnen die Situation doch ohne Rücksicht auf Verluste offengelegt. Hof Eichengrund hat über Jahre hinweg immer schwarze Zahlen geschrieben. Wir sind nun zum allerersten Mal seit der Eröffnung meines schamanischen Hofes ins Minus geraten. Vorausgegangen sind einige private Krisen, die ich zu bewältigen hatte.“
Sie seufzte leise.
„Erst sind meine Eltern hochbetagt gestorben. Ich musste beide pflegen, und es war mir ein Anliegen, bis zu ihrem Tod an ihrer Seite zu sein. Dann wurde ich selbst körperlich krank, und es hat Monate gedauert, bis ich wieder fähig war, anderen Menschen zu helfen. Geschweige denn, in die Zukunft zu blicken! Aber jetzt bin ich wieder bei bester Gesundheit.“
Aurelia lächelte ihrem Begleiter zu.
„Mein Mitarbeiter Tim und ich sehen dem kommenden Jahr zuversichtlich entgegen. Wir haben mehrere Schwitzhütten-Rituale im Programm, die bereits jetzt fast alle ausgebucht sind. Und auch drei Yoga-Workshops und zwei Rückführungsseminare haben lange Wartelisten vorzuweisen. Sie werden Ihr Geld mit Zins und Zinseszins zurückerhalten. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort!“
Unschlüssig sah Herr Dr. Schikedanz die Frau mit dem eindringlichen Blick an. Er nestelte unbehaglich an seiner Krawatte herum. Wenn man ihn fragte, gehörte dieser abtrünnigen Adligen ihr Titel aberkannt. Und sicherlich würde auch ein Termin bei einem Psychiater nicht schaden! Wie auch immer der junge Mann in die Fänge der Alten geraten war: Er sollte schnellstmöglich das Weite suchen.
„Wir haben keinen aussagekräftigen Businessplan von Ihnen vorliegen …“, wiegelte er sichtlich genervt ab. „Die Bank benötigt Sicherheiten. Ein ausgebuchtes Rückführungsseminar ist nichts, was der Vorstand gelten lässt. Was soll ein Rückführungsseminar überhaupt sein? Mir ist der Begriff nicht geläufig.“
In Schikedanz’ Stimme hatte sich ein Anflug von Aggression geschlichen. Zu seiner Überraschung übernahm nun der junge Mann das Wort. „Aurelia führt die Teilnehmer zurück in ihre früheren Leben“, erklärte er mit vollem Ernst. „Es ist eine Reise in die Vergangenheit. Unsere Erlebnisse aus anderen Leben können erklären, was es mit unserem heutigen Schicksal auf sich hat.“
Dr. Schikedanz starrte sein Gegenüber fassungslos an. Es fiel ihm schwer, höflich zu bleiben.
„Von welchen früheren Leben sprechen Sie da, bitteschön?“, fragte er trotzdem. Er würde dafür sorgen, dass diese sonderbare Frau aus dem Kundenstamm flog.
In dem Moment klopfte es energisch, und Ruth Randesacker betrat schwungvoll den Raum. Ein zufriedenes Grinsen zauberte sich in das verdrießliche Gesicht des Bankenvorstands. Begehrlich glitt sein Blick über ihre langen Beine.
Was hatten diese neunundzwanzigjährigen Frauen nur an sich, das ihn derart schwach werden ließ? Er zwang sich, Ruth ins Gesicht zu sehen.
„Frau Randesacker“, begrüßte er sie übertrieben distanziert. „Ich habe ganz vergessen, Ihre Unterlagen gegenzuzeichnen.“
Die junge Mitarbeiterin schob ihm den Vertrag über den Tisch, und wie zufällig berührten sich dabei ihre Hände. Dr. Schikedanz und Ruth Randesacker verband seit drei Monaten weitaus mehr als ein berufliches Verhältnis. Da Dr. Schikedanz verheiratet war, musste man die Art ihrer Beziehung wohl oder übel „heimliche Affäre“ nennen.
In der Bank wusste niemand von ihrer Liaison. Sie waren beide sehr diskret, und selbst Schikedanz’ Sekretärin war das Techtelmechtel verborgen geblieben.
Ruth Randesacker nahm das unterzeichnete Papier wieder an sich. Erst dann widmete sie den beiden anwesenden Kunden ihre Aufmerksamkeit. Ihr dezent geschminktes Gesicht schien ihr für einen Moment zu entgleiten.
„Tim?“, stotterte sie. Sie wurde blass. Es machte fast den Eindruck, als würde sie taumeln.
Fassungslos sah Tim zu ihr auf. Ruth trug beeindruckend hohe Schuhe zu einem perfekt sitzenden Kostüm. Wenn sie ihn nicht direkt angesprochen hätte, hätte er sie niemals wiedererkannt.
„Ruth?“ Er schüttelte verblüfft den Kopf. An keinem anderen Ort dieser Welt hätte er sie weniger erwartet.
„Ach, Sie beide kennen sich bereits?“ Herr Dr. Schikedanz sah misstrauisch von dem jungen Kunden zu seiner Geliebten hinüber. Die Art, wie die beiden sich anstarrten, gefiel ihm nicht.
Ruth nickte verlegen.
„Ja …“, gab sie zu. „Wir kennen uns in der Tat. Tim und ich waren vor vielen Jahren zusammen. Aber das ist sehr lange her. Eine Jugendliebe …“
„Wir haben uns elf Jahre nicht mehr gesehen“, rechnete Tim verblüfft nach. „Elf Jahre! Ruth, du hast dich unglaublich verändert!“
„Und du erst!“ Ruth sah ihren Exfreund kopfschüttelnd an. Wo war der karriereorientierte, smarte und immer leicht zynische Tim geblieben?
Aber auch ihn schien Ruths Entwicklung maßlos zu verwirren. Ruth stammte aus einem recht alternativen Elternhaus. Vater und Mutter hatten einen Bioladen und jede Menge glückliche Hühner gehabt.
In ihrer Jugend war Ruth gerne in selbst gestrickten Klamotten durch die Gegend geschwebt und hatte all ihre Energie der Friedensbewegung gewidmet. Und nun war sie allen Ernstes eine abgebrühte Bankkauffrau geworden?
Sichtlich verstört sahen die beiden sich an.
Herr Dr. Schikedanz räusperte sich vernehmlich. Er entschied, die Gunst der Stunde zu nutzen und die unrentablen Kunden geschickt loszuwerden.
„Frau Randesacker“, sagte er schneidend. „Unsere exzentrische Gräfin von Herzogenaurach hat um einen Kredit gebeten. Ich fürchte, dass unsere Bank nichts für sie tun kann. Aber vielleicht wollen Sie Hof Eichengrund selbst einmal einen Besuch abstatten? Womöglich können wir das Gebäude mit einer Hypothek belasten …“
Wie mechanisch nickte Ruth.
Eine angespannte Stimmung lag in der Luft. Es schien, als wären drei der vier Anwesenden mächtig voreinander auf der Lauer. Nur Aurelia grinste leise in sich hinein. Was sie soeben vor ihrem inneren Auge gesehen hatte, gefiel ihr!
***
„Ich weiß ja nicht, Alexandra! Am Ende verfahren wir uns und finden nie mehr nach München zurück. Irgendwann wird uns ein argloser Förster mumifiziert und mit leerem Tank auf einem einsamen Waldweg entdecken!“
Es sollte ein Scherz sein, aber Alexandra lachte nicht. Sie hatte keine Lust, jetzt schon wieder nach Hause zu fahren.
„Ach, Schatz …“, murmelte sie und legte ihre Hand zärtlich auf die von Stefan Frank. „Wir haben die ganze Woche so hart gearbeitet. Deine Praxis war wegen der vielen Grippefälle heillos überfüllt, und gegen Ende des Jahres scheint halb München bei mir noch rasch einen Sehtest machen zu wollen. Ich genieße es, ein bisschen aus der Stadt rauszukommen. Mir gefällt diese Überlandfahrt ins Ungewisse. Du weißt, ich bin eine Abenteurerin und lasse mich gerne vom Zufall leiten!“
Sie deutete nach links, und Dr. Stefan Frank trat auf die Bremse. Er lenkte das Auto ergeben auf den schlammigen Feldweg. Es gab einen Wegweiser, also würden sie schon nicht im Nirgendwo landen.
Der Weg mündete nach etlichen Kilometern in einen Wald, den sie zügig durchfuhren. Am Ausgang wurden sie tatsächlich mit einem recht ungewöhnlichen Anblick belohnt.
„Hof Eichengrund“, entzifferte Stefan das Holzschild am Eisengatter. „Also, das nenne ich mal ein märchenhaftes Anwesen. Ob überhaupt noch jemand hier wohnt? Das ist ja derart ab vom Schuss! Wahrscheinlich ist seit Jahren niemand mehr zufällig vorbeigekommen.“
Er parkte direkt vor dem schmiedeeisernen Tor. Es war fast gänzlich von Efeu umwuchert.
Neugierig stieg Alexandra aus. Sie betrachtete das verwinkelte Gebäude mit den zahlreichen Türmchen und Zinnen.
„Sieht aus wie ein altes Lustschloss …“, überlegte sie laut. „Schau mal, es brennt Licht. Soll ich mal klingeln?“
„Um Himmels willen, nein!“, bat Dr. Frank. „Wir können doch nicht wildfremde Menschen an einem Samstagnachmittag stören. Wer weiß, wer dort lebt. Am Ende irgendeine verrückte alte Hexe …“
Vorwurfsvoll sah Alexandra ihren Freund an. Als sich hinter ihnen jemand laut räusperte, zuckten sie beide erschrocken zusammen.
Aurelia war mit ihrer Hündin Leila aus dem Dickicht des Waldes getreten.
„Eine verrückte alte Hexe bin ich hoffentlich nicht“, sagte sie amüsiert. Sie öffnete das Tor und ließ ihren Hund frei laufen. „Aber ich arbeite als Schamanin und Seherin. Darf ich davon ausgehen, dass Sie aufgeschlossen sind? Oder soll ich besser nicht weiterreden?“
Dr. Frank und Alexandra wechselten einen vielsagenden Blick. Sie waren beide Schulmediziner. Natürlich waren sie aufgeschlossen, was alternative Heilmethoden betraf. Und speziell Stefan schwor auf die Kraft von heilenden Kräutern. Und dennoch hatten sie eine ausgeprägte Skepsis, was alles Übernatürliche betraf. Es wurde auf diesem Gebiet einfach zu viel Schindluder getrieben.