1,99 €
Ein Neuanfang in München-Grünwald - für Sarah Denker ist die Stelle als Betreuerin des siebenjährigen Ben eine Chance, die sie nicht verstreichen lassen will. Doch der Junge ist anspruchsvoll, seine Mutter, die ehrgeizige Juristin Charlotte, bleibt distanziert, und die ersten Wochen in der schicken Villa fordern Sarah mehr, als sie zugeben will. Als sie eines Nachts schlafwandelnd durch die Straßen irrt und vom charmanten Sanitäter Janosch aufgegriffen wird, gerät ihr Neuanfang ins Wanken. Janosch, der Sarah wegen ihrer langen schwarzen Haare und hellen Haut "Schneewittchen" nennt, sieht mehr als die gestresste junge Frau, die verzweifelt versucht, die Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Doch während er ihr helfen will, wird ihr nächtliches Wandeln zunehmend gefährlich - nicht nur für sie, sondern auch für den kleinen Ben, der ihr anvertraut wurde ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Nächtliche Spaziergänge
Vorschau
Impressum
Nächtliche Spaziergänge
Arztroman um eine Schlafwandlerin
Ein Neuanfang in München-Grünwald – für Sarah Denker ist die Stelle als Betreuerin des siebenjährigen Ben eine Chance, die sie nicht verstreichen lassen will. Doch der Junge ist anspruchsvoll, seine Mutter, die ehrgeizige Juristin Charlotte, bleibt distanziert, und die ersten Wochen in der schicken Villa fordern Sarah mehr, als sie zugeben will. Als sie eines Nachts schlafwandelnd durch die Straßen irrt und vom charmanten Sanitäter Janosch aufgegriffen wird, gerät ihr Neuanfang ins Wanken.
Janosch, der Sarah wegen ihrer langen schwarzen Haare und hellen Haut »Schneewittchen« nennt, sieht mehr als die gestresste junge Frau, die verzweifelt versucht, die Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Doch während er ihr helfen will, wird ihr nächtliches Wandeln zunehmend gefährlich – nicht nur für sie, sondern auch für den kleinen Ben, der ihr anvertraut wurde ...
Der Rasen war mit Weiß überzogen. Frost hatte sich auf alles gelegt, was sich nicht in Sicherheit hatte bringen können. Auch die Bäume hielten ihre kahlen Äste von sich gestreckt, als begutachteten sie, was die niedrigen Temperaturen mit ihnen angestellt hatten.
Sarah musste sich zusammenreißen, um nicht die Arme um ihren Oberkörper zu schlingen. Die Fahrt von ihrer Heimat Mittenwald nach Grünwald hatte ihre Glieder müde gemacht. Ein heißer Chai Latte wäre ihr zur Begrüßung lieber gewesen als eine spontane Besichtigungstour.
»Und das ist der Pool, der selbstverständlich in den Herbst- und Wintermonaten abgedeckt ist. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Sie mit Ben viel Spaß hier haben werden, sofern es wieder wärmer wird«, erklärte Frau Gmeiner gerade.
Charlotte Gmeiner war Sarahs neue Arbeitgeberin. Da sie als Juristin und alleinerziehende Mutter Probleme hatte, Arbeit und Familie miteinander zu vereinen, wagte sie es, eine Betreuung für ihren siebenjährigen Sohn Ben einzustellen. So hatte sie es ihrer neuen Angestellten erklärt.
Sarah hätte während ihres Vorstellungsgesprächs vor einem Monat gerne erwidert, dass es weniger mit einem Wagnis zu tun hätte, sondern vielmehr mit Geld, hatte diesen Kommentar jedoch hinuntergeschluckt. Es wäre kein guter Beginn ihrer Zusammenarbeit gewesen. Trotzdem konnte sie nicht anders, als mit einem feinen Hauch Neid auf ihre Arbeitgeberin zu blicken, die sich nicht nur eine Angestellte, sondern auch eine Villa im überdurchschnittlich teuren Grünwald leisten konnte. Die Kinder, die sie zuvor in einer Kindertagesstätte in Mittenwald betreut hatte, waren aus bescheideneren Verhältnissen gekommen. Auch deren Mütter waren bis an den Rand der Erschöpfung gegangen, um neben ihrer Familie weiter arbeiten zu können. Allerdings hatten sie nicht das Geld für eine private Betreuung aufbringen können.
»Schwimmt Ben gerne?«, fragte Sarah nach dem Jungen, der im Moment auf dem Geburtstag eines Klassenkameraden war.
»Oh, er ist eine richtige Wasserratte«, versicherte Charlotte lachend. »Kommen Sie. Ich zeige Ihnen, wo Sie wohnen werden.«
Frau Gmeiner hatte schon vor einem Monat erwähnt, dass Sarah ihr eigenes kleines Reich haben würde, um ihre Privatsphäre zu wahren. Als sie nun beobachtete, wie die Siebenundvierzigjährige auf einen Bungalow in Miniaturgröße zuging, blieb sie verwundert stehen.
»Da werde ich wohnen?«, fragte sie erstaunt und zeigte mit dem Finger auf das niedrige Haus.
Frau Gmeiner zog eine ihrer fein gezupften Augenbrauen in die Höhe.
»Im Poolhaus, ja«, antwortete sie unbeeindruckt.
Sarahs Herz vollführte einen Freudensprung in ihrer Brust, als sie sich wieder in Bewegung setzte. Fast war es, als vertrieb die Freude die Kälte aus ihrem Körper. Ihre Glieder fühlten sich weniger steif an. Mit jedem Schritt meldete sich auch wieder das Gerumpel der Rollen unter Sarahs riesigem Trolley.
Charlotte Gmeiner zog einen Schlüssel aus ihrer Manteltasche und steckte ihn ins Schloss. Mit einem Lächeln, das zu professionell wirkte, um echt zu sein, wandte sie sich zu ihrer Angestellten um und trat beiseite.
Nachdem sich Sarah mit einem Blick abgesichert hatte, trat sie vor. Und fand sich in einem mediterran anheimelnden Terrakotta-Traum wieder.
»Das ist wunderschön«, hauchte Sarah und kam sich gleich wie das kleine Mädchen vom Land vor, das sie auch war.
In diesem Moment schwor sie sich heimlich, ab sofort weniger überschwänglich zu reagieren. Ihre Chefin sollte nicht den Eindruck bekommen, eine Hinterwäldlerin engagiert zu haben.
»Dieses Haus ist Ihres, solange Sie bei mir beschäftigt sind«, erklärte Frau Gmeiner ihr. Dann hielt sie Sarah den Schlüssel fürs Haus hin und zog einen weiteren Schlüsselbund hervor. Mit schlanken manikürten Fingern löste sie zwei weitere Schlüssel daraus. »Dieser hier ist der Schlüssel für das Tor am Eingang. In der Regel schließe ich es aber nicht ab. Und dieser Schlüssel gehört zu unserem Haus. Damit haben Sie Tag und Nacht Zugang. Ich möchte Sie aber bitten, auch unsere Privatsphäre zu wahren.« Mit einem ernsten Blick legte sie die beiden Schlüssel in Sarahs Hand, die sofort nickte.
»Natürlich«, erklärte sie. »Sie werden nichts von mir mitbekommen, sobald mein Dienst beendet ist.«
»Na, so weit müssen wir nun nicht gehen«, wandte Frau Gmeiner ein. »Finden Sie sich selbst zurecht, Frau Denker?«
Sarah sah sich in dem offenen Wohnraum ihres neuen Zuhauses um.
»Bestimmt«, erwiderte sie lächelnd und freute sich schon insgeheim, sich mit ihrem Heim und der Umgebung vertraut zu machen. Außerdem brummte ihr Magen, da sie heute noch keinen Bissen hinunterbekommen hatte.
»Dann werde ich Sie nun allein lassen«, sagte Charlotte Gmeiner. »Ben wird bis sechs Uhr auf dem Geburtstag sein. Daher werde ich jetzt noch mal in die Kanzlei fahren. Ich würde mich freuen, wenn wir heute gemeinsam zu Abend essen könnten. So könnten Sie und Ben sich bereits ein wenig beschnuppern.«
Kaum hatte die elegante Juristin die Tür des Bungalows hinter sich zugezogen, ließ Sarah ihren Koffer los und zog den Reißverschluss ihres gefütterten Wintermantels auf. Sie wartete einen Moment. Dann, als sie sich ganz sicher war, dass ihre Chefin sich weit genug entfernt hatte, stieß sie einen Freudenschrei aus. Dieser Job war perfekt!
***
Über Grünwald hatte sich der eisige Hauch des Januars gelegt. Die Natur war wie erstarrt. Obwohl der Himmel in einem dunklen klaren Blau über dem Ort thronte, wagte sich niemand um diese späte Stunde hinaus. Nach und nach verblassten die Fenster, aus denen noch wenige Minuten zuvor warmes Licht gestrahlt hatte.
Einige Kilometer weiter verlief das nächtliche Leben Münchens wie zu jeder anderen Jahreszeit. Jedoch gingen in der Notrufzentrale außergewöhnlich viele Anrufe ein, die einen Unfall aufgrund von Glätte meldeten.
Kaum hatte Susanne aufgelegt, erhielt sie einen neuen Anruf. Routiniert meldete sie sich.
»Notrufzentrale. Was kann ich für Sie tun?«
»Bin ich da richtig bei der Notrufzentrale?«, meldete sich eine weibliche Stimme, die auf ein hohes Alter schließen ließ. Sie klang so brüchig wie gebrauchtes Backpapier.
»Das sind Sie«, antwortete Susanne geduldig. »Was kann ich denn für Sie tun?«
»Wissen Sie, ich weiß gar nicht, ob Sie der richtige Ansprechpartner sind. Man bekommt so was ja auch nicht alle Tage zu sehen«, erklärte sich die Frau. Sie hatte einen großmütterlichen Ton angenommen, der verriet, dass sich die Dame gerne zum Plausch mit anderen traf.
»Wie kann ich Ihnen denn helfen?«, hakte Susanne nach, um das Geplänkel zu verkürzen. Sie hätte sich gerne mit der Frau unterhalten, aber sie wollte die Leitung nicht länger als nötig blockieren.
»Ich habe gerade eine Gestalt gesehen«, sagte die Ältere nun.
»Eine Gestalt?«, wunderte sich Susanne, die gleich der Verdacht beschlich, dass es sich bei ihrer Gesprächspartnerin um eine Patientin mit Demenz handelte. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Anrufe bekommen hatte, die an einen schlechten Scherz erinnerten.
»Ja, wie aus diesen Gruselfilmen, wissen Sie. In einem langen weißen Gewand. Mit ganz schwarzen Haaren. Sie lief auch so merkwürdig. Als würde sie Gespenst spielen. Das kam mir doch reichlich merkwürdig vor.« Die Frau beendete ihre Erzählung und wartete nun auf eine Reaktion.
Susanne atmete tief durch. Obwohl sie gerne erfahren hätte, ob die Anruferin in ihrem Alter noch Gruselfilme schaute, konzentrierte sie sich auf ihre Aufgabe.
»Wo haben Sie diese Gestalt denn gesehen?«, fragte sie.
»Na, hier in Grünwald. Ich wohne ja hier am Waldrand, wissen Sie. Da bekommt man das natürlich schnell mit, wenn da mal was los ist auf der Straße.«
»Könnten Sie mir bitte den genauen Standort sagen, Frau...«, unterbrach Susanne die rege Anruferin.
»Köhler«, antwortete diese, »Ulrike Köhler. Ich wohne in der Hubertusstraße.«
»Frau Köhler, bitte sagen Sie mir doch mal genau, was Sie beobachtet haben.«
»Also, ich wollte gerade ins Bett gehen und da schau ich immer mal noch aus dem Fenster, wenn ich daran vorbeigehe, wissen Sie. Und da habe ich diese Gestalt gesehen. Richtig schaurig. Ging an meinem Haus vorbei und schlurfte dabei, als hätte ihr niemand beigebracht, die Füße zu heben. Also zu meiner Zeit hätte es das nicht gegeben. Das wusste man, was sich gehörte.« Susanne hörte geduldig zu und fragte sich nun langsam, ob der Anruferin nicht lediglich einsam zumute gewesen war. »Na ja, dann schlich sie in den Wald, wo sie zwischen den Bäumen verschwunden ist.«
»Können Sie sagen, ob die Person verletzt war?«, fragte Susanne.
Sie blickte auf die große Wanduhr hinter sich. Sie hatte noch sieben Stunden vor sich. Hoffentlich würde der Rest der Nacht nicht ebenso verrückt werden.
»So sah sie eigentlich nicht aus«, antwortete die Frau überraschend knapp.
»Ich werde einen Wagen vorbeischicken, der sich der Sache annimmt. Vielen Dank für den Hinweis, Frau Köhler.«
»Schönen Dank«, erwiderte die ältere Dame. »Auf Wiederhören.«
»Susanne?«, rief da plötzlich ihr Kollege Ferdinand zu ihr hinüber, nachdem sie aufgelegt hatte. »Hast du auch gerade einen Anruf über so eine Gruselfigur erhalten?«
Erstaunt sah sie auf.
»Eine Gestalt in einem weißen Gewand?«, hakte sie nach.
»Am Ortsrand von Grünwald, genau«, sicherte er ihr zu.
»Ich schick einen Wagen hin«, meinte sie. »Die sollen sich das mal ansehen. Vielleicht ist die Person verwirrt.«
»Wahrscheinlich kann sich da jemand nicht von Halloween verabschieden«, scherzte Ferdinand. »Die Welt wird immer verrückter.«
Als zwanzig Minuten später die Sanitäter Janosch und Nathan eintrafen, fanden sie die Straße verlassen vor. Kein Licht brannte in den Häusern. Nur die Straßenlaternen warfen einen Schimmer in die Nacht, der der Dunkelheit nichts anhaben konnte.
»Beim nächsten Mal können sie ruhig die Polizei informieren«, beschwerte sich Nathan, der gerade wieder in den Rettungswagen stieg. »Für solche Scherze haben wir keine Zeit.«
»Na ja, ist mal was anderes«, befand Janosch kauend. Mit einem letzten Bissen vertilgte er das Sandwich, das sein Kollege ihm von zu Hause mitgebracht hatte. »So ein bisschen Horrorfilmfeeling bringt wenigstens mal Abwechslung in die Arbeit.«
***
»Jetzt hört sich einer das mal an«, staunte Alexandra, deren lockiges Haupt über der lokalen Tageszeitung gebeugt war. »In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde in Grünwald gleich von mehreren Anwohnern eine Gestalt in einem weißen Gewand gesichtet. Laut Augenzeugen handelte es sich um eine nicht näher definierbare Figur mit langen schwarzen Haaren, die zunächst auf der Hubertusstraße wandelte und schließlich im Wald verschwand. Eine Anwohnerin war sich sicher, dass die Person ein Nachahmungstäter sogenannter Horrorclowns war. Das Phänomen des Horrorclowns stammt ursprünglich aus den USA. Dabei handelt es sich um Menschen in Kostümen, die beabsichtigen, Passanten zu erschrecken. Seit Jahrzehnten treten immer wieder Beobachtungen auf. Auch in Deutschland gab es bereits Sichtungen. So wurden allein von Oktober bis November im Jahre zweitausendsechszehn über vierhundert Fälle registriert.«
Stefan Frank setzte sich zu seiner Freundin an den Frühstückstisch. Seine gute Seele, Frau Quandt, hatte frische Brötchen vom Bäcker mitgebracht, von denen ein herzhaftes Aroma ausging.
»Meinst du nicht auch, dass die Zeitung mal wieder vorschnell urteilt?«, warf er ein und nahm sich eines der warmen Semmeln.
»Wissen Sie, die Ulrike Köhler hat mir heute Morgen erzählt, dass sie diese Gestalt auch gesehen hat«, meldete sich nun Frau Quandt zu Wort.
Da sie sich in den letzten Tagen um ihren Mann hatte kümmert müssen, hatte sie vorgeschlagen, ihre Arbeit am Samstag nachzuholen. Stefan hätte es nichts ausgemacht, wenn sie erst am Montag wiedergekommen wäre. Doch seine Haushälterin hatte ihm versichert, verrückt zu werden, wenn sie auch nur einen weiteren Tag mit ihrem erkälteten Gatten hätte verbringen müssen.
»Na ja, die Ulrike ist aber auch ...« Alexa stoppte, da sie nach den richtigen Worten suchte. Sie wusste, dass Frau Quandt mit vielen Bewohnern Grünwalds befreundet war. Daher wollte sie nichts Falsches sagen.
»Frau Köhler liebt die Sensation«, half Stefan und grinste seine Lebenspartnerin verschmitzt über den Tisch an. Stumm bildete diese mit ihren Lippen das Wort Danke.
»Also wenn die Ulrike eine Horrorfigur gesehen hat, dann glaub ich das auch«, hielt die Haushälterin zu ihrer alten Freundin. »Warum sollte sie sich denn so was auch ausdenken? Außerdem hat der Eberhard was Ähnliches gesehen.«
Alexa legte die Zeitung beiseite. Auch sie nahm sich eines der Brötchen. Hastig schnitt sie es auf und butterte es. Den Klecks Marmelade, den sie darauf verteilte, konnte ohne Bedenken als großzügig bezeichnet werden. Stefan musste lächeln. Er wusste, wie sehr Alexa Süßes zum Frühstück mochte. Umso schöner war es, sie dabei zu beobachten, wie sehr sie das Frühstück genoss.
»Setzen Sie sich doch zu uns, Frau Quandt«, bot er seiner Haushälterin an, die schon dabei war, die Küche aufzuräumen.
»Ich habe schon gefrühstückt. Danke, Herr Doktor«, lehnte sie freundlich ab, schloss die Tür der Spülmaschine und verschwand schließlich in Richtung Badezimmer.
»Glaubst du, dass sich da jemand einen makabren Scherz erlaubt?«, wandte sich Alexa nun mit leiser Stimme an ihren Freund.
»Weißt du, ich glaube, dass da wirklich jemand nachts in Grünwald unterwegs war. Allerdings bin ich vorsichtig mit vorschnellen Interpretationen. Vielleicht lässt sich auch eine harmlose Erklärung finden«, gab Stefan zu bedenken.
Dann biss er in eine belegte Brötchenhälfte und ließ sich das Aroma des frischen Goudas auf der Zunge zergehen. Manchmal war es ihm, als wenn er nichts anderes brauchte. Frühstück, Zeit, ein unterhaltsames Thema und Alexa, die Frau, die sein Leben seit einigen Jahren versüßte. Er war der reichste Mann der Welt.
***
Sarahs Aufwachen glich einem Albtraum. Es war der Stoff, aus dem Horrorfilme gemacht waren. Kaum hatte sie die Decke ihres bequemen Betts zurückgeschlagen, sog sie scharf die Luft ein. Zunächst verharrte sie auf der Stelle, löste sich jedoch schnell aus ihrer Starre und sprang aus dem Bett, als räkelten sich Schlangen darin. Doch statt wegzulaufen, warf sie die Bettdecke auf den Boden und begann hastig, das Laken von der Matratze abzuziehen. Das blütenweiße Laken, auf dem Erdflecken auf der Höhe ihrer Füße prangten. Es war nicht nötig, sich die Fußsohlen anzusehen. Sie wusste, was sie finden würde.
Schnell knüllte sie das Laken zusammen und lief damit ins Badezimmer, wo eine Waschmaschine stand. Bevor sie die Maschine anstellte, vergewisserte sie sich, ob ihre Bettdecke sauber geblieben war. Um kein Risiko einzugehen, zog sie den Bezug ebenfalls ab und stopfte ihn zu dem Laken in die Maschine. Erst als sie das Drehen der Trommel vernahm, beruhigte sie sich etwas.
Es war acht Uhr, als sie das Haus der Gmeiners betrat. Am Wochenende hatte sie für gewöhnlich frei, aber sie hatte mit ihrer Arbeitgeberin besprochen, diesen Samstag zu nutzen, um Ben ein wenig kennenzulernen. Am Vorabend war der Kleine so vereinnahmt von dem Geburtstag gewesen, dass das gesamte Gespräch während des Abendessens von Geschenken und Spielen gehandelt hatte.
»Guten Morgen, Sarah«, rief Charlotte ihr zu, während sie bereits in der Küche stand und frische Brötchen in einen Korb legte.