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Chris will die Auszeit an der Nordsee nutzen, um über seine Ex hinwegzukommen. Als er eine Einladung von einer Fremden erhält, muss er sich entscheiden, ob er für einen Neuanfang bereit ist. »Der Aussichtsturm. Bei Mondaufgang.« Mehr erfährt er nicht. Unsicher, was ihn erwartet, macht er sich auf den Weg und begegnet seinem Mondmädchen. Sie verführt ihn mitten in den Dünen. Dann bricht sie in Tränen aus. Hat er sie missverstanden? Oder verbirgt sie etwas vor ihm?
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1. Auflage, Dezember 2023
© Talea Winther
www.talea-winther.de
Talea Winther
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70736 Fellbach
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.
Als Kind wäre Talea Winther gerne Tänzerin geworden. Stattdessen führte ihr Weg sie in die Biologie und die Welt der Bücher. Alles drei vereint sie in ihren erotischen Erzählungen, in denen sie Emotionen, geheime Begierden und ungewöhnliche Begegnungen mit Natur, Technik und Abenteuern vermischt. Sie liebt es, das Besondere im Alltäglichen zu sehen und für ihre Leser lebendig werden zu lassen.
Seit einigen Jahren lebt Talea Winther als Biologin und Autorin in Niedersachsen. Neue Inspiration sammelt sie bei Spaziergängen an der Nordseeküste sowie Trips in die Altstädte Europas.
Entdecke mehr unter www.talea-winther.de
Vor mir lag ein saftiges Steak. Der Duft des Fleischs stieg mir in die Nase, verdrängte beinahe alle Gedanken an zu Hause. Meine Arbeit, die Aufgaben und Pflichten, die mich erwarteten, sobald ich zurückkehrte.
Mir zuckte es in den Fingern, das erste Stück abzuschneiden und mir auf die Zunge zu legen, doch ich tat es nicht. Wieder griff die Unruhe nach mir, zerrte mich gedanklich aus dem Lokal.
»Mach Urlaub«, hatte mein bester Kumpel Seb gesagt. »Die Seeluft wird dich ablenken und dir neue Perspektiven schenken.« Von wegen. Jetzt war ich hier, hatte mir ein sündhaft teures Steak bestellt und bekam keinen Bissen herunter. Reine Verschwendung.
Eine der blonden Kellnerinnen in ihren schwarzen Schürzen kam zu mir an den Tisch gesprintet. »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte sie und betrachtete den unangetasteten Teller vor mir. Ihr Blick huschte zu mir, wobei die Wimpern ihrer rehbraunen Augen unsicher flackerten, während ihre Brust sich schnell hob und senkte.
Um sie nicht weiter aus der Fassung zu bringen, nickte ich. »Alles gut.« Dabei war nichts gut. Mein Leben lief aus dem Ruder. Nichts passte mehr, seit Moreen mich verlassen hatte.
»Du hast nur die Arbeit im Kopf, Chris«, hatte sie gesagt, die Tür hinter sich zugezogen und war verschwunden. In einer Novembernacht im letzten Jahr, einfach so, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Und ich? Ich hatte nicht einmal von meinem Rechner aufgesehen, hatte nur auf die bunten Buchstaben und Zeichen der Entwicklungsumgebung gestarrt. Jetzt bereute ich es. Sie war eine nette Frau und hatte es nicht verdient, von mir derart ignoriert zu werden. Trotzdem ließ mich ihr Verschwinden kalt. Wie eine Methode, die aus meinem Programm verschwand, weil ich sie nicht mehr brauchte. Dafür stürmten in meinem Inneren Fehlermeldungen auf mich ein. Eine Nullpointer-Exception nach der anderen flog mir um die Ohren. Kalt. Nichts. Leer. Null.
Meine Kreativität war am Ende und damit auch die Ideen für die Software.
Moreen hatte recht. Ich hatte nur die Arbeit im Kopf und darüber hinaus alles vergessen, was es um mich herum gab. Vor der Abfahrt hatte ich mir vorgenommen, mehr auf meine Umgebung zu achten. Darum ließ ich meine Gedanken zurück zu der jungen Kellnerin schweifen.
Für einen Moment stand sie da, ohne sich zu bewegen. Beinahe wie Moreen, wenn ich sie vor dem Schlafengehen aus Versehen berührte. Im Gegensatz zu Moreen wich aus der Kellnerin die Anspannung, sobald sie meinem Blick begegnete. Ihre Schultern senkten sich und ihr Atem beruhigte sich. Sie wirkte zwar weiterhin irritiert, beließ es aber bei ihrer Frage und wandte sich den anderen Gästen zu.
Wieder allein nahm ich die Gabel und das Messer in die Hände. Das Essen sah gut aus und roch verlockend. Aber es ging nicht. Genervt schob ich den Teller von mir. Schloss für einen Moment die Augen und versuchte, meine Gedanken zu beruhigen. Immer wieder kehrten sie zu dem Projekt zurück, das ich halbfertig zu Hause gelassen hatte. Wenn ich nicht bald neue Ansätze fand, würde dies das letzte Steak sein, das ich für lange Zeit zu Gesicht bekommen würde. Oder ich sollte wieder als Angestellter arbeiten … Vielleicht keine schlechte Idee.
Was soll ich sagen? Ich rührte mich nicht. Stattdessen nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Eine Frau kam auf meinen Tisch zu. Vermutlich, um sich an der Schlange vorbei zu drängen, die sich vor der Salatbar gebildet hatte. Sie war hübsch. Stupsnase, hellblonde Haare, die ihr offen über den Rücken fielen. Außerdem ein Lächeln auf den Lippen, das in meinem Herzen ein Zahnrad dazu brachte, sich wieder zu bewegen. Langsam glitt mein Blick tiefer. Der Ausschnitt ihres roten Kleids lief V-förmig zu ihren Brüsten aus. Weich und wohlgeformt wirkten sie. Zum Anschmiegen genau richtig.
Wie lange habe ich es vermieden, Moreen so anzusehen? Schon seit Monaten war unsere Beziehung nur eine Fassade. Das Geld hielt sie bei mir. Für mich war sie wohl auch nur noch eine Haushälterin. Umso erstaunter war ich, dass Moreen durch meine Gedanken spukte und es eine Fremde schaffte, meine Aufmerksamkeit zu fesseln.
Unsere Blicke trafen sich für den Bruchteil eines Atemzugs. Schnell wandte ich mich ab. Überlegte, mich doch dem erkaltenden Steak zu widmen. Solange ich nicht bereit war, mich zu ändern, würde ich niemandem guttun. Außerdem wäre eine neue Beziehung Gift für meine Arbeit.
Da ließ ich endlich das Messer durch das Fleisch gleiten. Ich hielt den Blick auf den Teller gesenkt, um ihr klar zu machen, dass ich nicht interessiert war – auch wenn es unwahrscheinlich war, dass sie überhaupt Interesse an mir zeigen könnte.
Aber die Unbekannte war nicht auf dem Weg zur Toilette, wie ich vermutet hatte, sondern sie steuerte geradewegs auf meinen Tisch zu. Sie blieb vor mir stehen, wartete, bis ich zu ihr aufsah und sagte dann: »Du siehst aus, als könntest du Ablenkung gebrauchen.« Sie deutete auf den freien Platz neben mir. »Darf ich?«
Verwundert ließ ich das Besteck sinken. Erst nach einigen Atemzügen wurde mir bewusst, dass sie auf eine Antwort wartete. »Bitte«, flüsterte ich mit belegter Stimme. Träumte ich?
»Wir haben etwas gemeinsam.« Mit einem Zwinkern deutete sie auf das Stück Fleisch vor mir.
Diese Begegnung war mir suspekt. Ihr Aussehen gefiel mir. Auch ihre Art, mich anzusprechen. Aber die Rätsel in ihren Worten ließen mich die Augenbrauen heben. »Wie bitte?«
»Nun, jemand, der ein gutes Stück Fleisch verschmäht, der muss ein noch besseres in Aussicht haben.«
Ich lehnte mich zurück und sah sie direkt an. Ihre Worte verstand ich nicht. Allmählich fühlte ich mich unwohl, wollte beinahe die Kellnerin heranwinken, um zu bezahlen.
Da beugte sie sich über den Tisch zu mir vor: »Wenn ich dir einen Rat geben darf: Iss auf. Du wirst heute Nacht deine Kraft brauchen.