Florida Killings: Sengender Verrat - John Lutz - E-Book
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Florida Killings: Sengender Verrat E-Book

John Lutz

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Beschreibung

Die dunkle Farbe der Rache: Der packende Amerika-Thriller »Florida Killings: Sengender Verrat« von John Lutz jetzt als eBook bei dotbooks. Als der New Yorker Geschäftsmann Bob Ghostly den Privatermittler und Ex-Cop Fred Carver damit beauftragt, seine vermisste Ehefrau zu finden, glaubt dieser zunächst an einen Routinefall. Doch Ghostlys Erzählung einer schönen Frau, die ohne jeden ersichtlichen Grund geflohen ist, erweckt Zweifel in Carver – und schon bald muss er erkennen, dass das Ehepaar von Drogenmissbrauch und Geldgier auseinandergetrieben wurde. Doch als die junge Frau, verstört und verängstigt, auf Carvers Schwelle auftaucht, hat sie eine noch viel abgründigere Version der Geschichte auf Lager. Der Privatdetektiv fasst sich ein Herz und verspricht, für Gerechtigkeit zu sorgen – ein schwerer Fehler, den er schon bald bitter bereuen wird … »Lutz hat nie besser geschrieben.« USA Today Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Hardboiled-Krimi »Florida Killings: Sengender Verrat« von Bestsellerautor John Lutz ist der abgründige vierte Band seiner Reihe um den Privatermittler Fred Carver, der in der brutalen Hitze des Sunshine State ermittelt – preisgekrönte Spannung für alle Fans von Michael Connelly! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 310

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Lesetipps

Über dieses Buch:

Als der New Yorker Geschäftsmann Bob Ghostly den Privatermittler und Ex-Cop Fred Carver damit beauftragt, seine vermisste Ehefrau zu finden, glaubt dieser zunächst an einen Routinefall. Doch Ghostlys Erzählung einer schönen Frau, die ohne jeden ersichtlichen Grund geflohen ist, erweckt Zweifel in Carver – und schon bald muss er erkennen, dass das Ehepaar von Drogenmissbrauch und Geldgier auseinandergetrieben wurde. Doch als die junge Frau, verstört und verängstigt, auf Carvers Schwelle auftaucht, hat sie eine noch viel abgründigere Version der Geschichte auf Lager. Der Privatdetektiv fasst sich ein Herz und verspricht, für Gerechtigkeit zu sorgen – ein schwerer Fehler, den er schon bald bitter bereuen wird …

Über den Autor:

John Lutz (1939–2021) war ein US-amerikanischer Autor von über 50 Thriller und Romanen. Er wurde für seine Kriminalromane mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Shamus Lifetime Achievement Award und dem Edgar-Allan-Poe-Award, dem wichtigsten Spannungspreis Amerikas. Mehrere seiner Werke wurden verfilmt.

Die Website des Autors: www.johnlutzonline.com/

Der Autor bei Facebook: www.facebook.com/JohnLutzAuthor/

Bei dotbooks veröffentlichte der Autor die folgenden eBooks:

Die Missouri-Murders-Reihe um den Privatdetektiv Alo Nudger:

»Missouri Murders: Schwarze Nacht«

»Missouri Murders: Kaltes Schweigen«

»Missouri Murders: Tiefe Schatten«

»Missouri Murders: Harte Strafe«

»Missouri Murders: Fatale Schuld«

Die Florida-Killings-Reihe um den Ex-Cop Fred Carver:

»Florida Killings: Brennende Rache«

»Florida Killings: Roter Tod«

»Florida Killings: Kaltes Feuer«

»Florida Killings: Sengender Verrat«

»Florida Killings: Lodernder Zorn«

Seine Frank-Quinn-Reihe um einen Ex-Cop auf der Spur von Serienkillern:

»Opferschrei«

»Blutschrei«

»Zornesschrei«

»Jagdschrei

Außerdem veröffentlichte der Autor bei dotbooks den Psychothriller »Die Stalkerin«.

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eBook-Neuausgabe Juli 2024

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1991 unter dem Originaltitel »Bloodfire« bei Henri Holt, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1992 unter dem Titel »Feuer im Blut« im Goldmann Verlag.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1991 by John Lutz

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1992 by Wilhelm Goldmann Verlag, München

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/OSTILL is Franck Camhi, Christi Blokhin

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98952-285-5

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. In diesem eBook begegnen Sie daher möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Diese Fiktion spiegelt nicht automatisch die Überzeugungen des Verlags wider oder die heutige Überzeugung der Autorinnen und Autoren, da sich diese seit der Erstveröffentlichung verändert haben können. Es ist außerdem möglich, dass dieses eBook Themenschilderungen enthält, die als belastend oder triggernd empfunden werden können. Bei genaueren Fragen zum Inhalt wenden Sie sich bitte an [email protected].

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John Lutz

Florida Killings:Sengender Verrat

Ein Fred-Carver-Thriller 4

Aus dem Amerikanischen von Ulrich Hoffmann

dotbooks.

Für Ben

Thus at the flaming forge of life

Our fortunes must be wrought;

Thus on its sounding anvil shaped

Each burning deed and thought.

– Longfellow

The Village Blacksmith

It is not in our power to love or hate

For will in us is over-rul’d by fate.

– Marlowe

Hero and Leander

Kapitel 1

Die Wellen rauschten, und die Strömung trug ihn in Richtung Küste. Carver spürte, wie der Auftrieb abnahm. Sein Körper schien schwerer zu werden. Finger und Zehen berührten groben Sand und zermahlene Muschelschalen. Die Wellen verliefen sich auf dem flachen Strand, das Wasser schäumte um seinen plötzlich träge und steif wirkenden Körper. Carver zog sein steifes Bein nach und schob sich durch das seichte Wasser auf den Strand.

Kaum reckte er sich aus dem erfrischenden Naß, brannte die Sonne Floridas gnadenlos auf ihn herunter, und auf seinen Schultern und im Nacken mischte sich Schweiß mit dem Salzwasser. Carver hatte keine Angst, einen Sonnenbrand zu bekommen; von seinen allmorgendlichen therapeutischen Schwimmübungen war seine Haut bereits tiefbraun.

Durch das flache Wasser robbte er auf die Stelle zu, wo er seinen Stock wie einen Speer in den Sand gebohrt hatte. Er hievte sich aus dem Wasser, nahm sein Handtuch und schüttelte den Sand in die heiße Morgenluft. Rubbelte sein Gesicht und den kahl werdenden Schädel mit dem rauhen Stoff trocken. Setzte sich in den warmen Sand, das steife Bein vor sich ausgestreckt, und sah aufs Meer hinaus. Weit draußen lag ein riesengroßer Frachter. Vor dem dunstig blauen Horizont sah er beinahe aus wie eine Insel – daß er in Richtung Norden fuhr, war nur mit Mühe zu ahnen. Näher an der Küste waren etliche weiße Dreiecke zu sehen: Segel, die alle in exakt demselben Winkel im Wind lagen. Ein paar Möwen flogen umher, dunkle Flecken am strahlendhellen Himmel, sie wurden vom warmen Wind auf und ab getragen.

Carver sah gern aufs Meer hinaus; er saß ruhig da und lauschte dem jahrtausendealten Rhythmus der sich brechenden Wellen, während er den Fischgestank lebender und toter Dinge einatmete, die das Meer hervorgebracht hatte und sich nun wieder einverleibte. Zwischen dem Rauschen der Wellen, dem jedes Mal lauter werdenden Auflaufen und dem leiseren Ablaufen des Wassers, drangen manchmal gedämpfte Rufe zu ihm herüber; schon so früh am Tag trieben sich braungebrannte Sonnenanbeter auf dem öffentlichen Strand herum, der nur ein paar hundert Meter weiter rechts begann, wo sich die Küste von seiner Strandhütte und dem dazugehörigen Stückchen privatem Sand abzuwenden schien.

Nur ein winziger Teil des öffentlichen Strandes war noch im Blickfeld. Carver sah, wie sich ein schlankes junges Mädchen in einem weißen Einteiler in die Fluten stürzte und dann erschreckt herumhüpfte, als stünde das Wasser unter Strom. Sie rief irgendjemandem am Strand etwas zu, schüttelte ihr langes blondes Haar und rannte aus der Reichweite der Wellen und Carvers Sicht hinaus hinter die Biegung der Küste. Carver hörte noch einen Ruf. Dann Gelächter.

Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Ein Mann kam vom öffentlichen Strand auf ihn zu.

Carver beugte seinen Kopf ganz leicht nach vorn und sah weiterhin aufs Meer, so als habe er den Eindringling gar nicht wahrgenommen. Der Mann wirkte normal groß und schwer, schien aber ungewöhnlich muskulös zu sein. Er war gleichmäßig gebräunt, als würde er viel Zeit im Freien verbringen, und hatte eine rote Badehose an, die seinen flachen Bauch betonte. In der rechten Hand trug er ein zusammengefaltetes weißes Handtuch. An den Absätzen seiner Strandschlappen bildeten sich bei jedem Schritt kleine Sandfähnchen.

Carver nahm an, daß er vorbeigehen würde, um zu dem Steinstrand auf der linken Seite zu gelangen, der allerdings zu ungemütlich zum Schwimmen oder Sonnenbaden war. Er saß da und hörte auf die leisen Geräusche der Schritte im Sand, als der Mann hinter ihm war.

Das Rieseln des Sandes, das bei jedem Schritt zu hören war, hörte auf. Der Mann war hinter ihm stehengeblieben.

Carver sah sich um. Der Mann blickte auf ihn herunter. Er war vielleicht vierzig, aber noch gut in Schuß. Die Bräune wirkte schon fast zu gleichmäßig, so, als hätte er mit Sonnenstudiobesuchen nachgeholfen. Auf eine düstere, klassische Art sah er gut aus, obwohl sein gewelltes schwarzes Haar schon grau wurde. Eine der buschigen dunklen Augenbrauen saß höher als die andere. Jetzt kroch sie noch höher auf die Stirn hinauf, was ihm einen hochmütigen, amüsierten Ausdruck verlieh, als würde er in einer Welt voller Mittelmaß leben und seine Mitmenschen mit Geringschätzung zur Kenntnis nehmen. Er hatte braune Augen und präsentierte perfekte Zähne, als er lächelnd sagte: »Gut geschwommen?«

»Wie immer«, antwortete Carver und starrte weiterhin auf die See hinaus, während er darauf wartete, daß der Mann weiterging.

Stattdessen kam er um Carver herum und blickte auch aufs Meer. Sogar seine Art zu stehen, wirkte hochmütig.

Carver hatte keine Lust, Konversation zu machen. »Das ist ’n Privatstrand«, sagte er freundlich. »Aber ich hab’ nichts dagegen, wenn Sie ihn als Abkürzung benutzen.«

»Sie sind nicht gerade höflich«, sagte der Mann, drehte sich aber nicht um. »Auf diese Art werden Sie die Klienten verschrecken.«

»Klienten?«

Jetzt wandte er sich um und wiederholte diese großkotzig-amüsierte Sache mit seiner Augenbraue: Carver war seine Zeit kaum wert, trotzdem stand er hier, und Carver war ziemlich dämlich, wenn er sich darüber nicht freute. »Sie sind Privatdetektiv, nicht wahr, Mr. Carver?«

»Ja. Mein Büro ist in der Stadt, in der Magellan Avenue, genau gegenüber vom Rathaus.«

»Machen Sie nur dort Geschäfte?«

»Nein«, antwortete Carver, weil er befand, daß er sich wie ein stures Arschloch benahm, obwohl das völlig unnötig war. Sagte Edwina ihm nicht dauernd, er wäre zu zynisch? Daß er das Leben gar nicht mögen wollte? Er packte seinen Stock auf halber Höhe und stemmte sich hoch. Sah dem Mann in die Augen, lächelte freundlich und fragte: »Sind Sie ein Klient?«

»Ich könnte einer werden, wenn Sie den Fall übernehmen.« Er streckte seine rechte Hand aus. »Ich bin Bob Ghostly.«

Carver gab ihm die Hand. Der Griff des Mannes war kraftvoll und trocken, und irgendwo schien noch ein wenig verborgene Energie zu lauern. »Meinen Namen kennen Sie ja schon.«

»Den Vornamen nicht.«

»Fred«, sagte Carver und fragte sich, weshalb ein potentieller Klient seinen Vornamen wissen wollte. »Aber normalerweise nennen mich alle einfach Carver.«

»In Ordnung, Carver.« Schon wieder dieses leutselige Lächeln, diesmal gepaart mit der Geringschätzung der hochgezogenen Augenbraue. »Wollen Sie wissen, worum es geht?«

»Gehen wir ins Haus«, sagte Carver. »Dort ist’s kühler. Und ich würde gern ein Bier trinken.«

»Klingt gut.«

Carver klemmte sich sein Badetuch unter den Arm und ging über den leicht ansteigenden Strand voraus zu seinem niedrigen Haus mit dem flachen Schindeldach. Er mußte aufpassen, daß er seinen Stock in dem weichen Sand ordentlich aufsetzte, bevor er sein Gewicht darauf stützte. Er konnte den leisen, gleichmäßigen Gang des Mannes hinter sich hören, ab und zu auch den rieselnden Sand und die klatschenden Gummisohlen. Ghostly blieb ein Stück zurück, als wollte er Carver keinesfalls durch die Tatsache verärgern, daß er zwei starke und gesunde Beine hatte. Vielleicht kam es Carver auch nur so vor, weil sein Selbstmitleid alle Wahrnehmungen überlagerte. Darauf mußte er mal achten.

Er zog die Fliegentür auf und trat zur Seite, damit Ghostly zuerst hineingehen konnte. Er folgte ihm und ließ die Tür hinter sich zufallen. Das Knallen von Holz auf Holz hallte wider und verlor sich dann im Hintergrundrauschen des Meeres, als verschwände es irgendwo in der Ewigkeit.

Ghostly stand da und sah sich um. Eine Hütte mit nur einem Raum, Holzboden; eine spanische Wand teilte den Bereich ab, in dem Carver schlief. Neben der Kochnische stand ein kleiner Frühstückstisch, an dem Carver normalerweise im Stehen aß, ganz so, als wäre er kein Krüppel. Ein paar vertrocknete Pflanzen hingen an dünnen Kettchen von der Decke und bildeten eine merkwürdige Silhouette vor dem großen Fenster zum Atlantik. »Nett hier«, sagte Ghostly. Es klang total unglaubwürdig.

Carver warf sein nasses Handtuch auf den Regiestuhl aus Segeltuch neben der Tür. Humpelte zum Kühlschrank und öffnete ihn. Kalte Luft schien auf seine bloßen Füße zu fallen. Er nahm eine eiskalte, rot-weiße Dose heraus und fragte: »Möchten Sie ’n Budweiser? Was anderes hab’ ich nicht.«

»Stimmt«, kommentierte Ghostly. »Ich kann keine Lebensmittel entdecken.«

Carver richtete sich auf und sah ihn an. »Möchten Sie nun ein Bier oder nicht?«

»Nein, danke.« Ghostly lächelte, und seine asynchronen Augenbrauen turnten auf seiner Stirn herum. Carver hatte langsam den Eindruck, daß der Typ einfach nur irgendein Klugscheißer war, der versuchte, ganz nett zu wirken, das aber überhaupt nicht auf die Reihe kriegte. Irgendeine ganz unangenehme Ecke war immer zu ahnen.

Carver öffnete die Bierdose und genoß das Zischen. Ein paar Tropfen kaltes Bier liefen ihm über Daumen und Zeigefinger. Er goß sich die halbe Dose in den Hals, was seine Schleimhäute ziemlich schockierte, und wischte sich den Schaum von der Oberlippe. »Was ist Ihr Problem, Mr. Ghostly?«

»Meine Frau.«

Dieses Mal mußte Carver ein Lächeln unterdrücken. Es war immer dasselbe. Das ernährte ihn: der Kampf der Geschlechter. Liebe, Lust oder irgendwas anderes hielt die Welt in Bewegung und ließ hin und wieder Leute vor Carvers Haustür stranden.

Er nahm den Griff seines Walnußholzstocks in die eine Hand, das Bier in die andere, und hinkte zu dem Regiestuhl. Er hatte sich noch nicht abgetrocknet und zog eine Wasserspur durch den Raum. Er setzte sich auf das Handtuch. Hier saß er immer nach dem Schwimmen, es war ihm egal, ob das Segeltuch naß wurde. Er nahm einen weiteren Schluck Bier und wartete darauf, daß Ghostly fortfuhr.

»Sie ist verschwunden«, sagte Ghostly.

Wie originell, dachte Carver. Er sagte nichts.

Ghostly kaute auf seiner Unterlippe herum und demonstrierte Carver so, wie besorgt er war. »Letzte Woche bin ich aufgewacht, und sie war weg. Hatte einen Zettel dagelassen, auf dem stand, daß sie nicht wiederkäme.«

»Waren das genau ihre Worte?« fragte Carver.

»Ja, ganz genau. ›Bob, ich habe genug. Ich gehe und komme nicht wieder.‹ Ich erinnere mich an jedes Wort.«

»Haben Sie den Zettel noch?«

»Nein. Ich hab’ ihn weggeworfen. Wußte nicht, wozu er nütze sein könnte.«

Das klang nicht allzu wahr in Carvers Ohren. Normalerweise hoben verlassene Eheleute solche Zettel auf. Die letzte Nachricht von jemandem, den sie vielleicht nie wiedersehen würden. Im Streitfall vielleicht auch ein greifbarer Beweis für Untreue. »Hat sie unterschrieben?«

»Sicher. Nicht mit Nachnamen. Nur ›Elizabeth‹.«

Carver sah die halbleere Bierdose an. »Einfach so? Mit dem ganzen Vornamen?«

Ghostly nickte.

»Wie haben Sie sie denn normalerweise genannt?«

»Beth. Ihre Freundinnen nannten – nennen – sie auch so.«

»Aber unterschrieben hat sie mit Elizabeth. Ziemlich förmlich, finden Sie nicht? War es ihre Handschrift?«

»Ja, ganz sicher.«

»Hatte sie irgendeinen Grund, abzuhauen?«

»Muß sie ja. Schließlich ist sie verschwunden.«

Klugscheißer. »Ich dachte eher an etwas, von dem Sie wissen. Haben Sie sich gestritten, bevor sie Sie verließ? Irgendwelchen Ärger?«

Zum ersten Mal sah Ghostly verunsichert aus. Starrte Carver abschätzend an und kaute wieder auf seiner Unterlippe herum, diesmal aber, weil er wirklich nachdachte. »Wenn ich Ihr Klient werde, sind diese Angaben dann vertraulich?«

»Das sind sie sowieso«, beruhigte Carver ihn.

»Trotzdem ...« Ghostly faltete sein Handtuch auseinander. Ein ledernes Portemonnaie und eine Sonnenbrille waren darin eingewickelt gewesen. Er nahm einen Geldschein aus dem teuren Kroko-Portemonnaie und hielt ihn Carver hin. Tausend Dollar. »Ich möchte sicher sein, daß kein Wort unserer Unterhaltung diesen Raum verläßt. Ich möchte, daß Sie einer Art moralischen oder professionellen Schweigepflicht unterliegen. Bitte nehmen Sie das Geld. Dann bin ich Ihr Klient, bevor ich weiterrede. Anschließend können Sie den Fall übernehmen oder abgeben, die tausend können Sie in jedem Fall behalten.«

Carver wurde neugierig und entschied sich mitzuspielen. In den Fernsehshows mußten die Leute schließlich auch nicht besonders viel für ihr Geld tun. Er nahm den Geldschein, faltete ihn und stopfte ihn hinter das Gummiband seiner Badehose. »Sie können sich auf mich verlassen«, sagte er.

»Ich weiß«, antwortete Ghostly. »Ich habe Informationen eingeholt, bevor ich hergekommen bin. Sie sollen ’ne Menge Eigenschaften haben, Carver. Eine davon ist Ehrlichkeit.«

Den Rest wollte Carver gar nicht hören. Es war besser, bei Ehrlichkeit aufzuhören, solange er noch im Vorteil war. Er sank wieder in den Regiestuhl aus Holz und Tuch, der unter seinem Gewicht leise ächzte. Legte seinen Krückstock quer über den Schoß und streckte sein steifes Bein aus – die Folge einer einzigen Kugel ... Was für eine Welt.

»Erzählen Sie mir von Elizabeth.«

Kapitel 2

Ghostly hatte seine muskulösen Arme vor der Brust verschränkt und die Beine gespreizt. Daß seine Frau verschwunden war, schien ihn eher zu irritieren als ihm wirklich Sorgen zu machen. »Beth und ich sind seit fünf Jahren verheiratet«, sagte er zögernd. »Wir kommen aus New York. Seit drei Jahren leben wir hier in Florida. Um ehrlich zu sein, wir mochten New York beide lieber ...«

»Fast jeder hier in Florida kommt von woanders«, sagte Carver freundlich, als er bemerkte, daß Ghostly nicht so recht weiterwusste. Was gab es auch zu sagen, wenn man eines Morgens aufwachte und statt seiner Frau einen Zettel fand? Keine ungewöhnliche Situation in einer modernen Ehe, aber doch eine belastende. »Wenn Sie New York lieber mochten, warum sind Sie dann nach Florida gezogen?«

»Mein Job. Ich wurde versetzt. Ich bin Vertreter eines Arzneimittelgroßhandels, und wir haben ’ne Menge Kunden in Mittel- und Südflorida.«

»Haben Sie Kinder?«

Ghostly schien diese Frage etwas verwirrend zu finden. Seine asynchronen Augenbrauen führten einen wilden Tanz über seinen großen Augen auf; es sah ziemlich komisch aus. Er beruhigte sich wieder und sagte: »Keine Kinder. Nur Beth und ich.«

»Sie leben in Del Moray?«

»Nein. In Orlando.«

»Glauben Sie, daß Beth nach New York zurückgekehrt ist?«

»Nein. Weiß nicht. Könnte sein.«

Carver lehnte sich zurück und betrachtete Ghostly, dessen arrogantes Auftreten überhaupt nicht zu seinem verunsicherten Gestammel paßte. Arzneimittelvertreter, hatte er gesagt. Es gab solche und solche Vertreter, aber nur die wenigsten unter ihnen waren offensichtlich arrogant. Mit Heuchelei verkauft man Ware, mit Arroganz nicht. Jedenfalls keine Arzneimittel. »Konnte sie Florida so wenig leiden, daß sie deswegen gegangen ist?«

Ghostly zuckte mit den Achseln, als wollte er sagen: »Sie sind doch der Detektiv.«

Was ja auch stimmte. Carver fragte: »Noch mal: Haben Sie sich gestritten, bevor sie verschwunden ist?«

»Nein, wir kamen gut zurecht.«

»Immer?«

»Meistens.«

»Hat sie sich in letzter Zeit irgendwie merkwürdig verhalten? Anders als sonst?«

»Merkwürdig? Nicht, daß ich wüßte. Das ist es ja. Deswegen mache ich mir solche Sorgen. Vielleicht ist sie entführt worden, oder so.«

»Oder so?«

»Na ja, Sie wissen schon.«

Carver wußte nicht. Aber er ließ das Thema erst einmal ruhen. »Also war alles in Ordnung, und plötzlich ist sie weg?«

Ghostly nickte. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes, schwarzes Haar. Kratzte sich geistesabwesend zwischen den Beinen. »Ja, so könnte man es sagen. Und deswegen mache ich mir Sorgen.«

Carver sah durch das Fenster auf den blaugrünen gewellten Ozean hinter den vertrockneten Topfpflanzen. Ein paar Wolken waren am Horizont zu sehen, sie hingen tief und wurden aufs Land zugeweht. Ein großer Vogel flatterte vorbei – parallel zur Küste. Vielleicht ein Albatros. Carver wußte es nicht; er konnte sich nicht erinnern, jemals einen Albatros gesehen zu haben, und hatte deshalb keine Ahnung, wie einer aussah. Groß, auf alle Fälle.

»Also, was ist?« fragte Ghostly. »Nehmen Sie den Fall an, und suchen Sie nach meiner Frau? Ich würde es natürlich honorieren, auch finanziell. Ich hab’ Geld auf der hohen Kante, und ich wüßte keine bessere Verwendung dafür.«

»Warum sparen Sie sich Ihr Geld nicht und rufen die Polizei?«

Ghostly stemmte die Fäuste in die Hüften und sah ihn genervt an. »Ich habe doch schon gesagt: Sie hat eine Nachricht hinterlassen. Deshalb gilt sie für die Polizei nicht als vermißt. Die kümmern sich nicht darum. Aber ich bin ihr Mann, und ich glaube nicht, daß Beth einfach so abhauen würde. Und selbst wenn, möchte ich sie gern finden und mit ihr reden.«

Gute Gründe. Und was sonst hatte Carver zu tun, wenn er nicht nach Elizabeth Ghostly suchen würde? Morgens schwimmen – und dann? Die Frau, die er liebte, Edwina Talbot, war auf einem Maklertreffen in Atlanta. Was einer der Gründe dafür war, daß Carver überhaupt hier in seiner kleinen Hütte wohnte, statt in ihrem Strandhaus, wo sie normalerweise gemeinsam lebten. Der andere Grund war, daß Edwina sich in letzter Zeit ziemlich merkwürdig benahm. Sie hatten die letzten Jahre eine sehr enge Beziehung gehabt, aber jeder hatte auf seine Unabhängigkeit sehr viel Wert gelegt. Viel Platz zum Atmen für beide. Keine Verpflichtungen.

Vor einer Woche hatte Edwina ihn gefragt, ob er sie heiraten wolle, und Carver hatte abgelehnt. Seitdem hielt sie Abstand von ihm, sowohl physisch als auch emotional. Er war einfach noch nicht bereit für eine neue Ehe.

»Ich werde nach Ihrer Frau suchen, Mr. Ghostly«, sagte er.

»Ich brauche noch ein paar Informationen. Und ein Foto, das neueste, das Sie haben.«

Ghostly grinste und antwortete: »Ich seh’ mir gern Detektivfilme an, also weiß ich, wie so was läuft. Ich hab’ ein Foto mitgebracht.« Er nahm das gefaltete Handtuch, das er auf den Fußboden gelegt hatte, und zog einen Schnappschuß in einer Plastikhülle heraus. Er gab ihn Carver.

Carver legte das Bild auf seine bloßen Schenkel und betrachtete es. Er war überrascht, daß Elizabeth Ghostly eine Schwarze war. Eine schöne schwarze Frau. Hohe, breite Wangenknochen, lebendige dunkle Augen, kräftige Nase und volle Lippen. Sie trug etwas, das aussah wie ein Cocktailkleid und mehr zeigte, als es verbarg. Perlohrringe. Um ihren Hals wand sich eine Perlenkette, die reizvoll mit ihrer dunklen Haut kontrastierte. Hinter ihr waren eine Mauer, eine Tür mit Ornamenten und ein paar Männer in Smoking zu erkennen. Sie sahen eher nach Rausschmeißern als nach Oberkellnern aus.

»Das wurde vor sechs Monaten auf einer Verkaufstagung gemacht«, sagte Ghostly. »In Miami. Doral Hotel.«

»Sie ist eine attraktive Frau«, sagte Carver.

Einen Moment lang sah Ghostly richtig stolz aus, strahlte aber immer noch ein wenig Arroganz aus. Sein bestes Stück war gelobt worden. Dann erst schien er sich daran zu erinnern, daß sie verschwunden war, und runzelte die Stirn.

»Manchmal sind gemischtrassige Ehen ganz schön anstrengend«, sagte Carver. »Könnte einen der Partner dazu bewegen, sich abzusetzen. Kennen Sie das Gefühl? Ich meine, Florida ist schließlich nicht New York!«

»Nun ja, es gab natürlich hin und wieder Vorfälle, die Beth wohl als diskriminierend bezeichnen würde. Getratsche in unserer Wohnanlage. Aber das hat sich gelegt und stört sie – uns – nicht mehr. Und mittlerweile ist Beth sowieso nicht mehr die einzige Schwarze in Beau Capri.«

»Beau Capri?«

»Ja. Die Wohnanlage. Direkt am Orange Blossom Trail.«

Carver stützte sich auf seinen Stock und stemmte sich in den Stand. Hinkte hinüber zum Küchentisch. Der Stock pochte auf den Boden. Carver ging um den Tisch herum. Fischte Papier und Bleistift aus einer Schublade. »Beschreiben Sie mir Ihre Frau bitte so genau wie möglich.«

Das schien Ghostly gern zu tun. Abwesend schlenderte er umher, Hände in die Hüften gestützt, und sagte: »Sie ist dreiunddreißig, ziemlich groß und hat, nun ja, eine ziemlich gute Figur. Zieht sich auch hübsch an.«

»Irgendwelche besonderen Kennzeichen? Narben oder so?«

»Ah, ja. Eine zwölf Zentimeter lange Narbe auf dem Bauch. Sie hatte irgendeine Operation, bevor wir uns kennenlernten.«

Carver fand es ziemlich merkwürdig, daß Ghostly nicht wußte, was für eine Operation sie gehabt hatte. »Hat sie Familie in New York?«

»Nein, sie ist allein. Ihre Familie ist tot.«

Carver starrte ihn an, kritzelte dann diese Information neben die Beschreibung von Beth Ghostly. »Besondere Angewohnheiten? Hobbys? Irgendwas, woraus man schließen könnte, wo sie steckt?«

»Sie geht gern tanzen«, sagte Ghostly. »Macht sich ’nen schönen Abend, so in der Art. Sie ist nicht allzu wild, nicht auf der Suche nach Abenteuern, wenn Sie wissen, was ich meine. Sie hat nur gern Spaß.« Beschwichtigend setzte er hinzu: »Das ist ja auch in Ordnung.«

»Hat sie Geld mitgenommen?«

»Ein paar hundert Dollar. Frauen wie Beth brauchen nicht viel Geld, um sich zu amüsieren.«

»Was ißt sie gern?«

»Wie bitte?«

»Essen«, wiederholte Carver. »Wenn Leute abhauen oder in den Untergrund gehen, besuchen sie oft weiterhin Restaurants, in denen es ihr Lieblingsessen gibt. Ein guter Weg, sie aufzuspüren.«

»Wenn man weiß, in welcher Stadt sie sind.«

»Ja, das kommt zuerst«, gab Carver zu.

Ghostly starrte zur Decke und dachte nach. »Sie ißt am liebsten italienisch, würde ich sagen. Pasta. Aber sie nimmt davon nie zu. Erstaunlich.«

»Drogen? Tabletten?«

Ghostlys Gesicht rötete sich unter der gleichmäßigen Bräune. Er schien empört, daß Carver an so etwas auch nur gedacht hatte. »Vielleicht habe ich den falschen Eindruck hinterlassen, Carver, aber sie ist nicht so eine Frau. Glauben Sie mir.«

»Dann geben Sie mir einen Tipp, Mr. Ghostly. Wo könnte sie sein? Es gibt ’ne Menge italienische Restaurants und Diskotheken in Florida.«

Ghostly setzte eine unwissende Miene auf und hob in einer hilflosen Gebärde die Schultern. »Es wirkt bestimmt komisch, man lebt über fünf Jahre mit einer Frau zusammen und kann kaum etwas über sie erzählen. Aber wir haben unsere Zeit meistens irgendwo verbracht, wo es weder Pasta noch Musik gab. Ich meine, Beth hat gern mal Spaß, aber sie ist auch gern zu Hause. Liest viel.«

Eine Frau mit vielen Neigungen. »Was liest sie?«

»Was weiß ich. Ich bin kein großer Leser. Normalerweise steckte ihre Nase in irgendeinem Buch oder in einer Zeitung, mehr weiß ich nicht. Sie mochte jedenfalls gern Romane von Leuten, deren Namen ich noch nie gehört habe.«

»Holte sie sich die aus der Bücherei?«

»Nein, sie hat sie gekauft.«

Cambridge sagte: »Na bitte, da ist doch schon was!«

Ghostly rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn, als wollte er feststellen, ob er eine Rasur nötig habe. Er schien sich plötzlich unwohl zu fühlen. Carver half ihm nicht aus der Klemme, sondern starrte ihn einfach nur an. Es war sein Zug. Sein Spiel, um genau zu sein.

Ghostly atmete tief ein. »In Ordnung, ich hab’ Ihnen ein paar Sachen verschwiegen.«

»Wenn Sie wollen, daß ich sie finde«, kommentierte Carver trocken, »geht das schneller und sicherer, wenn Sie mir alles erzählen.«

»Alles?« Ghostly verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. Stand locker da. Er schien sich entschieden zu haben, Carver zu vertrauen. »Ich habe Ihnen einige Details verschwiegen, Carver.«

»Das Gefühl hatte ich auch.«

»Der Hauptgrund, warum ich zu Ihnen gekommen bin, statt zur Polizei zu gehen, ist Beths, hm, Angewohnheit.«

»Drogen?« Was sonst – in Florida, als Frau eines Arzneimittelvertreters? Fingernägelkauen?

Ghostly sah jetzt so aus, als würde er jeden Moment losschluchzen. Er atmete aus, prustete die Luft durch zusammengepreßte Lippen, wie es Pferde manchmal tun. »Einige Ärzte geben ihren Patienten Heroin als Schmerzmittel, wenn nichts anderes mehr hilft. Das ist ein absolut legaler Einsatzbereich für das Zeug, vorausgesetzt, daß der Arzt es verschreibt. Ich hatte es im Sortiment. Trotz der strikten Überwachungsbestimmungen hab’ ich erst vor ungefähr einem Jahr gemerkt, daß Beth sich welches aus meinen Vorräten abzweigte. Sie gestand mir, daß sie abhängig war.«

»Haben Sie ihr Hilfe besorgt?«

»Entzug? Ich hab’s versucht, aber sie wollte nicht. Sie ... nun ja, sie schämte sich.«

»Also haben Sie sie heimlich mit Stoff versorgt.«

»Ja. Allerdings nie besonders viel. Und kurz bevor sie mich verließ, erklärte sie sich bereit, Methadon zu nehmen. Und wenn das nichts brächte, wollte sie in eine Reha-Klinik gehen.«

Carver konnte sich vorstellen, wie es vielleicht gelaufen war. Eine Frau, die wußte, daß sie viel abhängiger war, als ihr Ehemann annahm. Die wußte – oder vermutete –, daß es kein Zurück mehr für sie gab. Vielleicht hatte sie ihn verlassen, weil er sie nicht verstehen konnte. Vielleicht wollte sie nicht, daß er miterlebte, wie sie daran zugrunde ging. Gründe genug zum Abhauen hatte Beth Ghostly ganz bestimmt.

Ghostly wirkte jetzt gar nicht mehr arrogant. Es war ihm nicht leichtgefallen, Carver von der Drogensucht seiner Frau zu erzählen, und es hatte ihn auch in Gefahr gebracht: Einen Abhängigen, sogar die eigene Ehefrau, mit Stoff zu versorgen, war strafbar. Rein rechtlich war Carver verpflichtet, ihn anzuzeigen. Die Tatsache, daß Ghostly dann ihr gesamtes Gespräch abstreiten würde, sorgte dafür, daß Carver über dieses moralische Dilemma nicht einmal nachdenken mußte. Das Beste wäre, wenn Beth zu ihrem Mann zurückkehrte und ihre Sucht behandelt würde. Dann hatte sie vielleicht eine Chance. Sie müßte durch die Hölle gehen, aber sie hätte eine Chance.

Carver fragte: »Bekam sie ihren Stoff noch von jemand anderem außer Ihnen?«

»Tja, ich denke, ich sollte wirklich ehrlich mit Ihnen sein. Ich vermute, daß sie noch von jemand anderem was kaufte.

Hab’ allerdings keine Ahnung, wann oder von wem. Der einzige Grund, das anzunehmen, ist, daß sie von dem bißchen, das ich ihr gegeben habe, kaum so abhängig hätte werden können. Auf keinen Fall.« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Verdammt, Carver, sie bettelte darum! Sie hätte alles dafür getan! Das hat mich krank gemacht!« Er wandte sich für einen Moment ab, um sich zu beruhigen. Als er sich langsam wieder umdrehte, war sein Gesicht blaß. »Mir wird immer noch übel, wenn ich daran denke.«

»Und jetzt läuft sie irgendwo dort draußen herum, mit nicht mehr als ein-, zweihundert Dollar in der Tasche.«

»Nein, sie hat mehr. Ich habe gelogen. Letzte Woche war ich auf der Bank und habe festgestellt, daß sie exakt die Hälfte unserer Ersparnisse abgehoben hat.«

»Das wäre wieviel?«

»Fast zehntausend Dollar.«

»Genug, um sie ’ne Weile mit Dope zu versorgen, wenn sie irgendwo einen Dealer findet.«

»Mit zehntausend kommt sie nicht weit bei ihrem Verbrauch. Die werden mit ihr tun können, was sie wollen. Das macht mir noch viel mehr Angst.«

Carver saß eine Weile da und starrte auf das Bild. Sah auf und sagte: »Ich schau’ mal nach ihr«, als wäre das keine besondere Sache und als hätte er nicht gerade sehr sorgfältig überlegt, ob er sich in diesen Fall hineinziehen lassen wollte oder nicht. »Wo kann ich Sie erreichen?«

»Ich werde die nächste Woche nicht zu Hause sein«, antwortete Ghostly. »Ein Meeting in Miami, das ich nicht versäumen kann, ohne meinen Job zu riskieren.« Er wackelte ängstlich mit seinen absonderlichen Augenbrauen. »Gott, das wäre echt der Hammer, wenn ich jetzt auch noch meinen Job verlieren würde.«

»Fahren Sie zu dem Meeting«, beruhigte Carver ihn. »Wenn ich weitere Informationen brauche, ruf’ ich in Ihrem Hotel an.«

»Sehr gut. Ich wohne im Holiday Inn an der Collins.« Er beugte sich vor und schüttelte Carvers Hand. Diesmal wirkte sein Griff verunsichert und schwach. »Finden Sie sie, Carver. Bitte.«

»Ich gebe mein Bestes«, sagte Carver. »War Beth mit irgendwelchen Nachbarn gut befreundet?«

»Eigentlich nicht. Wir waren meistens allein. Und ich war sowieso die meiste Zeit auf Reisen.«

Carver löste seine rechte Hand aus Ghostlys Griff. Er bat Ghostly, einen Standardvertrag zu unterschreiben und noch ein paar Fragen zu beantworten, bevor er ging. Ghostly stimmte sofort zu, und Carver hinkte zu der Kommode hinter der spanischen Wand. Zog einen Vertrag aus der mittleren Schublade.

Ghostly unterschrieb, legte den Stift hin und wiederholte: »Finden Sie sie.« Eher ein Gebet als eine Bitte.

»Sollte ich sie nicht finden können«, sagte Carver, »muß sie trotzdem gefunden werden. Ihr muß trotzdem geholfen werden. Sind Sie damit einverstanden, zur Polizei zu gehen, wenn ich feststelle, daß ich nur Ihr Geld verschwende?«

»Darüber habe ich nachgedacht, bevor ich zu Ihnen gekommen bin«, sagte Ghostly. »Die Antwort ist: ja.«

Carver gab ihm eine Kopie des Vertrages. »Mr. Ghostly, ich werde tun, was ich kann, damit es nicht so weit kommt.«

Ghostly ließ weitere zehn Minuten Frage-und-Antwort über sich ergehen. Dann verließ er mit einem dünnen Lächeln Carvers Strandhütte und hinterließ nur jenes unbestimmbare Gefühl, das Carver schon Unbehagen bereitet hatte, als Ghostly ihn am Strand entdeckt hatte.

Vielleicht war es dieses Unbehagen, das Carver – neben seiner Neugier – veranlaßt hatte, den Fall zu übernehmen. Das und das Geld.

Und eine junge Frau, die irgendwo dort draußen auf der Flucht war, allein und verunsichert.

Kapitel 3

Die Beau Capri–Wohnanlage sah trotz des Namens nicht im Mindesten französisch aus. Während Carver seinen antiken Olds Cabrio über eine mit Azaleen gesäumte Einfahrt auf den Parkplatz lenkte, sah er etliche dreistöckige Wohnklötze aus großen Gußbetonplatten; sie schienen mit Muschelschalen verziert zu sein. Auf den flachen Dächern waren die großen Kästen der Klimaanlagen zu erkennen. Sie waren von symmetrischen, niedrigen Lattenzäunen eingerahmt, die aussahen, als gehörten sie auf den Erdboden und nicht in den dritten Stock. Mitten zwischen vier Gebäuden befand sich der unvermeidbare Swimmingpool, ebenso phantasielos hingekachelt wie der Rest der Anlage. Ein rechteckiges Becken mit einem hohen und einem niedrigen Sprungbrett, breitem Betonrand und unbequem aussehenden Nylonstühlen und -liegen. Diese Ansammlung bewohnter Langeweile war von Maschendraht umzäunt, der mit irgendeinem pastell-rosa Plastik überzogen war, das Carver noch niemals zuvor gesehen hatte. Voltaire hätte mit seinem Leben das Recht der Bewohner verteidigt, in Beau Capri zu leben, aber er wäre niemals selbst hier eingezogen.

Die Fahrt von Del Moray nach Orlando auf dem sonnenglänzenden Highway hatte kaum eine Stunde gedauert, es war kurz vor zwölf Uhr mittags. Carver hatte auf der Fahrt das Leinenverdeck des Olds unten gehabt und sich vom Wind umwehen lassen, der versuchte, Haar, das er nicht mehr auf dem Kopf hatte, durcheinander zu wirbeln. Ein kleiner, ärgerlicher Sieg über die Natur.

Er stellte den Olds am Ende des Parkplatzes ab, direkt neben einem tiefergelegten roten Porsche. Er schaltete den kraftstrotzenden V-8-Motor aus und genoß einen Moment das Ticken des abkühlenden Metalls der Motorhaube. Die meisten Autos auf dem Platz waren ziemlich teuer; der verbeulte, rostige Olds sah aus wie ein Penner, der sich auf eine Nobelparty verirrt hatte.

Carver entdeckte die übergroßen Hausnummern auf jedem Gebäude. Die Wohnung der Ghostlys war im linken Trakt, ganz oben im dritten Stock. Als er aus dem Olds kletterte, waberte heiße Luft unter dem Wagen hervor und umspülte seine Knöchel. Er setzte seinen Stock sorgfältig auf den sonnenwarmen Beton und hinkte über den Weg, der direkt an dem pastellfarbenen Swimmingpoolzaun entlangführte.

Ein paar Kinder planschten in dem Becken. Ein alter Mann mit einer Brust voll dichtem, weißem Haar und ein paar Goldketten mit dicken Anhängern stand im flachen Wasser. Eine schlanke, gut gebaute Frau um die Fünfzig stand in einem ziemlich knapp geschnittenen Bikini neben dem Maschendrahtzaun. Sie hatte platinblonde Haare, Haut in der Farbe von verbranntem Ton und blitzend weiße Zähne, die sie vorzeigte, als sie Carver entdeckte – entweder lächelte sie, oder sie verzog ihr Gesicht – Carver war sich nicht sicher.

»Kann ich helfen?«

Ein älterer, grauhaariger Mann blockierte mit seinem dicken Wanst den schmalen Weg vor Carver. Er trug dunkle Hosen und ein weißes, kurzärmeliges Hemd mit irgendeiner Art Abzeichen auf der einen Schulter. Zurückhaltend, aber wachsam. Offensichtlich durfte man nicht einfach so das Gelände von Beau Capri betreten. Wenn es nicht exklusiv wäre, was hätte es sonst schon zu bieten?

Carver strahlte sein beruhigendes Lächeln, das in einem überraschenden Gegensatz zu seinen harten Gesichtszügen stand. »Ich wollte zu den Ghostlys. Ihre Wohnung sei dort drüben, hatten sie mir gesagt.«

»Stimmt.« Der alte Mann kniff seine blaßblauen Augen zusammen. Er versuchte, Carver einzuordnen. Blieb freundlich, aber wachsam, ein typischer Sicherheitsmann. Zog seinen Gürtel über der rechten Hüfte hoch, als wäre er es gewohnt, dort eine Kanone zu haben. Vielleicht ein ehemaliger Bulle. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir den Grund Ihres Besuches zu verraten, Sir?«

»Ich bin keiner dieser verfluchten Vertreter«, entgegnete Carver.

»Das hatte ich auch nicht angenommen.«

Carver zog seine Brieftasche hervor und zückte seinen Ausweis.

»Detektiv, hä?« sagte der Alte. »Hat Ghostly Ärger?«

»Vielleicht. Haben Sie Mrs. Ghostly in letzter Zeit gesehen?«

»Nee, ’ne ganze Weile nicht. Aber das ist normal – mit dem Baby und so.«

»Baby?«

Der Wächter verscheuchte einen Moskito, der in brutaler Mißachtung der Autorität vor seinen Augen herumschwirrte. »Klar. Die ist schwanger wie verrückt. Seit acht Monaten schon.«

Offensichtlich etwas, was Bob Ghostly zu erzählen vergessen hatte. Carver stützte sich auf seinen Stock. Ein kalter Schauer kroch über seinen Rücken. »Wir sprechen über dieselbe Elizabeth Ghostly?«

»Ich denke schon. Die Frau von Robert. Nettes Mädel. Alle mögen sie gern, obwohl sie meist für sich bleibt. Wird ihre Gründe haben, nehm’ ich an.«

»Was denn für welche?«

»Oh, private natürlich, da bin ich ganz sicher.«

»Sie sagen ja nichts darüber, ob Elizabeths Kerl hier gern gesehen wird.«

Der Wächter schien darüber nachzudenken, ob er Carver vertrauen konnte. Eine warme Brise wehte durch sein weißes Haar und raschelte in den Palmen über ihren Köpfen. Er sagte: »Unter uns Kollegen, ihr Mann ist ein dummer Sack. Benimmt sich, als würde ihm alles und jeder gehören.«