Missouri Murders: Schwarze Nacht - John Lutz - E-Book
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Missouri Murders: Schwarze Nacht E-Book

John Lutz

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Beschreibung

Ein Mann im Kampf für Gerechtigkeit: Der fesselnde Ermittlerkrimi »Missouri Murders: Schwarze Nacht« von John Lutz jetzt als eBook bei dotbooks. Nach einer harten Karriere bei der Polizei von St. Louis, der »gefährlichsten Stadt Amerikas«, sehnt sich Alo Nudger nach einem weniger riskanten Berufsalltag. Doch gleich sein erster Fall als Privatdetektiv bringt ihn schon bald in tödliche Gefahr: Der wohlhabende Gordon Clark bittet Nudger, seine siebenjährige Tochter aus der Gewalt seiner Ex-Frau Joan zu befreien; für den erfahrenen Ex-Cop eigentlich ein Routinefall. Aber als Nudger am Zielort ankommt, ist das Haus der Familie leer, Joan verschwunden – und ihr neuer Partner von einer zwölfkalibrigen Schrotflinte hingerichtet. Entgegen seines Bauchgefühls ermittelt Nudger weiter: Die Spur des Toten führt Nudger in die Welt der reichen Elite des Landes, wo ein Leben weniger wert ist als so mancher Wetteinsatz … »Einer der besten und ungewöhnlichsten Romane in der Geschichte der Ermittlerkrimis.« Gazette Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende Kriminalroman »Missouri Murders: Schwarze Nacht« von Bestsellerautor John Lutz ist der raffinierte erste Band seiner Reihe um den Privatdetektiv Alo Nudger, der in St. Louis Verbrechen aufklärt – preisgekrönte Spannung für die Fans von Michael Connelly! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 269

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Über dieses Buch:

Nach einer harten Karriere bei der Polizei von St. Louis, der »gefährlichsten Stadt Amerikas«, sehnt sich Alo Nudger nach einem weniger riskanten Berufsalltag. Doch gleich sein erster Fall als Privatdetektiv bringt ihn schon bald in tödliche Gefahr: Der wohlhabende Gordon Clark bittet Nudger, seine siebenjährige Tochter aus der Gewalt seiner Ex-Frau Joan zu befreien; für den erfahrenen Ex-Cop eigentlich ein Routinefall. Aber als Nudger am Zielort ankommt, ist das Haus der Familie leer, Joan verschwunden – und ihr neuer Partner von einer zwölfkalibrigen Schrotflinte hingerichtet. Entgegen seines Bauchgefühls ermittelt Nudger weiter: Die Spur des Toten führt Nudger in die Welt der reichen Elite des Landes, wo ein Leben weniger wert ist als so mancher Wetteinsatz …

»Einer der besten und ungewöhnlichsten Romane in der Geschichte der Ermittlerkrimis.« Gazette

Über den Autor:

John Lutz (1939–2021) war ein US-amerikanischer Autor von über 50 Thriller und Romanen. Er wurde für seine Kriminalromane mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Shamus Lifetime Achievement Award und dem Edgar-Allan-Poe-Award, dem wichtigsten Spannungspreis Amerikas. Mehrere seiner Werke wurden verfilmt.

Die Website des Autors: www.johnlutzonline.com

Der Autor bei Facebook: JohnLutzAuthor/

Bei dotbooks veröffentlichte der Autor die folgenden eBooks:

Die Missouri-Murders-Reihe um den Privatdetektiv Alo Nudger:

»Missouri Murders: Schwarze Nacht«

»Missouri Murders: Kaltes Schweigen«

»Missouri Murders: Tiefe Schatten«

»Missouri Murders: Harte Strafe«

»Missouri Murders: Fatale Schuld«

Die Florida-Killings-Reihe um den Ex-Cop Fred Carver:

»Florida Killings: Brennende Rache«

»Florida Killings: Roter Tod«

»Florida Killings: Kaltes Feuer«

»Florida Killings: Sengender Verrat«

»Florida Killings: Lodernder Zorn«

Seine Frank-Quinn-Reihe um einen Ex-Cop auf der Spur von Serienkillern:

»Opferschrei«

»Blutschrei«

»Zornesschrei«

»Jagdschrei

Außerdem veröffentlichte der Autor bei dotbooks den Psychothriller »Die Stalkerin«.

***

eBook-Neuausgabe August 2024

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1976 unter dem Originaltitel »Buyer Beware« bei G.P. Putnam's Sons, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1978 unter dem Titel »Augen auf beim Kauf« bei Goldmann und in einer anderen Übersetzung 1992 unter dem Titel »Vor Ankauf wird gewarnt« bei Heyne.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1976 by John Lutz

Copyright © der deutschen Ausgabe 1992 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/backUp, Itummy, Party Michalski und AdobeStock/ana

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (lj)

ISBN 978-3-98952-344-9

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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John Lutz

Missouri Murders:Schwarze Nacht

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Stefan Steeger

dotbooks.

Kapitel 1

Der Sommer sträubte sich noch. Artilleriesalven von Hagel bombardierten das Dach und die Seitenwände meiner zwölf Meter langen Blechkiste, und das seit nunmehr zwei Stunden, vermengt mit heftigem Regen.

Hagel, der auf das Dach eines Wohnwagens hämmert, schlägt mit der Zeit in ein metallisches Klingen und Tönen um, das einen schier zum Wahnsinn treibt. Wieder einmal versprach ich mir hoch und heilig, sobald wie möglich ein Appartement zu mieten.

Kaum aber hatte ich meinen Schwur abgelegt, wußte ich bereits, daß es für mich vorerst kein Entkommen gab. Nur wenige Vermieter lassen einen seine Geschäfte von seiner Wohnung aus abwickeln, und hier hatte ich die schriftliche Erlaubnis Mel Hardins, des Besitzers von Trailor Haven, Wohnung und Büro miteinander zu verbinden. Nicht die feinste Adresse, aber auch hier konnte man wohnen.

Der Hagel legte noch ein paar Phon zu, bis ich vom Sofa aufstand und mich in diese Puppenstube von Badezimmer begab, um mir mit einem Glas lauwarmen Wassers zwei Aspirin runterzuspülen. Zurück aus dem Badezimmer bemerkte ich, daß sich auf dem goldfarbenen Teppich, da, wo er an die nach Süden gerichtete Wand des Karavans grenzte, eine feuchte Stelle gebildet hatte. Diese verdammte Kiste hatte Leck geschlagen! Aber ich werde es Hardin morgen sagen, er wird’s schon richten.

Bevor ich mich wieder auf das Sofa setzte, langte ich zu dem Fernseher hinüber und stellte die Sechsuhrnachrichten lauter; die und das Zehnuhrjournal waren die einzigen Programme, die ich mir anschaute, vielleicht noch ein paar Sportsendungen. Eine durchaus blühende Schönheit war gerade dabei, die Zuschauer mit der Wettervorhersage zu langweilen, und deutete mit einem Zeigestock auf eine Warmfront, die aus Südwesten hereinbrach und wer weiß welche Störungen verursachen würde. Das Ganze schien ihr zu gefallen.

Ihre Ausführungen erklärten mir den Hagel, aber nicht dieses unablässige Geschepper meiner Türklingel. Wieder stand ich vom Sofa auf, ein bißchen befremdet von dem Gedanken, jemanden hereinbitten zu müssen, der verrückt genug war, bei diesem Wetter Besuche abzustatten. Durch das Südfenster hindurch, über sauber angeordnete Wohnwagendächer mit Fernsehantennen, zeigte sich mir der Himmel, den das Gewitter in venenförmigen Blitzen waagrecht durchschnitt. Ungefähr so, wie man sich einen auf den neuesten Stand gebrachten Frankenstein-Film vorstellt.

Der Mann, der unter der vorstehenden Blechmarkise meiner Eingangstür wartete, wäre eine ideale Besetzung für den Film gewesen. Er war mittelgroß, ohne Hut, dunkelhaarig und trug einen Vollbart. Sein langer, schwarzer Regenmantel paßte zu seinem schwarzen Regenschirm, den er im Winkel gegen den Wind hielt.

»Tag«, verdarb er seinen effektvollen Auftritt, »sind Sie Mr. Nudger?«

Ich nickte und ging einen Schritt zurück. Ein vier bis fünf Jahre alter Sedan rückte mir in den Blickwinkel, der ihm gehören mußte und der bei der Briefkastenzeile gegenüber parkte.

Er war einsachtzig groß und damit eine Spur größer als ich.

Hier drinnen, wo sein Gesicht nicht mehr dem stürmischen Wetter ausgesetzt war, fielen mir seine gleichmäßigen, angenehmen Gesichtszüge auf und der aufrechte Blick aus seinen braunen Augen. Sein Regenschirm war trotz des Hagels noch in tadellosem Zustand. Er faltete ihn gewissenhaft zusammen und lehnte ihn neben die Tür an die Wand.

Ich führte ihn herein, bat ihn, sich zu setzen und spekulierte bereits, ob es sich um einen Versicherungsvertreter, Zeugen Jehovas oder um einen Klienten handelte. Er trug keine Aktentasche mit sich und noch hatte er mich nicht angelächelt. Vielleicht doch ein Klient. Vielleicht in einer etwas verzweifelten Lage, nachdem er es bei den anderen Privatdetektiven im Branchenverzeichnis versucht hatte. Keine Auswahl, die einem unbedingt weiterhilft. Nicht einfach, sich so seinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Man braucht sein Spezialfach.

»Ich bin Gordon Clark«, stellte er sich vor, »und ich bin geschäftlich hier.«

Umso besser. Ich mag Leute, die schnell zur Sache kommen. Ich nahm ihm seinen durchnäßten Regenmantel ab und hängte ihn über die Lehne eines Stuhls. Unter seinem Mantel trug er dunkle Hosen und ein grelles Sakko, unter dem sich seine Schultern muskulös wölbten. Er mußte sehr lange gestanden haben, denn erleichtert nahm er Platz. Der Mann war in Schwierigkeiten.

»Sie sind Mr. Nudger, von Nudger Investigations, stimmt’s?«

»Der bin ich, Mr. Clark. Alo Nudger.« Ich beugte mich vor, um ihm die Hand zu schütteln, blieb aber weiterhin stehen und ließ meine Hände zurück in die Taschen gleiten.

»Alo?«

»Das ist kürzer als Aloysius, aber länger als Al, wie ich Frauen, die es wissen wollten, immer erklärt habe.«

»Meinetwegen. Ich brauche Sie für einen Job.«

»Sie brauchen mich anscheinend sehr dringend, wenn Sie bei so einem Wetter hier herauskommen.«

»Das Wetter kann mich nicht von Dingen abhalten, die ich zu tun habe, Mr. Nudger.«

Ich sah ihn mir genauer an. Ich hatte ihn falsch eingeschätzt. Er war Ende Zwanzig, und sein dunkler Bart, aus dem sich die kleinen Flüßchen von Regentropfen allmählich verzogen hatten, erschien jetzt nach dem neuesten Trend zurechtgestutzt. Sein Sakko war leicht abgetragen, unter Umständen war es teure Schneiderarbeit, die möglicherweise aber für jemand anderen gemacht worden war.

»Haben Sie meinen Namen aus dem Branchenverzeichnis?«

Er schüttelte den Kopf. »Eine Bekannte, die mal in einen ihrer Fälle verwickelt war, hat Sie mir empfohlen – eine Mrs. Gloria Fallering.«

Ich setzte mich aufs Sofa, gegenüber Clarks Stuhl. »Ich erinnere mich – vier Jahre alter Sohn. Sie müßte mich hassen wie die Pest.«

»Eben. Und das macht Sie mir so empfehlenswert.«

Ein Lachen von meiner Seite. Es hatte aufgehört zu hageln.

Aus dem Fernseher, den ich völlig vergessen hatte, plärrte noch eine höchst bedeutsame Nachricht über unvorhersehbare Schwankungen in den Raum. Ich langte hinüber und stellte den Kasten ab.

»Sie haben doch eine Zeitlang den Mr. Happy im Fernsehen gemacht, oder?« meinte Clark.

»Das war ich«, gab ich zu. »Der Polizistenclown, der den Kindern die Übungstafeln für den Straßenverkehr vorgestellt hat.«

»Wird sich doch bestimmt gut bezahlt gemacht haben, den Mr. Happy zu spielen.«

»Aber es war keine Polizeiarbeit. Ich mag Kinder, aber drei Jahre Mr. Happy haben gereicht.« Der wahre Grund, weshalb ich Mr. Happy ade sagen mußte, ging ihn nichts an.

»Und dann haben Sie es mit Kindesentführung versucht.«

»Mehr oder weniger. Ist es das, wofür Sie mich anheuern wollen?«

»Genau.« Clark verschränkte die Arme, dann lehnte er sich zurück und machte sich daran, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen.

»Joan, meine Frau, und ich haben vor acht Jahren geheiratet ... «

»Fangen Sie beim Ende an«, sagte ich ihm.

Zum ersten Mal entfuhr Clark ein Lächeln, allerdings keins, das das Halbdunkel im Wohnwagen aufgehellt hätte.

»Vor ungefähr einem Jahr haben wir unsere Scheidung durchgesetzt. Manche Paare sollen ja angeblich nachher besser miteinander zurechtkommen, können sogar noch weiter verliebt sein – auf Joan und mich traf das jedenfalls nicht zu. Rückblickend aber muß ich zugeben, daß Melissa das einzige war, worum wir uns wirklich gestritten haben.«

»Melissa?«

»Unsere siebenjährige Tochter. Zu Anfang schien Joan sich nicht daran zu stören, daß ich meine Besuchsrechte, das Kind zu sehen, wahrnahm; aber vor ungefähr sechs Monaten änderte sich ihre Haltung. Ich glaube, irgendwie gab es da einen anderen Mann.«

»Schon vor oder erst nach der Scheidung?«

»Nachher, da bin ich sicher«, sagte Clark ohne zu zögern.

»Wissen Sie, wo sich Ihre Exfrau und das Kind jetzt aufhalten?«

»Ich bin von verläßlicher Seite informiert worden, daß sie sich in Layton, Florida, befinden. Irgendwo bei Joans Vater, Dale Carlon, Präsident von Carlon Plastics.«

»Eine ziemlich große Gesellschaft.«

»Eben, und deshalb kann ich mir den langen, steinigen Weg ersparen, Melissa über die Gerichte zurückzubekommen. Carlon würde die besten Anwälte engagieren, die richtigen Leute auf seine Lohnliste setzen, und der Fall wird über Jahre von einem Gericht zum nächsten geschoben.«

»Ich nehme an, Melissa durfte ohne Erlaubnis des Gerichts nichts außerhalb des Bundesstaates gebracht werden.«

Clark nickte.

»Ohne eine einstweilige Verfügung, die das Kind unter Ihre Obhut stellt, sind mir die Hände gebunden, Mr. Clark. Damit haben Sie das Recht, das Kind in Ihren Gewahrsam zu nehmen, obwohl dagegen geklagt werden kann. Aber ohne einen Beleg, der Ihnen das Sorgerecht bescheinigt, können Sie nicht auf mich zählen.«

»Klar. Ich habe mit dem Herkommen gewartet, bis mein Anwalt mich informiert hat, daß wir die einstweilige Verfügung haben. Ich weiß, welche Risiken Sie eingehen.«

»Da möchte ich auch sichergehen. Das FBI und die meisten Bundesstaaten geben niemandem, auch nicht einem Elternteil, das Recht, ein Kind zu entführen. Wenn ich mir Melissa ohne eine Sorgerechtsanweisung schnappe, könnte ich am Ende wegen Kidnapping im Gefängnis landen.«

»Und wenn Carlon dann seine Anwälte auf mich losläßt, sitze ich mit drin.« Clark erblaßte, was seinen Bart noch dunkler erscheinen ließ.

»Ich werde Sie zweieinhalbtausend Dollar plus Spesen kosten«, sagte ich, »und fünfhundert im Voraus.«

Clark stimmte mit einem kurzen Nicken zu. Eine Fuhre Hagel fegte gegen seine Seite des Wohnwagens, er schien es aber nicht wahrzunehmen. »Es wird doch keinen ...Ärger geben, oder?«

»Nicht, wenn ich es irgendwie verhindern kann«, sagte ich und glaubte daran.

»Haben Sie Joans Adresse in Layton?«

»Sicher.«

»Und ein Foto. Neueren Datums. Und ein Foto von Melissa.«

»Kann ich alles besorgen.«

»Wenn Sie dann noch mit der einstweiligen Verfügung hier auftauchen, Mr. Clark, mache ich mich an die Arbeit.«

Clark lächelte wieder, was ihm diesmal bereits ein bißchen besser gelang.

Der Sturm draußen beruhigte sich, und wir hatten alles besprochen.

Clark war aufgestanden und schlüpfte wieder in seine Schlechtwettermontur. Den Regenschirm konnte er wieder gut gebrauchen. Der Hagel hatte sich zwar gelegt, aber nur, um einem leichten, vollkommen senkrecht fallenden Regen Platz zu machen, der hartnäckig vom grauen Himmel fiel.

»Morgen oder übermorgen werde ich mit der einstweiligen Verfügung hier sein«, sagte Clark, als er von der Eingangsschwelle des Wohnwagens hinunterstieg und seinen Schirm aufspannte.

Ich gab ihm noch ein Zeichen, einen Moment zu warten, tauchte kurz in den Wohnwagen zurück und hielt ihm eine meiner Visitenkarten hin. »Rufen Sie vorher an. Dann gehen Sie sicher, daß ich hier bin.«

»Alles klar«, sagte er und verstaute die Karte in der Seitentasche seines Mantels. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging mit gemächlichem Schritt, entschlossen, dem Regen zu trotzen, zu seinem Auto hinüber.

Ich machte die Tür zu, ging zurück zum Sofa und setzte mich erst mal. Jetzt schon verspürte ich das rhythmische Stoßen. Jedes Mal, wenn ich einen neuen Fall übernahm, gab es dieses Stoßen, unten, in meinem Magen. Clark hatte nach eventuellem Ärger gefragt. Klar gibt das Ärger, wenn man ein Kind seiner leiblichen Mutter entreißt. Meinem Magen zuliebe verbot ich mir, weiter über die Spielarten von Ärger, die auftauchen konnten, nachzudenken.

Hatte ich einmal Clarks Geld angenommen, müßte ich auch den Ärger in Kauf nehmen. Und ich brauchte Clarks Geld.

Kapitel 2

Am nächsten Tag kehrte er mit seiner einstweiligen Verfügung zurück.

Ich beobachtete, wie Clarks in die Jahre kommende Limousine langsam neben meinen Karavan rollte, hörte das Knirschen der Reifen auf Kies und sah noch flüchtig die Bremslichter rot aufleuchten, bis der Wagen aus meinem Blickwinkel verschwand. Ich war bei meinen Fitnessübungen auf dieser zementierten Terrasse, die als mein Hinterhof herhalten mußte, hatte gerade die dritte Folge von tiefen Kniebeugen hinter mir und wartete – die Hände in die Hüften gestützt –, daß die Beine aufhörten zu zittern. Ich bin nicht gerade ein Fitnessfanatiker, allerdings bin ich auch nicht mehr der Jüngste; und wenn ich dann noch im Sportteil über den einen oder anderen Athleten lese, der um die Mitte Dreißig schon völlig erledigt ist, dann beunruhigt mich das.

Gordon Clark erschien dieses Mal im grauen Anzug mit blutroter Krawatte und hatte eine Aktentasche dabei. Ich, mit meinem T-Shirt und den Trainingshosen, kam mir dagegen ziemlich billig vor.

Er lächelte. Ein überlegenes, herausforderndes Lächeln, das den starken Mann markierte. Nicht daß ich mich herausgefordert fühlte. Ich habe genug Muskeln, und fett bin ich auch nicht. Allerdings gibt es bei mir noch ein bißchen mehr zu sehen als Haut und Sehnen, so wie ich Clark unter seinem adretten Anzug vermutete.

»Der Kräftigste scheinen Sie mir ja nicht zu sein«, meinte Clark.

»Das würde von Mr. Happy auch niemand erwarten.«

»Ich habe die einstweilige Verfügung. Ich war gerade in der Nähe und wollte sie Ihnen kurz vorbeibringen.« Er öffnete die Aktentasche, ein exklusives Modell mit verchromtem Schnickschnack, und zog ein Blatt Papier mit dem vertrauten Briefkopf hervor.

»Okay«, sagte ich. »Ich werde sie mir kopieren, und Sie bekommen sie wieder zurück.«

Er faßte ein zweites Mal in die geöffnete Aktentasche und hielt mir wie ein Zauberer, der gerade in seine Trickkiste gegriffen hat, die nächste Überraschung hin: einen Scheck über fünfhundert Dollar und einige Fotos.

Ich trat kurz aus dem Schatten des Karavans und schaute mir die Fotos genauer an. Das erste zeigte eine Frau, Joan Clark, die an einer im Kolonialstil gehaltenen Stützsäule einer Veranda lehnte. Sie hatte eine sehr feine, spitz nach oben zulaufende Nase, nahebeieinander liegende, sehr große, dunkle Augen und war von kleiner, üppiger Statur. Etwas zu kurvenreich, um langbeinig wirken zu können. Eine von diesen Frauen, denen die Jahre selbst in den Mittvierzigern nichts anhaben können, und nur bei näherem Hinsehen ließe sich erkennen, wo die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat. Das nächste Foto zeigte Joan Clark mit ihrer Tochter, wie sie am Strand eines tiefblauen Sees stehen. Melissa war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, nur daß ihre Mutter blond war. Von ihr hatte sie die preziöse Statur und die gleiche geschwungene Nase. Ich stutzte einen Moment und vergewisserte mich nochmals, ob die Mutter tatsächlich blondes Haar hatte. Der dritte Schnappschuß zeigte Melissa in die Ecke eines Sofas platziert; die Knie aneinander, die Beine nach vorn gestreckt. Das Lächeln ähnelte dem ihres Vaters, wirkte aber romantischer.

»Das letzte Foto von Melissa ist erst vier Monate alt«, sagte Clark.

Ich legte die Fotos samt Scheck und einstweiliger Verfügung auf den Eisentisch neben meinem geflochtenen Gartenstuhl und beschwerte sie mit dem Kandelaber, dessen Kerze mir in den Abendstunden die Moskitos vertrieb.

»Wie ist die Adresse in Layton?« fragte ich.

»Drei-fünf-fünf Star Lane, im Süden von Layton. Sie sind mittlerweile einen Monat da. Soll ich es Ihnen aufschreiben?«

»Ich werde mich schon erinnern, falls nötig.«

Clark schaute mich herausfordernd an. »Wie meinen Sie das?«

»Damit meine ich, daß es am besten wäre, wenn Sie mit nach Layton rausfliegen. So gehe ich gewöhnlich vor, wenn möglich.«

Er schüttelte den Kopf wie ein Bulle beim Stierkampf, der versucht, sich die Bandilleras vom Leib zu schütteln. »Unmöglich!«

»Das Kind hätte es leichter. Wir warten, bis es irgendwann allein gelassen wird, und nehmen es einfach mit, tun so, als wüßte die Mutter Bescheid.«

»Genau dafür habe ich Sie angeheuert, Sie sind doch der Experte.« Clark zuckte hilflos mit den Schultern. »Schauen Sie, ich würde ja, glauben Sie mir. Aber es geht einfach nicht. Meine Arbeit – das verstehen Sie doch. Wenn es nicht absolut unumgänglich ist ... «

»Solange ich diese einstweilige Verfügung habe und Ihre Unterschrift auf unserem Vertrag«, erklärte ich ihm, »ist es nicht unumgänglich.«

»Dann muß ich passen.«

Ich nickte, ging hinein und holte einen Stift und eines meiner Vertragsformulare. Clark überflog den befristeten Vertrag, beugte sich über den Gartentisch und unterschrieb.

»Gibt es für Ihre Exfrau irgendeine Möglichkeit, herauszufinden, daß Sie mich engagiert haben?« fragte ich.

»Völlig ausgeschlossen, ich habe mit niemandem darüber gesprochen.«

»Bleiben Sie dabei«, riet ich ihm. »Überraschungen sind immer gut. Ich werde morgen nach Layton abreisen, es sei denn, Sie wissen einen besseren Zeitpunkt.«

»Morgen ist mir recht. Je eher die Sache vorbei ist, desto besser.«

»Wo kann ich Sie erreichen?« fragte ich ihn. »Es kann sein, daß ich Sie brauche, und ich muß wissen, wohin ich Melissa bringen soll, wenn wir wieder zurück sind.«

»Sie finden mich bei Standard Implement.« Clark griff in eine Seitentasche und holte eine Visitenkarte hervor, die ihn in eingravierter Schrift als Verkaufsleiter auswies. Er zog sie hastig wieder zurück, zückte aus einer anderen Tasche einen Federhalter, kritzelte Anschrift und Telefonnummer drauf und überreichte sie mir. Seine Wohnung lag in einer kostspieligen Neubausiedlung auf der Westside, wo ein unerschwingliches Appartement auf das nächste gestapelt wurde, vornehmlich gebaut für leitende Angestellte. Es hatte den Anschein, daß Clark seine Rolle so gut wie möglich spielte, im Rahmen seiner Möglichkeiten.

»Können Sie mir über Ihre Exfrau irgendwas sagen, das mir in Layton weiterhilft?« fragte ich. »Gewohnheiten, Hobbies und so weiter.«

Clark fuhr sich kurz mit den Fingerspitzen über die Konturen seines gepflegten Bartes.

»Bestimmte Gewohnheiten, mit denen Sie etwas anfangen können, wüßte ich nicht. Aber Joan war ins Tennisspielen vernarrt, sie verbrachte viel Zeit auf dem Platz.«

»War sie gut?«

»Gut? Bestimmt nicht. Trotzdem treibt sie ihre Partner zur Verzweiflung. Joan will immer gewinnen, bei allem. Sie ist immer bereit, die Krallen zu zeigen. Wenn sie ahnt, was mit Ihnen los ist, sind Sie geliefert.«

»Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Mr. Clark.«

Er musterte mich von oben bis unten, als sei er nicht so ganz überzeugt. Als er gehen wollte, machte er zwei zögerliche Schritte und kehrte wieder um. »Das eine, woran mir wirklich liegt, Nudger, ist, daß Melissa nichts zustößt. Können Sie mir das garantieren?«

»Ich kann Ihnen garantieren, alles zu tun, um dem zuvorzukommen.«

Clark überlegte kurz, dann nickte er. Offensichtlich war er zu dem Entschluß gekommen, sich den richtigen Mann für den Job ausgesucht zu haben. Er machte kehrt.

Er tat mir leid in diesem Augenblick. Als er damals vor den Altar getreten war, um sein Treuegelübde abzulegen, wird er von all dem nichts geahnt haben.

Noch ein paar Kniebeugen, dann legte ich Clarks Unterlagen zusammen und ging hinein. Ich rief den Flughafen an, ließ mich mit den Reservierungsschaltern verbinden und buchte einen Platz für die Frühmaschine nach Orlando. Das Stück nach Layton wollte ich von dort mit einem Mietwagen zurücklegen.

Ich dachte bereits ans Packen. Ansonsten hatte ich nur noch einen Gang zur Post zu erledigen, um auf deren Münzkopierer Kopien der einstweiligen Verfügung und Clarks Fotos anzufertigen. Das Original der Verfügung würde ich Clark zurückschicken. Eine Kopie mußte in mein Sicherheitsdepot, eine zweite konnte ich zusammen mit dem von Clark und mir unterschriebenen Vertrag in Florida gebrauchen.

Im Grunde war ich froh, daß Clark es abgelehnt hatte, mitzukommen. Die Anwesenheit des Vaters machte es für das Kind oft nicht leichter. Die Mutter entwickelte zuweilen ein gefährliches Temperament, und der Ehemann, entweder aus Gewohnheit, oder weil sich sein männlicher Beschützerinstinkt wieder entflammte, wechselte die Fronten. Wenn das eintrat, bezog ich unter Umständen von beiden Seiten Prügel. Für gewöhnlich wurde ich einen Tag später wieder angeheuert, wieder für den gleichen Job, nur die Umstände hatten sich erheblich kompliziert.

Oder die Frau wurde handgreiflich, und sie und ihr Mann gerieten in einen Clinch, bei dem das Kind wie ein Mehlsack hin- und hergerissen wurde. Ich habe Kinder gesehen, die auf diese Art schwere Blessuren davongetragen haben. Sichtbare wie unsichtbare.

Die Klimaanlage des Wohnwagens schaltete sich ein, und ich hörte ihr Surren. Die Sonne draußen ertrotzte sich mal wieder einen spröden Sieg. Ich erhob mich von meinem Platz am Telefon, ging in die Küche und mixte mir einen Drink. Ich hätte mir für meinen Beruf einen anderen Magen anschaffen sollen. Er begann gerade wieder nervös zu zucken.

Starke Nerven waren es jedenfalls nicht, die mich für diesen Job prädestiniert hatten. Nach vier Jahren Dienst im Büro der Stadtpolizei und drei weiteren Jahren beim Streifendienst waren meine Vorgesetzten auch zu dieser unschmeichelhaften Erkenntnis gelangt. So nahm meine dreijährige Regentschaft als Mr. Happy beim lokalen TV-Sender ihren Anfang. Ich sollte den Kindern zeigen, daß Polizisten genauso sind wie alle Menschen – und ich war der lächelnde Polizist, der das Klischee vom Freund und Helfer wieder mit ein bißchen Leben füllte. Ich war mit den Jungs und Mädchen bestens zurechtgekommen, denn das war meine von oben verordnete Pflicht. Aber die, die mich auf den Posten gesetzt hatten, lagen mit ihrem Instinkt schon richtig. Es war zwar nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, als ich in den Polizeidienst getreten war, aber selbst nach drei Jahren wäre ich nicht von alleine gegangen.

Die Polizeiarbeit war das, was ich gelernt hatte, und ich hatte meine Kontakte. Als ich den Dienst quittierte, gab es also keine Zweifel, auf welches Gewerbe meine Wahl fallen würde. Damals zumindest.

Vielleicht hatte ich kein Recht, mich zu beklagen. Mein verrufener, ewig mißverstandener Beruf sorgte für einen gedeckten Tisch, den Whiskey und für ein Blechdach über dem Kopf.

Gerade als der Bourbon anfing, seine besänftigende Wirkung auf meine Nerven auszuüben, rief mich das Mädchen vom Reservierungsschalter der Airline zurück. Ihr war ein Fehler unterlaufen und sie bot mir einen späteren Flug mit einstündigem Zwischenstopp in Atlanta an.

Ich sagte zu und nahm ein Antacid für den Magen.

Kapitel 3

Das Flugzeug nach Orlando startete pünktlich auf die Minute. Der makellose Himmel bescherte uns eine Aussicht, die an einen Blick durch liebevoll poliertes Kristall erinnerte. Der Boden unter uns verlor langsam an Detail, bis sich ein vielfarbiges, streng durchkonturiertes Geflecht ergab, dessen Strickmuster sich unendlich weit fortspann. Von dort oben sah alles einfach und simpel aus. Schade, daß das wirkliche Leben nicht so einfachen Mustern folgte.

Ich machte es mir in meinem Sitz bequem und versank in eine Art Halbschlaf, mit dem ich meine Schwindelgefühle in Schach hielt.

Zwei Drinks und ein paar kurze Kostproben des hiesigen Dialekts versüßten mir den Atlanta-Zwischenstopp. Dann zurück auf die 747 – und Georgias rot schimmernder Sand gehörte der Vergangenheit an. Die Leute dort scheinen immer irgendwas zu bauen, so als benötigten sie einen Vorwand, möglichst viel von diesem berühmten roten Staub aufzuwirbeln.

Das Flugzeug drehte nach links ab und wir flogen Richtung Süden auf Orlando zu.

Nach der Landung kümmerte ich mich als erstes um mein Gepäck, genoß ein wenig den sonnendurchfluteten Flughafen, bis ich schließlich eine Autovermietung ausfindig machen konnte. Ich entschied mich für einen leuchtend grünen Kleinwagen, der gerade genug Platz für mich und meine Koffer bot. Nicht schlecht auf seine Art, allerdings mußte man höllisch aufpassen, keine Kieselsteine oder gar herumliegenden Bierkappen zu überfahren.

Von Orlando aus nahm ich die Bundesstraße Vier, bog nach Süden auf die Siebenundzwanzigste und mußte jetzt nur noch auf die Kreuzung zur Zweiunddreißigsten warten, die mich in Richtung Golfküste führen würde. Layton befand sich fünfundzwanzig bis dreißig Meilen landeinwärts, südlich von Tampa Bay. Kurz vor fünf passierte ich das Ortsschild: WELCOME TO LAYTON – Population 3.605.

Layton lag nahe an der Küste, außerdem gab es in der Nähe einen See, der ausgezeichnete Möglichkeiten zum Angeln und Segeln bot und die Stadt offenbar auch für Touristen interessant machte. In der Hauptstraße machte sich eine nicht zu unterschätzende Anzahl Motels gegenseitig Konkurrenz. Links davon, in der Nähe eines Hügels, erkannte ich einen größeren Komplex niedriger, stumpffarbiger Gebäudegruppen, die Laytons Industrie ausmachten, wie ich vermutete. Etwa ein halbes Dutzend Schornsteintürme ragte hoch empor und wachte bedrohlich über die Geschicke der Stadt.

Die Motels sahen, abgesehen von den bunt aufgemachten Reklamen am Straßenrand, alle gleich aus. Ich entschied mich für das Clover Inn, dessen fahle Neonreklame Zimmer ab fünfzehn Dollar versprach.

Das bedeutete zwar schließlich zweiundzwanzig Dollar, aber mehr als ein Zähneknirschen war bei mir nicht mehr drin, und der Gedanke, nochmals in meinen kleinen, grünen Untersatz klettern zu müssen, gab mir den Rest. Das Clover bestand aus einer Reihe bescheidener Bungalows, die weit genug voneinander platziert waren, so daß man nachts in Ruhe träumen konnte. Das Prunkstück war das Restaurant, Clover Grill genannt. Einfach, aber sauber.

Ich zahlte im Voraus und erklärte Eddie, einem älteren Typen, der die Rezeption bediente, daß ich nur auf ein paar Tage hier sei. Ich nahm die Schlüssel, ging zurück zum Auto und holte mein Gepäck. Auf dem Schlüsselanhänger vergewisserte ich mich der Nummer meines Bungalows und begab mich zum fünften.

Die kühle Luft, die mir entgegenströmte, als ich die Tür zu dem quadratförmigen Putzbau öffnete, tat gut – sehr gut.

Ich ging hinein, ließ die Tür mit einem Tritt zurück ins Schloß fallen und schaute mich erst einmal um.

Gemütlich. Charmant. Hellgrüne Wände, dunkles Mobiliar. Das Bett war mit einer dicken Matratze bestückt, weshalb ich mich endgültig zu meiner Wahl beglückwünschte.

Ich warf den Koffer aufs Bett und begann mit dem Auspacken – bei ein paar Sachen mußten die Falten ausgehangen werden. Eine Hose, ein hellblaues Hemd und ein braunes Sakko. Ein kurzer Blick hinüber zu dem Wecker auf dem Nachttisch sagte mir, daß noch genügend Zeit blieb, kurz unter die Dusche zu springen, im Restaurant zu Abend zu essen und mich ein bißchen umzusehen. Ich war müde, aber schließlich nicht zum Vergnügen hier.

Auf dem Weg zum Restaurant schaute ich noch kurz bei der Rezeption vorbei, um mit Eddie ein paar Worte zu wechseln. Durch das Fenster konnte ich erkennen, daß er allein war. Er hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht und las in einer Zeitschrift.

»Abend«, grüßte ich, als ich sein kleines, getäfeltes Büro betrat.

Eddi blickte von seinem Magazin auf, nickte und schaute mich an. Er hatte wuscheliges, graues Haar, ein schmales Gesicht, etwas ausgemergelt, und blaue Augen. Ein komischer Kauz, dessen Mienenspiel zuweilen einen Humor verriet, dem das Schicksal nichts anhaben konnte.

»Layton ist größer als ich dachte«, sagte ich.

»Mit dem Denken ist das so eine Sache. Ich dachte gerade, Sie wollten vielleicht ein paar Handtücher.«

»Nein. Sind genug Handtücher da. Wie ist das Essen im Restaurant?«

»Ungenießbar. Aber sagen Sie es denen nicht weiter.«

»Alles klar.« Ich bemerkte, daß er eine von diesen Zeitschriften las, die aus der Welt der Detektive berichten. Auf der Titelseite prangte eine gefesselte, spärlich bekleidete Schönheit, die ihr Verhängnis – einen Typ mit Kettensäge, der auf sie niederblickte und himmlischen Sirenen zu lauschen schien – anflehte, er möge sie verschonen.

»Dreht sich um den Michigan Fleischwolf«, sagte er, als er mein Interesse bemerkte. »Erinnern Sie sich daran?«

»Undeutlich.«

»Hat sechs auf dem Gewissen.«

»Was hat es eigentlich mit diesen Schornsteintürmen im Osten der Stadt auf sich?«

»Und das mit Kettensäge. Black und Decker. Das ist Carlon Plastics, was Sie meinen. Setzt die halbe Stadt in Brot und Arbeit.«

Damit war meine schlimmste Befürchtung wahr geworden. Und jetzt, als außer Zweifel stand, wie groß Carlon Plastics wirklich war, verschlang sich mein Magen zu einem Knoten, der jeden Pfadfinder stolz gemacht hätte. Ich brauchte nicht viel Phantasie, um mir vorzustellen, wie die hiesigen Stellen mit mir umspringen würden, falls irgendetwas schieflaufen sollte.

Nicht gerade zimperlich und bestenfalls am Rande des Gesetzes.

»Was stellen die her?« fragte ich.

»Alles Mögliche, von Plastikbechern für Getränkeautomaten bis zu Spezialteilen für Regierungsaufträge. Im ganzen Land sind noch neun weitere Fabriken verstreut, aber unsere war die erste. Habe selber da gearbeitet, ist mittlerweile sechs Jahre her, in der Gießerei. Irgendwann hatten meine Lungen genug, und ich wollte meine Entschädigung nicht im Grab entgegennehmen.«

»Muß für die Stadt von großer Bedeutung sein, so ein Betrieb.«

»Kein Layton ohne Carlon Plastics.«

»Gibt es noch einen Carlon in der Firma?«

»Und ob! Dale Carlon höchstpersönlich. Wohnt in einem stinkvornehmen Kasten gleich bei der Fabrik. Er ist der Sohn. Sein Vater ist tot.«

»Und in so einem Palast wohnt er ganz allein?«

»Ja. Seine Frau ist seit ungefähr fünf Jahren tot. Keine hauseigenen Dienstboten. Hat allerdings irgendwo zwei Töchter.«

Er schaute wieder zurück auf seine Zeitschrift und drehte den Kopf in der gleichen Haltung wie der Michigan Fleischwolf auf dem Cover. »Sind wohl zum Angeln hergekommen ?«

»Wäre gar nicht schlecht. Nein, geschäftlich.«

»Das ist Pech. Beißen an, wie man hört.«

»Sie wissen nicht zufällig, wie ich zur Star Lane komme?«

Er dachte kurz nach. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte er schließlich, »aber die müßte auf der South-Side langgehen, da gibt’s ‘ne Menge solcher Straßen, alle nach der Raumfahrt benannt. Sie nehmen Layton Avenue und fahren runter bis zur Palm Road, ungefähr eine Meile von hier Richtung Westen, dann biegen Sie links ab, auf den Funkturm zu. Das muß die Gegend sein. Fragen Sie da noch mal, die wissen dann schon weiter.«

Das Telefon läutete. Eddi sprang mit knabenhafter Frische auf den Apparat zu, um ihm keine Chance zum zweiten Klingeln zu lassen. »Kein Problem«, sagte er. »Bin gleich da.«

»Die Familie auf Drei braucht Handtücher,« meinte er.

»Vielen Dank für den Tipp mit dem Restaurant«, sagte ich noch, als er hinter seinem Schreibtisch hervorkam und durch eine Schwingtür in den anliegenden Raum verschwand.

Ich ging nach draußen auf den Parkplatz. Der Schatten der riesigen Zypresse hinter den Bungalows nahm mittlerweile den halben Komplex ein. Es gab jedoch noch genügend Zeit, und ich beschloß, trotz Eddies Warnung, es mit dem Clover Grill zu versuchen.

Eine halbe Stunde später – so schlecht fand ich das Essen nicht – verließ ich das Restaurant, setzte mich in meinen Wagen und machte mich auf den Weg zur Star Lane. Ich stellte die Klimaanlage ab, öffnete das Seitenfenster und ließ mich von einer herrlichen Abendkühle für die Strapazen des vorangegangenen Tages entschädigen. Mit den Ampeln hatte ich Pech. Kratzte mich aber nicht. Das Abendessen war schnell gegangen und ließ mir jetzt alle Zeit der Welt.