Gelegenheit macht Sehnsucht - Carly Phillips - E-Book
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Gelegenheit macht Sehnsucht E-Book

Carly Phillips

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Erotik
  • Serie: Dare
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Kann man seinem Verlangen nachgeben, ohne sich dabei selbst zu verlieren?

Nachdem sie die Beziehung zu einem herrschsüchtigen Fremdgänger beendet und sich in ihrem geleasten Mercedes davongemacht hat, wird Isabelle Masters kurzerhand wegen schweren Diebstahls verhaftet und auf die Wache geschleift. Zu ihrer Überraschung rettet sie genau der, mit dem sie am wenigsten gerechnet hätte – Gabriel Dare, von dem sie sich schon viel zu lange angezogen fühlt. Gabe ermöglicht Isabelle die Freiheit und lädt sie in das exklusive Inselresort Eden ein, einen Ort der unbegrenzten Möglichkeiten ...

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Seitenzahl: 261

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howard

Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Mal wieder ein richtig schönes Buch von Carly Phillips. Die Charaktere sind sehr authentisch. Ich konnte das Buch so schnell nicht mehr aus der Hand legen!
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DAS BUCH

Nachdem sie die Beziehung zu einem herrschsüchtigen Fremdgänger beendet und sich in ihrem geleasten Mercedes davongemacht hat, wird Isabelle Masters kurzerhand wegen schweren Diebstahls verhaftet und auf die Wache geschleift. Zu ihrer Überraschung rettet sie genau der, mit dem sie am wenigsten gerechnet hätte – Gabriel Dare, von dem sie sich schon viel zu lange angezogen fühlt. Gabe ermöglicht Isabelle die Freiheit und lädt sie in das exklusive Inselresort Eden ein, einen Ort der unbegrenzten Möglichkeiten. Obwohl Gabe sich danach sehnt, Isabelle zu besitzen, weiß er nur zu gut, dass er dem primitiven Drang widerstehen muss, sie an sich zu binden. Stattdessen sollte er sie dabei unterstützen, die unabhängige Frau zu werden, die sie sein möchte – sonst riskiert er, sie ein für allemal zu verlieren.

Sie muss auf eigenen Beinen stehen. Er braucht die Kontrolle. Kann sie seinem erotischen Verlangen nachgeben, ohne sich dabei aufs Neue selbst zu verlieren?

DIE AUTORIN

Carly Phillips hat sich mit ihren romantischen und leidenschaftlichen Geschichten in die Herzen ihrer Leserinnen geschrieben. Sie veröffentlichte bereits über zwanzig Romane und ist inzwischen eine der bekanntesten amerikanischen Schriftstellerinnen. Mit zahlreichen Preisnominierungen ist sie nicht mehr wegzudenken aus den Bestsellerlisten. Ihre Karriere als Anwältin gab sie auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Töchtern im Staat New York.

CARLY PHILLIPS

dare to

LOVE

GELEGENHEIT MACHT SEHNSUCHT

Aus dem Amerikanischen von Anu Katariina Lindemann

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem TitelDare To Surrender bei CP Publishing.

Copyright © 2014 by Karen Drogin

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Redaktion: Anita Hirtreiter

Covergestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock (Christos Siatos, Lisa)

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-16868-1V004

www.heyne.de

Prolog

Gabe

Gabriel Dare betrachtete die wunderschöne Frau mit dem strahlenden Lächeln, das sich allerdings nicht in ihren Augen widerspiegelte. Er hoffte, dass sein höflicher Gesichtsausdruck seine intensiven Gefühle verbarg, die sie in ihm hervorrief. Sie weckte in ihm Beschützerinstinkte – solche, wie er sie noch niemals zuvor verspürt hatte. Das Verlangen, sie in seine Arme zu schließen, ihren unverwechselbaren Duft einzuatmen, den kein Parfümeur erschaffen konnte, und sie aus diesem gottverdammten, biederen Country Club wegzustehlen, war unermesslich stark.

Das Angebot an schönen Frauen, die ganz begierig darauf waren, mit ihm ins Bett zu gehen, war endlos – Naomi miteingeschlossen, seine aktuelle Freundin. Eine für eine schnelle Nummer fand sich immer, aber richtig geben konnte ihm keine etwas.

Er war gelangweilt. Außer wenn er sie betrachtete. Dann löste sich der Edelclub in den Hamptons in Luft auf, und er hatte nur noch Augen für sie.

Das blonde Haar fiel ihr in Naturlocken den Rücken hinunter, setzte sich über den völlig glatten Look hinweg, den die meisten Frauen bevorzugten. Anders als die Bohnenstangen, mit denen er es für gewöhnlich trieb, hatte sie sexy Kurven, die ihn unheimlich anturnten. Er wollte dieser Frau zeigen, was echtes Vergnügen wirklich bedeutete. Aber sie war unerreichbar, lebte mit einem dieser Wall-Street-Überflieger zusammen, dabei hätte sie es doch so viel besser haben können …

Seltsamerweise war es jedoch nicht die Tatsache, dass sie vergeben war, die ihn magisch anzog. Sie war intelligent, witzig und konnte sich so ziemlich gegenüber jedem behaupten. Sie schaffte es, dass sich jeder wichtig fühlte, mit dem sie sich unterhielt. Er bewunderte diese Eigenschaft an ihr. Sie hatten hier nicht mehr als nur wenige Minuten miteinander verbracht, aber sie hatte ihm bereits beim ersten Anblick den Atem geraubt.

Gabe war ein Mann, der so ziemlich alles tat, um das zu bekommen, was er wollte. Wenn es allerdings darum ging, in eines anderen Mannes Revier zu wildern, dann zog er hier eine klare Grenze. Dennoch musste er zugeben, dass sie seine Willensstärke ziemlich auf die Probe stellte, und außerdem war er doch auch daran gewöhnt, alleine zu sein. Gabe hatte jung geheiratet und sich dabei ganz schrecklich verkalkuliert. Nach Krissies Tod, für den er sich verantwortlich fühlte, war er sicher gewesen, dass es das Klügste wäre, keine Frau mehr an sich heranzulassen.

Aber ein Blick auf Isabelle Masters genügte, und er hatte seine Meinung geändert. Irgendetwas hatte sie an sich, das die Leere in seinem Inneren füllte. Das ging sogar so weit, dass es schon allein genügte, sie anzusehen, damit er sich schlagartig besser fühlte. Leider stießen sie jedoch nur selten aufeinander …

Gabe strich sich mit einer Hand durchs Haar und stöhnte, als er sah, wie Naomi sich gerade ihren Weg zu ihm bahnte. In ihrer Hand hielt sie einen kleinen Teller mit Sellerie- und Karottensticks darauf. Sein Blick huschte wieder zu Isabelle hinüber, die den Raum gerade in die entgegengesetzte Richtung durchquerte. Mit Vorsicht ging sie ihm aus dem Weg, wenn der Mann, mit dem sie zusammenlebte, sich gerade in ihrer Nähe aufhielt.

Sie war vergeben, und alles, was Gabe tun konnte, war, sie anzuhimmeln. Er konnte sie nur anschauen, durfte sie nicht anfassen. Aber wenn sie jemals frei sein sollte, wäre alles möglich …

1

Isabelle

Er flehte mich an, nicht aus der Tür zu gehen. Ich machte es trotzdem. Das Erschreckendste daran? Wie sehr ich wirklich gehen wollte. Jahre meines Lebens hatte ich komplett in eine Beziehung investiert, von der ich geglaubt hatte, sie wäre das Wichtigste für mich. Wie konnte es sein, dass ich jetzt nichts mehr für ihn empfand?

Die Antwort darauf fand ich, als ich in der dunklen Auffahrt bei meinem Auto stand. Das einzige Licht kam vom Scheinwerfer des Wagens, das ich per Funkfernbedienung angeschaltet hatte. Die Gefühle für ihn hatten einfach nachgelassen, bis sie irgendwann ganz weg waren. Als ich zweiundzwanzig war, hatte ich gehofft, dass mein Leben mit ihm perfekt werden würde, aber schon drei Jahre später fühlte ich in mir nur noch diese Leere. Trotz meiner Jugend war ich so schlapp und energielos.

Ich blickte kurz auf, gerade als der erste Regentropfen mein Gesicht berührte. Normalerweise hätte ich eine Kapuze aufgesetzt, um mein lockiges Haar zu schützen, damit es nicht anfing, sich zu kräuseln. Und ich wäre besorgt gewesen, wie ich wohl vor Lance und seinen mit Sorgfalt ausgesuchten Leuten aussehen würde, mit denen er sich umgab. Er bezeichnete sie als Freunde, aber keiner von ihnen kannte die Bedeutung dieses Wortes. Stattdessen machte mir der Sturm, der aus heiterem Himmel aufkam, überhaupt nichts aus. Jedes warme Tröpfchen traf meine Wangen und lief sie hinab, sie reinigten meine Haut und meine Seele. Der Wind wehte stärker, hob mein Haar, blies Strähnen in mein Gesicht. Ich fühlte mich befreit.

»Isabelle!«, schrie Lance aus dem geöffneten Fenster im zweiten Stock seines Sommerhauses in den Hamptons hinunter. Es war einfach schon zu lange her, seitdem ich irgendeinen Teil davon als mein Eigentum betrachtet hatte. Wenn ich das überhaupt jemals getan haben sollte.

Widerwillig sah ich zu ihm hoch.

»Du hast deinen Trotzanfall jetzt gehabt! Jetzt komm wieder rein, und wir reden wie vernünftige Menschen miteinander. Du willst hier doch nicht vor den Nachbarn eine Szene machen!«

Gott bewahre!, dachte ich und ersparte mir einen letzten Blick auf den Ort, an dem ich einfach viel zu lange gelebt hatte. Das Haus war Lance Daltrys Schauplatz, genauso wie auch ich nichts weiter als ein Accessoire für ihn gewesen war. Ich hatte ihm vielleicht den Rücken freigehalten und seine obligatorischen Dinnerpartys organisiert, aber ich hatte zu nichts beigetragen, was wirklich von Bedeutung gewesen wäre. Nie hatte er mir erlaubt, irgendetwas von dem Geld auszugeben, das ich als Innenarchitektin verdient hatte, bevor ich meinen Job schließlich für ihn aufgab. Unnötig, hatte er gemeint. Wenn ich ihn lieben würde, würde ich daheimbleiben und mich um das Haus kümmern. Schon eher war es aber die Kontrolle über mich gewesen, die er eigentlich gewollt hatte, und ich hatte es zugelassen.

Glücklicherweise hatte ich ein ganz stolzes Sümmchen aus den damaligen Zeiten angespart. Leider hatte ich es allerdings toleriert, dass Lance danach mein Geld anlegte und die Vollmacht über die Konten behielt. Und wie hoch standen die Chancen, dass das Geld verfügbar wäre, wenn ich etwas davon am Montagmorgen abheben wollte? Bei dem Gedanken daran schloss ich die Augen.

Obwohl ich zu der Zeit, als ich Lance traf, schon ein paar Jahre in Manhattan gelebt hatte, war ich trotzdem immer noch das naive Mädchen, das sich in einer Kleinstadt in der Nähe der Niagarafälle in einen Bus gesetzt und sich alleine in die große Stadt aufgemacht hatte. Was für ein Jammer, dass ich nicht schlau genug gewesen war, um rechtzeitig Lance als den Blender zu erkennen, als der er sich später entpuppt hatte.

»Isabelle!«, schrie er wieder von oben zu mir herab. Er machte sich nicht einmal die Mühe, nach draußen in den Regen zu kommen, um mit mir zu reden, geschweige denn sich wie ein Mann anständig bei mir zu entschuldigen. Nicht, wenn der Regen doch seinen 1000-Dollar-Anzug und seinen 100-Dollar-Haarschnitt ruinieren konnte. Bloß nicht reden, dachte ich und schüttelte lediglich den Kopf.

Reden war das gewesen, was mich in der Beziehung gehalten hatte, von der ich wusste, dass ich sie nicht mit einem Mann führen wollte, dem ich nicht vertrauen konnte. Reden war das gewesen, was mich überzeugt hatte, dass Lance, ein Wall-Street-Banker, mein Seelenverwandter sei, während ich jedoch tief in meinem Inneren bereits wusste, dass das nicht sein konnte. Mit seinem Gerede hatte er sogar geschafft, dass ich seinen Lügen Glauben schenkte, obwohl ich zumindest mir selbst gegenüber zugab, nicht wirklich glücklich mit ihm oder dem goldenen Käfig, in den er mich gesteckt hatte, zu sein. Das war wirklich das Erniedrigendste daran.

Ich brauchte keine Therapie, um selbst zu wissen, warum ich so empfänglich auf Lance’ Charme und sein Verlangen, mich zu besitzen, reagiert hatte. Meine Kindheit, über die ich nicht gerne sprach, barg alle Antworten in sich. Aber da ich es jetzt geschafft hatte abzuhauen, war eines sicher: Ich würde nicht wieder zurückkehren!

»Würdest du jetzt mal aufhören, dich so kindisch zu verhalten, und wieder raufkommen?!« Lance versuchte es aufs Neue. Er bevormundete mich, obwohl er derjenige war, der ganz klar im Unrecht war. Eine andere beliebte Masche von ihm.

Zitternd stieg ich in mein geliebtes Auto, knallte die Tür zu und nahm vor Lance’ Wortschwall Reißaus. Ich startete den Motor, hielt dann aber noch kurz inne und atmete tief durch. Die Ereignisse der letzten wenigen Minuten rauschten durch meinen Kopf wie ein schlechter Film.

Ich war an unserem gemeinsamen Laptop gewesen und hatte nach Rezepten gesucht, die ich dort abgespeichert hatte. Als ich einen Ordner entdeckte, den ich nicht zuordnen konnte, klickte ich ihn an. Fotos von Lance, wie er heißen Sex mit meiner schönen Nachbarin – die sich erdreistet hatte, sich als meine Freundin zu bezeichnen – hatte, waren auf dem Bildschirm aufgepoppt. Bei dem visuellen Beweis war mir schlecht geworden – wegen etwas, das ich vorher nur erahnt hatte.

Bei dem Gedanken an die Bilder musste ich zittern, aber ich war stolz auf mich, dass ich ohne ein Wort zu verlieren gegangen war, allerdings auch ohne einen Koffer. Mein Körper war wie erstarrt, mein Herz umhüllt von Eis. Obwohl ich die beheizbaren Sitze hätte einschalten können. Die Erinnerung, vom Verrat wie betäubt zu sein, würde mir bis in die Zukunft erhalten bleiben.

Ich schaltete die Zündung an, doch keine Tränen mischten sich mit der Feuchtigkeit des Regens auf meinem Gesicht. Stattdessen raste das Adrenalin durch meine Venen, und zwar schneller, als mein geliebtes Auto jemals auf der Autobahn hätte fahren können. Eigentlich sollte ich Angst haben. Mich danach sehnen, umzudrehen und wieder in mein altes Leben zurückkehren.

Mein Fuß drückte aufs Gaspedal, und ich setzte aus der Auffahrt zurück, ohne mich noch einmal umzublicken. Es konnte schon sein, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich hingehen oder was ich als Nächstes tun sollte, aber es ging vorwärts. Endlich!

Im Radio verkündete das Lied von The Buggles aus dem Jahr 1979, dass das Video den Radiostar getötet hätte. Stimmt nicht, dachte ich, als ich in die dunkle Nacht fuhr. Das Radio hatte trotzdem Erfolg. Obwohl die Fotos heute Abend meinen Traum zerstört hatten, bis ans Ende meiner Tage glücklich zu sein – immerhin hatte ich mein Leben so eingerichtet, um nicht einsam zu sein –, würde ich mich von diesen Sexbildern nicht fertigmachen lassen! Schließlich hatten sie mir die Freiheit geschenkt.

***

Isabelle: vom Regen …

Eine Meile außerhalb von Manhattan wurde ich verhaftet. Schwerer Autodiebstahl, behauptete der Polizist. Schwachsinn, erwiderte ich. Der Baby-Benz gehörte mir!

Dennoch legte er mir Handschellen an und schleppte mich zum nächsten Polizeirevier. Er sagte, dass sein Name Officer Dare sei. Er war dunkelhaarig und groß – größer als Lance, der sich auf seine Größe immer etwas einbildete. Und Officer Dare war unter seiner Uniform auch breiter gebaut als Lance, zumindest demnach zu urteilen, was ich sehen konnte. Er ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Die ganze Zeit über blieb er ernst, aber ich ahnte, dass er attraktiv wäre, wenn er einmal lächeln würde. Bis jetzt hatte er das allerdings noch nicht getan.

Erst als wir auf dem Polizeirevier waren – das genauso wie in Law & Order aussah –, ließ mich Officer Dare neben seinem Schreibtisch Platz nehmen und befestigte meine Handschellen daran.

Eigentlich hätte ich Angst haben sollen, doch seltsamerweise hielt ich das Ganze nur für ein Missverständnis, das sich gleich aufklären würde. Zumindest dachte ich das, bis mich Officer Dare dazu aufforderte, meine Taschen auszuleeren, und mir meine letzten fünfhundert Dollar abnahm – Bargeld, das ich aus dem Versteck mit Banknoten, das ich in meinem Nachttisch aufbewahrte, herausgenommen hatte.

In einer nicht enden wollenden Stille blätterte er den prallen Stapel von 20-Dollar-Scheinen durch.

Das Geld war alles, was ich hatte. »Ich muss etwas essen, wenn ich hier rauskomme«, sagte ich zu meinem Gefängniswärter.

Er sah nicht auf. »Sie werden das Geld zurückbekommen.«

»Alles?«, fragte ich, so als ob ich allen Ernstes glaubte, dass ein Polizist einer vom Pech verfolgten Frau den Notgroschen wegnehmen würde.

Verärgert spannte er seine Gesichtsmuskeln an. »Wir protokollieren alles und zählen das Geld. Vor Ihren Augen! Ich war gerade im Begriff, das zu tun … gnädige Frau.«

Aus irgendeinem hirnverbrannten Grund brach ich in Gelächter aus. Ich war nach der Beziehung, die eine einzige Lüge gewesen war, zu einer Obdachlosen geworden und unmittelbar danach verhaftet worden. Diese komplette Kehrtwendung in meinem Leben war wirklich völlig absurd.

Mit meiner freien Hand rieb ich meinen angeketteten Arm. »Habe ich nicht das Recht, jemanden anzurufen?«

Er nickte und griff nach dem Telefonhörer auf dem Tisch. Aber als mir dann mit einem Mal bewusst wurde, dass es ja überhaupt keinen gab, den ich hätte anrufen können, verdüsterte sich meine Miene. Lance anzurufen stand außer Frage, und unsere Freunde waren in Wirklichkeit seine Freunde. Was meine Eltern betraf, so konnten sie sich nicht einmal an meinen Geburtstag erinnern. Eine innere Stimme sagte mir, dass ein nächtlicher Anruf mit der Bitte, mich aus dem Gefängnis abzuholen, auf ihrer Prioritätenliste nicht gerade an oberster Stelle stehen würde.

»Egal …«, murmelte ich leise.

Der Officer starrte mich verwirrt an. »Jetzt wollen Sie doch nicht mehr telefonieren?«

»Nein, danke.« Weil ich mutterseelenallein war.

Übelkeit stieg wie Gallenflüssigkeit meine Kehle hoch, und ich vergrub meine Fingernägel in meinen Handflächen. Wenn ich mich dazu zwang, tief durchzuatmen, kehrte das vertraute Brennen in meiner Brust zurück, und ich realisierte, dass ich ohne die eine Sache gegangen war, ohne die ich normalerweise nie das Haus verließ, und dabei handelte es sich nicht um meinen Führerschein.

»Sie haben nicht zufällig Tums oder irgendwas anderes gegen Sodbrennen da?«, fragte ich.

Er knirschte mit den Zähnen, und ich schwöre, dass ich das hören konnte. »Mal sehen. Ich kümmere mich darum«, murmelte er und ging hinaus.

»Ich werde hier warten!«, rief ich ihm hinterher, hob meinen Arm, soweit es die Handschellen eben zuließen, und stöhnte.

Die Zeit, die dann verstrich, kam mir endlos lang vor. Ich dachte über meine Möglichkeiten nach, von denen ich aber, wie ich wieder einmal feststellen musste, keine hatte.

Und was jetzt?, fragte ich mich. Zum ersten Mal war ich wirklich richtig verzweifelt. Schließlich zwang ich mich dazu, den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken, und nahm mir fest vor, das Beste aus dieser Situation zu machen.

Ich trat gegen den Linoleumboden, lehnte mich im Stuhl zurück und starrte an die rissige Zimmerdecke. Dann summte ich zu der Melodie im Radio, die im Hintergrund dudelte. Und ja … ich versuchte, nicht zu weinen.

»Weißt du, ich dachte, ich bräuchte länger, um dich in Handschellen zu sehen.« Eine vertraute männliche Stimme, die geradezu verführerisch klang, ertönte plötzlich neben mir.

Das konnte nicht sein, aber das Kribbeln in meinem Körper sagte mir bereits, wer es war. »Gabriel Dare! Was hat dich denn in diesen Teil von Mayberry verschlagen?«

Er lachte in sich hinein, ein tieferotischer Ton, der zu seiner Erwähnung mit den Handschellen passte. Doch er beantwortete meine Frage nicht.

Da mir keine andere Wahl blieb, neigte ich meinen Kopf und blickte in seine dunkelblauen Augen. Augen, die denen meines Polizisten einfach zu ähnlich sahen, und plötzlich konnte ich auch den Familiennamen richtig zuordnen. An einem unbekannten Ort und zu später Stunde, mit meinen Gedanken nur bei meiner Verhaftung und nichts anderem, war mir der Zusammenhang nicht vorher aufgefallen. Gabriel Dare kannte ich aus dem Country Club, zu dem Lance gehörte, aber einmal davon abgesehen, dass beide Männer zur Oberschicht gehörten, gab es ansonsten keinerlei Ähnlichkeiten zwischen ihnen. Während Lance sandfarbenes Haar hatte und eher schlank von Statur war, war Gabe – so nannten ihn seine Freunde – dunkelhaarig und athletisch.

Gabes bloße Körperhaltung und sein Auftreten hoben ihn von jedem anderen Mann ab, den ich je zuvor getroffen hatte. Seine weißen Zähne, die gebräunte Haut und seine kantigen Gesichtszüge passten derart gut zusammen, was ihn ungemein attraktiv machte. Dass er den Raum und die Luft um sich herum zu besitzen schien, steigerte lediglich seine Anziehungskraft. Eine derartige Anziehungskraft, die mir nicht entgangen war, selbst jetzt nicht, da ich auf einem Polizeirevier an einen Tisch angekettet war. Sein starrer Blick geriet niemals ins Wanken, diese dunkelblauen Augen schauten mich unverwandt an, und wenn ich nicht gesessen hätte, hätte ich mich vor Aufregung nicht auf den Beinen halten können.

»Du siehst angekettet gut aus«, meinte er mit anziehender tiefer Stimme.

Augenblicklich stellte ich mir vor, wie ich gefesselt und ihm völlig ausgeliefert war. Mein Körper, der schon zu lange nicht mehr – wenn überhaupt jemals – die Aufmerksamkeit bekommen hatte, die er brauchte, war von Gabes Bemerkung überfordert. Dieses Kopfkino, wie er mich berührte und dabei wusste, was er tat, war einfach zu viel für mich.

Ich presste meine Oberschenkel zusammen, aber anstatt dass das Gefühl nachließ, wurde das Verlangen nur noch größer. Hitze raste in einem schnellen Tempo durch mich hindurch, meine Brüste wurden schwer, meine Muschi pulsierte und flehte regelrecht danach, ausgefüllt zu werden. In einem unmöglichen Versuch, selbst wieder Herr der Lage zu sein, kniff ich die Augen zusammen.

Er grinste, so als ob er jeden einzelnen unanständigen Gedanken in meinem Kopf gehört hätte.

So war es immer schon zwischen uns gewesen. Jedes Mal, wenn ich ihn im Club zufällig getroffen hatte, war die gegenseitige Anziehung wie elektrisch aufgeladen gewesen. Und wenn wir uns zufällig alleine begegneten, war das Geflirte schon beinahe unverschämt.

Eines Nachts traf ich ihn, als ich gerade das Damen-WC verließ. Dann hatte uns aber Lance vorgefunden, und zurück zu Hause hatte er mir die Hölle heißgemacht und mir vorgeworfen, scharf auf Gabe zu sein. Natürlich hatte ich alles abgestritten.

Ich hatte gelogen.

Lance wusste das, und nachdem er uns mehr als nur einmal erwischt hatte, wie wir uns alleine unterhielten, hielt er mich jedes Mal am Arm fest und ganz nah bei sich, wenn wir im Country Club waren. Und weil ich verzweifelt versuchte, dem Leben, für das ich mich entschieden hatte, einen Sinn zu geben, hatte ich das zugelassen.

Außerdem war Gabe immer in Damenbegleitung – er hatte jedes Mal eine andere dabei. Er konnte jede schöne Frau haben, die er begehrte. Warum sollte er sich also für mich entscheiden? Selbst Lance, mit dem ich gefühlt schon ein ganzes Leben lang zusammen gewesen war, wollte nur etwas besitzen, nicht mich. Und seien wir doch mal ehrlich … meine Eltern hatten mich auch nicht gewollt. Somit gehörte Selbstvertrauen nicht gerade zu meinen Stärken.

»Also … warum bist du hier?« Gabe setzte sich auf den Stuhl seines Bruders und stützte einen Ellenbogen auf den unaufgeräumten Tisch, sodass er sich näher an mich heranlehnen konnte. »Prostitution?«

»Wie bitte?«, brachte ich geschockt hervor. »Du weißt, dass ich keine Nutte bin!« Ich war richtig beleidigt. Mir fiel wieder das Getuschel ein, das ich gehört hatte, als Lance und ich damals zusammengekommen waren.

In den Augen der anderen war ich immer bloß eine, die es nur aufs Geld abgesehen hat. Dabei war ich mir nicht sicher gewesen, ob ich wirklich mit ihm zusammen sein wollte, aber er hatte nicht lockergelassen.

Gabe schmunzelte und beteuerte, dass er lediglich einen Scherz gemacht hatte. »Jetzt mal ganz im Ernst, du bist genauso gut darin, dich zwanglos zu kleiden, wie dich chic zu machen!« Prüfend betrachtete er mich. In seinem eindringlichen Blick lag Anerkennung, wie es bei Lance niemals der Fall gewesen war.

Mein Innerstes bebte bei diesem überwältigenden Effekt, den dieser Mann auf mich ausübte. »Wo ist der Polizist mit meinem Geld?«, fragte ich schließlich, während ich suchend um mich schaute.

»Machst du dir Gedanken wegen deines Geldes?« Gabe trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. »Bist du dir ganz sicher, dass du keine Prostituierte bist?«, grübelte er dann laut.

Eigentlich wollte ich nicht grinsen, aber tat es dennoch. »Warum lässt dich der Gedanke, dass ich eine sein könnte, so verzweifeln? Bist du etwa ein Zuhälter oder so was in der Art?«

Er brach in Gelächter aus, der Ton hallte durch die Wände des ruhigen Polizeireviers. »Nicht ganz«, meinte er dann sichtlich amüsiert.

Das Geräusch der schweren Schritte seines Bruders kündigte dessen Rückkehr an.

Gabe schaute ihn mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck an. »Bruderherz, hat dir keiner gesagt, dass du eine Frau an das Kopfende eines Bettes fesseln solltest und nicht an einen Tisch?« Er verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. »Kein Wunder, dass bei dir nichts läuft.«

Ich zog meinen Kopf ein und versuchte nicht zu lachen.

Officer Dare stieg die Schamesröte ins Gesicht. »Was machst du denn hier, und warum belästigst du meine Tatverdächtige?«

Gabe tippte auf seine Armbanduhr. Gold. Weißes Ziffernblatt. Rolex. All mein Schmuck befand sich noch in Lance’ Safe, realisierte ich da plötzlich und wurde etwas traurig. Nicht, weil ich materialistisch veranlagt war, sondern weil ich einige der Stücke – nämlich die, die ich selbst ausgesucht hatte – wirklich gemocht hatte.

Gabe blickte seinen Bruder an. »Hattest du nicht gesagt, dass du um elf Schluss hast? Ich dachte, wir könnten den Club austesten, den ich übernehmen will.«

»Suchst du wirklich nach einem neuen Club? Oder ist dieser Ausflug bloß eine faule Ausrede, um eine neue Frau zu finden, die dein Bett wärmt?«

Sein Bruder hält sich ja nicht gerade zurück, dachte ich und blickte schnell weg, weil ich nicht wollte, dass Gabe meine Reaktion auf die Vorstellung sah, wie er mit einer Frau im Bett wäre.

»Ich bin immer noch mit Naomi zusammen.«

Mein Magen rebellierte, als ich das hörte.

Sein Bruder blickte finster drein. »Sie ist eine Schlampe!«

Ich räusperte mich, denn ich hatte keine Lust, noch eine Minute länger hier rumzusitzen und mir Details über Gabes Liebesleben anzuhören. »Hallo? Die Gefangene ist immer noch hier!«, erinnerte ich die beiden mit einem Winken meiner freien Hand.

Gabe grinste mich an.

Ich schaute weg, denn ich wollte mir nicht eingestehen, dass seine kleine Geste mich wieder richtig geil werden ließ.

»Warum ist sie hier?«, fragte Gabe seinen Bruder.

»Schwerer Autodiebstahl, aber ihr Freund hat die Anschuldigungen jetzt fallen gelassen.«

Gabe fluchte leise. »Dieser Hurensohn hat dich verhaften lassen?!«

Ich konzentrierte mich auf den letzten Teil der Aussage von Officer Gabe. »Lance hat die Anschuldigungen fallen gelassen?« Gott, war ich erleichtert.

»Er hat die Anschuldigungen fallen gelassen«, wiederholte der Polizist. »Sofern Sie zustimmen, ihm das Auto zu überlassen.«

Blitzschnell hob ich meinen Kopf. »Dieser Bastard!« Immer noch versuchte er mich zu kontrollieren! Er wusste ganz genau, dass ich mit so gut wie nichts gegangen war, dennoch musste er mir noch eine Sache wegnehmen, von der er wusste, dass ich sie liebte. Realistisch gesehen konnte ich es mir allerdings auch nicht leisten, meinen Wagen in der Stadt zu parken, somit hatte mir Lance sogar irgendwie einen Gefallen damit getan.

»Abgemacht!«, sagte ich zu Gabes Bruder. »Er kann das Auto haben.«

»Ich habe nicht verhandelt«, meinte der Polizist trocken.

»Decklan!« In Gabes Stimme schwang eine entschiedene Warnung mit.

Ich konnte es jetzt nicht gebrauchen und wollte es auch nicht, dass Gabe sich für mich einsetzte, und ignorierte seinen heißen – und ich meine wirklich heißen – Blick.

»Lassen Sie mich frei?«, fragte ich und rasselte mit meinen Handschellen.

Decklan – nun kannte ich den Namen meines Gefängniswärters – nickte. »Ihr Freund meinte, er würde herkommen, um Sie abzuholen, und dass Sie beide dieses … Missverständnis ausdiskutieren können. In welchem Falle Sie vielleicht sogar den Wagen behalten können.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Er wird in circa dreißig Minuten hier sein, mehr oder weniger.«

»Oh, auf gar keinen Fall!« Mit Lance würde ich nirgendwo hingehen, und bestimmt wollte ich auch keine Konfrontation mit ihm haben, die es aber mit Sicherheit geben würde, wenn er hier auftauchte. Ich rasselte noch einmal mit meinen Handschellen. Plötzlich überfiel mich der verzweifelte Wunsch, ganz schnell die Flucht zu ergreifen, denn ich musste hier sofort rauskommen, und ich brauchte einen Vorsprung!

»Decklan! Schließ jetzt endlich diese verdammten Handschellen auf!«, herrschte Gabe seinen Bruder in einem Bariton an, der mich ironischerweise beruhigte.

Decklan sprang auf, um seiner Aufforderung nachzukommen.

Ich schüttelte meine Hand aus und sah darauf. Eine rote Schramme blieb auf meiner Haut zurück, und ich rieb mein schmerzendes Handgelenk.

Gabes Blick folgte jeder meiner Bewegungen, seine Augen verdunkelten sich aufs Neue. Mit einem tiefen Knurren hob er meine Hand und berührte mein gezeichnetes Fleisch mit seinen starken gebräunten Fingern. Eine unvermittelte Vorstellung davon, dass er mich härter anfasste, mich fest an sich zog und seinen muskulösen Körper an mir rieb, nahm Gestalt an, und ich zitterte, war erregt von seiner Stimmlage, seiner sinnlichen Berührung und meinen mich quälenden Gedanken.

»Alles okay bei dir?«, fragte mich Gabe mit belegter Stimme.

Seine Stimme brachte mich in meine gegenwärtige Situation und meine missliche Lage zurück. »Ja. Alles gut.«

Ein inniges Lächeln spielte um seine Lippen, und ich hätte schwören können, dass er ganz genau wusste, wie heiß er mich gerade gemacht hatte – und wie feucht.

Aufgewühlt von diesem Gedanken und was nun alles auf mich zukommen würde, schnappte ich mir meine Sweatjacke vom Stuhl. »Darf ich jetzt gehen?«, fragte ich und zog mir die leichte Jacke an.

»Sie dürfen«, antwortete der Polizist. »Halten Sie sich zukünftig von Schwierigkeiten fern, Miss Masters.«

Das würde ich, dachte ich, sobald ich seinem Bruder erst einmal entkommen war. Ich streckte die Hand aus, und Decklan gab mir mein Geld zurück.

»Danke«, sagte ich und zuckte zusammen.

Was käme als Nächstes? Dankbarkeit dafür, dass ich verhaftet worden war?

Zumindest war es nicht weiter gekommen als bis zur Aufnahme meiner Personalien und dem Polizeifoto. Mit einer Hand fuhr ich mir durch meine wilden Locken. Schlagartig wurde mir bewusst, wie ich vermutlich gerade aussah.

»Man sieht sich!«, sagte ich mit einem Winken und einem erzwungenen Lachen.

»Warte!« Gabes tiefe Tonlage brachte mich fast wieder zum Dahinschmelzen.

»Was?«

»Weißt du, wo du hingehen kannst?«, fragte er, zu nett für mich, um nicht verlegen zu werden. Ich mied seinen Blick, als ich ihm antwortete: »Ich komm schon zurecht.«

»Isabelle …« Gabes Stimmlage wurde tiefer.

»Oh nein«, sagte sein Bruder, »bloß nicht!«

»Halt den Mund, Decklan!«

Ich kniff die Augen zusammen und fragte mich, warum der Polizist so vehement protestierte. Was hatte er geschlussfolgert, von dem ich nichts wusste? Mein Blick wanderte zurück zu Gabe, der seinem Bruder lediglich zunickte, so als ob alles schon entschieden wäre.

»Du kommst mit zu mir!«, meinte Gabe. Sein Ton klang bestimmend.

»Was?« Das hatte ich allerdings nicht kommen sehen, genauso wenig, wie ich seine Worte verarbeiten konnte.

Neben dem Tisch seines Bruders stützte er eine Hand an der Wand ab. »Du kommst zu mir nach Hause. Ich habe genug Platz, und du kannst so lange bleiben, bis du wieder auf die Beine kommst.« Seine Worte klangen überzeugend und machten ganz offensichtlich Sinn – zumindest für ihn.

Bei dem Gedanken, von einem Kontrollfreak zum nächsten zu gehen, geriet ich in Panik.

»Bist du wahnsinnig?«, fragte Decklan. Laut.

Nickend stimmte ich ihm zu. »Hör auf deinen Bruder, Gabe. Ich werde nirgends mit dir hingehen. Du bist praktisch ein Fremder für mich.«

Bei dem Kommentar verfinsterte sich Gabes Gesicht.

»Und sie ist eine Streunerin«, fügte Decklan hinzu.

»Hey!« Ich drehte mich zu ihm um und funkelte ihn böse an. »Das ist einfach nur beleidigend!«

»Du hast eine Schwäche für Streunerinnen«, meinte Decklan zu Gabe und ignorierte mich dabei völlig. Das gab mir nur noch einen weiteren Grund, ihn nicht zu mögen, von der Verhaftung einmal abgesehen.

»Halt verdammt noch mal den Mund«, murmelte Gabe und biss die Zähne zusammen, als er seinen Bruder böse anstarrte.

Mir fiel auf, dass Decklan ein heikles Thema angesprochen haben musste. Es musste schon einmal eine Streunerin in seinem Leben gegeben haben, und ich fragte mich, wer sie wohl gewesen war und was sie Gabe bedeutet hatte.

Aber ich hatte keine Zeit mehr, um das herauszufinden. »Es ist interessant gewesen«, sagte ich hektisch. »Tschüss, Jungs.«

Und während die beiden Brüder schweigend, mit streitsüchtigem Blick zurückblieben, machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ mit großen Schritten das Polizeirevier, ohne mich noch einmal umzusehen.

2

Isabelle: … In die Traufe

Kaum war ich aus der Tür des Polizeireviers heraus und an der frischen Luft, als auch schon der Regen über mich hereinbrach. Meine Kleidung saugte sich fast augenblicklich mit Wasser voll.

Schnell sprang ich unter das Vordach zurück, wo es trocken war. Ich brauche einen Plan, dachte ich. Mein Handy hatte ich in Lance’ Haus zurückgelassen, und selbst wenn ich es nicht dort vergessen hätte, würde Lance es abschalten lassen, sobald er feststellte, dass ich nicht mehr zu ihm zurückkommen würde.

Ich war noch nicht einmal bis nach Manhattan gekommen, wo sicherlich irgendwo ein Taxi mit eingeschaltetem Licht vorbeifahren und darauf warten würde, herbeigerufen zu werden. Aber ich hatte nicht mal eine Mitfahrgelegenheit zum nächsten Bus oder Zug. Mit zitternder Hand fuhr ich mir durchs feuchte Haar und fragte mich, warum ich nur so überstürzt aus dem Polizeirevier gestürmt war, wenn ich doch in Wirklichkeit überhaupt keinen Ort hatte, wo ich hätte hingehen können. Selbst wenn es wie durch ein Wunder plötzlich aufhören sollte zu regnen, war ich dennoch ganz allein.

»Hey!«