Goldwölfe im Nacken - Logan Kenison - E-Book

Goldwölfe im Nacken E-Book

Logan Kenison

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Beschreibung

Sam Whaley war der verdammteste und erfolgloseste aller Goldsucher in den Black Hills. Monatelang hatte er geschürft und gehackt, gehämmert, gesiebt und gerackert – und kein einziges Gran Gold gefunden. Nun hatte er keine Chance mehr zu überleben, denn sein Pferd hatte er im letzten harten Winter schlachten müssen, um nicht zu verhungern, und sein gesamtes Geld in den überteuerten Restaurants der Goldgräberstadt ausgegeben. Er hatte all seine Chips auf den miesen Claim gesetzt, den man ihm in Waycross angedreht hatte, doch langsam schwante ihm, dass er übers Ohr gehauen worden war. Sam war dem Hungertod ausgeliefert – oder er würde zum Verbrecher werden. Denn sein Colt war noch geladen. Für ihn ging es ums nackte Überleben. Dann kamen sie in seine Hütte, in jener Nacht, sieben Männer, die vor Waffen starrten.

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Seitenzahl: 159

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Goldwölfe im Nacken

Westernroman

von Logan Kenison

Inhalt

Impressum

Buch und Autor

Goldwölfe im Nacken (Roman)

Weitere Titel von Logan Kenison

Ungekürzte Erstausgabe 01/2015

Copyright © 2015 by Logan Kenison

Lektorat: Carola Lee-Altrichter

Das Cover wurde gestaltet nach Motiven der Episode "Der Auftrag" (Orig.: "The Mission", USA, 1960) aus der Bonanza-Komplettbox. Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.fernsehjuwelen.de

Abdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Verlags oder Autors.

Kontakt: [email protected]

Das Buch

Sam Whaley war der verdammteste und erfolgloseste aller Goldsucher in den Black Hills. Monatelang hatte er geschürft und gehackt, gehämmert, gesiebt und gerackert – und kein einziges Gran Gold gefunden. Nun hatte er keine Chance mehr zu überleben, denn sein Pferd hatte er im letzten harten Winter schlachten müssen, um nicht zu verhungern, und sein gesamtes Geld in den überteuerten Restaurants der Goldgräberstadt ausgegeben. Er hatte all seine Chips auf den miesen Claim gesetzt, den man ihm in Waycross angedreht hatte, doch langsam schwante ihm, dass er übers Ohr gehauen worden war. Sam war dem Hungertod ausgeliefert – oder er würde zum Verbrecher werden. Denn sein Colt war noch geladen. Für ihn ging es ums nackte Überleben. Dann kamen sie in seine Hütte, in jener Nacht, sieben Männer, die vor Waffen starrten.

Der Autor

Logan Kenison (vormals Joe Tyler) ist Autor von Western-, Abenteuer- und Spacegeschichten. Neben seinen Western, die er mit Leidenschaft verfasst, schreibt er seit 2018 die Reihe Spacewestern.

Goldwölfe im Nacken

Logan Kenison

Mit dem Colt bestand für Sam Whaley keine Aussicht mehr, einen Gabelbock oder eine Antilope zu schießen. Mit dem kurzen Lauf war nach spätestens acht Schritten Schluss mit der Zielgenauigkeit. Danach begann die Kugel so stark zu flattern, dass der Schuss sonst wo hinging, nur nicht dorthin, worauf der Schütze gezielt hatte. Es hieß dann, dass man kein Scheunentor träfe, und der Spruch war wahr.

Okay, stell dich sieben oder acht Schritte vor ein Scheunentor und schieß. Du triffst. Aber stell’ dich neun oder zehn Schritte davor auf. Schieß nochmal. Dann wirst du merken, was ich meine.

Die Waffen jener Zeit hatten einfach noch keine gezogenen Läufe. Vielleicht würde mal jemand etwas erfinden, was die Reichweite und Zielgenauigkeit von Handfeuerwaffen verbesserte, aber jetzt, im Frühjahr 1876 im Staate South Dakota, war es noch nicht soweit. Da schossen die Leute meist auf gut Glück, und deswegen kann man sagen, dass Sam Whaley mit seinem Colt keinen Bock mehr schießen konnte. Er käme einfach nicht nahe genug an ein Tier heran, um es zu erlegen.

An diesem seinem letzten Tag als aufrechter amerikanischer Bürger, saß Sam in seiner armseligen Hütte und blickte auf seinen frisch gereinigten und zusammengesetzten Remington Single Action Kaliber .44-40 hinab. Das Metall schimmerte und glänzte, als wäre die Waffe nagelneu, und Sam fluchte.

Unter diesen Umständen war es besser, dem Elend gleich ein Ende zu bereiten und sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Dann würde er wenigstens nicht qualvoll verhungern müssen.

Es gab nichts zu beschönigen. Seine Vorräte waren aufgebraucht, und er hatte kein Gold gefunden. Acht Monate und zwei Wochen hatte er sich in dem Claim abgerackert, und zu Beginn war eine minimale Ausbeute vorhanden gewesen. Einige Zeit hatte er sich noch über Wasser halten und sich sogar Kaffee leisten können – ein Luxus, den er schon vor fünf Monaten verloren hatte.

Der Bursche, der ihm den Claim verkauft hatte, hatte ihm das Blaue vom Himmel herab versprochen. (Gelogen! Es war alles gelogen gewesen.) Er könne nicht mehr weiterarbeiten, hatte er gesagt, weil er sich ein Bein gebrochen hätte und seither nicht mehr auftreten konnte. Siebentausend Dollar hätte er innerhalb weniger Wochen aus dem Felsgestein und dem Fluss herausgeholt. Und es läge noch viel mehr darin. Sehr viel mehr, das er alles Sam Whaley überlassen würde, wenn er ihm den Claim abkaufte.

Als sie gemeinsam den Claim besichtigt hatten, hatte der Mann auf eine golden schimmernde Wand gezeigt und Sam weisgemacht, dass er nur die Hacke ansetzen müsste, um all das (und noch viel mehr) herauszubrechen. Innerhalb weniger Monate würde Sam Millionär sein.

Der Gedanke hatte schön geklungen, und Sam hatte ihm geglaubt.

Inzwischen war er ein gutes Stück klüger geworden.

Inzwischen wusste er, wie man einem Greenhorn eine ertragreiche Mine vorgaukelte. Die Jungs in den Saloons hatten es ihm erzählt. Man lud eine Schrotflinte mit Goldstaub und feuerte sie auf die Felswand ab. Der Druck der Entladung presste das feine Gold so fest und kompakt in das Gestein hinein, dass man glaubte, es handle sich um eine Ader. Erst wenn jemand eine Hacke in die Hand nahm und begann, den »großen Fund« herauszubrechen, merkte er, dass dahinter nichts weiter war als nackter Fels.

Und nackter Fels und ein Stückchen eiskalter Creek waren alles, was Sam für sein sauer verdientes Geld erworben hatte.

Man hatte ihn nach allen Regeln der Kunst geleimt.

Der Bursche, der das getan hatte, hatte noch ein paar Komplizen gehabt, und die waren inzwischen allesamt längst aus der Gegend verschwunden. Wahrscheinlich hatten sie laut gelacht und gejohlt, als sie in die Postkutsche gestiegen und nach Osten abgefahren waren. Lachend, denn außer mit Sam hatten sie das Ding noch mit dreißig anderen Idioten abgezogen, und jeder der auf diese Art Übertölpelten hatte für einen wertlosen Claim zehn- bis fünfzehntausend Dollar hingeblättert.

Ja, Sam Whaley war übers Ohr gehauen worden wie ein Rookie. Dabei war er gar kein Rookie mehr. Schon lange nicht mehr. Siebenundzwanzig war er gewesen, als er sich das Stückchen Land hatte andrehen lassen. Inzwischen hatte sich die Zahl hinter der Zwei geändert, doch seinen Geburtstag hatte er mit Wurzelsud und kaltem Wasser aus dem Creek begießen können. (Unter diesem Umständen war ihm nicht nach Feiern zumute gewesen.)

Jetzt war er am Ende seines Trails angekommen. Das war offensichtlich. Außer der Handfeuerwaffe und dem Holstergurt war ihm nichts geblieben. Nichts zum Futtern, nichts zum Reiten, nichts wofür es sich lohnte, auch nur eine weitere Stunde am Leben zu bleiben.

Seinen Gaul hatte er im letzten Winter geschlachtet. Damals hatte er noch geglaubt, reich werden zu können, wenn er nur lange genug durchhielte; hatte geglaubt, etwas aus dieser Erde holen zu können.

Überall in der Gegend wimmelte es von Goldgräbern und Schürfern. Sie alle brachten ihre Ausbeute nach Waycross, tauschten das goldene Metall in blanke Dollars und verjubelten diese dann in den Spielhallen, Saloons und Hurenhäusern. Ihnen allen schien es gut zu gehen, da musste es ihm doch auch bald bessergehen. Aber Sam hatte zu knapsen und zu knipsen. Dabei florierte das Geschäft mit dem Gold, und jedermann wurde reich und …

Halt, Moment mal! Sich mit einem Stückchen Blei das Hirn wegblasen war noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Sam zuckte elektrisiert zurück, als der Gedanke wie ein Blitz durch sein Gehirn schoss.

Er besaß den Colt, damit konnte er …

Nein, wies er die plötzliche Eingebung von sich. So weit bin ich noch nicht gesunken!

Sie haben alle genug, hämmerte es in seinem Kopf. Sie haben so viel von dem Zeug, dass sie es verprassen. Nur du sitzt in deiner Hütte und hungerst und schmachtest.

Aber es wäre unrecht! verteidigte Sam den Standpunkt.

Unrecht? Was bedeutet das schon? Ihr befindet euch allesamt auf Indianerland – das ist unrecht. Es ist Land, das eure Regierung den Indianern zugesprochen hat. Land, das den Indianern heilig ist. Auf dem sie ihre Toten aufgebahrt haben. Wie würde es dir gefallen, wenn jemand auf einen Friedhof kommt, mit Pickeln und Schaufeln alles umgräbt und die Leichen achtlos zur Seite wirft? Und wenn jemand dagegen protestiert, wird er kurzerhand erschossen. – Nein, Sam, unrecht ist das, was ihr den Indianern antut. Wenn du dir ein wenig von dem Reichtum holst, den andere aus dem Boden der Indianer gestohlen haben, dann ist das nur eine Umverteilung.

Sam wurde ganz wirr von der Stimme in seinem Kopf, die ihn zu überzeugen versuchte. Es war, als müsse er gegen sie ankämpfen. Eine Stimme, die ihn aufforderte, etwas Unrechtes zu tun. Doch lag die Stimme wirklich so falsch? War nicht auch ein Fünkchen Wahrheit in ihr? Ja, das, was die Weißen mit den Indianern trieben, war ein Unrecht. Sam zuckte mit den Achseln. Das ging ihn nichts an. Er hatte diese Entscheidungen nicht getroffen. Ihm waren die Indianer egal. Er kümmerte sich um seinen eigenen Kram. Also?

Also, hast du es dir überlegt, Sam?

(Schon wieder diese Stimme.)

Was soll ich mir überlegt haben? Ob ich hingehe und ein paar Nachbarn ausraube? Sie womöglich erschieße, wenn sie mir Gold nicht freiwillig rausrücken? Du spinnst! Ich bin kein Räuber, und auch kein Mörder.

Besser sie als du, Sam. Du willst dir doch nicht wirklich eine Kugel in den Schädel jagen, oder?

Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.

Da siehst du es. Aber du musst etwas tun. Du kannst nicht in dieser miesen Hütte hocken bleiben und warten, bis dein Leben zu Ende geht. Und ein Engel des Herrn wird nicht plötzlich mit einem Wagen voller Brot vor deiner Tür stehen und dich laben. Nimm Vernunft an, Junge. Du musst etwas tun.

Ich werde meine Freunde nicht ausrauben, und damit basta!

Dann versuch’s doch bei ein paar Arschlöchern. Typen, die du nie leiden konntest. Von denen gibt’s doch auch genügend in der Gegend. Typen, die sich über dich lustig gemacht haben. Die dich auslachten, als du den Claim gekauft hast, weil sie genau wussten, dass das Land wertlos und wieder ein Dummkopf dieser Bande auf den Leim gegangen war. Besuche doch diese Typen heute Nacht. Wollen mal sehen, ob sie dann immer noch lachen.

Du quatschst um den heißen Brei herum, wehrte sich Sam. Es geht dir gar nicht darum, jemanden zu »besuchen« oder »etwas zu tun«. Dir geht’s darum, dass ich jemanden beraube oder ermorde. Du verdammter Mistkerl, das hast du dir so gedacht. Nein, zum Teufel, ich werde nicht zum Verbrecher werden. Auch nicht, wenn mir das Wasser bis zum Hals steht.

Du kannst mich beschimpfen wie du willst, Sam. Aber die Tatsache bleibt: Dir steht das Wasser bis zu den Augen. Du hältst nicht mehr lange durch. Selbst wenn du die Black Hills verlassen wolltest, müsstest du ein Pferd stehlen. Denn zu Fuß kommst du niemals durch. Kein Mensch würde das schaffen. Und ein Ticket für die Postkutsche kannst du dir nicht leisten. Sei also Realist und nimm die Waffe. Schließlich ist es ein Notfall.

Notfall … Notfall …

Sam wusste einen Moment nichts zu erwidern. Sein Blick ruhte auf der Waffe.

In der Hütte war es kalt und der Wind zog durch die Ritzen. Er müsste in den Wald gehen und Holz holen, doch dabei würde er Energie verbrauchen – Energie, die er im Moment nicht besaß. Seine Energie reichte gerade noch dafür, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen. Zu viel mehr war er nicht mehr fähig.

Verdammt, er hätte viel früher handeln müssen.

Aber was hätte er tun sollen?

Seit er sein Pferd geschlachtet hatte, saß er hier fest.

Er hatte immer auf den großen Fund gehofft – ein Fund, der nie eingetroffen war.

Sein Gewehr hatte er in Waycross verkauft, und er besaß nichts mehr von Wert. Wenn er nun auch noch den Colt verkaufte, war er blank und nackt. Danach würde er nicht einmal mehr die Verbrecherlaufbahn einschlagen können.

Ein Outlaw zu werden – war das die einzige Möglichkeit, die ihm noch geblieben war?

Es war so einfach. Mit der Kanone in der Hand in eine der Hütten stürmen. Oder einen der Goldgräber, die mit ihren Beuteln in die Stadt pilgerten, abpassen. Immer wieder wurden Goldgräber überfallen und ausgeraubt. Viele dieser Überfälle wurden nie aufgeklärt.

(Ich hätte Chancen, damit durchzukommen.)

Doch wie würde er dann vor sich selbst dastehen?

Könnte er sich am nächsten Morgen im Spiegel betrachten, ohne sich ins Gesicht spucken zu müssen?

Vielleicht nicht.

Aber vielleicht doch.

Sam Whaley wusste es nicht.

Er hatte noch nie auf der anderen Seite gestanden. Hatte noch nie gesetzlos gehandelt und einen anderen Menschen willentlich geschädigt. Vielleicht würde es gar nicht so schlimm werden, redete er sich ein. Und der Schmerz in seinen Gedärmen half ihm, die Lüge zu glauben. Der Hunger war wie ein reißender Wolf, der ihn langsam von innen heraus zerfraß. Immer mehr seiner Eingeweide fielen ihm zum Opfer, immer nagender wurde der Schmerz. Sam wusste, dass er nicht mehr lange durchhalten konnte.

Teufel, er war am Verhungern und diskutierte mit sich selbst, ob er sich Geld oder Nahrung mit Gewalt und Drohung beschaffen sollte.

So tief war er also schon gesunken.

(Ja, zum Teufel, genau so ist es! Ich bin tief gesunken, und vielleicht geht es nun nicht mehr weiter, also finde dich besser damit ab.)

Aber war das Wechseln auf die andere Seite die Lösung?

Er nahm den Remington in die Hand. Die Waffe war gerade mal ein Jahr alt. Sie war sein wertvollster Besitz. Er hatte noch genug Munition.

Aber nichts mehr zum Beißen.

Und überall wurden horrende Preise selbst für Kleinigkeiten verlangt.

Die Geschäftsinhaber in Waycross glaubten, die Goldgräber verdienten so gut, dass sie bereit waren, Mondpreise zu bezahlen. Wenn dann einer mal weniger Glück hatte, wie Sam, kam er unter die Räder. Ja, es würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als es mit der Waffe zu versuchen.

Bis zum Einbruch der Dunkelheit musste er durchhalten. Dann konnte er sich auf den Weg machen. Irgendeinen Kerl niederschlagen, der sich auf den Weg in die Stadt gemacht hatte, um ein paar schöne Stunden zu verbringen. Sam betete, dass er nicht auf jemanden stieß, den er gut kannte oder den er mochte. Mit einigen seiner Nachbarn pflegte er guten Kontakt und freundschaftliche Beziehungen. Sie waren sich alle ähnlich, hatten dieselben Probleme und Sehnsüchte wie er, arbeiteten hart. Sie waren alle weit weg von ihrer Heimat, es gab keine oder kaum Frauen. Viele von ihnen waren sogar verheiratet, aber sie hatten Frau und Kinder zurückgelassen, um das Glück in den Black Hills zu suchen.

Sam wurde klar, dass er einen brutalen Schnitt in seinem Denken vornehmen musste. Von nun an gab es für ihn keine Freunde und keine Nachbarn mehr, sondern nur noch …

Hufgetrappel riss ihn aus seinen Überlegungen.

Er hörte Stimmen. Männer kamen.

Sam sprang auf und lief zum Fenster.

Es waren sieben. Sie kamen den schmalen Pfad herauf und lenkten ihre Tiere vor Sams Hütte. Dort stiegen sie ab und sammelten sich.

»Was veranstaltet ihr hier für einen Höllenlärm?«, brüllte Sam aus dem kleinen Fenster.

»Sam! Sam Whaley! Bist du da?«, donnerte eine Bassstimme. Sam erkannte Gerald Fox, einen Goldgräber, der seinen Claim ein paar Meilen flussaufwärts besaß. Soweit Sam wusste, hatte Fox schon einiges an Gold aus dem Fluss geholt.

»Ja, verdammt. Hier bin ich. Wo sonst? Was gibt’s, Leute?«

»Komm heraus!«

Das klang nicht wie eine Bitte, vielmehr wie ein Befehl. Da entdeckte Sam, dass die Männer vor Waffen nur so starrten. Jeder hatte eine Pistole im Gurt stecken, daneben ein Messer. In den Händen hielten sie ihre Gewehre. Immer wieder sicherten sie nach allen Seiten.

Ein Schreck durchzuckte Sam. Ein Aufgebot? Was zum Teufel wollten diese Kerle von ihm?

Und einen schrecklichen Moment lang glaubte er, seine Banditenkarriere hätte bereits begonnen, und sie waren gekommen, um ihn zu holen. – Ihn zu holen und am nächsten Baum aufzuknüpfen. Wegen Mordes. Weil er einen der Ihren erschossen hatte. Bei einem Raubüberfall.

Und da wusste Sam, dass er ein verdammt schlechter Bandit werden würde. Denn im Moment verspürte er nichts als eine große Beklemmung vor diesen Männern, die da waffenstarrend zu ihm gekommen waren.

Er fuhr mit der Handinnenfläche über den Griff seines Remingtons, der im Holster steckte. Die vertraute Berührung vermittelte ihm diesmal keinerlei Mut. Dennoch wollte Sam seine Haut so teuer wie möglich verkaufen. Er würde noch ein paar von den Hundesöhnen mitnehmen, das schwor er sich.

Mit weichen Knien trat er an die Tür und öffnete sie. Die Angeln knarzten, und das Geräusch fuhr ihm eiskalt über den Rücken. Die dünne, wacklige Tür, der einzige Schutz zwischen ihm und diesen Männern, stand offen.

»Was gibt es, Fox?«, rief Sam. »Was wollt ihr von mir?«

Er spürte, dass seine Stimme flatterte, und hoffte, dass die anderen es nicht bemerkten. Er hatte die Rechte in die Hüfte gestemmt, sodass er die Kanone mit einer schnellen, gleitenden Bewegung ziehen konnte.

Gerald Fox trat einen Schritt vor.

»Wir müssen mit dir reden, Sam«, sagte er. Er strahlte eine gehörige Portion Selbstbewusstsein aus und blickte Sam fest in die Augen; offensichtlich war er es gewohnt, eine Mannschaft anzuführen. Und wie selbstverständlich hatte die Gruppe ihn zu ihrem Sprecher erkoren.

Sam bemerkte, dass die anderen nach allen Richtungen sicherten und kaum darauf achteten, was Fox mit ihm zu besprechen hatte.

»Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er. »Ist jemand hinter euch her?«

»Leicht möglich«, dröhnte Fox’ Bass. »Können wir reinkommen?«

Sam zuckte mit den Schultern.

»Von mir aus. Aber schaut euch nicht zu genau um. Meine Putzfrau hat heute ihren freien Tag.«

Fox lächelte nicht über den dünnen Witz, verzog nicht einmal höflich die Mundwinkel. Als er eintrat, polterten seine Stiefel auf den Bohlen. Er war ein schwerer Mann, der gewichtig aufzutreten verstand.

Hinter ihm schoben sich zwei weitere Männer in den kleinen Raum. Sam erkannte Hank Butterworth und Chet Naylor. Er nickte ihnen zu und murmelte ihre Vornamen. Sie erwiderten den Gruß.

Sam war es unangenehm, dass er ihnen keine Sitzgelegenheit anbieten konnte, doch er hatte keine drei Stühle. Noch nie hatte er solchen Besuch hier gehabt.

Die Männer blieben kurzerhand stehen.

»Hör zu, Sam«, begann Fox. Sein unrasiertes Kinn berührte den hochgeschlagenen Kragen seiner Jacke und raschelte bei jedem Wort. »Wir haben ein Problem. Die Jungs und ich sind nicht gerade erfolglos gewesen in unseren Claims. Jetzt geht die Ausbeute zur Neige, und wir wollen die Gegend verlassen.«

Sam nickte. (Wenn er von sich selbst doch nur etwas Ähnliches behaupten könnte. Doch da war nichts … gar nichts.)

Fox fuhr mit ernstem Gesicht fort. »Du hast vielleicht schon gehört, dass hier Goldwölfe ihr Unwesen treiben.«

Wieder nickte Sam, und Fox sagte:

»Sie verfolgen alle, die das Gebiet verlassen. Einige Jungs sind ermordet und ausgeplündert worden. Andere wurden überfallen und zusammengeschlagen. Wieder andere sind einfach verschwunden; kamen nie an, wo sie ankommen wollten … nur Gott weiß, was mit ihnen geschehen ist. – Sobald einer von uns aufbricht, weiß die Wolfsbande, dass die Stunde geschlagen hat. Sie jagen die Goldgräber und nehmen ihnen alles ab, wofür sie lange und hart geschuftet haben.«

»Und ihr befürchtet, ebenfalls ausgeraubt zu werden«, schlussfolgerte Sam.

»Korrekt. Sobald jemand die Goldfelder verlässt, heften sie sich ihm an die Fersen. Es gibt quasi keine Möglichkeit von hier abzuhauen, ohne dass sie es mitbekommen. Da es keine Zeugen gibt und niemand weiß, wer sich hinter den Banditenmasken verbirgt, können wir ihnen nicht das Handwerk legen. Außerdem vermuten einige, dass der Marshal von Waycross zu ihnen gehört, oder zumindest von ihnen geschmiert wird.«

»Ihr wollt eine starke Mannschaft bilden, die von den Goldwölfen nicht angegriffen werden kann«, meinte Sam. »Und dafür wollt ihr meinen Colt kaufen.«