Hannahs Krieger - S.E. Smith - E-Book

Hannahs Krieger E-Book

S.E. Smith

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Beschreibung

Borj und Hannah kommen buchstäblich aus zwei unterschiedlichen Welten. Auf der Erde hat Hannah sich aus gutem Grund ein Leben fern von anderen Menschen aufgebaut. Auf Baade hat er ein Leben lang nach ihr gesucht.
Hannah Bell, die älteste der drei Bell-Schwestern, verbringt ihre Zeit überwiegend in den entlegensten Teilen der Erde und fotografiert bedrohte Tierarten. Ihr außergewöhnlicher sechster Sinn hat ihr schon mehr als einmal das Leben gerettet, und dieses Mal sagt er ihr, dass etwas mit ihrer kleinen Schwester Tink geschehen ist. Als niemand auf ihre Anrufe reagiert, nimmt Hannah den ersten Flug nach Hause. Dort stellt sie fest, dass Tinks bester Freund Cosmos ein Portal in eine andere Welt geschaffen hat! Eine Welt, in die sie mitgenommen wird, ob sie nun will oder nicht.
Borj 'Tag Krell Manok hat den Auftrag, ein Familienmitglied der Gefährtin seines Bruders in ihre Welt zu bringen. Als er Hannah auf einem Foto sieht, weiß er, wen er mitbringen wird, denn er erkennt sie sofort als seine Gefährtin. Nach so vielen Jahren der Sehnsucht ist es ein unglaubliches Gefühl, endlich zu wissen, wer sie ist, wie sie aussieht und wo er sie finden kann. Das einzige Problem ist nur, dass ihr erstes Zusammentreffen nicht gerade nach Plan verläuft! Noch nie zuvor hat er eine Frau getroffen, die so unabhängig ist – und so gewalttätig, wenn sie sich bedroht fühlt. Es ist allerdings auch gut, dass Hannah der Kampf ums Überleben nicht fremd ist, denn Borj ahnt die Folgen seines Handelns nicht.
Die weltberühmte Autorin S.E. Smith präsentiert ein neues aufregendes Buch voller Leidenschaft und Abenteuer. Durch ihren einzigartigen Humor, die lebhaften Landschaften und die beliebten Charaktere wird dieses Buch garantiert ein weiterer Fan-Favorit!

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Seitenzahl: 332

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HANNAHS KRIEGER

S.E. SMITH

DANKSAGUNG

Ich danke meinem Mann Steve dafür, dass er an mich geglaubt hat und so stolz auf mich war, dass ich den Mut hatte, meinem Traum zu folgen. Ein besonderer Dank gilt außerdem meiner Schwester und besten Freundin Linda, die mich nicht nur zum Schreiben ermutigt, sondern auch das Manuskript gelesen hat; und auch meinen anderen Freundinnen, die an mich glauben: Maria, Jennifer, Jasmin, Rebecca, Julie, Jackie, Lisa, Sally, Elizabeth (Beth), Laurelle, und Narelle. Diese Mädels geben mir Kraft!

Und ein ganz besonderes Dankeschön an Paul Heitsch, David Brenin, Samantha Cook, Suzanne Elise Freeman, Laura Sophie, Vincent Fallow, Amandine Vincent, und PJ Ochlan – die wunderbaren Stimmen meiner Hörbücher!

—S.E. Smith

Science Fiction Romance

Hannahs Krieger

Cosmos' Portal Buch 2

Copyright © 2022 bei Susan E. Smith

Erstveröffentlichung des E-Books auf Englisch 2012

und auf Deutsch 2022

Umschlaggestaltung von: Melody Simmons und Montana Publishing

ALLE RECHTE VORBEHALTEN: Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Autorin auf irgendeine Art und Weise vervielfältigt werden, dazu zählen auch vollständige oder teilweise elektronische oder fotografische Vervielfältigungen.

Alle Charaktere und Ereignisse in diesem Buch rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder tatsächlichen Ereignissen oder Organisationen sind rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Zusammenfassung: Zwei Gefährten kämpfen nicht nur um ihr Leben, sondern auch um ein tieferes Verständnis zwischen zwei höchst unterschiedlichen Welten.

ISBN: 9781956052800 (Taschenbuch)

ISBN: 9781956052794 (eBook)

Romantik (Liebe, expliziter sexueller Inhalt) | Science Fiction (Aliens) | Zeitgenössisch | Royal | Paranormal| Action / Abenteuer | Fantasie

Veröffentlicht von Montana Publishing.

www.montanapublishinghouse.com

INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Weitere Bücher und Informationen

Über die Autorin

ÜBERSICHT

Hannah Bell, die älteste der drei Bell-Schwestern, verbringt die meiste Zeit in den entlegensten Teilen der Welt, wo sie bedrohte Tierarten fotografiert. Ihr bemerkenswerter sechster Sinn hat ihr schon mehr als einmal das Leben gerettet, er bewahrt sie allerdings nicht davor, plötzlich in eine fremde Welt gebracht zu werden.

Borj 'Tag Krell Manok wurde beauftragt, die Schwester der Gefährtin seines Bruders auf ihren Planeten zu bringen. Borj weiß, dass Hannah dazu bestimmt ist, seine Gefährtin zu werden. Er hätte jedoch nicht erwartet, dass sie sich seinem Anspruch widersetzt. Noch nie ist er einer so unabhängigen Frau begegnet.

Hannah bemerkt schnell, dass die Krieger von Prime aus gutem Grund davon besessen sind, ihre Frauen zu beschützen. Sie selbst ist allerdings auch nicht gerade hilflos. Borj wird alles daransetzen, um die Distanz zwischen ihnen in Nähe zu verwandeln und sie zu beschützen.

Mit S.E. Smiths Humor und herzlicher Erzählweise wird dieses romantische Sci-Fi-Abenteuer eines deiner Lieblingsbücher!

KAPITEL1

Hannah Bell stellte behutsam das Objektiv ihrer Kamera scharf. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, alles sei genau richtig. Einen Monat lang hatte sie beharrlich darauf gewartet, ein Bild von genau diesem Löwenrudel machen zu können. Das Männchen war ein riesiges Exemplar und angriffslustiger als ihre Schwester Tansy, wenn sie wütend war.

Und das, dachte Hannah mit einem kleinen Lächeln, wollte etwas heißen.

Die Löwinnen lagen unter dem Schatten eines Baumes und behielten träge ihre Jungen im Auge. Das riesige Männchen war von zahlreichen Narben früherer Kämpfe gezeichnet und schlich schützend um die Löwinnen herum, ganz so als ob es Hannahs Anwesenheit spürte. Sie hoffte, dass das nicht der Fall war. Sie war ein gutes Stück von ihrem Schutz bietenden Land Rover entfernt und würde den Wagen niemals rechtzeitig erreichen können, sollte sich der Löwe zum Angriff entscheiden.

Sie hatte ihren Begleiter im Land Rover zurückgelassen und ihm versichert, dass sie auch ohne ihn zurechtkäme. Sie hätte gedacht, dass er es inzwischen leid sei geworden sein müsste, ihr seine Begleitung anzubieten, denn sie sagte stets „Nein“, da er ihr nur im Weg wäre.

Hannah zoomte heran und machte noch einige Fotos. Das Licht war perfekt und sie wusste, dass diese Aufnahmen eine Auszeichnung wert sein würden. Sie wollte gerade eine weitere Serie mit einem anderen Kameraobjektiv schießen, als ihr plötzlich ein Schauer über den Rücken lief. Hannah konzentrierte sich auf die Löwen, während sie im Stillen überlegte, was dieses ungute Gefühl bedeuten könnte. Tink … Es war das erste Bild, das ihr durch den Kopf schoss, und sie wusste, dass etwas mit ihrer kleinen Schwester geschehen war.

Hannah schob die Abdeckung auf das Objektiv ihrer Kamera und kroch langsam rückwärts über den trockenen, dürren Boden. Es würde noch eine Stunde gute Lichtverhältnisse geben, um weitere Fotos zu machen, doch die Familie Bell hatte eine goldenen Regel, und die lautete: die Familie kommt immer zuerst. Hannahs Instinkte waren stets richtig.

Diese Instinkte waren es auch, die ihr bei gefährlicheren Fotoshootings schon mehrmals das Leben gerettet hatten. Sobald sie das Gefühl hatte, weit genug von den Löwen entfernt zu sein, um sich schneller bewegen zu können, richtete Hannah sich auf und lief rasch zurück zum Land Rover. Dabei ignorierte sie den Schweiß, der ihr den Rücken hinunterlief und die Kameratasche, die beim Laufen an ihrer Seite hüpfte. Ein Gedanke ging ihr wieder und wieder durch den Kopf: Irgendetwas war mit Tink geschehen.

„Du bist früh zurück“, sagte Abasi auf Suaheli. „Waren die Löwen nicht dort?“

Hannah nahm ihre Kameratasche von der Schulter und verstaute sorgfältig die beiden Kameras, die sie um den Hals hängen hatte. „Sie waren dort, doch ich muss zurück zum Camp. Wir müssen in das nächstgelegene Dorf aufsuchen. Meiner kleinen Schwester ist etwas zugestoßen“, antwortete Hannah.

Abasi sagte nichts, sondern ging schnell zum Fahrersitz und rutschte hinein, während Hannah sich auf den Beifahrersitz setzte. Er bezweifelte nicht, dass Hannah wusste, dass etwas nicht stimmte. Er arbeitete seit zwei Jahren mit ihr zusammen und hatte erkannt, dass wenn sie sagte, es gäbe ein Problem, es auch eines gab. Er glaubte fest daran, dass Hannah von dem Geist berührt worden war, der im Inneren der Erde steckte.

Die Fahrt zurück zum Camp war lang und es wirbelte viel Staub auf. In der Region herrschte Dürre, doch Hannah konnte den Regen in der Luft bereits riechen. Die Stürme in Afrika waren ebenso unberechenbar wie die Wildnis. War es eben noch ruhig, konnte es im nächsten Augenblick schon brachial sein. Hannah stieg schnell aus dem Land Rover aus und lief zu ihrem Zelt.

Sie packte hastig die wenigen Sachen zusammen, die noch herumlagen, unterdessen baute Abasi den Rest des Lagers ab. Sie hatte nur wenige Dinge bei sich, zumeist lediglich ihre Kameraausrüstung, mit der sie ganz behutsam umging, da sie ihr ein und alles war. Ihre Kleidung war stets eingepackt und gewissermaßen abmarschbereit.

Doch nicht nur die Stürme und die Wildnis waren in den Regionen, die sie bereiste, unberechenbar. Mehr als einmal befand sich Hannah inmitten eines Regierungswechsels. Sie hatte Preise sowie internationale Anerkennung für ihre Fotos erhalten, welche die Auswirkungen dieser politischen Veränderungen auf die Menschen, das Land und die Tierwelt zeigten. Sie hatte zudem zwei Narben durch Kugeln von wütenden Rebellenführern, die nicht mochten, was sie der Welt mit ihren Aufnahmen zeigte.

Hannah schob den Riemen der Leinentasche mit den Kameras über eine Schulter, auf der anderen Schulter trug sie ihren Rucksack mit den Kleidungsstücken. Sie schaute sich ein letztes Mal um, um sicherzugehen, dass sie alles hatte. Dann ging sie zum Land Rover und legte beide Taschen auf den Rücksitz.

Sie drehte sich um und ging zurück, um das Feldbett zu holen, faltete es schnell zusammen und legte es zusammen mit der Laterne ganz nach hinten in den Wagen. Unterdessen war Abasi bereits dabei, ihr kleines Zelt abzubauen, und sie half ihm rasch dabei.

In nicht mal einer halben Stunde holperten sie mit dem Land Rover über das zerklüftete Gelände in Richtung eines entlegenen Dorfes in den unteren Bergregionen. Hannah schaute auf die Uhr. Es wäre schon spät, wenn sie Tink anrief, doch ihre kleine Schwester würde sich damit abfinden müssen. Hannah wollte wissen, was los war. Ihr Bauchgefühl wurde immer stärker und sie wusste, dass etwas Furchtbares geschehen war.

* * *

Hannah wartete ungeduldig und tigerte in dem kleinen Dorf, das sich an der Grenze zu Tunesien befand, hin und her. Es war das einzige Dorf, das ihrem letzten Shooting am nächsten lag. Abasi sprach leise mit einigen Männern. Er war dagegen gewesen, dass sie so nahe an ein Land herankamen, das für seine politische Instabilität bekannt war, und wollte von den örtlichen Stammesmitgliedern erfahren, ob sie in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches bemerkt hatten.

Hannah knurrte frustriert, als sie RITAs Stimme in der Leitung hörte. „Guten Tag. Hier ist RITA. Es tut mir leid, aber weder Tink noch Cosmos können im Moment ans Telefon kommen. Darf ich eine Nachricht übermitteln?“

„RITA, hier ist Hannah. Ich muss umgehend mit Tink sprechen. Sag ihr, sie soll mich anrufen, sobald sie diese Nachricht erhält. Es ist mir egal, wie spät es ist. Ich habe das Satellitentelefon an und befinde mich jetzt in einem kleinen Dorf“, sagte Hannah ungeduldig.

„Oh, Hannah! Wie geht es dir, Liebes? Konntest du hübsche Bilder von den Löwen machen?“ sagte RITA und klang dabei haargenau wie ihre Mutter.

Hannah biss die Zähne zusammen und verkniff sich ein Schimpfwort. Warum ihre Schwester ein Duplikat ihrer Mutter erschaffen musste, würde Hannah nie verstehen. Es war ja nicht so, dass die Welt eine weitere Tilly Bell brauchte, beziehungsweise überhaupt verkraften konnte, dachte Hannah, während sie sich bemühte ihre Frustration zu kontrollieren. Das nagende Gefühl in ihrem Bauch, machte sie allmählich richtig wütend.

„Hier ist alles in Ordnung, RITA“, sagte Hannah und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. „Was ist denn mit Tink?“ Hannah schaute zu Abasi, der sie nicht aus den Augen ließ. Seinem Blick nach zu urteilen, mussten sie vielleicht schon bald in ein anderes Dorf umziehen. Hannah nickte ihm kurz zu und sah, wie er sich umdrehte und schnell mit einem anderen Mann sprach.

„Oh, Tink hat ein außergewöhnliches Abenteuer erlebt. Ich weiß, dass sie dir alles erzählen wird, wenn sie nach Hause kommt. Du wirst es nicht glauben! Ich bin so aufgeregt“, begann RITA, bevor ihre Stimme verstummte. Es war der unausgesprochene Teil, der Hannahs Aufmerksamkeit erregte.

„Und weiter?“, fragte Hannah und wartete darauf, dass RITA zu Ende sprach.

„Nun, es gab da ein winziges Problem … doch ich denke, dass es bald gelöst sein wird“, sagte RITA mit leicht optimistischem Tonfall.

„Sag ihr einfach, sie soll mich schnellstmöglich anrufen“, sagte Hannah, bevor sie die Verbindung beendete.

Hannah legte frustriert den Kopf in den Nacken und schaute in den dunkler werdenden Himmel. Irgendetwas stimmte nicht. Sie wusste es. Sie spürte es bis ins Mark. RITA war eine Kombination aus ihrer kleinen Schwester Tink und der neuen Softwareprogrammierung ihrer Mutter. RITA stand für „Really Intelligent Technical Assistant“, ein Computerprogramm mit Spracherkennung, das selbständig lernen und sich an verändernde Umgebungsbedingungen anpassen konnte. Es war der Beginn eines Computerprogramms für künstliche Intelligenz, an dem ihre Mutter gearbeitet hatte, als Hannah das letzte Mal zu Hause gewesen war.

Hannah runzelte bei diesem Gedanken die Stirn. Es war fast zwei Jahre her, seit sie ihre Familie zuletzt gesehen hatte. Nie zuvor hatte sie so viel Zeit ohne ein oder mehrere Familienmitglieder verbracht. Hannah wurde aus ihren tiefen Gedanken zurück in die Gegenwart gerissen, als sie ein leichtes Gewicht auf ihrer Schulter spürte. Sie drehte sich um und sah Abasi, der sie aufmerksam ansah.

„Wir müssen sofort von hier verschwinden. Etwa zehn Meilen von hier wurden Soldaten gesichtet, die sich in unsere Richtung bewegen. Die Dorfbewohner schicken ihre Frauen und Kinder in die Berge, damit sie sich dort verstecken. Als die Soldaten das letzten Mal kamen, wurden fünf Männer getötet, mehrere Frauen vergewaltigt und ein halbes Dutzend Jungen entführt. Es ist besser, wenn sie dich nicht zu Gesicht bekommen“, sagte Abasi leise, aber mit Nachdruck.

Hannah biss sich auf die Lippe und nickte. Sie wusste nur zu gut um die Gefahren für Frauen, und zwar überall auf der Welt. Eine dunkle Erinnerung blitzte in ihrem Kopf auf, doch sie verdrängte sie sofort. Sie glaubte an alles, was ihre Eltern ihr beigebracht hatten. Sie konnten Wahrheiten und weise Worte formulieren wie niemand sonst, und ihre Eltern hatten jedes Mal recht. Sie nickte erneut und folgte Abasi zum Land Rover. Sie schaute zu einer kleinen Gruppe von Frauen und Kindern, die aus dem Dorf geführt wurden.

„Werden sie in Sicherheit sein, Abasi?“, fragte Hannah traurig. Sie hasste diesen Teil der menschlichen Natur, die Grausamkeiten. Deshalb zog sie die Einsamkeit vor, weit weg von allen anderen Menschen.

„Ja“, sagte Abasi, als er den Land Rover wendete und aus dem Dorf fuhr. „Sie haben gelernt, sich auf solche Situationen vorzubereiten. Ich habe mit den Dorfältesten gesprochen, die Soldaten werden im Dorf nur auf alte Männer treffen und ein paar unterernährte Rindern finden.“

Abasi brachte sie etwa zwanzig Meilen weit weg und parkte den Land Rover in einer kleinen Bergschlucht, dann tarnten sie das Fahrzeug rasch mit getrockneten Ästen. Abasi erklärte, die Schlucht sei hoch genug, dass sie trotz der Regenfälle im Norden für die Nacht ausreichend geschützt sein sollten. Sie stapelten so viele Gegenstände wie möglich im hinteren Ladebereich des Land Rovers und machten ein Bett auf dem Rücksitz. Hannah würde die erste Nachtwache übernehmen, Abasi die zweite. Sie hatten das in den vergangenen zwei Jahren schon so oft gemacht, dass es keine Schwierigkeiten.

Hannah zog ihre Jacke fester um sich, nachdem sie sich auf das Dach des Land Rovers gesetzt hatte. Sie spürte, wie der Wagen ein wenig schaukelte, als Abasi sich für die Nacht hinlegte. Dann wurde alles still. Hannah liebte diesen Teil ihres Lebens ganz besonders. Nachts genoss sie den Frieden und die Stille und die Schönheit des Sternenhimmels, der sich ganz unberührt von künstlichem Licht oder Umweltverschmutzung zeigte. In der Ferne vernahm sie die Geräusche nachtaktiver Raubtiere. Das Schnauben der Nashörner und das entfernte Brüllen eines Löwen drangen durch die kühle Nachtluft.

Hannah ließ ihre Gedanken abschweifen, während sie in die dunkle Landschaft blickte. Sie fragte sich, was für ein „außergewöhnliches Abenteuer“ ihre kleine Schwester wohl erlebt hatte. Jasmine „Tinker“ Bell war das strahlende Licht der Bell-Familie. Ihre zierliche Größe und ihre ansteckende Fröhlichkeit ließen jeden Raum erstrahlen, sobald sie ihn betrat. Sie war drei Jahre jünger als die fünfundzwanzigjährige Hannah, obwohl Hannah sich oft viel älter fühlte.

Ihre Eltern bekamen die drei Mädchen im Abstand von drei Jahren. Keines war geplant, doch alle wurden geliebt. Ihr Vater, Angus, war ein erfolgreicher Science-Fiction-Autor, während ihre Mutter viele Talente hatte. Tilly Bell konnte jeden Motor reparieren, der auf dieser Erde existierte, wenn man ihr nur einen Schraubenschlüssel und zehn Minuten Zeit gab. Zudem konnte sie einen Computer so programmieren, dass ein Hacker es schwer hatte. Tink war genauso hyperaktiv wie ihre Mutter, Hannah war hingegen eher nachdenklich wie ihr Vater.

Tansy, dachte Hannah einen Moment lang mit einem sanften Lächeln, nun, Tansy war wahrscheinlich eine Erfindung ihrer Mutter, da sie in keine Kategorie passte. Schon als Kind war Tansy stets anders als die anderen gewesen. Sie war der starke, ruhige Typ, der einen sofort durchschauen oder zu Tode erschrecken konnte, es kam ganz auf die Situation an. Es war fast so, als stammte Tansy aus einer Science-Fiction-Geschichte ihres Vaters. Doch auch Hannah war ruhig und schweigsam, denn auch sie war anders, vor allem seit Nicaragua.

Ein Schauer lief Hannah über den Rücken, als sie die Erinnerungen zuließ. Sie hatte vor langer Zeit gelernt, sie einfach durch sich hindurchfließen zu lassen, damit sie den Schmerz und die Schuldgefühle wegspülen konnte. Früher hatte sie versucht, die Erinnerungen zu verdrängen, hatte dann allerdings festgestellt, dass das Verdrängen alles nur noch schlimmer machte. Wann immer sie die Erinnerungen zuließ, schien ihr das zu helfen und den Schmerz etwas zu lindern. Wenigstens kamen sie nicht mehr so häufig, dachte Hannah erleichtert.

Ihre Eltern hatten fast ein ganzes Jahr versucht, dass sie sich öffnete, doch Hannah hatte ihnen nie alles erzählt. Sie konnte es einfach nicht über sich bringen. Hannah wusste, dass sie sich wegen dem, was passiert war, zutiefst schuldig fühlten. Doch Hannah legte es ihnen nie zur Last. In gewisser Weise wurde daraus ein Segen. Ihre Eltern pflegten zu sagen, dass alles, was im Leben eines Menschen passiert, einen Silberstreifen hat. Daher hatte Hannah gelernt, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen, wenn sie ahnte, dass etwas passieren würde oder wenn es ihr sagte, dass sie etwas Bestimmtes tun solle. Sie hätte schon dutzende Male tot sein können, wenn sie nicht gelernt hätte, ihre Vorahnungen zu akzeptieren.

Hannah ließ ihren Blick über die dunkle Landschaft schweifen, während sie die Erinnerungen an ihr fünfzehntes Lebensjahr Revue passieren ließ. Ihre Eltern waren in Nicaragua zu einem Treffen mit einem Ölkonglomerat, um über einen neuen Stromgenerator zu sprechen, an dem ihre Mutter arbeitete. Ihre Mutter hatte einen Abschluss in Maschinenbau mit einer Spezialisierung auf Stromnetze und Generatoren … wahrscheinlich das Ergebnis ihrer Arbeit in der Werkstatt ihres Großvaters, als sie noch klein war, dachte Hannah, während sie die Schatten einer Gruppe von Hyänen vorüberziehen sah.

Hannah zog ihre Jacke noch etwas enger um sich und legte die Arme um ihre Knie. Solange es Raubtiere in der Nähe und die Geräusche der Nacht gab, waren sie allein, das wusste sie. Sie konzentrierte sich wieder auf die Erinnerungen und war entschlossen, ihnen ihren Lauf zu lassen. Sie erinnerte sich daran, wie aufgeregt sie und ihre beiden Schwestern waren, weil sie an der großen Feier der Führungskräfte der Ölgesellschaft teilnehmen durften. Es gab einen großen Empfang mit Abendessen und anschließendem Tanz im Ballsaal.

Wenn man den Großteil seines Lebens in einem Haus auf zehn Rädern, mit einem Badezimmer so groß wie ein Schrank verbracht hat, war es traumhaft, ein riesiges Schlafzimmer ganz für sich allein zu haben. Da Hannah die Älteste war, durfte sie eine Stunde länger aufbleiben als die anderen Mädchen. Es waren viele hübsche junge Männer anwesend, und Hannah war überrascht, wie viel Aufmerksamkeit sie ihr schenkten. Ihre Eltern ließen sie nie aus den Augen, was Hannah mehr als recht war, da sie keine Ahnung hatte, wie sie mit der ganzen Aufmerksamkeit umgehen sollte.

Als sie gerade ihren letzten Tanz tanzte, stürmten bewaffnete Männer herein. Hannah erinnerte sich, dass sie schockiert die dunkelroten Blutspritzer auf ihrem Kleid betrachtete, als die Männer das Feuer auf mehrere Wachen eröffneten. Der Junge, der mit ihr tanzte, wurde von einer Kugel getroffen und Hannah sah mit Entsetzen, wie das Leben aus seinen Augen schwand und er vor ihr zusammenbrach. Ein paar Wachen hatten ihre Eltern und die beiden Top-Mitglieder der Ölgesellschaft und deren Frauen schnell in einen sicheren Raum gedrängt und sie dort eingeschlossen, während im Ballsaal das Feuergefecht tobte.

Hannah erinnerte sich daran, wie sie von den Menschen zu Boden geworfen wurde, die vor dem blutigen Angriff fliehen wollten. Sie lag auf dem blutgetränkten Boden neben der Leiche des Jungen, der sie kurz zuvor noch in seinen Armen gehalten hatte. Als die Schüsse aufhörten, begannen die maskierten Bewaffneten, die Unverletzten in mehrere Lastwagen zu stoßen, und Hannah war unter ihnen.

Sie war regelrecht erstarrt vor Schreck und konnte das Gesagte kaum verstehen, da ihr Spanisch nicht ausreichte und viel zu schnell gesprochen wurde. An die eigentliche Fahrt zum Rebellenlager tief im Dschungel erinnerte sie sich nicht mehr. Doch sie erinnerte sich an das Weinen, die Angst, die Dunkelheit und die endlosen Kurven, die die Lastwagen auf dem Weg zum Camp nehmen mussten. Als sie endlich ankamen, war es bereits wieder dunkel.

Die Frauen wurden in eine kleine Holzhütte geführt, und die Männer in offene Käfige gesperrt. Hannah erinnerte sich daran, dass sie sich umgesehen und festgestellt hatte, dass sie die Jüngste im Camp war. Es gab zwei weitere Mädchen, die ein paar Jahre älter waren, und deren Mutter, dazu zwei andere Frauen, denen sie, so meinte sie sich zu erinnern, vorgestellt wurde.

Drei Tage lang lebte Hannah in Angst und Schrecken, als die Frauen nacheinander aus der Hütte geholt wurden. Hannah konnte die Schreie hören, bevor Stille eintrat. Als die Frauen jeweils zurückgebracht wurden, war es die Leere in ihren Augen, die Hannah mehr als alles andere erschreckte. Sie konnte das Lachen der Männer hören, als sie die Frauen zurückbrachten, und die qualvollen Schreie der Männer in den Käfigen, als sie gefoltert wurden.

Hannah wusste: wenn die Männer zu ihr kamen, dann würde sie entweder kämpfen oder sterben. Sie weigerte sich, zu einer menschlichen Hülle mit leerem Blick zu werden. Ihre Eltern hatten ihr beigebracht, wie man kämpft und wie man sich verteidigt, und das würde sie auch tun. Es war merkwürdig, doch sie spürte, dass es für sie an der Zeit war, aktiv zu werden.

Hannah hatte die letzten zwei Tage damit verbracht, eines der Holzbretter zu lösen, das einen Riss hatte. Es brach ab und ein Ende bildete eine scharfe, gezackte Spitze. Von ihrem Kleid riss sie einen Teil des Unterrocks ab und wickelte ihn als Griff um das Brett.

Hannah blickte durch die Ritzen in der Hüttenwand in den Dschungel, der das kleine Camp umgab. Die Wildnis war stets ihr Zuhause gewesen. Möglicherweise lag es an den vielen Orten, an denen sie gelebt hatte, und an ihrem Interesse, die ungezähmte Natur zu erkunden und zu fotografieren. Was auch immer der Grund sein mochte – Hannah ging lieber mit den wilden Tieren des Dschungels ein Risiko ein als mit einer menschlichen Bestie.

Hannah spürte, wie ihr der Schweiß den Rücken herablief, als die nächste Welle Erinnerungen über sie kam. Diesmal traten zwei Männer ein. Sie verlangten nach einem der Mädchen in Hannahs Alter, und nach Hannah. Das Mädchen fing leise an zu weinen, als der Mann sie nochmals anbrüllte, aufzustehen und ihm zu folgen. Hannah bewegte sich langsam und hielt dem Mädchen die Hand hin. Plötzlich machte der Mann einen bedrohlichen Schritt auf sie zu.

Die Mutter des Mädchens stand auf und trat vor, um die Männer zu bitten, sie anstelle ihrer Tochter mitzunehmen. Einer der Männer, ein kleiner, schwergewichtiger Mann, trat vor und schlug der Frau heftig ins Gesicht. Hannah sah entsetzt zu, wie die Frau nach hinten gegen einen kleinen Tisch stürzte und dann regungslos auf den schmutzigen Boden liegenblieb. Keine der Frauen, oder ihre andere Tochter, rührten sich, um ihr zu helfen oder nachzusehen, wie es ihr ging.

Hannah fühlte, wie mit den Erinnerungen auch die Wut zurückkam. Ihre Fäuste ballten sich so fest, als ob sie in diesem Moment auch wieder das zerbrochene Stück Holz wie eine Waffe in der Hand halten würde. Hannahs Augen schossen zu einem Schatten am Himmel, mehrere Fledermäuse zogen über die Schlucht. Sie zwang sich, ihre Hände zu entspannen und atmete tief durch.

Hannah schloss kurz die Augen und ließ sich von den Geräuschen der Nacht beruhigen, während ihr die Bilder durch den Kopf schossen. Sie erinnerte sich an den Hass, der wie ein Tsunami in ihr aufkam. Sie erinnerte sich an das Lachen der Männer, als sie die beiden Mädchen aus der Hütte stießen.

Hannah ging hocherhobenen Hauptes und schaute sich nach einem Fluchtweg um, während das Mädchen neben ihr leise weinte. Hannahs Blick schweifte zu den Männern im Käfig, die meisten bewegten sich nicht. Ein paar folgten Hannah und dem anderen Mädchen mit ihren Blicken, sagten jedoch nichts.

Hannah zuckte zusammen, als einer der Männer ihr Haar berührte und etwas sagte. Hannah kannte die vulgären Worte und erschauderte vor Abscheu. In diesem Augenblick war sie kein unschuldiges junges Mädchen mehr, sondern eine Frau, die entschlossen war, zu überleben – selbst wenn sie dafür einen anderen Menschen töten musste. Sie war dabei, zu einem der Raubtiere des Dschungels zu werden.

Hannah spürte, wie sich etwas in ihr löste und wusste, dass es an der Zeit war, ihren Gefühlen zu vertrauen. Sobald die Männer sie in eine kleine Hütte drängten, bewegte sie sich. Sie rammte die scharfe Spitze in die Kehle des Mannes, der ihr am nächsten war, und durchbohrte seine Halsschlagader.

Er gab ein gurgelndes Geräusch von sich, und fasste sich an die aufgerissene Kehle. Dann sackte er auf den schmutzigen Boden. Der andere Mann, der sich auf das schluchzende Mädchen vor ihm konzentrierte, konnte nicht sehen, wie die scharfe Spitze, als nächstes seine Kehle durchbohrte, und zwar von hinten. Hannah ignorierte das Blut, das ihre Hände und Arme überzog, während sie ihr selbstgebasteltes Messer aus der Kehle des Mannes zog. Sofort erinnerte sich daran, sich umzudrehen und die dünne Holztür der Hütte zu schließen, damit niemand sah, was drinnen vor sich ging.

Hannah sah das Mädchen an, das da auf dem Boden saß und mit abwesendem Blick hin und her schaukelte. Hannah beugte sich hinab und versuchte, dem Mädchen zuzuflüstern, es solle aufstehen und ihr folgen, doch das Mädchen kauerte sich nur auf dem schmutzigen Boden zusammen und wimmerte. Hannah wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als das Mädchen zurückzulassen, wenn sie Hilfe für die anderen finden oder sich selbst retten wollte. Das traumatisierte Mädchen bot ansonsten die Gefahr, dass sie entweder gefangen genommen oder getötet wurden. Hannah flüsterte eine leise Entschuldigung, während sie ihr mit der Hand über das zerzaustes Haar fuhr, doch sie bezweifelte, dass das Mädchen ihre Berührung überhaupt wahrnahm.

Hannah ging zu einem Fenster der Hütte und war ausgesprochen dankbar, dass die Rückseite an den dichten Dschungel grenzte. Binnen weniger Augenblicke war sie im dichten Blattwerk verschwunden. Hannah erinnerte sich an ihre Angst, in den ersten Nächten allein und verloren im Dschungel zu sein. Doch dann stellte sie fest, dass es im Dschungel viel weniger beängstigend war als in Gefangenschaft der Rebellen.

Sie benötigte zehn Tage, bis sie ein kleines Dorf am Rio Coco erreichte. Mittlerweile sah sie vielmehr wie eine verwilderte Frau aus, als wie das elegante junge Mädchen, das vor zwei Wochen an einem Ball teilgenommen hatte. Ihr Haar hing ihr als verfilzter Zopf über den Rücken, und ihr Kleid war zerrissen. Sie hatte sich Streifen davon als Schienbeinschutz umgebunden und es absichtlich verschmutzt, um die Farbe des Kleides bestmöglich zu tarnen.

Die ersten beiden Tage verbrachte sie die meiste Zeit damit, sich in den Bäumen oder unter dem dichten Farn und anderem Gestrüpp zu verstecken, während die Rebellen nach ihr suchten. Am dritten Tag schienen sie sie für tot zu halten, doch sie überlebte, indem sie Regenwasser von den Blättern der Pflanzen trank und die wenigen Früchte aß, die sie finden konnte. Zum Schutz vor Ungeziefer, vor allem Moskitos, trug sie dicke Schichten Schlamm auf ihre Haut auf.

Mit dem unerschütterlichen Willen zu überleben, um den anderen zu helfen, ging sie nach Westen. Sie ging in Richtung des Flusses, den sie von hoch oben in einem Baum aus sehen konnte. Nachts schlief sie in den Bäumen und band sich selbst mit Lianen an den Ästen fest, um nicht herunterzufallen. Während der zehn Tage, die sie brauchte, um zurück zur Zivilisation zu finden, wurde Hannah eines deutlich: sie würde nie wieder dieselbe sein.

Hannah blickte zu den Sternen hinauf und atmete mehrmals tief durch. Sie spürte die gleiche Entschlossenheit wie damals, die ihr die Kraft zum Überleben im Dschungel gegeben hatte. Sie verstand die Welt und den Kreislauf des Lebens. Um zu leben, musste sie töten. Sie würde es stets bedauern, wenn sie ein Leben – in ihrem Fall zwei – nehmen musste, doch sie begriff die Notwendigkeit für diese Entscheidung. Sie sah es auch bei jeder Tierart, die sie fotografierte. Von den Löwen bis zu den Ameisen, es gab stets Jäger und Gejagte. Sie musste selbst entscheiden, wer sie sein wollte.

Sie lächelte, als sie einen Meteoriten am Sternenhimmel aufleuchten sah und kicherte leise, als sie insgeheim einen albernen Wunsch hatte. Es schien, als hätte selbst sie noch kindliche Träume. Hannahs blickte rasch nach unten, als sie das ferne Geräusch eines Motors hörte. Geräusche konnten in der freien Natur trügerisch sein. Das Fahrzeug konnte zwanzig Meilen entfernt sein oder zwei. Hannah lauschte aufmerksam, doch das Geräusch ebbte bald ab. Es war leichtsinnig, in dieser Gegend nachts zu fahren, ganz gleich, unter welchen Bedingungen. Scheinwerfer war meilenweit zu sehen, und die Straßen waren bereits bei Tageslicht tückisch genug. Hannah nahm an, dass es Rebellentruppen von der anderen Seite der Grenze waren, vermutlich schmuggelten sie Waffen oder Drogen. Was auch immer sie taten, Hannah war froh, dass sie hier ein gutes Versteck hatten.

Sie lehnte sich wieder zurück und ließ ihre Gedanken in die Vergangenheit abschweifen. Hannah schnitt eine Grimasse angesichts einer sehr schlechten Zeit in ihrem Leben. Nun, so schlimm war es nicht gewesen. Das musste Hannah zugeben. Sie hatte Jacq und Maria kennengelernt. Hannah war in der Nähe ihrer Hütte am Fluss aus dem Dschungel gestolpert, als Maria gerade dabei war, schmutziges Waschwasser auszukippen. Sie entdeckte Hannah, wie sie gerade aus dem dichten Dschungelgestrüpp trat und stieß zahlreiche spanische Flüche aus.

Hannah hätte sich gefürchtet, wenn ihr nicht der Blick in Marias Augen und ihr Bauchgefühl ihr gesagt hätten, dass die Flüche nicht ihr galten. Als nächstes erinnerte Hannah sich daran, dass sie in einen kleinen Raum im hinteren Bereich der Hütte gebracht wurde, während Maria nach Jacq rief. Hannah brachte stammelnd ihre Geschichte über die anderen Gefangenen hervor, unterdessen reinigte Maria sorgfältig die zahlreichen kleinen Schnitte an Hannah. Jacq benutzte ein Satellitentelefon, um die örtlichen Behörden zu kontaktieren und ihnen die Informationen zu übermitteln, die Hannah ihnen geben konnte.

Die nächste Woche war ein wenig verschwommen. Hannah erinnerte sich, dass Jacq sie flussaufwärts in eine größere Stadt brachte, wo ihre Eltern, Tink und Tansy sie unter Tränen abholten. Später erfuhr Hannah, dass die meisten Geiseln gerettet worden waren. Vier wurden getötet, darunter die Mutter und die eine Tochter, die in der Hütte zurückgeblieben waren.

Hannah brauchte über ein Jahr, bis sie sich mit der Tatsache abfinden konnte, dass sie nichts hätte tun können, um das Mädchen zu retten. Trotzdem gab es Zeiten, an denen die Schuldgefühle sie einfach überwältigten. Anfänglich hatte Hannah mit Depressionen und Angstzuständen zu kämpfen. Sie mied andere Menschen und verbrachte ihre Zeit lieber damit, die verschiedenen Orte zu erkunden, an denen ihre Eltern Halt machten. Oder sie verbrachte Zeit mit ihren Schwestern im Wohnmobil, in dem sie lebten.

Ihre Eltern sprachen darüber, sie solle sesshaft werden und sich ein Haus kaufen, doch sie erkannten, dass Hannahs Fotografie und ihr Wunsch nach Freiraum die Dinge waren, die ihr halfen. So verbrachten sie also mehr Zeit damit, die Nationalparks in den Vereinigten Staaten und Kanada zu besuchen oder durch die Landschaften Europas zu reisen.

Es war während einer ihrer Reisen nach Südafrika, als Hannah endlich aus ihrem Schneckenhaus kroch. Sie war achtzehn und ihre Mutter hatte ein Angebot als Beraterin für ein im Bau befindliches Kraftwerk zu arbeiten. Beinahe hätten sie das Angebot nicht angenommen, doch Hannah wollte etwas von der Wildnis Südafrikas sehen.

Nach mehreren hitzigen Diskussionen über die Sicherheit im Land wurde die Entscheidung getroffen, nach Südafrika zu gehen. Hannah verliebte sich in die weite Prärie, die zerklüfteten Berge und sogar in die Menschen, die sich dort gern zu leben schienen. Als ihre Eltern in die Vereinigten Staaten zurückkehrten, beschloss Hannah zu bleiben.

Der Vater war beunruhigt, doch ihre Mutter schien zu erkennen, dass Hannah endlich den Weg zurück in ein eigenes Leben gefunden hatte. Hannah versprach, ihre Eltern häufig anzurufen, und mit Hilfe der Kontakte, die sie im Laufe der Jahre mit ihren Fotos und Texten geknüpft hatte, begann sie eine Karriere als freiberufliche Fotografin und Autorin.

Sie lernte Abasi vor zwei Jahren bei einem ihrer Ausflüge in die weite Prärie kennen. Er hatte seine Frau und seinen kleinen Sohn durch eine Krankheit verloren und befand sich auf einer Reise ohne Rückkehr, um ihnen zu folgen. Doch stattdessen fand er Hannah oder sie fand ihn. Wie es genau abgelaufen war, darüber stritten sie sich noch immer.

Sie fotografierte gerade ein Spitzmaulnashorn in Kenia, als sie sich zufällig über den Weg liefen. Hannah hatte Suaheli gelernt und wollte ihm gerade die Hölle heiß machen, weil er ihre Fotoaufnahmen ruiniert hatte, als sie in seinen Augen den gleichen Blick sah, den sie selbst nach den erschütternden Ereignissen ihrer Entführung hatte. Eines führte zum anderen, und sie begannen, tiefere Gespräche zu führen. Abasi erzählte Hannah von seiner Reise in das nächste Leben, und Hannah erzählte ihm von ihrer Reise zurück zu den Lebenden.

Das Spitzmaulnashorn war allerdings weniger beeindruckt von ihrer neu gefundenen Freundschaft, und so mussten Hannah und Abasi auf einen Baum flüchten.

Im Laufe nur einer Nacht wurden sie Freunde. Abasi war entschlossen, Hannah dabei zu helfen, wieder Vertrauen zu fassen, und Hannah war entschieden ihrem Freund zu zeigen, dass es noch viel für ihn gab, wofür es sich zu leben lohnte. Hannah schmunzelte, als sie an die vergangenen zwei Jahre zurückdachte. Sie hatte immer noch kein Vertrauen in die Menschen, sondern zwei zusätzliche Narben, die belegten, warum sie das auch nicht tun sollte. Abasi hatte allerdings beschlossen sich zur Lebensaufgabe zu machen, den perfekten Partner für Hannah zu finden. Einen, der ihr Misstrauen überwinden und sie beschützen würde – und wenn es sein musste, auch vor ihr selbst.

Hannah schüttelte den Kopf, als sie wieder zu den Sternen hinaufblickte. Das war ihr alberner Wunsch gewesen … einen Krieger zu finden, der stark, mutig und ehrlich war, damit sie ihm vertrauen konnte. Hannah selbst glaubte nicht daran, dass es auf der Erde einen solchen Mann für sie gab.

* * *

Am späten Morgen des nächsten Tages erreichten Hannah und Abasi ein anderes Dorf fast fünfzig Meilen landeinwärts. Hannah wartete wieder ungeduldig, während das Telefon klingelte. Wenn Tink dieses Mal nicht abnahm, würde sie in das nächste Flugzeug steigen und nach Maine fliegen. Sie wollte gerade auflegen, als sich Tinks atemlose Stimme in der Leitung meldete.

„Hallo Hannah“, sagte Tink mit heiserer Stimme.

Hannah erkannte darin sofort ihren Ich-will-nicht-mit-dir-reden-Ton. Nun, das war Pech! Tink würde ihr erklären, warum sie so lange brauchte, um ans Telefon zu gehen, und weshalb Hannah so ein schlechtes Gefühl in der Magengegend hatte.

„Warum hast du mich nicht zurückgerufen? Was ist denn los?“, wollte Hannah frustriert wissen. Sie verdrehte die Augen, als Abasi die Augenbrauen hochzog. Okay, vielleicht war ein harscher Tonfall nicht die beste Herangehensweise, doch Hannah drehte langsam durch vor Sorge.

„Mir geht es gut, danke der Nachfrage!“, antwortete Tink mit einem Grinsen. „Ich musste heute arbeiten und hatte einen Haufen Dinge zu erledigen. Ich wollte dich eben anrufen.“

„Okay“, entgegnete Hannah, noch immer frustriert und versuchte, nicht mit den Zähnen zu knirschen. Tink war genau wie ihre Mutter! Nervig und ein Ärgernis zugleich. Hannah wusste, dass Tink sie mit ihrer Art bloß auf die Palme bringen wollte. Tink wusste, dass sie nur anrief und eine Nachricht bei RITA hinterließ, wenn sie sich wegen etwas Sorgen machten. „Hi Tink. Wie geht es dir? Wie schön, dass es dir gut geht. Jetzt sag mir endlich, was los ist. Ich hatte eine meiner Vorahnungen und du weißt, dass ich mich nie täusche.“

Hannah hörte, wie Tink am anderen Ende der Leitung zittrig einatmete. „Okay, aber du wirst es mir nicht glauben“, sagte Tink leise.

Hannah wartete ungeduldig, während Tink ihr eine Geschichte erzählte, die sie sofort als absolut irrwitzig abgetan hätte, wenn jemand anderes sie ihr erzählt hätte. Doch Hannah atmete tief ein, als ihr bewusst wurde, dass nicht nur ihr seltsames Gefühl richtig gewesen war. Das gesamte Ausmaß der Situation war weitaus schlimmer, als sie sich je hätte vorstellen können.

Tink erzählte, wie ihr Mitbewohner und bester Freund, Cosmos Raines, ein Genie in jeglicher Hinsicht, ein Portal entwickelt hatte. Und zwar ein Portal, das Tink in eine andere Welt brachte. Tink erzählte, wie sie ihren Hammer gegen irgendeine außerirdische Kreatur eingesetzt hatte, um einen Jungen zu retten.

Der Junge entpuppte sich ebenfalls als Außerirdischer, nur Tink erkannte es zunächst nicht. Tink beschrieb bis ins kleinste Detail das Raumschiff, auf dem sie sich befand, die Männer, die sie traf, und wie sie nicht aufhören konnte zu weinen, seit Cosmos sie zurück auf die Erde gebracht hatte. Hannah hörte zu, als Tink ihr von einem Mann namens J'kar erzählte, der ihre kleine Schwester auf eine Weise beeinflusst zu haben schien, die keiner von ihnen verstand. Es dauerte einen Augenblick, bis Hannah merkte, dass Tink nicht mehr sprach.

„Hannah?“ fragte Tink zögerlich.

„Ich überlege gerade, ob ich Cosmos wegen des Portals umbringen oder ihm einen Kuss geben soll, weil er dich gerettet hat“, antwortete Hannah leise.

Hannah wusste, wie begabt Cosmos war, doch sie hätte sich nie träumen lassen, dass er etwas derartiges entwickeln könnte. Die Gefahr, die dieses Gerät für ihre Welt bedeuten könnte, war unermesslich. Ganz sicher hatte Cosmos das bedacht. So klug wie er war, hatte er bestimmt eine Liste aller Dinge erstellt, die schief gehen konnten und irgendein Sicherheitsnetz als Plan B. Und was war mit der Regierung? Würde die Regierung nicht wissen, ob so etwas überhaupt möglich war?

Hannah hätte angenommen, dass Cosmos als Kind genug Horrorfilme über Außerirdische gesehen hatte, um zu wissen, welch eine Gefahr ein Portal zu einer fortgeschrittenen Zivilisation für ihren Planeten darstellen könnte – ganz zu schweigen davon, wie die Menschen auf die Erkenntnis reagieren würden, dass Leben außerhalb ihrer Galaxie existiert. Hannah glaubte jedes Wort von dem, was Tink ihr erzählte. Ihr Vater mochte ein Science-Fiction-Autor sein, doch Tink würde sich so etwas niemals ausdenken. Wenn Tink sagte, dass sie auf einem Raumschiff in einer anderen Galaxie gewesen war, hingereist durch ein von Cosmos gebautes Portal, dann stimmte das auch.

„Ich komme nach Hause. Ich werde da sein, sobald ich es einrichten kann“, sagte Hannah mit einer Stimme, die keine Widerrede zuließ. Vielleicht würde sie Cosmos küssen, während sie ihn erwürgt, dachte Hannah, und fing an in Gedanken Pläne zu schmieden.

„Du wirst es doch nicht Mom, Dad oder Tansy erzählen, nicht wahr?“, fragte Tink zögerlich.

Hannah konnte einen Anflug von Angst in Tinks Stimme hören. Doch sie wusste, dass Tink keine Angst davor hatte, dass die anderen es wissen könnten … nein, da ging noch etwas anderes vor sich und Hannah würde es herausfinden. Abgesehen davon, wenn ihre Schwester Tansy es herausbekam, mochte man sich kaum vorstellen, was passieren könnte! Sie würde bis an die Zähne bewaffnet losstürmen, wenn sie den Verdacht hätte, dass Tink auch nur im Entferntesten in Gefahr war. Dann wäre wirklich eine intergalaktische Schlacht im Gange!

Wenn ihre Eltern das herausfänden, dann wäre das noch mal eine ganz andere Geschichte! Hannah hatte fast Mitleid mit den armen Außerirdischen! Ihr Vater würde sie bis zum Erbrechen für seine Science-Fiction-Storys ausfragen und ihre Mutter würde alles neu erfinden oder sie anderweitig in den Wahnsinn treiben!

Oh Gott, dachte Hannah entsetzt, das würde auch bedeuten, dass ihre Eltern einen weiteren Ort zum Vögeln hätten!

Hannah konnte ein schauderndes Stöhnen nicht ganz unterdrücken. Körperliches Vergnügen schien der Lebenssinn ihrer Eltern zu sein! Hannah stöhnte auf, als sie an all die Orte dachte, an oder auf denen ihre Eltern wahrscheinlich schon Sex hatten. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie zwei Menschen kennengelernt, die die ganze Zeit so scharf aufeinander waren! Nicht einmal die Tiere, die sie fotografierte, schienen es so begattungsfreudig zu sein wie ihre Eltern.

Großer Gott! Hannah stöhnte erneut. Das war absolut NICHT das, woran sie im Augenblick denken wollte!

Hannah holte tief Luft. Nein, ihre Eltern und Tansy würden nichts erfahren, wenn sie das verhindern konnte.

„Nein, zumindest nicht, bis ich dich gesehen und entschieden habe, ob ich sie informieren muss“, antwortete Hannah kurz. „Ich bereite jetzt meine Reise vor und schicke dir die Details am Nachmittag per E-Mail zu. Oh, es ist Nacht bei dir, nicht wahr? Ich hab dich lieb, Kleines. Pass auf dich auf, bis ich da bin“, fügte Hannah abwesend hinzu. Sie hatte noch eine Menge zu erledigen, wenn sie nach Maine fliegen wollte.

KAPITEL2

Borj 'Tag Krell Manok sah sich das Bild in seiner Hand noch einmal an. Es zeigte die Abbildung dreier Erdenfrauen. Eine von ihnen war die Gefährtin seines Bruders J'kar. Die beiden anderen waren die Schwestern seiner Gefährtin. Borj hatte die Versuche seines jüngeren Bruders Mak abwehren müssen, das Bild an sich zu bringen. Schließlich hatten sie beschlossen, eine Kopie des Bildes zu machen.

Er musste sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht vor Wut zu Brüllen, angesichts des Zögerns seines Vaters sowie des Rates. Er war bereit, sich ihnen allen entgegenzustellen und das Portal trotzdem zu benutzen, um seine Gefährtin zu finden. Borj schüttelte ungläubig den Kopf.

Von allen vier Brüdern hatte er sich selbst stets für den ruhigsten und rationalsten gehalten. Sorgfältig bedachte er jedes Detail, bevor er einen Angriff durchführte, wog jede Strategie und jedes Ergebnis ab und überlegte, was dem Volk am meisten zugutekommen würde. Und genau aus diesen Gründen war er auch ihr Botschafter. Doch in diesem Moment war er alles andere als ruhig und ausgeglichen. Seine Augen wurden wieder von der Frau auf dem Bild angezogen, die links neben Tink stand.

Die Frau war etwas größer als die beiden anderen und hatte zwei goldbraune Zöpfe, die ihr bis zur Taille hingen. Sie trug eine sehr kurze, hellbraune Hose, die in der Mitte des Oberschenkels endete, zwei kleine dreieckige Stoffstücke, die kaum ihre Brüste bedeckten, und dazu Schuhe. Das Bild war leicht zerknittert, weil Borj es ständig bei sich trug. Auch die Ecken begannen bereits auszufransen, da er mit dem Finger am Rand des Bildes entlangglitt, als ob er auf diese Weise tatsächlich ihre zarte Haut berühren könnte.