Heiter bis lustig - Angie Pfeiffer - E-Book

Heiter bis lustig E-Book

Angie Pfeiffer

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Beschreibung

Geschichten, die zum Schmunzeln, Lächeln und Lachen verleiten. Geschichten über fast normale, skurrile, verrückte oder fantastische Situationen, die nur selten so enden, wie man es zunächst vermutet. Die Literaturtheke ist ein kleines, aber feines Literaturforum. Angie Pfeiffer, Dilettant und Robin Royhs gehören zu den Gründungsmitgliedern. In diesem Buch gibt es eine kleine Auswahl an Kurzgeschichten - eben von der Literaturtheke.

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Inhalt

Alles easy, Dad?

Sixpack Plus

Und jetzt gehe ich eine rauchen

Disco

Denken Sie an das Göttlich - Weibliche

Citybummel

Alles Bio - oder was

Eine krasse Fehleinschätzung

Die Bollerbuxe

Quote für Primaten

Wie heisst du noch mal?

Schwedische Nächte

Sie haben Post

Die fliegende Butterdose

Es lebe das Homeshopping

Kaffee mit Mama

Umweltschutz 1950

Künstliche Intelligenz

Mindestens alle zwei Tage

Heute backe ich

Über Nacht gealtert

Das Salz in der Suppe

Meine naive Freundin Anne

Das sagt Ihr Mann, Madame

SOS im Schlafzimmer

Schluckspecht und Schnapsdrossel

Eitelkeit

Schlechte Hormone

Technik 1960

Navi

Die Prüfung

Floristenglück

Trau dich

Von Jet Boot fahren und Fliegen

Spontanfete zu Weihnachten

Chaostage

O sole mio

Sonntag, 11 Uhr

Schreiben Sie einen Ratgeber

Endstation Pudong

Sternenliebe

Befehl ist Befehl

Ab durch die Hecke

Angie Pfeiffer

Alles easy, Dad?

Die beste aller Ehefrauen hatte sich mit ihrer Freundin zum Kaffee verabredet. Sven wusste nichts mit sich anzufangen und beschloss, den Nachmittag damit zu verbringen, sich ungestört durch alle Sportkanäle zu zappen. Hoffnungsfroh betrat er das Wohnzimmer. Auf dem Sofa entdeckte er Lia, die Stöpsel im Ohr, das Smartphone vor den Augen. Einen Augenblick betrachtete er sein Töchterchen wohlgefällig. Lia, sechzehn Jahre jung, fast eine Frau. Gestern noch saß sie mit einem vollgesabberten Lätzchen vor der Brust auf dem Wohnzimmerteppich und verschönte ihn mithilfe diverser Filzstifte. Heute trug sie all zu kurze Shorts und Tops, die gnadenlos eingelaufen zu sein schienen. Darunter Pushup und String, aber das wollte er sich nicht vorstellen. Sven seufzte. Einen Moment hatte er nicht hingeschaut und schon schien das Leben halb vorüber, das Kind halb erwachsen zu sein.

Er setzte sich neben seine Prinzessin. Wie lange war es her, dass er ganz entspannt mit ihr gesprochen hatte? So von Papi zu Lialein. Er dachte nach. Das musste wohl gewesen sein, als sie in der Schulaufführung von unserer kleinen Farm die Erbsenschote gespielt hatte. Sven beschloss, dass dies eine gute Gelegenheit war, um die Vertrautheit wieder herzustellen.

„Hi, Prinzessin, alles easy?“, begann er mutig. Lia schaute ihn verständnislos an, schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. Sven ließ sich nicht irritieren. Kurzentschlossen zog er einen Stöpsel aus ihrem Gehörgang.

„Alles easy?“, versuchte er noch einmal den artgerechten Einstieg in ein Gespräch.

Lia maß ihn mit einem forschend irritierten Blick, der einem Drogenscreening gleichkam.

„Alles ... easy? Dad?“

Sven lächelte sie wohlwollen an. „Was machst du so?“

„Was ich mache? Ich liege auf dem Sofa.“

Schweigen machte sich breit, doch Sven ge-lang es, die Kurve zu kriegen. „Und dein Freund? Was macht der?“ Fieberhaft überlegte er, wie der junge Mann hieß.

‚Wie der amerikanische Schriftsteller, 1916 gestorben’, ging es ihm durch den Sinn.

„Henry“, strahlte er. „Wie geht es Henry?“

Lia runzelte die Augenbrauen. „James! Er heißt James.“

„Weiß ich doch, James!“

„Na ja, der kommt heute Abend hier her. Aber wir gehen gleich in mein Zimmer“, fügte Lia sicherheitshalber hinzu.

Sven schluckte. „Sag doch mal - wie lange kennt ihr euch eigentlich schon? Ein halbes Jahr?“

„Länger. Ganz genau 10 Monate, 320 Tage und“, ein Blick auf die Uhr, „8 Stunden.“

„Das ist verdammt lange. Was macht ihr denn so, wenn ihr in deinem Zimmer seid?“, Sven bemerkte, dass sich ein leichter Schweißfilm auf seiner Stirn bildete. „Seht ihr fern?“

Lia zuckte die Schultern. „Manchmal.“

„Oder macht ihr Playstation?“

„Eher nicht.“

„Chillt ihr, so wie du jetzt?“

„DAD!“

Sven fühlte sich ertappt. Er straffte sich. „Sag mal, Lialein, hat Mama schon mal mit dir ... gesprochen?“, hier räusperte er sich, denn sie sah ihm mit einem mehr als skeptischen Blick an. Diesen Blick kannte er, seit er seiner Tochter im Sandkasten ausführlich die Handhabung von Förmchen und Schaufel gezeigt hatte.

„Hm“, machte sie.

„Na, ja. Ich bin ja auch mal ein Mann gewesen ... ein junger Mann ... meine ich ... ein sehr junger Mann ... jedenfalls jünger als heute ...“

„Echt?“

Einen Augenblick fragte er sich, ob sie sich über ihn lustig machte, trotzdem konnte ihn das nicht stoppen. „Also sehr junge Männer haben Bedürfnisse, die sehr junge Mädchen manchmal nicht so ... unbedingt ...“

„Willst du wissen, ob wir Sex haben?“, unterbrach ihn Lia gnadenlos.

„Ja ... nein ... natürlich nicht ... würde deine Intimsphäre nie verletzen ...“, stammelte Sven und merkte, dass er rot anlief.

„Danke, Papi.“

Sven registrierte erfreut und erleichtert, dass sie wieder Papi sagte, so wie früher.

„Wenn es dich beruhigt, Gangbang kommt für uns nicht in Frage. Früher habt ihr das doch Rudelpoppen genannt, oder.“

„Was?“ Plötzlich schmerzte seine linke Brustseite. Schmerzen, die bis in den linken Arm zogen. ‚Die Herzkranzgefäße, wo sind meine Tabletten’, fuhr es ihm durch den Kopf. Rechtzeitig fiel ihm ein, dass er gar keine Herztabletten nahm.

Derweilen strahlte Lia ihn an. „Scherz, nur ein Scherz, Papi. Ist alles nicht mehr so, wie bei euch früher.“

„Du hast keine Ahnung, wie das bei Mama und mir abgegangen ist, aufm Festival“, entfuhr es Sven. „Wir haben eine Menge erlebt. Die 90iger waren ganz schön wild.“

„Klar“, murmelte Lia uninteressiert und checkte ihr Smartphone. „Damals war das sicher cool.“ Es klang, als würde sie von der Zeit vor den Kreuzzügen sprechen.

„Übrigens, Dad, kannst du mir was leihen?“

„An wie viel dachtest du denn?“ Aha, die Papi Time war also vorbei.

„Na ja, vielleicht so 50 Euro? Ich habe nämlich eine Eins in Literatur bekommen, für den Aufsatz über Henry James. Ist das nicht ne kleine Belohnung wert?“

„Du bist lustig, ich war der Ghostwriter!“

„Ja, gut, aber ich musste das alles nochmal abschreiben, wegen der Handschrift. Was das für eine Arbeit war.“

„Echt?“

„Echt!“

Das Handy klingelte. Lia guckte aufs Display. Die Sonne ging in ihrem Gesicht auf. So, wie damals, als sie klein war und Sven am Abend nach Hause kam. Nun stand sie auf und ging an ihm vorüber, ohne ihn weiter zu beachten.

Sven seufzte schwer und stellte den Fernseher an.

Dilettant

Sixpack Plus

Für das Wochenende hatte sich Besuch angekündigt. Ein kurzer Blick in die Bierkiste ließ mich erkennen, dass es nötig war, für Nachschub zu sorgen.

„Fahr doch zum Supermarkt um die Ecke“, riet die holde Weiblichkeit. „Dort gibt es immer einen Umsonster, wenn man eine Kiste Bier kauft.“

Da Mann seiner besseren Hälfte nur im Not-fall widerspricht, kaufte ich also in besagtem Supermarkt und bekam ein Paket Küchenrolle der Marke „Dick und Durstig“ dazu.

Wieder daheim brachte ich zuerst die Kiste Bier in den Keller, um dann mit den Papierhandtüchern unter dem Arm in die Küche zu gehen: „Schau mal, Darling, Dick und Durstig!“

Sie sah kurz hoch und musterte mich: „Ja, das sehe ich – und Küchenrolle hast du auch mitgebracht!“

Angie Pfeiffer

und jetzt gehe ich eine rauchen

Mit Mühe unterdrücke ich ein Gähnen, was mir einen missbilligenden Blick der dickli-chen Lehrerin einbringt.

Diese Frau sieht alles. Ich bin froh, dass mein Sohn in ihre Klasse geht und nicht ich. Vier Kinder, das macht eine Menge Elternsprechtage, denke ich und seufze.

Schon wieder trifft mich der strenge Blick. Was würde ich jetzt für eine Zigarettenpause geben ...

Ich hole tief Luft, was ein Fehler ist, denn die unterschiedlichsten Parfümwolken haben sich zu einem Geruchsgemisch vereinigt, das mich in eine Art Trance versetzt. Die Muttis der ersten Klasse haben sich eben chic gemacht.

Ganz anders als ich. Als Mutter von vier Söhnen bin ich kampferprobt und abgehärtet. Elternsprechtage sind nicht der Grund für mich, um mich ins kleine Schwarze zu schießen, in Parfüm zu baden und anschließend bei der zuständigen Lehrkraft herumzuschleimen.

Das ist gleich aufgefallen. Während die meisten Mütter die Lehrerin umringten, sie mit Fragen bombardierten und sich Notizen machten, hatte ich mich auf einen der Tische gesetzt, mich aber nach einem bösen Blick der Lehrerin lieber auf einen der kleinen Stühle gequetscht, so ganz ohne Aufforde-rung. Die anderen Mütter sind nach und nach meinem Beispiel gefolgt.

Jetzt sitze ich immer noch auf dem Stuhl, mit eingeschlafenem Hinterteil. Ich beobachte fasziniert, wie sich ein Speichelfaden zwischen den Lippen der Lehrerin in die Länge zieht, wenn sie spricht. Und sie spricht andauernd! Ich kann den Blick nicht abwenden. Der Faden ist super elastisch, reißt nie ab.

Inzwischen wird eifrig diskutiert. Einige der Mamas möchten Sitzbälle anschaffen, für eine gesunde Sitzhaltung.

Eine andere Gruppe widerspricht und will lieber mal mit den Kindern in den Zoo.

Ein Vater, der sich zum Elternsprechtag verirrt hat, will den Klassenraum in lustig bunten Farben anstreichen, damit er freundlicher aussieht.

Die Lehrerin ist der Meinung, dass die Kinder zu viel fernsehen. Schon ist ein neues Diskussionsthema gefunden, Gewalt im Fernsehprogramm.

Die Augen fallen mir fast zu. Außerdem muss ich unbedingt eine rauchen. Ich beschließe raus zu gehen, wenn der Speichelfaden im Mund der Lehrerin innerhalb der nächsten zehn Minuten reißt. Falls er hält, werde ich mich an der Diskussion beteiligen.

Tom und Jerry sind jetzt im Kreuzfeuer der Kritik. Ich lerne, dass sie gewaltbereite, mordlüsterne Biester sind, welche die Jugend verderben.

Die Lehrerin lächelt, doch das Speichelding zieht sich noch mehr in die Länge, reißt nicht. Ein zähes Teil ist das.

Die mollige Pädagogin stellt die Frage, ob die Kinder nicht lieber stilles Wasser trinken sollten. Saft hat zu viele Kalorien, sagt sie. Mitten im Satz wird sie unterbrochen, denn eine Helikoptermama beklagt sich, dass die Pausen nicht aktiv gestaltet werden.

Ich linse auf meine Uhr. Die zehn Minuten sind um, ich habe verloren, muss diskutieren. So stehe ich auf:

„Mein Sohn verabscheut stilles Wasser und ich auch“, sage ich mit fester Stimme. „Und ich bin der Meinung, dass die Kinder Bilder malen sollen um den Klassenraum zu verschönern. Ach ja, Sitzbälle in einer Klasse, das ist bescheuert.“

Die dicke Lehrerin starrt mich mit offenem Mund an.

Da - der Speichelfaden ist weg, vermutlich endlich gerissen.

Ich grinse sie an. „Tom und Jerry finde ich übrigens cool. Die habe ich mir schon angeschaut, als ich ein Kind war und es hat mir nicht geschadet. Jedenfalls nicht sehr. So, und jetzt gehe ich eine rauchen.“

Mit diesen Worten steuere ich die Tür an. Selten habe ich mich so klasse gefühlt, wie nach dem Abgang.

Allerdings muss ich, nachdem ich geraucht habe wieder zurück in die Klasse.

Sie haben mir in meiner Abwesenheit eine Strafe aufgebrummt.

Sie haben mich zur Elternsprecherin gewählt ...

Robin Royhs

Disco, Disco

Bum, bum, bum.

Die Bässe dröhnen, der Fußboden bebt, mein Magen vibriert mit. Ich hasse es, schmeiße eine Omneprazol ein. Sicher ist sicher.

Ich versuche im Schatten zu bleiben. Obwohl die Fläche, auf der ich stehe etwas erhöht ist, will ich nicht auffallen.

Um mich herum ist Gezappel, alles tanzt.

Eine tief dekolletierte Blondine im kurzen Röckchen bewegt sich auf mich zu. Sie lächelt lasziv.

Ich schüttele energisch den Kopf. Die Antanznummer zieht nicht bei mir.

Ich gehöre zu den Typen, die am Tresen ihrer Stammkneipe über Fußball oder PS diskutieren. Die zu Hause auf dem Sofa die Sport-schau gucken. Die Füße auf dem Tisch, Bier aus der Flasche trinkend, Pizza kauend.

Mist, die Sportschau kann ich heute auch wieder nicht sehen!

Obwohl, ich kann auch ganz gut Konversation machen. Ehrlich. Nur die intellektuellen Höhepunkte in der Disco stemme ich nicht. Geile Mukke, das geht ab … ...

oder: was läuft ...

darauf weiß ich keine Antwort.

Na gut, reden ist nicht mehr angesagt, dafür gibt es das Social Network. Es reicht ein like. Orwell hätte den Big Brother völlig überarbeiten müssen oder er hätte sich erschossen, je nachdem.

Ein Typ unterbricht meinen Gedankenfluss, brüllt irgendetwas. Ich verstehe ihn nicht, die Bässe halt. Liegt auch daran, dass die Anlage nicht besonders ist. So zucke ich die Schultern und beschließe früher nach Hause zu gehen.

Sofort verschwinden geht nicht, meine Schicht als DJ dauert noch ne Weile.

Angie Pfeiffer

Denken Sie an das Göttlich - Weibliche

Endlich hatte ich sie!

Die ultimativen Highheels von Jimmy Choo. Lange genug hatte es gedauert, mir das Geld dafür zusammenzusparen.

Doch nun war es so weit. Rot und mit einem schwindelerregend hohen, durchsichtigen Absatz schmückten sie meine Füße. Ich ging wie auf Wolken.

Doch leider sollte dieses Glück nicht lange anhalten. Schon beim ersten Tragen klemmte plötzlich der Absatz des linken Schuhs zwischen zwei Pflastersteinen fest.

Verdammt!

Wer pflastert den Bürgersteig denn so dämlich! Auf jeden Fall brach der Absatz ab. Als wenn das nicht genug des Elends gewesen wäre, rollte er auf die Straße und versank mit einem satten ‚Plopp‘ im nächstgelegenen Gully.

Da stand ich nun. Erstens total wackelig, zweitens völlig fertig mit den Nerven. Was sollte ich nur machen?

In Gedanken ging ich alle Optionen durch.

Ich könnte ein paar Tranquilizer nehmen. Die hatte ich immer in der Handtasche. Aber bis die Pillen wirkten, würde ich schon einen Heulkrampf bekommen haben und mich verzweifelt auf dem Bürgersteig herumwälzen. Vielleicht die Telefonseelsorge? Schließlich hieß es, dass man dort all seinen Kummer loswerden könnte. Ich zückte das Telefon, fing an zu tippen. Doch dann fiel mir ein, dass ich die Nummer der Telefonseelsorge gar nicht kannte.

Verzweifelt starrte ich auf das Display und hatte plötzlich die rettende Eingebung. Mein Psychiater würde mir bestimmt helfen können!

Weil ich seine Telefonnummer auswendig kannte, rief ich ihn stehenden Fußes an und bekam tatsächlich sofort einen Termin. Schließlich hatte ich ein existentielles Problem! Welcher Art es war, wollte ich ihm bei der Sitzung ausführlich schildern.

Er erwartete mich bereits in seinem Sprechzimmer.

„Nehmen Sie Platz“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Sie sagten, sie hätten ein traumatisches Erlebnis gehabt? Wie fühlen Sie sich jetzt.“

Was für eine Frage! „Wie soll ich mich fühlen.

Leer und hoffnungslos. Dieser Verlust …“

„Ich möchte das Erlebte mit Ihnen aufarbeiten. Können Sie darüber reden?“, fragte er sanft.

Und ob. Wofür bezahlte ich den Mann denn schließlich! „Die Jimmy Choos fehlen mir so sehr, jetzt wo sie zerstört sind. Es ist unbeschreiblich. Auf diesen Teilen kam ich mir vor wie eine ganz andere Person. Einfach göttlich.“

„Das ist interessant. Alles spricht dafür, dass Ihre Eltern Ihnen nicht die Liebe geben konnten, die Sie brauchen. Sie mussten sich vor ihnen immer kleiner machen, als Sie waren“, erklärte er mit blitzenden Augen. „Aber Sie sind im Laufe der Jahre zu großem Selbstbewusstsein gelangt. Jetzt fühlen Sie sich also wie eine Göttin.“

Na ja, aber ohne die Schuhe? „Sie verstehen das Problem nicht. Sie waren rot. Rot wie die Liebe und so unglaublich sexy.“

„Das nenne ich einen Fortschritt“, strahlte er.

„Sie fühlen das göttlich Weibliche in sich. Wie leben Sie das aus?“

Der gute Doktor kam mir heute etwas seltsam vor. „Wie ich das auslebe?“

„Ja, genau. Wie Sie damit umgehen, es ausleben“, fragte er neugierig.

Wenn er es genau wissen wollte … „Also, wenn ich meine roten Dessous anhabe und rote Highheels, dann macht es meinen Typen ziemlich an. Wäre auch komisch, wenn das nicht so wäre. Dann leben wir es zusammen aus.“

„Oh, Sie handeln also zielorientiert“, jubelte er. Das ist so gut. Ein gewaltiger Fortschritt.“ Er senkte die Stimme, wurde ernst. „Aber kommen wir zu ihrem existentiellen Problem zurück. Sie vermissen die … ähm … Dings … Was gibt es für Strategien, um damit fertig zu werden?“

Jetzt wurde er endlich konkret. „Ich denke, dass ich nachher meine roten Dessous anziehen werden. Wenn ich mit meinem Typ fertig bin, dann kauft er mir was ich will.“

Er zog scharf die Luft ein. „Auf keinen Fall. Wir haben doch herausgearbeitet, dass Sie eine selbstbewusste Frau sind. Dass Sie Ihre Weiblichkeit wunderbar reflektieren. Wenn Sie das Begehrte von Ihrem Partner kaufen lassen, dann begeben Sie sich in eine wahnsinnige Abhängigkeit von ihm! Denke Sie an Ihre Eltern. Wollen Sie sich wieder klein und abhängig fühlen?“

Der hatte gut reden. „Was soll ich denn stattdessen machen?“

Er hob den Zeigefinger. „Das kann ich Ihnen sagen. Denken Sie an das göttlich Weibliche. Schreiten Sie in das entsprechende Geschäft und kaufen dort voller Selbstbewusstsein einen Ersatz. Damit wäre das existentielle Problem überwunden.“ Er schaute auf seine Apple Watch. „Sorry, aber der nächste Termin wartet schon. Wenn Sie also …“

Damit komplimentierte er mich zur Tür.

Was soll ich sagen. Ein paar Tage später bekam ich die gepfefferte Rechnung für diese Notfallsitzung.

Die Krankenkasse weigerte sich, die Kosten zu übernehmen. Irgendwie erkannte man dort nicht, dass der Schuhverlust ein existentielles Problem darstellte. Also beglich ich die Rechnung und hatte als Folge noch 31,50 Euro auf dem Konto.

Also entdeckte ich das göttlich Weibliche (oder war es das weiblich Göttliche?) in mir, erfand mich neu und ließ mir die neuen Schuhe von meinem Partner kaufen. Das stärkte mein Selbstbewusstsein ungeheuer.

Übrigens: Falls mir wieder mal ein Absatz abbricht und mich in die Krise stürzt, dann rufe ich doch lieber die Telefonseelsorge an. Oder ich nehme ne Valium ….

Diletttant

Citybummel

er wollte doch zum Harley Ha¨ndler

„Moin, na – wie war das Wochenende?“

Thomas stand mit dem Rücken zu mir an der Kaffeemaschine. Mit der Tasse in der Hand drehte er sich um, und ich sah in etwas betrübte Dackelaugen: „Ging so ..“

Denn ….

…. am Samstagmorgen saß Thomas gemütlich am Frühstückstisch, als Ulrike von der Zeitung aufblickte und fragte: „Sag‘ mal, woll-test du nicht das ‚Dings‘ für dein Motorrad abholen?“

Thomas schaute seine Frau mit leicht zur Seite geneigten Kopf an: „Ja, aber …“ Er hatte sich vor ein paar Monaten eine Harley geleistet und wollte seine Maschine mit einem ‚Screaming Eagle‘-Luftfilter aufpeppen. „Na, ja“, sagte Ulrike, „du könntest mich gleich zum Mittag zu dem netten Portugiesen in der Innenstadt einladen. Der Mopedhändler hat doch sicher bis 16:00 Uhr auf!?“

„Oh, guter Vorschlag. Jetzt ist es 8:30 Uhr, dann haben wir ja noch etwas Zeit.“

„Ähh – können wir vorher nicht noch ganz kurz in die Fußgängerzone?“, Ulrike blickte ganz unschuldig.

„Ja, ok, dann aber los – die Parkhäuser sind um 10 Uhr meistens schon voll!“

Ulrike sprang auf und spurtete ins Obergeschoss: „Zieh‘ mich nur kurz für die Stadt um.“

Thomas räumte den Tisch ab, spülte das Geschirr, brachte den Müll raus ...

Kurz nach 9:00 kam Ulrike im stylischen Outfit die Treppe herunter. Sie musterte Thomas streng: „Hey, willst du dich nicht umziehen???“

„Wie jetzt, wir holen den Luftfilter für die Harley. Ich behalt auf jeden Fall meine Destroyed Jeans an und nehm‘ die Lederweste!“, darüber war mit Thomas nicht zu diskutieren.

Ulrike seufzte: „Mensch, Thomas!!! Ich kann doch nicht mit meinem Outfit neben dir …“ Thomas zuckte die Schulter und drehte sich zur Tür.

„Okay, okay, okay – gib‘ mir nur eine Minute, dann zieh ich mir auch schnell was Sportliches an!“ Ulrike hastete schon die Treppe hinauf und konnte somit nicht sehen, wie sich bei Thomas die Mundwinkel etwas nach oben bewegten.

Etwa eine viertel Stunde später sauste Ulrike, nur mit einem Slip bekleidet, an Thomas vorbei in den Keller und kam kurze Zeit später mit einem hellblauen Push-Up-BH in der Hand wieder an ihm vorbei.

„Was????“, staunte Thomas mit offenem Mund.

„Ja, ich kann doch nicht mit weißem SpitzenBH unter einem Jeans-Hemd rumlaufen“, drehte sich Ulrike empört auf der Treppe um. Zwanzig Minuten und gefühlten 5 Zigaretten später kam Ulrike die Treppe herunter, trug eine sportliche Hose, ein Jeanshemd und ein Lederblouson: „So, jetzt bloß noch die Schuhe.“

„OK, ich hol‘ schnell das Auto, fahr‘ tanken und wasch ...“

„THOMAS !!!“

Als sie in der Stadt ankamen, war es kurz vor 11 – alle Parkhäuser waren voll. So reihte sich Thomas in eine lange Schlange vor dem Parkplatz in der Innenstadt. Ulrike sprang aus dem Auto: „Hey, wir treffen uns bei Lizzy’s, du weißt, direkt am Dom!“

Thomas seufzte: „Gut, bis nachher“, konnte aber eine gewisse Freude nicht verbergen, da er so den Boutiquen wohl zum Großteil entgehen würde.

Gegen 11:30 hatte der den Wagen geparkt und schlenderte Richtung Innenstadt, um direkt auf Ulrike zu treffen.