Homilien über den ersten Brief an die Korinther - Johannes Chrysostomos - E-Book

Homilien über den ersten Brief an die Korinther E-Book

Johannes Chrysostomos

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Beschreibung

Die beiden Briefe, die an die christliche Gemeinde in Korinth gerichtet waren, sind zusammen mit dem Römerbrief die längsten der paulinischen Episteln. Sie sind von einzigartigem Interesse und besitzen einen besonderen Wert, was auf die enge Bekanntschaft des Apostels mit den Mitgliedern der angesprochenen Gemeinde und deren Umständen zurückzuführen ist. Infolge dieses intimen Charakters bietet der Erste Korintherbrief ein in Fülle und Farbe unerreichtes Bild des Lebens einer paulinischen Gemeinde, während der Zweite Brief, der aus einer starken Emotion heraus geschrieben wurde, eine Offenbarung der innersten Gefühle und des charakteristischen Temperaments des Paulus selbst gibt, wie sie nirgendwo sonst zu finden ist. Da sich beide Briefe mit konkreten Problemen der Moral und mit solchen Tendenzen des Denkens und Lebens befassen, die in allen Zeiten ihre Parallele finden, sind sie voller Belehrungen für die moderne Kirche; und diese Belehrungen werden umso wirksamer, je besser wir die antiken Denkweisen in ihrer Verschiedenheit von den unseren verstehen.

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Seitenzahl: 1024

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Homilien über den ersten Brief an die Korinther

 

JOHANNES CHRYSOSTOMOS

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Homilien über den ersten Brief an die Korinther, J. Chrysostomos

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660185

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Einleitung zum ersten Briefe an die Korinther.12

Erste Homilie.5

Zweite Homilie.11

Dritte Homilie.19

Vierte Homilie.29

Fünfte Homilie.41

Sechste Homilie.52

Siebente Homilie.61

Achte Homilie.80

Neunte Homilie.90

Zehnte Homilie.98

Elfte Homilie.106

Zwölfte Homilie.117

Dreizehnte Homilie.131

VierzehnteHomilie.141

Fünfzehnte Homilie.150

Sechzehnte Homilie.161

Siebenzehnte Homilie.174

Achtzehnte Homilie.182

Neunzehnte Homilie.190

Zwanzigste Homilie.202

Einundzwanzigste Homilie.215

Zweiundzwanzigste Homilie.230

Dreiundzwanzigste Homilie.240

Vierundzwanzigste Homilie.253

Fünfundzwanzigste Homilie.263

Sechsundzwanzigste Homilie.272

Siebenundzwanzigste Homilie.288

Achtundzwanzigste Homilie.299

Neunundzwanzigste Homilie. 308

Dreissigste Homilie.321

Einunddreissigste Homilie.331

Zweiunddreissigste Homilie.340

Dreiunddreissigste Homilie.356

Vierunddreissigste Homilie.368

Fünfunddreissigste Homilie.381

Sechsunddreissigste Homilie.395

Siebenunddreissigste Homilie.407

Achtunddreissigste Homilie.414

Neununddreissigste Homilie.428

Vierzigste Homilie.446

Einundvierzigste Homilie.456

Zweiundvierzigste Homilie.466

Dreiundvierzigste Homilie.473

Vierundvierzigste Homilie.481

Fußnoten. 492

 

 

Homilien über den ersten Brief an die Korinther

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Homilien über den ersten Brief an die Korinther (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Homilien über den ersten Brief an die Korinther In: Ausgewählte Schriften des heiligen Chrysostomus, Erzbischofs von Konstantinopeln, Kirchenlehrer. Übersetzt von J. C. Mitterrutzner. (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 71), Kempten 1881. Unter der Mitarbeit von: Uwe Holtmann.

 

 

 

Einleitung zum ersten Briefe an die Korinther.1

 

 Korinth ist zwar jetzt noch die erste Stadt Griechenlands, hatte aber ehedem Überfluß an allen Lebensbedürfnissen und übertraf an Fülle des Reichthums alle andern Städte; darum nennt auch ein heidnischer Schriftsteller die Stadt eine reiche;2 denn sie liegt am peloponnesischen Isthmus  und eignet sich trefflich zum Handelsplatze. Auch wimmelte sie von Rednern und Philosophen, und einer der sogenannten sieben Weisen war aus derselben gebürtig.3 Das sage ich nicht, um die Stadt zu erbeben oder ihre große Bildung zu rühmen, (denn was liegt daran, Dieses zu wissen?) — sondern Das dient uns nur zum Verständniß des Briefes. — Auch hat Paulus selbst in dieser Stadt viel gelitten, und eben dort erschien ihm Christus und sprach: „Schweige nicht, sondern rede … denn ich habe viel Volk in dieser Stadt.“4 Und er blieb dort zwei Jahre. Ebendort fuhr auch der Teufel aus, welcher die Juden, die ihn beschwören wollten gar arg mißhandelte. Dort trugen auch Manche, die sich bekehrt hatten, die Zauberbücher zusammen und verbrannten sie; und man schlug sie auf 50.000 (Denare) an.5 Daselbst endlich wurde Paulus unter dem Prokonsul Gallio vor Gericht gegeißelt. Als nun der Teufel sah, daß diese große, volkreiche, wegen ihres Reichthums und ihrer Bildung bewunderte Stadt, daß dieses Haupt Griechenlands (denn die Macht der Athener und Lacedämonier, welche die Herrschaft schon vor langer Zeit eingebüßt hatten, lag elend darnieder) die Wahrheit ergriff; als er sah, daß sie das Wort Gottes mit großem Eifer aufnahm, — was thut er? Er stiftet Zwiespalt unter den Einwohnern; denn er weiß, daß auch das allerstärkste Reich, wenn es in sich selbst getheilt ist, nicht bestehen wird. Als Mittel, diese Arglist auszuführen, benutzte er den Reichthum und die Bildung der Einwohner. Da bildeten nun Einige Parteien gegen einander und stellten sich aus eigenem Antrieb als Häuptlinge an die Spitze des Volkes; die Einen schloßen sich an diese, die Andern an jene Parteiführer an, an die Einen, weil sie reich, an die Andern, weil sie als fähige Köpfe bessere Lehrmeister wären. Diese Führer nahmen sich ihrer Parteigänger an und rühmten sich nun, etwas mehr zu lehren, als der Apostel.  Darauf deutet auch Paulus hin mit den Worten: „Ich konnte nicht mit euch reden wie mit geistigen Menschen;“6 offenbar nicht darum, als wäre er zu beschränkt gewesen, sondern weil Jene zu schwach waren. Vieles zu hören; und die Worte: „Ihr habt Überfluß ohne uns“7 zielen eben dahin. Diese Spaltung der Kirche war keine Kleinigkeit, sondern das allergrößte Verderben. Zudem war dort ein anderes Verbrechen verübt worden, indem ein Mensch, der mit seiner Stiefmutter Umgang gepflogen, nicht nur nicht gerügt wurde, sondern auch noch das Volk zusammenrottete und seine Anbänger zum Dünkel verleitete. Darum sagt der Apostel: „Und ihr seid aufgeblasen und hattet nicht vielmehr Leidwesen.“8 Ferner gab es auch Manche von den Gebildeten, welche dadurch Alles verdarben, daß sie den Gastmählern in den Götzentempeln beiwohnten und aus Schwelgerei von den Götzenopfern kosteten. Wieder Andere, welche in Betreff des Vermögens stritten und zankten, überließen den ganzen Entscheid heidnischen Richtern. Auch gingen Viele einher mit stolzem Haarwuchs, denen er befiehlt, sich scheeren zu lassen. Es herrschte auch noch ein anderer nicht unbedeutender Mißbrauch, daß nämlich in den Kirchen Jeder für sich aß und den Armen Nichts mittheilte. Zudem fehlten sie auch darin, daß sie sich über die Wundergaben eitel erhoben und deßhalb unter ihnen Eifersüchteleien entstanden, was dann auch am meisten zur Spaltung der Kirche beitrug. Auch die Lehre der Auferstehung schwankte bei ihnen: denn Einige aus ihnen, noch krankend an der griechischen Thorheit, glaubten nicht fest an die Auferstehung der Leiber. Dieß alles entstand aus dem Unverstande der heidnischen Philosophie: diese war die Mutter aller Übel; daher auch die Spaltungen, die sie eben von den Philosophen gelernt hatten. Denn auch diese standen sich feindselig einander gegenüber, indem sie sich in ihren Lehrmeinungen aus Herrschsucht und Ehrgeiz widersprachen und jeder  gegen die frühern Systeme ein neues zu ersinnen bemüht war. Das kam aber daber, weil sie ihre Ansichten auf Vernunftschlüsse bauten. — Sie schrieben also durch Fortunatus, Stephanas und Achaikus au Paulus, durch deren Vermittlung er ihnen auch Antwort ertheilte. Das spricht er aus am Ende des Briefes, worin er nicht über Alles, sondern über die Ehe und über die Jungfrauschaft redet; daher sagt er: „worüber ihr mir aber geschrieben habt.“9 Er aber redet in seinem Briefe nicht nur von Dem, worüber sie geschrieben, sondern auch von Gegenständen, worüber sie nicht geschrieben hatten; denn er wußte genau, woran es ihnen fehlte. Mit dem Briefe sandte er auch den Timotheus dorthin, indem er wohl wußte, daß der Brief zwar viel vermöge, aber noch größeres Gewicht erhalte durch das persönliche Erscheinen des Schülers. Da aber die Urheber der Kirchenspaltung den Schein der Ehrsucht vermeiden wollten, so gebrauchten sie zur Beschönigung ihres Fehlers den Vorwand, daß sie eine vollkommnere Lehre vortrügen und weiser wären als die Andern. Paulus widersetzt sich nun vorerst dieser Krankheit und sucht das Übel und die daraus entstehende Uneinigkeit im Keime zu ersticken; und er spricht mit großer Freimüthigkeit: denn diese waren mehr als alle Andern seine Schüler. Darum spricht er: „Wenn ich Anderen nicht Apostel bin, doch euch bin ich’s; denn ihr seid das Siegel meines Apostolates.“10 Und sie waren auch schwächer als die Andern; darum sagt er: „Ich habe zu euch nicht wie zu Geistigen gesprochen; denn noch konntet ihr es nicht (vertragen); aber nicht einmal jetzt könnet ihr’s.“11 Das aber sagt er, damit sie nicht meinen sollten, er verstehe Dieses von der vergangenen Zeit; darum fügt er bei: „aber nicht einmal jetzt könnet ihr’s.“ Es ist aber wahrscheinlich, daß nicht Alle verdorben, sondern Einige unter ihnen auch große Heilige gewesen seien, was er auch in der Mitte des Briefes zu verstehen gibt mit den Worten: „Mir aber gilt es für ein Geringes, daß ich von euch gerichtet werde,“12 und fügt bei: „Dieses aber habe ich übertragen auf mich und Apollo.“13

Weil nun alles Unheil vom Stolze herkam und von der Einbildung, als wüßten sie mehr, so trachtet Paulus vor Allem diesen Hochmuth auszurotten und beginnt, mit den Worten:

 

 

 

 

 

Erste Homilie.

 

I.

 

Kap. I.

1. 2. 3. Paulus, berufener Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen, und Sosthenes, der Bruder, an die Kirche Gottes, welche zu Korinth ist, an die Geheiligten in Christo Jesu, die berufenen Heiligen, sammt Allen, welche anrufen den Namen unseres Herrn Jesus Christus, an jeglichem Orte, ihres sowohl als unseres (Herrn), Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

I. Sieh’, wie er gleich im Beginne ihren Stolz niederschlägt und ihren ganzen Eigendünkel zu Boden schmettert, indem er sich berufen nennt. Denn was ich weiß, spricht er, habe ich nicht selbst erfunden, noch bin ich durch eigene Weisheit dazu gekommen, sondern während ich die Kirche verfolgte und verheerte, bin ich berufen worden. Hier wird dem Berufenden Alles, dem Berufenen aber so zu sagen Nichts zugeschrieben als der Gehorsam — „Jesu Christi“. Euer Lehrer ist Christus; und ihr stellt Menschen auf zu Lehrmeistern? „Durch Gottes Willen.“ Denn Gott hat es gewollt, daß ihr so gerettet werdet. Denn wir haben  keine eigenen Verdienste, sondern durch Gottes Willen haben wir das Heil gefunden; wir sind berufen worden, weil es ihm also gefiel, nicht als wären wir dessen würdig gewesen. — „Und Sosthenes, der Bruder.“ Hier zeigt er wieder seine Bescheidenheit, indem er sich dem viel Geringern gleichstellt: denn zwischen Paulus und Sosthenes war ein großer Unterschied. Wenn er sich nun hier, wo der Abstand so groß war, dem Geringeren gleichstellt, wie können sich dann Diejenigen entschuldigen, welche Männer gleichen Ranges verachten! — „An die Kirche Gottes.“ Nicht an die Gemeinde (Kirche) dieses oder jenes Menschen, sondern Gottes. — „Zu Korinth.“ Siehst du, wie er durch jedes Wort ihre Aufgeblasenheit niederschlägt und durch Alles ihren Sinn zum Himmel emporrichtet? Kirche Gottes aber nennt er sie, um anzuzeigen, daß sie einig sein müsse. Denn ist sie Gottes Kirche, so ist sie einig und Eins nicht nur zu Korinth, sondern auf dem ganzen Erdkreise. Denn der Name Kirche bezeichnet nicht Spaltung, sondern Einigung und Übereinstimmung. „An die GeHeiligten in Christo Jesu.“ Wieder setzt er den Namen Jesu, nirgendwo den von Menschen. Was ist aber die Heiligung ? Das Taufbad, die Reinigung. Er erinnert sie nämlich an ihre eigene Unreinigkeit, wovon er sie befreite, und mahnt sie, von sich bescheiden zu denken; denn nicht durch die eigenen guten Werke, sondern durch die Menschenfreundlichkeit Gottes wurden sie geHeiligt. An „die berufenen Heiligen". Denn nicht einmal Das, daß ihr durch den Glauben gerettet werden seid, sagt er, ist euer Verdienst: ihr seid nämlich nicht aus eigenem Antriebe gekommen, sondern ihr seid berufen worden. Also ist auch nicht einmal dieses Wenige ganz euer Werk. Und wäret ihr auch aus eigenem Antrieb gekommen, ihr, die ihr zahllosen Übeln unterworfen waret, so würde selbst in diesem Falle nicht euch, sondern Gott der Dank gebühren. Darum schreibt er auch an die Epheser die Worte: „Durch die Gnade seid ihr errettet mittels des Glaubens, und Dieß  nicht aus euch.“14 Aber auch der Glaube ist nicht ganz euer Werk; denn ihr seid nicht dem Glauben zuvorgekommen, sondern habt nur gehorcht, nachdem ihr berufen worden. — „Sammt Allen, welche anrufen den Namen unseres Herrn Jesus Christus,“ nicht den Namen von Diesem oder Jenem, sondern den Namen des Herrn. — „An jeglichem Orte, ihrem sowohl als unserem.“ Ist auch der Brief nur an die Korinther geschrieben, so gedenkt er doch aller Gläubigen auf der ganzen Erde und zeigt, daß die Kirche, obgleich an vielen Orten zerstreut, auf der ganzen Erde Eins sein müsse, und um so mehr die zu Korinth. Sind die Gläubigen dem Orte nach auch getrennt, so vereinigt sie der Herr, weil er für sie gemeinschaftlich ist. Darum setzt er, um sie zu vereinen, hinzu: unserem sowohl als auch ihrem. Diese Gemeinschaft ist aber viel wichtiger, als jene (dem Orte nach); — denn gleichwie Diejenigen, die an einem Orte wohnen, aber verschiedenen und sich widersprechenden Herren dienen, getrennt sind, ohne daß der Wohnort zu ihrer Vereinigung das Mindeste beiträgt, da ihre Gebieter Entgegengesetztes befehlen und an sich zu ziehen bemüht sind (wie es ja heißt:15 ) „Ihr könnet nicht Gott dienen und dem Mammon“): so hindert bei: Denjenigen, die an verschiedenen Orten wohnen, die Verschiedenheit der Orte nicht ihre Eintracht, woferne sie nicht verschiedene Herren haben, da der eine Herr sie vereinigt. Ich sage nun nicht, daß ihr als Korinther nur mit den Korinthern in Eintracht leben sollet, sondern mit allen Menschen auf der ganzen Erde, weil ihr einen gemeinschaftlichen Herrn habt. Darum fügt er zweitens hinzu: „unseres.“ Weil er nämlich gesagt hatte: „den Namen unseres Herrn Jesus Christus,“ so setzt er neuerdings bei: „unseres und ihres Herrn,“ damit es den Unverständigen nicht scheine, als mache er einen Unterschied.  Und damit das Gesagte noch verständlicher werde, will ich den Text dem Sinne nach lesen: Paulus und Sosthenes an die Kirche, die zu Korinth ist, und an Alle, die den Namen unseres Herrn und ihres Herrn anrufen an jeglichem Orte, seien sie zu Rom oder wo sie immer sein mögen: „Gnade euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ Oder auch so — wie ich es auch für richtiger halte: Paulus und Sosthenes an die GeHeiligten zu Korinth, an die berufenen Heiligen sammt Allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jeglichem Orte, wo sie oder wir sind; das heißt: Gnade euch und Friede euch, die ihr zu Korinth geHeiligt und berufen worden seid, aber nicht euch allein, sondern Allen, die wo immer den Namen Jesu Christi, unseres und ihres Herrn, anrufen. — Wenn aber der Friede von der Gnade kommt, warum bist du denn stolz, warum denn aufgeblasen, da du aus Gnade gerettet wurdest? Wenn du aber mit Gott Frieden hast, warum schließt du dich Anderen an? Das heißt ja Empörung stiften. Was soll es denn heissen, wenn ihr mit Diesem und Jenem Frieden habt und dabei in Gunst stehet? Ich aber wünsche, daß euch Beides von Gott gegeben werde, durch ihn und mit ihm Frieden zu haben. Denn nichts hat Bestand, wenn es nicht von oben herab gekräftiget wird, und Nichts wird uns nützen, was nicht auf ihn Bezug hat; denn es kann uns nicht frommen, wenn wir mit Allen im Frieden leben, mit Gott aber Krieg führen; sowie es uns auch nicht schaden kann, wenn wir von Allen bekriegt werden, mit Gott aber Frieden haben. Und wieder kann es uns Nichts helfen, wenn wir allen Menschen gefallen, Gott aber beleidigen, während wir hingegen ohne alle Gefahr sind, wenn uns Gott Beifall und Liebe schenkt, sollten uns auch alle Menschen schmähen und hassen; denn die wahre Gnade und der wahre Friede kommt von Gott. Denn wer bei Gott in Gnaden steht, fürchtet Niemanden, und sollte er auch unzählige Leiden zu erdulden haben; er fürchtet nicht einmal den Teufel, geschweige denn einen Menschen.  Wer aber in der Ungnade Gottes ist, fürchtet sich vor Allen, wenn er auch ruhig zu leben scheint; denn das Menschengeschlecht ist unbeständig, und nicht bloß Freunde und Brüder ändern oft aus geringfügigen Ursachen ihren Sinn, sondern auch Väter haben sogar ihre eigenen Kinder und Kinder ihre Väter ärger als Feinde behandelt und vertrieben.

  

II.

 

David gefiel Gott, Absolon gefiel den Menschen. Ihr wisset, welchen Ausgang Jeder genommen und wer am meisten gefallen hat. Abraham gefiel Gott, Pharao aber den Menschen; denn ihm zu Gefallen gaben sie das Weib des Gerechten der Gefahr preis. Jeder aber weiß, welcher von Beiden ruhmvoller und glücklicher gewesen. Doch was rede ich von den Gerechten? Die Israeliten hatten vor Gott Gnade gefunden, wurden aber von den Einwohnern Ägyptens gehaßt; allein sie besiegten ihre Hasser und trugen, wie ihr alle wißt, jenen herrlichen Triumph davon. — Das wollen wir nun alle erstreben. Ist Jemand Diener, so flehe er darum, Gott mehr zu gefallen als seinem Herrn; das Weib erbitte sich von dem Erlöser, eher Gott zu gefallen als ihrem Manne; der Krieger trachte mehr nach Gottes Beifall als nach dem seines Königs oder dem seines Gebieters: auf diese Weise wird man auch vor den Menschen liebenswürdig erscheinen.

Wie kann aber Jemand Gottes Beifall erwerben? Wie anders, als durch Demuth? „Denn Gott“, heißt es, „widersteht den Hochmüthigen, den Demüthigen aber gibt er seine Gnade;“16 und: „Ein Gott gefälliges Opfer ist ein zerknirschter Geist; und ein gedemüthigtes Herz wird Gott nicht verschmähen.“17 Wenn die Demuth schon vor den Menschen so liebenswürdig ist, so ist sie es vor Gott noch weit mehr. Dadurch haben auch Heiden Gnade gefunden, die Juden  aber gingen derselben verlustig: „denn sie unterwarfen sich nicht der Gerechtigkeit Gottes.“18 Der Demüthige ist bei Allen beliebt und genehm, lebt in stetem Frieden und hat keine Veranlassung zum Streit. Denn du magst ihn beschimpfen und lästern, magst sagen, was du willst: er wird schweigen und es sanftmüthig ertragen und eines unaussprechlichen Friedens nicht nur mit allen Menschen, sondern auch mit Gott genießen; denn es ist ja Gottes Gebot, mit den Menschen Frieden zu halten, und so ist unser ganzer Wandel wohl geordnet, wenn wir mit einander in Frieden leben. Niemand kann Gott schädigen; denn unverletzlich ist jenes Wesen und erhaben über jegliche Leidenschaft; nichts macht den Christen so bewunderungswürdig als die Demuth. Höre, wie Abraham spricht: „Ich aber bin Staub und Asche,“19 und ferner, wie Gott von Moses sagt: „daß er der sanftmüthigste aller Menschen war;“ denn Niemand war demüthiger als dieser Mann, welcher, obschon er als Anführer eines so großen Volkes den König der Ägypter mit seinem ganzen Heere wie Mücken ersäuft, so viele Wunder in Ägypten, am rothen Meere und in der Wüste gethan und ein so schönes Zeugniß erhalten hatte, sich dennoch so betrug, als wäre er Einer aus dem Volke. Als Eidam unterwarf er sich seinem Schwiegervater und befolgte dessen Rath. Er nahm es nicht übel auf und sagte nicht: „Was ist Das? Mir, der ich so viele und ruhmvolle Thaten ausgeführt habe, mir willst du noch Rath ertheilen?“ Und doch thun Das Viele, wenn ihnen Jemand auch den besten Rath ertheilt, wenn die Person, die ihn gibt, von geringem Ansehen ist. Nicht so Moses; vielmehr führte er Alles durch seine Demuth glücklich zu Ende. Darum verschmähte er auch den königlichen Hof, weil er wahrhaft demüthig war; denn die Demuth gibt gesunden und erhabenen Sinn. Erscheint dir Das nicht als erhabene Gesinnung und Hochherzigkeit, den Palast und die königliche Tafel zu verschmähen? Die Könige wurden ja bei den Ägyptern wie Götter verehrt und besaßen unermeßliche Reichthümer und Schätze. Und doch verachtete er Dieß alles, verschmähte selbst den Thron Ägyptens und eilte zu den Gefangenen und Elenden, die bei Lehm- und Ziegelarbeiten schmachteten und, von des Königs Knechten verabscheut wurden; „denn die Ägyptier,“ heißt es, „verabscheuten sie;“20 zu diesen eilte er und stellte sie höher als ihre Gebieter. Daher ist es offenbar, daß der Demüthige ein großer und edeldenkender Mann ist; denn die Anmaßung ist die Frucht einer schlechten Gesinnung und einer niedrigen Seele, die Bescheidenheit hingegen einer großen und erhabenen Seele.

  

III.

 

Beides wollen wir, wenn es euch beliebt, durch Beispiele erläutern. Sage mir: wer war größer als Abraham? Und doch war er’s, der da sprach: „Ich bin Staub und Asche.“ Er war’s, der da sagte: „Laß doch keine Streitigkeiten sein zwischen mir und dir!“21 Und dieser so demüthige Mann verschmähte die Beute der Perser, verschmähte die Trophäen der Barbaren. Dieses geschah aus Edelmuth und hochherziger Gesinnung; denn wahrhaft groß ist der Demüthige, nicht der Schmeichler, nicht der Versteller; denn etwas Anderes ist Edelsinn, etwas Anderes Anmaßung; Dieses erhellet daraus: Wenn Jemand den Lehm für Lehm ansieht und gering schätzt, ein Anderer aber den Lehm wie Gold anstaunt und hochschätzt: wer ist da der Edeldenkende? nicht Derjenige, welcher den Lehm nicht anstaunt? Und wer ist der Niedrigdenkende und der Gemeine? Nicht Derjenige, welcher den Lehm anstaunt und für etwas Großes hält? So halte auch hier Denjenigen für einen großen Mann, der aus Demuth sich Staub und Asche nennt; für gering aber sieh Denjenigen an, der sich nicht Staub und Asche nennt, sondern sich überschätzt und sich Großes einbildet, indem er das Kleine für groß hält. Es ist also klar, daß der Patriarch aus Seelengröße und Erhabenheit, und nicht aus Übermuth, jenen Ausspruch that: „Ich bin Staub und Asche.“ Denn wie es in Betreff des Körpers etwas Anderes ist, wohlbeleibt und von strotzender Fülle sein, und etwas Anderes, aufgeschwollen sein (zwar hebt sich in beiden Fällen das Fleisch; allein im erstern Falle zeigt es Gesundheit, im letztern Krankheit an): so ist es auch hier etwas Anderes, übermüthig d. h. aufgeschwollen, und etwas Anderes, edelmüthig d. h. gesund sein. So ist auch der Eine groß von Wuchs, ein Anderer klein; dieser wird höher, wenn er stark besohlte Schuhe trägt. Sage mir, welchen werden wir nun groß und hoch nennen? Nicht offenbar Den, welcher von Natur eine hohe Gestalt hat? Denn der Andere hat sich etwas Fremdes beigesellt und ist groß geworden, indem er sich auf niedrige Dinge gestellt hat. So ergebt es gar vielen Leuten, die sich auf Reichthum und Ehre stützen, und das ist doch keine wahre Größe. Denn groß ist Derjenige, der von allen diesen Dingen nichts braucht, sondern Alles verachtend die Größe in sich selber trägt.

Laßt uns also demüthig sein, damit wir groß werden; denn es heißt: „Wer sich selber erniedrigt, der wird erhöht werden.“22 Nicht so der Aufgeblasene, er ist vielmehr unter Allen der Niedrigste. Auch die Wasserblase ist aufgedunsen, allein diese Aufgedunsenheit ist nichts Festes; darum nennen wir solche Menschen Aufgeblasene. Wer bescheiden denkt, bildet sich auch auf seine großen Vorzüge Nichts ein, denn er kennt seine Niedrigkeit; der Aufgeblasene hingegen dünkt sich schon bei winzigen Vorzügen groß. Lasset uns also uns jene Größe aneignen, die aus der Demuth entspringt; lasset uns das Wesen der irdischen Dinge betrachten, damit sich in uns die Liebe zu den ewigen entzünde; denn anders können wir nicht demüthig werden, als durch die Liebe zum Göttlichen und durch die Verachtung des Irdischen. Gleichwie Derjenige, der einen  Königsthron besteigen soll, und dem für den echten Purpur irgend eine niedrige Ehrenstelle angeboten wird, diese für Nichts achten wird: so wollen auch wir alles Irdische verlachen, wenn wir nach jener Ehre verlangen. Sehet ihr nicht, wie kindisch Alles ist, wenn die Knaben beim Spiele als Soldaten eine Armee aufstellen, wenn Herolde und Liktoren voranschreiten und dann ein Knabe in der Mitte als Heerführer auftritt ? So und noch unbedeutender sind die irdischen Dinge, die heute da sind und morgen nicht mehr. — Lasset uns also über dieselben empor streben und nicht nur nicht darnach trachten, sondern uns sogar zurückziehen, wenn man sie uns anbietet. So werden wir, nachdem wir die Liebe zu diesen verbannt haben, jene göttliche Liebe besitzen und die ewige Herrlichkeit erlangen. Diese möge uns allen zu Theil werden durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen und mit welchem dem Vater sammt dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrlichkeit und Ehre jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

 

 

 

 

 

Zweite Homilie.

 

I.

 

4. 5. Dank sage ich meinem Gotte immerdar euretwegen ob der Gnade Gottes, welche euch gegeben worden in Christus Jesus, weil ihr in Allem reich wurdet in ihm.

I. Was Paulus Andere zu thun ermahnt mit den Worten: „In Danksagung bringet euer Anliegen vor Gott,“23 Das thut er auch selbst und lehrt uns, stets mit der gleichen Rede zu beginnen und vor Allem Gott zu danken. Denn Nichts ist Gott so wohlgefällig, als dankbar sein und sowohl für sich als für Andere Dank sagen. Darum stellt er Dieses fast bei jedem Briefe an die Spitze; hier aber war es nothwendiger als in anderen Briefen. Denn wer dankt, thut es wegen empfangener Wohlthaten, er dankt für eine Gnade. Gnade ist aber nicht Schuldigkeit, nicht Lohn, nicht Erkenntlichkeit. Das gilt zwar nothwendig  allerwärts, ganz vorzugsweise aber von den Korinthern, da sie Denjenigen, welche in der Kirche Spaltung stifteten, Beifall zollten. — „Meinem Gotte.“ Aus Übermaß von Liebe ergreift er, was gemeinschaftlich ist, und macht es zu seinem Eigenthume. So pflegen auch die Propheten immer zu sprechen: „Gott, mein Gott!“ Und so eifert er sie an, ein Gleiches zu thun; denn wer so spricht, reißt sich von allen irdischen Dingen los und er schwingt sich zu Demjenigen, den er mit großer Innigkeit anruft. So kann nämlich mit Recht Derjenige sprechen, der von dem Irdischen sich stets zu Gott erhebt, ihn allem Andern überall vorzieht und ihm unablässig Dank sagt, nicht nur für die schon empfangene Gnade, sondern ihn auch lobpreist für jegliches Gute, das ihm etwa später zu Theil wird. Daher sagt er nicht einfach: „ich danke,“ sondern: ich danke „unablässig euretwegen“, wodurch er sie belehrt, stets Dank zu sagen, und zwar keinem Andern, als nur Gott allein.

„Für die Gnade Gottes.“ Siehst du, wie er sie überall zurechtweiset? Denn wo Gnade ist, da ist kein Verdienst, und wo Verdienst ist, da ist nicht mehr Gnade. Wenn es nun Gnade ist, warum bildet ihr euch viel ein? Warum seid ihr aufgeblasen? „Welche euch gegeben worden.“ Und durch wen ist sie gegeben worden? Durch mich oder einen andern Apostel? Keineswegs, sondern „durch Jesum Christum“: denn Das bedeuten die Worte: „in Christo Jesu.“ Du siehst hier, daß das Wörtchen „in“ oft anstatt „durch“ steht; es bedeutet also ebenso viel als „durch“. — „Weil ihr in Allem reich wurdet in ihm.“ Durch wen? Wieder heißt es: „durch ihn“ ( in ihm ), und nicht einfach: reich seid ihr geworden, sondern: „reich in Allem.“ Da es also Reichthum ist und Gottes Reichthum und Reichthum in Allem und durch den Eingebornen, so erwäge, welch’ unaussprechlicher Schatz! „In jeglichem Worte24* und jeglicher Erkenntniß“* — im  Worte, nicht in profaner Rede, sondern im Worte Gottes; denn es gibt eine Erkenntniß ohne Beredsamkeit, und eine Erkenntniß mit der Gabe des Ausdruckes. Es gibt nämlich Viele, die zwar Kenntniß, aber keine Geschicklichkeit zum Vortrage besitzen, wie die Unstudierten, welche Das, was sie im Sinne haben, nicht klar ausdrücken können. Ihr aber seid nicht also beschaffen, will er sagen; sondern ihr seid im Stande, zu verstehen und euch auszudrücken.

6. Wie denn das Zeugniß Christi befestiget worden in euch.

Unter dem Namen des Lobes und der Danksagung ertheilt er ihnen eine ernstliche Zurechtweisung. Denn nicht durch irdische Weisheit, sagt er, nicht durch weltliche Lehre, sondern durch die Gnade, durch den Reichthum Gottes und durch das Wort, das er euch mitgetheilt hat, konntet ihr die Lehre der Wahrheit erkennen, und das Zeugniß des Herrn d. h. die Predigt konnte in euch Wurzel fassen. Denn ihr habt viele Zeichen, viele Wunder und eine unaussprechliche Gnade empfangen zur Annahme der Lehre. Seid ihr nun durch Zeichen und Gnade gekräftiget worden, warum wanket ihr? Diese Worte enthalten Tadel und zuvorkommende Schonung.

7. So daß es euch an keiner Gnadengabe mangelt.

Hier entsteht die schwierige Frage: wie Diejenigen, welche in jeglichem Worte reich waren, so daß es ihnen an keiner Gnadengabe mangelte, fleischliche Menschen sind.  Denn waren sie schon im Anfange so begabt, so müssen sie es jetzt um so mehr sein. Warum nennt er sie also fleischlich? Er sagt nämlich: „Ich konnte mit euch nicht wie mit geistigen Menschen reden, sondern wie mit fleischlichen.“25 Was soll man dazu sagen? Daß sie Anfangs den Glauben angenommen und mannigfache Gnadengaben empfangen haben (sie waren sogar eifersüchtig darauf), daß sie aber später nachlässiger geworden seien. Oder wenn Dieß nicht der Fall ist, so muß man annehmen, daß weder Dieses noch Jenes für Alle gesagt sei, sondern das Eine für Diejenigen, welche Tadel, das Andere für Solche, welche Lob verdienen. Denn daß sie noch die Wundergaben besaßen, ersieht man aus seinen Worten: „Hat Jemand von euch einen Lobgesang (Psalm), eine Offenbarung, einen Vortrag (in fremden Sprachen), eine Auslegung, so geschehe Alles zur Erbauung;“ und: „Weissagende aber mögen je zwei oder drei reden.“26 Man könnte auch noch etwas Anderes sagen, nämlich, daß er hier so geredet habe, wie es bei uns Sitte ist, anstatt des größern Theiles das Ganze zu nennen. Ferners glaube ich, daß er auch auf sich selbst anspielte, daß nämlich auch er Wunder gewirkt habe, wie er denn im zweiten Briefe zu ihnen spricht: „Die Beweise des Apostelamtes sind unter euch abgelegt worden durch Erduldung von Leiden aller Art;“27 und wieder: „Worin standet ihr den übrigen Kirchen wohl nach?“28 Entweder erinnert er sie, wie ich sagte, an seine Wunder, oder er spricht zu den dort befindlichen Frommen. Denn es gab unter ihnen viele Heilige, die sich dem Dienste der Heiligen widmeten und die Erstlinge in Achaia waren, wie er am Ende (des Briefes) zu verstehen gibt.29 — Mögen übrigens die Lobsprüche nicht so ganz verdient sein, so werden sie doch klug  angewendet, indem sie die Herzen auf Dasjenige, was noch gesagt werden soll, vorbereiten. Denn wer gleich Anfangs Lästiges vorbringt, schrecket die Schwachen vom Anhören seiner weiteren Rede ab. Stehen die Zuhörer mit dem Redner auf gleicher Rangstufe, so werden sie unwillig; stehen sie aber tief unter ihm, so werden sie gekränkt. Damit nun Das nicht geschehe, beginnt er mit scheinbaren Lobsprüchen; denn das Lob galt nicht ihnen, sondern der Gnade Gottes. Daß sie nämlich Vergebung der Sünden erlangten und gerechtfertigt worden, war ein Geschenk von oben. Darum verweilt er auch bei dem Beweise der Liebe Gottes zu den Menschen, um ihre Krankheit desto leichter zu heilen. — „Indem ihr die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus erwartet.“ Was tobt ihr, sagt er, was empöret ihr euch, als ob Christus nicht gegenwärtig wäre? Allerdings ist er gegenwärtig, und der Tag seiner Ankunft ist vor der Thüre. Bewundere die Weisheit Pauli, wie er sie von den irdischen Dingen ablenkt und an jenes schreckliche Gericht erinnert und zeigt, daß man nicht nur gut anfangen, sondern auch gut enden müsse. Denn sowohl bei diesen Gnadengaben als auch bei andern Vorzügen soll man jenes Tages gedenken, und es bedarf großer Anstrengung, um zu dem Ziele zu gelangen.

  

II.

 

„Erscheinung" aber, sagt er, anzeigend, daß sie, wenn gleich nicht sichtbar vorhanden, doch jetzt schon vorhanden ist und einst sichtbar werden wird. Es braucht also Standhaftigkeit; denn darum habt ihr die Wundergabe erhalten, auf daß ihr standhaft bleibet.

8. Er wird euch bis an’s Ende auch standhaft erhalten, ohne daß ihr sträflich sein werdet.

Hier scheint er zwar ihnen zu schmeicheln, aber seine Worte entbehren jeglicher Schmeichelei; denn er versteht es, sie auch zu rügen, so z. B. wenn er spricht: „Zwar haben Einige die stolze Einbildung, als würde ich nicht zu euch  kommen;“30 und wieder: „Was wollt ihr? Soll ich mit der Ruthe oder in Liebe und im Geiste der Milde zu euch kommen?“31 Und: „Fordert ihr einen Beweis des in mir redenden Christus?“32 Seine Worte enthalten einen verdeckten Tadel; denn durch die Worte: „Er wird standhaft erhalten“ und „unsträflich“ gibt er zu erkennen, daß sie noch wankten und sträflich seien. — Du aber betrachte, wie er sie fortwährend an den Namen Christi anschließt. Keines Menschen, keines Apostels, keines Lehrers erwähnt er, sondern immer des Geliebten, und sucht sie, da sie gleichsam von einem Rausche betäubt waren, wieder davon zu befreien. Denn in keinem andern Briefe erscheint so oft der Name Christi, hier aber oft und zwar in wenigen Versen, ja darin besteht fast der ganze Eingang desselben. Erwäge nur den Anfang: „Paulus, berufener Apostel Jesu Christi: an die GeHeiligten in Christo Jesu welche anrufen den Namen unseres Herrn Jesus Christus; Gnade euch und Friede von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus; Dank sage ich meinem Gotte ob der Gnade, welche euch gegeben worden in Christus Jesus; wie denn das Zeugniß Christi in euch befestiget worden; die ihr erwartet die Offenbarung unsers Herrn Jesus Christus, welcher euch auch festigen wird sonder Schuld am Tage der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“

9. Getreu ist Gott, durch den ihr berufen worden zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.

Siehst du, wie häusig der Name Christi vorkommt?  Daraus ersehen wohl auch die Einfältigsten, daß Dieses nicht so geradehin und ohne Absicht geschieht, sondern daß Paulus durch die oftmalige Wiederholung dieses herrlichen Namens ihre Aufgeblasenheit niederschlagen und das krebsartige Übel vertilgen will.

„Getreu ist Gott, durch den ihr berufen worden zur Gemeinschaft seines Sohnes.“ Ha, wie Herrliches spricht er hier aus! Welch großes Geschenk stellt er ihnen vor Augen! Zur Gemeinschaft mit dem Eingebornen seid ihr berufen, und ihr schließt euch an Menschen an? Kann es etwas Erbärmlicheres geben? Und wie seid ihr berufen worden? Durch den Vater. Weil Paulus bei Erwähnung des Sohnes oft gefasst hatte: durch ihn und in ihm, so schreibt er Dieß dem Vater zu, damit sie denselben nicht für geringer halten sollten, nicht durch diesen oder jenen Menschen, sagt er, sondern durch den Vater seid ihr berufen; durch ihn seid ihr auch reich geworden. Und ihr seid berufen worden, nicht aus eigenem Antrieb gekommen. —Was heißt aber Das: „zur Gemeinschaft mit seinem Sohne?“ Höre, wie er Dasselbe anderswo deutlicher ausspricht: „Wenn wir dulden, werden wir auch mitherrschen; wenn wir mit ihm sterben, so werden wir mit ihm auch leben.“33 Weil er nun etwas Großes gesagt hatte, so führt er auch einen vollgültigen unwiderlegbaren Beweis an; denn er sagt: „Gott ist getreu“ d. h. wahrhaftig; ist er aber wahrhaftig, so wird er auch thun, was er versprochen hat: er hat aber versprochen, uns zu Mitgenossen des eingebornen Sohnes, zu machen; dazu hat er uns ja berufen; „denn unbereuet sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes.“34 Das setzt er aber hier absichtlich voraus, damit sie nach einer so harten Beschuldigung nicht verzagen sollten. Denn was Gott versprochen hat, wird ganz sicher geschehen, wenn wir nicht ganz verkehrt sind wie die Juden, welche die Güter, zu denen sie berufen waren, nicht annehmen wollten. Die Schuld lag also nicht an dem Rufenden, sondern an ihrer Undankbarkeit; denn er wollte geben, sie aber machten sich der Gabe verlustig, weil sie dieselbe nicht annehmen wollten. Hätte er sie zu mühseligen und beschwerlichen Dingen berufen, so wäre ihre Weigerung dennoch unverzeihlich gewesen, obgleich sie so die Schwierigkeit hätten vorschützen können. Da sie nun aber berufen worden sind zur Reinigung von den Sünden, Gerechtigkeit, Heiligung, Erlösung, zu Gnaden und Geschenken und bereitstebenden Gütern, die kein Auge gesehen, kein Obr gehört hat, und da Gott selber es ist, der sie ruft: welche Verzeihung sollten sie wohl verdienen, wenn sie nicht herbei eilen? Niemand gebe also Gott die Schuld; denn nicht der Rufende ist die Ursache des Unglaubens, sondern sie, die Widerspenstigen. — Aber er hätte sie, heißt es, auch gegen ihren Willen dazu nöthigen sollen. Mit nichten; denn er zwingt nicht und braucht nicht Gewalt. Wer schleppt wohl die Menschen, wenn er sie zu Ehrenstellen, zu Siegeskränzen, zu Gastmahlen und festlichen Versammlungen ladet, gebunden herbei? Gewiß Niemand; Das wäre ja eine Beschimpfung. Zur Hölle schickt Gott die Menschen wider ihren Willen, zum Himmel aber beruft er sie mit ihrer Einwilligung. In’s Feuer führt er sie gebunden und wehklagend, nicht also zur unaussprechlichen Seligkeit. Denn es wäre ja eine Erniedrigung dieser Güter, wenn sie nicht so beschaffen wären, daß man ihnen freiwillig entgegen eilte und sich dafür recht dankbar bezeigte.

  

III.

 

Aber warum, wirst du fragen, streben nicht Alle nach ihnen? Wegen ihrer eigenen Schwachheit. Und warum hebt Gott ihre Schwachheit nicht auf? Sage mir, warum und auf welche Weise sollte er dieselbe aufheben? Hat er  nicht die Schöpfung vollbracht, welche seine Güte und Allmacht verkündet? „Die Himmel“, heißt es, „verkünden die Herrlichkeit Gottes.“35 Hat er nicht Propheten gesendet? Hat er nicht (die Juden) berufen und ausgezeichnet? Hat er nicht Wunder gewirkt? Hat er nicht ein natürliches und geschriebenes Gesetz gegeben? Hat er nicht seinen Sohn gesendet? Nicht die Apostel gesendet? Nicht Wunder gethan? Hat er nicht mit der Hölle gedroht? Hat er nicht den Himmel verheissen? Läßt er nicht täglich seine Sonne aufgehen? Ist nicht Alles, was er geboten, so thunlich und leicht, daß Viele durch die Kraft eigener Tugend sogar mehr leisten, als er geboten? „Was sollte ich meinem Weinberge thun, das ich nicht gethan habe?“36

Aber warum, sagst du, ließ er uns Kenntniß und Tugend nicht angeboren werden? Wer führt diese Sprache? Ein Heide oder ein Christ? Beide sprechen so, allein nicht aus einerlei Absicht: denn dem Einen ist es um die Kenntniß, dem Andern um den Wandel zu thun. Wir wollen also zuerst dem Unsrigen (dem Christen) antworten; denn die Auswärtigen gehen mich nicht so sehr an, als die eigenen Glieder. Was sagt also der Christ? Die Kenntniß der Tugend hätte uns angeboren werden sollen. Sie ist uns ja angeboren; denn hätte sie Gott nicht in uns gelegt, woher wüßten wir wohl, was wir thun und was wir nicht thun sollen? Woher denn die Gesetze und die Gerichte?

„Nicht die Kenntniß, sondern die Ausübung selber.“ Wofür solltest du aber belohnt werden, wenn Gott Alles thäte? Denn, sage mir, straft Gott dich und den Heiden, wenn ihr sündigt, auf gleiche Weise? Keineswegs; denn du hast wenigstens die Gewißheit der Erkenntniß. Wie nun, wenn Jemand behauptete, du würdest wegen der Erkenntniß dieselbe Belohnung empfangen wie der Heide, müßtest du darüber nicht unwillig werden? Ich denke wohl! Du würdest nämlich antworten, daß der Heide die Erkenntniß, die er aus sich selber finden konnte, nicht habe finden wollen. Wenn nun dieser behauptete, Gott hätte uns die Kenntniß anerschaffen sollen, würdest du ihn nicht verlachen und ihm antworten: Warum hast du sie nicht gesucht, warum nicht nachgeforscht, wie ich? Du würdest dich mit großer Freimüthigkeit erheben und sagen, es sei die höchste Thorheit, Gott zu beschuldigen, daß er uns die Kenntniß nicht anerschaffen habe. So redest du, weil es um deine Erkenntniß gut steht. Stände es um deinen Lebenswandel ebenso gut, so würdest du diese Frage nicht gestellt haben; weil du aber bezüglich der Tugend träge bist, so führst du dergleichen thörichte Reden. Warum sollte es denn auch nöthig sein, daß das Gute zwangsweise geschehe? Dann würden die unvernünftigen Thiere mit uns in der Tugend wetteifern, da ja einige derselben mässiger sind als wir.

Aber, sagst du, ich möchte doch lieber aus Nothwendigkeit tugendhaft sein und aller Belohnung entbehren, als lasterhaft durch freien Willen und so der Strafe und Züchtigung verfallen. Allein man ist ja nie gezwungen, tugendhaft zu sein. Weißt du nun nicht, was du zu thun habest, so zeig’ es uns an, und wir werden darauf die geziemende Antwort ertheilen. Weißt du aber, daß die Wollust sündhaft ist, warum fliehst du die Sünde nicht? Ich kann nicht, sagst du. Da stehen dir aber Andere gegenüber, die größere Tugenden ausgeübt haben, und diese werden dir kräftigst den Mund stopfen. Denn du lebst vielleicht, obwohl verheirathet, nicht keusch; ein Anderer hingegen bewahrt auch in ehelosem Stande seine Reinheit unbefleckt. Wie kannst du dich denn entschuldigen, wenn du nicht innerhalb der Schranken bleibst, während ein Anderer derselben gar nicht bedarf? Ja, sagst du, die Natur meines Körpers und die Neigung meines Willens sind nicht also  beschaffen. Weil du nicht willst, nicht weil du nicht kannst: denn ich beweise dir, daß zur Tugend Alle fähig sind. Wenn nämlich Jemand Etwas nicht thun kann, so kann er es auch nicht in dringender Noth. Wenn er aber in dringender Noth Etwas thun kann und es nicht.thut, so handelt er ja nicht ohne freien Willen. Ich gebe ein Beispiel. Es ist ganz und gar unmöglich, mit einem schwerfälligen Körper in die Höbe zu fliegen und sich gen Himmel zu schwingen. Wie nun, wenn der Kaiser Dieses zu thun geböte und mit dem Tode drohete, indem er spräche: Diejenigen, welche nicht fliegen, lasse ich köpfen, verbrennen oder auf andere Weise bestrafen; würde da Jemand gehorchen? Mit nichten; denn Das ist gegen die Natur des Menschen. Wenn nun Das in Bezug auf die Keuschheit geschähe und der Befehl erginge, daß der Unzüchtige gestraft, verbannt, gegeißelt und durch unzählige Qualen gezüchtigt werden sollte; würden dann nicht Viele dem Befehle nachkommen? Nein, sagst du; denn es besteht ja wirklich ein Gesetz, welches den Ehebruch verbietet, und doch gehorchen nicht Alle; nicht weil die Furcht sie einschüchtert, sondern weil die Meisten hoffen, verborgen zu bleiben. Stände der Gesetzgeber und der Richter vor ihnen, wenn sie im Begriffe sind, der Wollust zu fröhnen, so vermöchte wohl die Furcht alle Lust zu verbannen. Ich will einen Zwang annehmen, der weniger hart ist; z. B. ich entführe einen Mann seiner geliebten Gattin, lasse ihn fesseln und einsperren: er wird es ertragen und es auch nicht allzu sehr empfinden. — Lasset uns also nicht sagen: Dieser ist von Natur gut, Jener von Natur böse; denn ist Jener von Natur gut, so kann er nicht böse werden; und ist Dieser von Natur böse, so kann er nicht gut werden. Nun sehen wir aber die plötzlichsten Umwandlungen, wie man von Diesem zu Jenem und von Jenem zu Diesem Übergeht. Und Das ersteht man nicht nur aus der Heiligen Schrift und zwar des neuen und alten Bundes, wie nämlich Zöllner zu Aposteln, Jünger zu Verräthern, Huren zu züchtigen Weibern werden, wie Mörder zu Ehren kommen, Magier Gott anbeten und Gottlose fromm werden: sondern täglich kann man viel Derartiges sehen. Wäre es nun den Menschen angeboren,37 so könnten sie sich nicht ändern. Da wir von Natur aus den Leiden unterworfen sind, so können wir es durch Anstrengung niemals dahin bringen, davon frei zu bleiben. Denn was von Natur einmal da ist, wird nie aufhören, an der Natur zu haften. Niemand verändert sich so, daß er früher schlief und jetzt nicht mehr schläft; Niemand geht von dem Zustand der Verweslichkeit in den der Unverweslickkeit über; Niemand bringt es dahin, daß er früher hungerte und jetzt davon frei ist. Darum sind auch Das keine Fehler, und wir machen einander darüber keine Vorwürfe. Niemand sagt zu seinem Nebenmenschen, den er beschimpfen will: Du Verweslicher! Du Leidender! sondern wir verklagen Diejenigen, die sich des Ehebruchs, der Hurerei und ähnlicher Verbrechen schuldig machen; Diese führen wir vor die Richter, welche sie zurechtweisen und strafen, in entgegengesetztem Falle aber ehren. Aus unserm Benehmen gegen Andere, aus unsern Erlebnissen vor Gericht; daraus, daß wir Gesetze geben und uns selbst verurtheilen, wenn uns auch Niemand verklagt; daraus, daß wir durch die Trägheit schlechter, durch die Furcht aber besser werden; und endlich daraus, daß wir Andere bei ihrem tugendhaften Wandel zu hoher Vollkommenheit gelangen sehen: — erhellet doch klar, daß es in unserer Macht steht, tugendhaft zu sein. Warum täuschen wir uns denn selbst mit kahlen Ausflüchten und mit Entschuldigungen, die nicht nur keine Verzeihung, sondern die härteste Strafe nach sich ziehen? Wir sollten vielmehr jenen furchtbaren Gerichtstag vor Augen haben und nach der Tugend streben, um nach einer kurzen Anstrengung die unvergängliche Krone zu erlangen. Denn jene Ausflüchte werden uns Nichts nützen, sondern die Mitknechte, welche die entgegengesetzten Tugenden geübt haben, welden alle Sünder verdammen, —  der Mitleidige den Hartherzigen, der Gute den Bösen, der Bescheidene den Frechen, der Wohlwollende den Neidigen, der Weise den Thoren, der Emsige den Trägen, der Keusche den Unkeuschen. So wird Gott über uns das Urtheil fällen und uns zu beiden Seiten reihen, die Einen belohnen, die Andern strafen.

Möge Gott verhüten, daß auch nur Einer der Gegenwärtigen unter Diejenigen gezählt werde, denen Strafe und Schande zu Theil wird! Die Kronen und der Himmel werde ihr Antheil! Möge dieser uns allen zu Theil werden durch die Gnade und Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater und zugleich dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrschaft und Ehre jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

 

 

 

Dritte Homilie.

 

I.

 

10. Ich bitte euch aber, Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, da ihr alle die nämliche Rede führet und keine Spaltungen unter euch seien, sondern daß ihr vollkommen seiet in demselben Sinne rund in derselben Meinung.

I. Was ich immer gesagt habe, daß man mit Zurechtweisungen gemach und allmälig herausrücken müsse, Das thut auch Paulus hier. Er bedient sich eines milden Ausdruckes, da er im Begriffe steht, über einen Gegenstand zu sprechen, der voll Gefahren und geeignet ist, die Kirche von Grund aus zu zerstören. Er sagt nämlich, daß er sie bitte, und zwar bitte im Namen Christi, als hielte er sich selber zu schwach zum Bitten und Überreden. — Was heißt Das aber: „Ich bitte im Namen Christi?“ Ich nehme Christum zum Gehilfen und seinen mit Schimpf und Schmach überhäuften Namen zum Beistand. Vortrefflich war Dieß geeignet, sie vor Frechheit zu bewahren; denn die Sünde bewirkt Frechheit. Wenn man daher den Sünder  gleich Anfangs hart angeht, so macht man ihn verwegen und unverschämt; beschämt man ihn aber, so beugt man ihm den Nacken, benimmt ihm die Dreistigkeit und macht ihn demüthig. Dieses bezweckt auch Paulus, und darum bittet er hier im Namen Christi. Und um was bittet er denn? „Daß ihr alle die nämliche Rede führet und keine Spaltungen unter euch seien.“ Der Nachdruck, der in dem Worte „Spaltung“ liegt, und schon der bloße Name dieser Anklage enthält eine scharfe Rüge gegen sie. Denn es gab nicht viele Glieder, die unversehrt waren; auch die Einheit war vernichtet. Und hielten auch einzelne Parteien zusammen, so gab es doch vielerlei Lehrmeinungen: und gab es Spaltungen, so wär auch die Einheit verloren. Denn wird das Ganze in viele Theile zerlegt, so gibt es nicht nur nicht viele Ganze, sondern nicht eines mehr. So verhält es sich mit den Spaltungen.

Nachdem er sie durch den Ausdruck Spaltung hart angelassen, redet er wieder sanfter und gelinder: „Seid vielmehr vollkommen in demselben Sinne und in derselben Meinung.“ Nachdem er nämlich gesagt hatte: „daß ihr alle die nämliche Rede führet,“ spricht er: Glaubet nicht, daß ich nur eine Übereinstimmung in Worten meine; denn ich fordere die Übereinstimmung der Gesinnung. Weil aber auch in der Gesinnung zwar Einheit herrschen kann, aber nicht in allen Dingen, so fügt er bei: „Seid vollkommen!“ Denn wer in einer Sache übereinstimmt, in der andern nicht, der ist noch nicht vollkommen, hat noch nicht die gleiche Gesinnung. Man kann aber auch einerlei Meinung und doch nicht einerlei Grundsätze haben; so können wir z. B. einerlei Glauben haben und doch nicht Eins sein in der Liebe; denn auf diese Weise haben wir denselben Lehrbegriff (wir bekennen uns ja zu derselben Lehre), aber keineswegs einerlei Grundsätze. So war es auch dazumal, indem der Eine Diesem, der Andere einem Andern anhing. Daher sagt er, man müsse in den Gesinnungen und Grundsätzen Eins sein. Denn die Spaltungen waren nicht daraus entstanden, daß sie im Glauben uneinig waren, sondern daher, daß sie — durch menschliche Zänkerei — in ihren Grundsätzen nicht übereinstimmten. Weil aber der Angeklagte, so lange man ihm keinen Zeugen gegenüber stellt, nicht beschämt wird, siehe, so führt er Zeugen an, damit sie nicht leugnen könnten.

11. Denn durch Chloe’s Angehörige hab’ ich über euch erfahren, meine Brüder!

Auch sagt er Dieses nicht gleich Anfangs, sondern nennt vorerst die Beschuldigung, welche er auf die Aussage der Zeugen für wahr hielt; denn wäre Das nicht der Fall gewesen, so hätte er ihnen darüber auch keinen Vorwurf gemacht; denn Paulus glaubte nicht ohne Grund. Darum sagte er nicht so ohne Weiteres, daß er erfahren habe, damit es nicht scheine, als verklage er sie auf Anstiften Jener; aber er schweigt auch nicht, damit es nicht scheine, als rede er Dieses nur aus sich allein. Er nennt sie abermals Brüder. Obgleich das Vergeben offen da liegt, so hindert Das nicht, sie jetzt noch Brüder zu nennen. Betrachte aber seine Klugheit, wie er nicht eine einzelne Person, sondern das ganze Haus als Zeugen hinstellt, damit sie gegen den Angeber nicht aufgebracht würden; so nimmt er diesen in Schutz und legt die Anklage freimüthig an den Tag; denn er sah nicht bloß auf den Nutzen der Einen, sondern auch auf den Vortheil der Andern. Deßhalb sagt er nicht: Es ist mir von Einigen angezeigt worden, sondern er nennt auch das Haus, um dem Vorwurfe einer Erdichtung zu entgehen. Was wurde denn angezeigt? „Daß Uneinigkeiten unter euch sind.“ Wenn er selbst sie zurechtweist, spricht er: „daß unter euch keine Spaltungen seien.“ Wenn er hingegen die Aussage Anderer anführt, gebraucht er einen milderen Ausdruck: „Ich habe erfahren, daß Uneinigkeiten unter euch sind,“ um Diejenigen, welche Dieß angezeigt hatten, nicht auch zu treffen. Hierauf nennt er auch die Art der Uneinigkeit:

12. Daß Jeder von euch sagt: Ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo, ich mit Kephas.

Unter Uneinigkeiten, sagt er, verstehe ich nicht gemeine Zänkereien, sondern Zwistigkeiten über wichtige Dinge. „Daß Jeder von euch sagt“; denn nicht nur ein Theil, sondern die ganze Gemeinde war von dieser Pest angesteckt. Er spricht eigentlich weder von sich selbst, noch von Petrus, noch von Apollo, sondern er zeigt, daß, wenn man sich schon auf Diese nicht berufen soll. Das um so weniger bei Andern geschehen dürfe. Daß er von Diesen nicht eigentlich rede, sagt er in der Folge: „Dieses aber habe ich übergetragen auf mich und Apollo, damit ihr an uns lernet, daß sich Keiner mehr erhebe, als geschrieben steht.“38 Denn wenn es sich schon nicht ziemte, sich die Namen des Paulus, Apollo und Kephas beizulegen, so dürfte Dieses mit fremden Namen noch viel weniger geschehen. Wenn es nicht erlaubt war, sich nach dem Namen des Lehrers und des ersten der Apostel, der ein so zahlreiches Volk unterrichtet hatte, zu nennen: so galt Dieses um so mehr von Jenen, die Nichts waren. Absichtlich also nennt er diese Namen, um sie von ihrer Krankheit zu heilen. Jedoch mildert er seine Rede, indem er Diejenigen, welche die Kirche trennten, nicht mit Namen nennt, sondern sie gleichsam hinter einer Maske, den Namen der Apostel, versteckt:

  

II.

 

„Ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo, ich mit Kephas.“

Er nennt den Petrus zuletzt, zieht sich aber dadurch demselben nicht vor, sondern stellt sich ihm weit nach; denn er erweitert seine Rede, um den Schein zu vermeiden, als spräche er so aus Neid, und als wollte er Jenen39 aus Mißgunst die Ehre entziehen. Darum setzt er sich an den  ersten Platz. Denn wer sich zuerst in Schatten stellt, thut Das nicht aus Ehrgeiz, sondern weil er diese Ehre für ganz gering hält. Daher stellt er sich dem ersten Anprall entgegen, und dann erst nennt er den Apollo, und dann erst den Kephas. Er thut also Das nicht, um sich zu erheben, sondern rügt unter seinem eigenen Namen jene ungeziemende Sprache. Da sie offenbar fehlten, indem die Einen es mit Diesem, die Andern mit Jenem hielten, so weist er sie auf eine feine Art zurecht mit den Worten: Ihr thut nicht wohl, daß ihr sprechet: „Ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo, ich mit Kephas.“ Warum fügt er aber bei: „Ich mit Christus?“ Wenn auch Diejenigen fehlten, die es mit Menschen hielten, so fehlten doch Jene nicht, die es mit Christus hielten. Allein nicht Das tadelt er an ihnen, daß sie es mit Christus hielten, sondern Das, daß nicht Alle Dieses thaten. Ich bin der Meinung, er habe diese Worte aus sich hinzugefügt, um die Rüge zu verschärfen und zu zeigen, daß auch Christus seinen Antheil habe, obschon Jene ihm keinen Antheil gaben. Daß er darauf, hingedeutet habe, geht aus den folgenden Worten hervor:

13. Ist denn Christus getheilt?

Er will sagen: Ihr habt Christum zerstückelt und seinen Leib zertheilt. Siehst du da den Muth, du siehst die Rüge, siehst du den Unwillen, der aus seiner Rede quillt? Denn da er nicht beweist, sondern nur fragt, gibt er zu erkennen, daß die Ungereimtheit ihrer Rede einleuchtend sei. Einige sind der Ansicht, er habe durch die Worte: „Ist denn Christus getheilt?“ etwas Anderes andeuten wollen, nämlich: Christus hat sich unter die Menschen vertheilt, die Klrche zerstückelt, einen Theil sich vorbehalten, den andern ihnen überlassen. Darauf zeigt er, wie ungereimt Dieses sei, indem er sagt: „Ist denn Paulus für euch gekreuzigt worden, oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Siehe da eine Seele, die  von der Liebe zu Christus entflammt ist! Alles führt er aus unter seinem Namen und beweist vollgiltig, daß Niemandem ausser ihm diese Ehre zukomme. Und damit es nicht scheine, als rede er so aus Neid, nennt er immer nur sich selber. — Betrachte aber auch seine Klugheit! — Er sagt nicht: Hat denn Paulus die Welt erschaffen? Hat denn Paulus euch aus dem Nichts in’s Dasein gerufen? sondern erwähnt jene Dinge, die der Schatz der Gläubigen und Beweis der großen Fürsorge Gottes sind: das Kreuz und die Taufe und jene Güter, die daraus entspringen. Wohl ist schon die Weltschöpfung ein Beweis der Menschenfreundlichkeit Gottes, vorzugsweise aber ist Dieß seine Erniedrigung bis zum Kreuze. Der Apostel sagt nicht: Ist denn Paulus für euch gestorben? sondern: gekreuzigt worden, und zeigt so auch die Todesart an. „Oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Er sagt nicht: Hat euch denn Paulus getauft? Denn er hatte wirklich Viele getauft; allein es fragte sich nicht darum, von wem, sondern auf wessen Namen sie getauft worden seien. Weil aber auch Das eine Ursache der Spaltungen war, daß sie sich nach Denjenigen nannten, von denen sie getauft worden waren; so rügt er auch Dieses durch die Frage: „Oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Sage mir nicht, wer dich getauft habe, sondern auf wessen Namen es geschah; es fragt sich nämlich hier nicht um Den, der da tauft, sondern um Den, dessen Namen bei der Taufe angerufen wird; denn Dieser läßt die Sünden nach. Da bleibt er nun stehen und verfolgt den Gegenstand nicht weiter. Er sagt nämlich nicht: Hat euch denn Paulus die zukünftigen Güter verheissen? Hat euch denn Paulus das Himmelreich versprochen? Warum fügt er denn Das nicht bei? Weil es nicht einerlei ist, das Himmelreich verheissen und sich kreuzigen lassen. Jenes war nämlich mit keiner Gefahr verbunden und brachte keine Schmach, Dieses aber führte Beides mit sich. Anderswo bestätigt er das Eine durch das Andere; denn nachdem er gesagt:40 „Er, der  seines eigenen Sohnes nicht geschont,“ fügt er bei: „Wie? sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken?“ Und abermals:41 „Denn wenn wir, da wir noch Feinde waren, mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt wurden, um so mehr werden wir jetzt als Versöhnte Beseligung erlangen.“ Darum setzt er Dieses nicht bei; auch hatten sie die verheissenen Güter noch nicht erlangt, diese aber schon aus Erfahrung kennen gelernt: die einen waren nur verheissen, die andern aber schon in Erfüllung gegangen.

14. Ich danke Gott, daß ich Keinen von euch ausser Crispus und Cajus getauft habe.

Was rühmt Ihr euch denn wegen des Taufens, da ich danke, Das nicht gethan zu haben? Durch diese Worte beseitigt er auf kluge Weise ihren Stolz, den sie darein setzten, hebt aber nicht die Kraft der Taufe auf; Das sei ferne! Nur den Übermuth Derjenigen greift er an, die sich auf das Taufen viel einbildeten, indem er vorerst zeigt, daß dieselbe nicht Ihr Geschenk sei, und dann auch, indem er Gott dankt. Die Taufe ist zwar etwas Großes, aber nicht, der da tauft, macht sie groß, sondern der, dessen Namen bei der Taufe angerufen wird. Taufen ist Nichts, wenn man dabei nur auf die menschliche Thätigkeit sieht: ja es ist noch viel weniger, als das Evangelium predigen. Die Taufe ist etwas Großes, ich wiederhole es, und ohne Taufe können wir das Himmelreich nicht erlangen; allein dieselbe ertheilen kann auch ein minder ausgezeichneter Mann, während die Verkündigung des Evangeliums große Mühe kostet.

  

III.

 

Er gibt auch den Grund an, warum er Gott danke, daß er Keinen getauft habe. Welches ist nun dieser?

 15. Damit doch Niemand sagen könne, daß ihr auf meinen Namen getauft seid.

Wie aber? Wirft er ihnen Dieses wirklich vor? Keineswegs, sondern er will sagen: Ich fürchte, es möchte mit der Krankheit so weit kommen. Denn wenn schon eine Spaltung entstand, da gemeine und unberühmte Männer tauften; so wären vielleicht, wenn ich, der ich die Taufe Predigte, selbst Viele getauft hätte, Menschen zusammengetreten, um sich nach meinem Namen zu nennen oder gar die Kraft der Taufe mir zuzuschreiben. Wenn schon geringere Personen ein so großes Übel verursachten, so hätten höhere ohne Zweifel noch ein weit größeres veranlaßt.

Nachdem er so die Übelgesinnten zurechtgewiesen und hinzugefügt hatte:

16. Doch ja, die Familie des Stephanas habe ich getauft;

demüthigt er wieder ihren Hockmuth, indem er spricht: „Übrigens weiß ich nicht, ob ich irgend einen Andern getauft habe.“ Dadurch zeigt er, daß er sich hiermit weder Ehre vor dem großen Haufen erwerben wollte noch des Ruhmes wegen dorthin gekommen sei. Doch nicht nur dadurch, sondern auch durch das Folgende schlägt er ihren Übermuth nieder mit den Worten:

17. Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden.

Denn dieses Amt war beschwerlicher, erforderte eine große Mühe und einen eisernen Muth und umfaßte Alles; darum verwaltete Paulus dasselbe.

Aber warum taufte er denn, wenn er nicht gesandt war zu taufen? Das that er nicht gegen den Willen dessen,  der ihn gesandt hatte, sondern er that es noch nebenher; denn er sagt nicht: Es ist mir verboten worden, sondern: Ich bin nicht dazu gesandt worden, sondern zu Etwas, was weit wichtiger ist. Denn das Evangelium verkünden kann nur der Eine oder der Andere, taufen aber kann Jeder, der die Priesterwürde hat.42 Wenn ein Mensch unterrichtet und überzeugt ist, so kann ihn Jedermann taufen, da nun Alles auf den Willen des Täuflings und auf die Gnade Gottes ankommt. Handelt es sich aber darum, Ungläubige zu unterrichten, so erheischt Das viele Arbeit und große Weisheit; damals war es auch noch mit Gefahr verbunden. Im ersteren Falle ist schon Alles gethan: der Täufling ist überzeugt, und es ist nun nichts Großes, denselben, wenn er überzeugt ist, zu taufen. Hier aber kostet es viele Mühe, seinen Willen anders zu lenken, ihm eine andere Gesinnung beizubringen, den Irrthum auszurotten und die Wahrheit einzupflanzen. Jedoch drückt er sich nicht auf diese Weise aus, beweist die Sache nicht so und sagt das Taufen mache keine Mühe, anders verhalte es sich mit dem Predigen (denn er weiß immer den rechten Ausdruck zu wählen): sondern er läßt sich tiefer ein in eine Vergleichung mit der weltlichen Weisheit und kann so eine kräftigere Sprache führen. Er taufte also nicht gegen den Willen dessen, der ihn gesandt hatte, sondern verfuhr hierin, wie er es auch in Betreff der Wittwen machte, wovon die Apostel gesagt hatten: „Es geht nicht an, daß wir das Wort Gottes hintansetzen und für den Unterhalt der Armen sorgen.“43 Er sorgte doch dafür, nicht den Aposteln widerstrebend, sondern aus Übermaß der Liebe. So ist es nun auch hier. Wir übertragen nämlich auch jetzt noch den weniger gelehrten Priestern das Amt zu taufen, den gelehrtern aber das Predigtamt; denn dieses kostet Arbeit und  Schweiß. Darum sagt er auch selbst: „Priester, die würdig vorstehen, halte man doppelter Ehre werth, vorzüglich die, welche sich mit Lehre und Unterricht beschäftigen.“44 Denn gleichwie nur ein tüchtiger und geschickter Fechtmeister die jugendlichen Fechter unterrichten, hingegen auch ein im Fechten Unerfahrener dem Sieger die Krone aufsetzen kann und die Klone doch den Sieger verherrlicht: so verhält es sich auch mit der Taufe; denn ohne diese ist es nicht möglich, selig zu werden, und dennoch thut der Taufende nichts Großes, da er den Täufling schon vorbereitet und und willig findet.

„Nicht mit Rednerkunst, damit das Kreuz Christi nicht entkräftet werde.“ Nachdem er den Hochmuth Derjenigen, welche sich wegen des Taufens viel einbildeten, niedergeschlagen, kommt er nun an Diejenigen, die mit ihren Redekünsten prahlten, und gegen diese kämpft er nun deftiger an. Denn zu Denjenigen, die auf das Taufen stolz waren, sagt er: „Ich danke, daß ich Keinen getauft habe,“ und: „Christus hat mich nicht gesandt, um zu taufen.“ Er bedient sich keiner so kräftigen und strengbeweisenden Sprache, sondern deutet das Wenige, was er sagen wollte, nur im Vorübergeben an. Hier aber führt er gleich Anfangs einen gewaltigen Schlag, indem er sagt: „damit das Kreuz Christi nicht entkräftet werde.“ Was prahlst du nun mit einer Sache, deren du dich schämen solltest? Denn wenn diese Rednerkunst das Kreuz Christi bekriegt und die Evangelien bekämpft, so solltest du dich derselben nicht rühmen, sondern schämen. Das war nämlich der Grund, warum die Apostel keine Redekünstler waren, nicht als wäre die Gnade hiezu nicht mächtig gewesen, sondern damit das Predigtamt  dadurch nicht geschädigt würde. Also nicht jene Redekünstler halfen dem Worte Gottes auf, sondern sie schadeten vielmehr; hingegen die Ungeübten verschafften ihm Aufnahme. Das war im Stande, ihren Stolz zu brechen, ihre Aufgeblasenheit zu dämpfen und sie zu lehren, bescheiden zu sein. Aber, heißt es, wenn nicht mit Rednerkunst, — warum sandten sie den gewandten Redner Apollo? Nicht weil sie auf die Kraft seiner Rede vertrauten, sondern, weil er sehr schriftkundig war und die Juden überwies. Übrigens ist ja nur davon die Rede, daß die vornehmsten und ersten Verkündiger des Wortes keine glänzenden Redner gewesen. Denn gerade diese waren es, welche großer Stärke bedurften, um gleich Anfangs den Irrthum zu stürzen; grosser Kraft bedürfte es damals, um sich Eingang zu verschaffen.

  

IV.

 

Wenn also Gott, der beim Anfange keiner Gelehrten bedurfte, später geübte Redner sich wählte, so geschah Dieß nicht aus Bedürfniß, sondern weil es ihm einerlei war. Wie er aber zur Ausführung seines Planes keiner Sophisten bedurfte, so schloß er sie auch nicht aus, als sie sich fanden Du aber sollst mir zeigen, ob Petrus und Paulus geübte Redner gewesen; allein Das kannst du nicht; denn sie waren ungelehrt und unstudiert. Wie nun Christus, als er seine Jünger in die Welt aussandte, ihnen zuerst in Palästina seine Macht zeigte, indem er sprach: „Als ich euch ohne Beutel, ohne Reisetasche, ohne Schuhe ausgeschickt habe, hat euch Etwas gemangelt?“ Und wie er ihnen künftig Reisetasche und Beutel zu haben erlaubte, so machte er es auch hier. Denn hier handelte es sich darum, die Kraft Christi zu zeigen, nicht aber durch Weltweisheit Diejenigen, die da glauben wollten, abzuschrecken. Wenn daber die Heiden den Jüngern Unwissenheit vorwerfen, so können wir mit mehr Grund sie selbst beschuldigen. Niemand sage auch, Paulus sei ein Weltweiser gewesen; vielmehr wollen wir jene Männer, welche bei den Heiden als große Weise und hochgefeierte Redner  gelten, erheben und sagen, die Unsrigen seien alle ungelehrt gewesen. Denn auch von dieser Seite werden wir über sie keinen geringen Vortheil gewinnen, denn so wird der Sieg ein glänzender sein.