Homilien über die Briefe an Titus und Philemon - Johannes Chrysostomos - E-Book

Homilien über die Briefe an Titus und Philemon E-Book

Johannes Chrysostomos

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Beschreibung

Die Homilien über die Briefe an Titus und Philemon sind in ihrer Darstellung oft weniger vollständig als die zu früheren Büchern des Neuen Testaments und können sich in ihrer literarischen Qualität nicht mit anderen in Antiochia entstandenen Werken messen. Aber für den Schüler sind sie ebenso, wenn nicht sogar noch lehrreicher. Chrysostomos' Predigten gelten generell nicht als Vorbild, was den Aufbau der Rede angeht. Die frühen Christen mochten keine glatten, elegant ausgearbeiteten Reden, sondern eine vertraute und freie Ansprache, wie wir sie aus gebeten kennen; und genau darin liegt die Bedeutung der Worte "Homilie" und "Predigt."

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Homilien über die Briefe an Titus und Philemon

 

JOHANNES CHRYSOSTOMOS

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Homilien über die Briefe an Titus und Philemon, J. Chrysostomos

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849663063

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Homilien über den Brief an Titus. 2

Erste Homilie.2

Zweite Homilie.13

Dritte Homilie.22

Vierte Homilie.31

Fünfte Homilie.40

Sechste Homilie.51

Homilien über den Brief an Philemon. 59

Einleitung (Vom hl. Chrysostomus.)59

Erste Homilie.62

Zweite Homilie.66

Dritte Homilie.76

Homilien über die Briefe an Titus und Philemon

Bibliographische Angaben:

Titel Version: Homilien über den Brief an Titus (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Homilien über den Brief an Titus In: Ausgewählte Schriften des heiligen Ambrosius, Bischofs von Mailand. Übersetzt von J. Wimmer. (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 74), Kempten 1883. Unter der Mitarbeit von: Uwe Holtmann

Titel Version: Homilien über den Brief an Philemon (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Homilien über den Brief an Philemon In: Ausgewählte Schriften des heiligen Ambrosius, Bischofs von Mailand. Übersetzt von J. Wimmer. (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 74), Kempten 1883. Unter der Mitarbeit von: Uwe Holtmann

Homilien über den Brief an Titus

Erste Homilie.

I.

Kap. 1

1. Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi im Glauben der Auserwählten Gottes und in der Erkenntniß der Wahrheit, die zur Gottseligkeit führt,2. auf Hoffnung des ewigen Lebens, das verheissen hat Gott, der nicht lügt, vor ewigen Zeiten, zu seiner Zeit aber geoffenbart hat,3. sein Wort nämlich durch die Predigt, womit ich betraut wurde im Auftrage unseres göttlichen Heilandes, dem Titus, dem ächten Kinde nach dem gemeinsamen Glauben,4. Gnade und Friede von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus, unseremHeilande.

I. Titus war ein erprobter Gefährte des Paulus. Denn wäre er nicht erprobt gewesen, so hatte er ihm nicht die Insel (Kreta) zur Pastorirung übertragen und hätte ihn nicht beauftragt, die noch mangelhaften dortigen Einrichtungen zu vollenden. „Damit du das Fehlende in Ordnung bringst,“ heißt es weiter unten. Er würde ihm nicht die Oberaufsicht über so viele Bischöfe übertragen haben, wenn er in den Mann nicht das vollste Vertrauen gesetzt hätte. Man glaubt, daß er noch ein junger Mann war, weil der Apostel ihn sein „Kind“ nennt. Ich glaube auch, daß in der Apostelgeschichte seiner Erwähnung geschieht.[1] Demnach wäre er ein Korinther gewesen, falls nicht ein Anderer gleichen Namens dort gemeint ist. Denn Zenas ruft der Apostel zu sich, auch den Apollo will er bei sich sehen, den Titus aber nicht; Jenen traute er nämlich eine besondere Standhaftigkeit und Festigkeit gegenüber dem Kaiser zu.

Es scheint mir, daß es sich hier um eine Zwischenzeit (zwischen der ersten und zweiten Gefangenschaft) handelt, und Paulus schreibt den Brief unter günstigen Verhältnissen. Denn es ist nirgends von Heimsuchungen die Rede. Fortwährend aber handelt er von der Gnade Gottes von Anfang bis zu Ende, insofern sie für die Gläubigen ein mächtiger Antrieb zur Tugend ist. Denn wenn sie wissen, was sie eigentlich verdient hätten, zu was sie es aber gebracht haben und zwar durch die Gnade Gottes, und wessen sie gewürdigt worden, so liegt darin keine geringe Anspornung.

Auch gegen die Juden zieht er los. Man braucht sich übrigens nicht zu wundern, wenn der Apostel gleich die ganze Nation geißelt. Er macht es auch mit den Galatern so, wenn er sagt: „O ihr unverständigen Galater!“[2] Der Apostel will da nicht beleidigen, er meint es gut. Würde er Das in persönlicher Gereiztheit thun, so könnte ihn Einer mit Recht tadeln; geschieht es aber im Feuereifer für das Wort Gottes, dann liegt ja keine Injurie darin. Auch Christus hat unzählige Male die Schriftgelehrten und Pharisäer scharf getadelt, aber nicht aus persönlicher Rancüne, sondern weil sie die Andern alle in’s Verderben führten.

Der Apostel faßt sich kurz in diesem Briefe. Leicht erklärlich! Auch Das ist ein Beweis für die Tugend des Titus, daß er bei ihm nicht viele Worte braucht, sondern bloß eine Art Andeutung.

Ferner bin ich der Meinung, daß dieser Brief älter ist als der an Timotheus; denn diesen schrieb der Apostel kurz vor seinem Lebensende im Kerker, bei der Abfassung des unsrigen aber befand er sich ausser dem Gefängniß und in Freiheit. Denn die Stelle: „Ich bin Willens, in Nikopolis zu überwintern,“ beweist, daß er nicht mehr im Gefängnisse war; im Briefe an Timotheus aber nennt er sich wiederholt einen Gefangenen.

Was sagt er also:

Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, im Glauben der Auserwählten Gottes.

Siehst du, wie er diese Ausdrücke unterschiedlich gebraucht! Bald nennt er sich „Knecht Gottes und Apostel Christi“, bald „Knecht Christi“: „Paulus, Knecht Jesu Christi.“ So kennt er keinen Unterschied zwischen Vater und Sohn.

In dem Glauben der Auserwählten Gottes und in der Erkenntniß der Wahrheit, die zur Gottseligkeit führt, auf Hoffnung des ewigen Lebens.„In dem Glauben der Auserwählten Gottes.“ Nennst du dich, o Paulus, einen Apostel, weil du geglaubt hast, oder weil dir die Auserwählten anvertraut wurden? Ich denke, weil ihm die Auserwählten Gottes anvertraut worden, d. h. nicht wegen seiner Tüchtigkeit, nicht wegen seiner Arbeiten und Mühen hat er die apostolische Würde erhalten, sondern es war eine bloße Gnade von Seite Dessen, der sie ihm anvertraut hat. Damit ferner die Gnade nicht grundlos vertheilt erscheine, — denn Gott wirkt nicht Alles; warum hätte er dann nicht auch Andern das Apostelamt anvertraut? — deßhalb fährt der Apostel fort: „In der Erkenntniß der Wahrheit, die zur Gottseligkeit führt.“ Deßhalb, will der Apostel sagen, ist mir mein Amt anvertraut worden, oder vielmehr auch hierin war seine Gnade thätig; denn auch diese Erkenntniß der Wahrheit habe ich von ihm. Deßhalb sagt auch Christus selber: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“[3] Und wiederum schreibt der heilige Paulus an einer anderen Stelle: „Ich werde erkennen, gleichwie auch ich erkannt bin;“[4] und wiederum: „Ich trachte darnach, ob ich’s ergreife, wozu ich auch schon von Christus Jesus ergriffen bin.“[5] Erst sind wir ergriffen worden und dann erst zur Erkenntniß gekommen; erst wurden wir erkannt, und dann ergriffen wir. Erst wurden wir gerufen, und dann sind wir dem Rufe gefolgt. Mit dem Ausdruck: „im Glauben…“ setzt er Alles auf Rechnung der Auserwählten; ihretwegen, sagt er, bin ich Apostel; nicht als hätte ich es verdient, sondern um der Auserwählten willen, wie er auch anderwärts sagt: „Alles ist ja euer, sei es Apollo oder Paulus.“[6]

In der Erkenntniß der Wahrheit, die zur Gottseligkeit führt.

Es gibt auch sonstige Wahrheiten, die auf die Gottseligkeit keinen Bezug haben, z. B. die Kenntniß des Ackerbaues, der Gewerbe ist auch eine Kenntniß der Wahrheit. Die Wahrheit aber, von welcher hier die Rede ist, führt zur Gottseligkeit. Oder der Ausdruck: „im Glauben“ will sagen, daß sie wie die übrigen Auserwählten geglaubt und die Wahrheit erkannt haben. Denn vom Glauben kommt die Erkenntniß, nicht von Vernunftschlüssen.

Auf Hoffnung des ewigen Lebens.

Der Apostel hatte vom gegenwärtigen Leben in der Gnade Gottes gesprochen; nun spricht er vom zukünftigen und stellt uns den Kampfpreis vor Augen für Das, was im Grunde doch nur Wohlthat Gottes ist. Dafür nämlich, daß wir den Glauben angenommen haben und vom Irrthum befreit worden sind, will er uns eine Belohnung zuwenden.

Siehe, wie die Einleitung des Briefes ausgefüllt wird durch die Erinnerung an die göttlichen Wohlthaten, und der ganze Brief behandelt durchgehends dieses Thema als Hauptfrage; es liegt darin eine kräftigere Aufforderung zur Ertragung der Mühsale für den heiligen Mann selbst sowohl wie für seine Jünger. Denn Nichts ist so nützlich für uns wie die fortwährende Erinnerung an die göttlichen Wohlthaten, wie sie der Menschheit im Großen und uns persönlich zu Theil werden. Denn wenn wir schon gerührt werden durch eine Wohlthat, die uns ein Freund erweist, durch ein freundliches Wort, das wir hören, und durch ein aufmerksames Entgegenkommen, so müssen wir noch weit mehr Willfährigkeit und Gehorsam zeigen bei der Wahrnehmung, in welchen Gefahren wir geschwebt und wie uns Gott aus sämmtlichen errettet hat.

In der Erkenntniß der Wahrheit.

Die Wahrheit stellt der Apostel hier der alttestamentlichen Typik entgegen. Auch dort gab es eine Erkenntniß und eine Frömmigkeit, aber nicht eine Erkenntniß der Wahrheit, freilich auch nicht eine Erkenntniß der Lüge, sondern eine Erkenntniß von Typen und Bildern.

Treffend heißt es: „auf Hoffnung des ewigen Lebens.“ Das alte Testament hatte nämlich nur eine Hoffnung auf das gegenwärtige Leben, wie geschrieben steht: „Wer das Gesetz erfüllt, der wird dadurch leben.“ Siehst du, wie schon gleich im Eingang der Abstand zwischen Gesetz und Gnade gezeigt wird? Die Anhänger des Gesetzes sind keine „Auserwählten“, sondern wir. Wenn zwar ehedem auch sie das „auserwählte Volk“ genannt wurden, jetzt sind sie es nicht mehr.

Welches verheissen hat Gott, der nicht lügt, vor ewigen Zeiten.

Das heißt: nicht erst jetzt, als hätte er seinen Sinn geändert, sondern von Anbeginn war es so bestimmt. Oftmals spricht der Apostel diese Wahrheit aus, so zum Beispiel, wenn er sagt, er sei „ausgesondert für das Evangelium Gottes,“[7] oder: „Welche er vorhergesehen, die hat er auch vorherbestimmt.“[8] Er will damit unseren Adel andeuten, indem uns Gott nicht erst in jüngster Zeit, sondern schon von Ewigkeit her geliebt hat. Und Das ist nichts Geringes, diese göttliche Liebe, deren Gegenstand wir von Ewigkeit und Anbeginn gewesen sind.

Welches verheissen hat Gott, der nicht lügt.

II.

Wenn er nicht lügt, so wird jedenfalls seine Verheissung auch in Erfüllung gehen; wenn er nicht lügt, dann ist kein Zweifel am Platz, auch wenn es sich um Dinge handelt, die erst nach dem Tode eintreten.

„Welches uns verheissen hat Gott, der nicht lügt, vor ewigen Zeiten.“ Diese letzteren Worte beweisen, welches Vertrauen seine Verheissung verdient. Nicht deßhalb, will der Apostel sagen, weil die Juden Gottes Ruf nicht Folge leisteten, ist jetzt die Verheissung an uns ergangen, sondern so war es schon von Anbeginn durch Typen vorgebildet. Höre nur, wie es weiter heißt:

„Zu seiner Zeit aber geoffenbart hat.“ Warum also der Aufschub? Aus providentiellen Gründen, um den geeigneten Zeitpunkt abzuwarten. „Es ist Zeit für Gott, um zu handeln,“ sagt der Prophet.“[9] Zu „seiner“ Zeit, d. h. im geeigneten, nothwendigen, passenden Momente.

„Er hat geoffenbart sein Wort durch die Predigt, womit ich betraut wurde,“ d. h. mit der Predigt. Darin, im Evangelium, ist Alles enthalten, Zeit und Ewigkeit, Leben, Gottesfurcht, Glaube, Alles mit einander. „Durch die Predigt,“ d. h. offen, mit Frei- muth; Das versteht man unter „Predigt“. Wie ein Herold in Gegenwart aller Menschen von der Bühne aus seinen Auftrag verkündet, so verkünden auch wir den unsrigen; wir setzen Nichts hinzu, wir sagen bloß Das, was wir gehört haben. Wenn man also zu predigen hat, so muß es mit Freimuth geschehen; sonst ist es keine Predigt. Deßhalb hat auch Christus nicht gesagt: „Sprechet von den Dächern!“ sondern: „Prediget von den Dächern!“[10] und hat damit Ort und Art der Verkündung des göttlichen Wortes angedeutet.

„Womit ich betraut wurde im Auftrage unseres göttlichen Heilandes.“ Dieses „Betrautwerden“ und „im Auftrag“ beweist das Vertrauenswürdige. Also darf sich Niemand entwürdigt fühlen, Niemand ärgern, Niemand entrüsten (wenn ich als Prediger auftrete). Wenn es ein Auftrag ist, dann bin ich nicht mein eigener Herr; ich komme ja bloß einem Befehle nach. Denn von Dem, was zu geschehen hat, ist Manches in unser Belieben gestellt, Manches aber nicht; was man „im Auftrage“ spricht, Das steht nicht in unserem Belieben; was bloß gerathen wird, Das ist unserem Belieben anheimgestellt. Zum Beispiel: „Wenn Jemand zu seinem Bruder sagt: Du Narr, Der ist des höllischen Feuers schuldig,“[11] — in diesen Worten liegt ein Befehl; ebenso in den andern: „Wenn du deine Gabe zum Altare bringst und erinnerst dich, daß dein Bruder Etwas wider dich hat, dann lasse deine Gabe dort vor dem Altare und geh’ hin und versöhne dich mit deinem Bruder und dann komm’ und opfere deine Gabe!“[12] Auch Das ist ein Austrag, und wer ihn nicht befolgt, verfällt nothwendig der Strafe. Wenn es aber heißt: „Willst du vollkommen sein, so verkaufe Alles, was du hast!“[13] oder: „Wer es fassen kann, der fasse es!“[14] so ist Das kein Auftrag mehr. Denn hier wird der Zuhörer zum Herrn über das Gesagte gemacht und, was er thun will, in seine freie Wahl gestellt; Das können wir thun und lassen ganz nach Belieben. Aber Aufträge sind nicht unserem Belieben anheimgegeben, sondern da gibt es nur Eines: entweder sie vollführen oder sie nicht vollführen und dann der Strafe verfallen. Das sagt der Apostel mit den Worten: „Es ist mir die Nothwendigkeit auferlegt: Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predige!“[15]

Ich will die Sache noch deutlicher besprechen, damit sie Allen klar wird. Ein kirchlicher Würdenträger zum Beispiel, ein mit dem bischöflichen Amte bekleideter Mann, ist der nicht straffällig, wenn er nicht dem Volke seine religiösen Pflichten predigt? Der Laie jedoch hat keinerlei Verpflichtung dazu. Deßhalb sagt auch Paulus, er handle „im Auftrage unseres göttlichen Heilandes“. Und man beachte, wie dieser Zusatz zu dem Gedanken, den ich eben aussprach, paßt! Oben war die Rede von „Gott, der nicht lügt,“ hier spricht er von einem „Auftrage unseres göttlichen Heilandes“. Wenn er nun unser Heiland ist, dann hat er selber diesen Auftrag gegeben, in der Absicht, unser Heiland zu sein; folglich handelt es sich da nicht um hierarchische Gelüste, sondern um den Glauben und um einen Auftrag des göttlichen Heilandes.

„Dem Titus, dem ächten Kinde.“ Es gibt nämlich auch unächte Kinder, wie Derjenige eines war, von welchem der Apostel sagt: „Wenn Einer, der Bruder genannt wird, ein Hurer ist oder ein Wucherer oder Götzendiener oder ein Lästerer oder ein Trunkenbold, so sollt ihr mit einem Solchen nicht einmal essen!“[16] Siehe, da haben wir auch ein „Kind“, aber kein „ächtes“! Ein „Kind“ wird ja Einer, sowie er einmal in das Reich der Gnade aufgenommen und der Wiedergeburt theilhaftig geworden ist. Ein unächtes aber wird er, sowie er sich des Vaters unwürdig zeigt, sowie er zu einem andern Herrn überläuft. Bei leiblichen Kindern wird die Ächtheit und Unächtheit durch die Abstammung von Vater und Mutter bestimmt; in unserem Falle aber nicht auf solche Weise, sondern auf Grund des freien Willens. Da kann Einer, der ein ächter Sohn ist, aufhören, ein solcher zu sein, und Einer, der es nicht ist, ein solcher werden. Denn diese Dinge sind durch keinen Naturzwang bestimmt, sondern durch die Willensfreiheit, weßhalb auch mannigfacher Wechsel vor sich geht. Onesimus[17] war früher ein ächter Sohn, später aber nicht mehr, er ist ausgeartet; allein er wurde abermals ein ächter Sohn, so daß er das Herzenskind des Apostels genannt wurde.

Titus, dem ächten Kinde nach dem gemeinsamen Glauben.

Was will Das sagen: „nach dem gemeinsamen Glauben“? Nachdem der Apostel ihn als Sohn angeredet und die Rolle des Vaters übernommen hat, warum erniedrigt und demüthigt er mit diesen Worten wieder seine väterliche Würde? Merke auf! „Nach dem gemeinsamen Glauben“ sagt er, d. h.: In Bezug auf den Glauben habe ich Nichts vor dir voraus; denn er ist uns gemeinsam, und derselbe Glaube ist es, durch welchen ich und du Kinder Gottes geworden sind.

Warum nennt nun der Apostel den Titus sein „Kind“? Entweder bloß um seiner zärtlichen Liebe Ausdruck zu geben, oder weil er früher zum Predigtamt berufen worden als Titus, oder weil derselbe durch Paulus das Licht des Glaubens erblickt hat. In diesem Sinne nennt er seine Jünger bald „Kinder“, bald „Brüder“; Letzteres, weil sie denselben Glauben an den Vater haben, Ersteres, weil sie durch seine Hand Kinder dieses Glaubens geworden sind. Wenn er also vom „gemeinsamen Glauben“ spricht, deutet er das brüderliche Verhältniß an.

Gnade und Friede von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus, unserem Heiland!

III.

Nachdem der Apostel den Ausdruck „Kind“ gebraucht, fährt er fort mit „Gott dem Vater“, um die Gedanken des Titus emporzurichten, und damit er wisse, wessen Kind er ist; auch deßhalb, weil er nicht bloß durch Hinweisung auf den gemeinsamen Glauben, sondern auch durch die Erwähnung des gemeinsamen Vaters sich auf gleiche Stufe mit Titus stellen wollte.

Man beachte übrigens, wie der Apostel Dasjenige, was er für die Schüler und das gläubige Volk ersteht, auch für den Lehrer erbetet! Dieser nämlich bedarf gerade so gut solcher Gebete, ja er bedarf derselben noch viel mehr als das Volk, da er auch um so mehr Feinde und um so zahlreichere Anlässe hat, Gott zu beleidigen. Denn je größer die Würde, desto größer sind die Gefahren für den Inhaber des priesterlichen Amtes. Es genügt eine einzige gute That im bischöflichen Amte zum Eintritt in den Himmel, andererseits aber auch ein einziger Fehltritt zum Sturz in die Hölle. Um von den anderen Sachen, die jeden Tag daherkommen, zu schweigen, so bedenke nur, welch schwerer Höllenstrafe er sich schuldig macht, wenn er zufällig, sei es aus Freundschaft, sei es aus einem andern Grunde, einen unwürdigen Mann zum Bischof befördert und ihm das Hirtenamt in einer großen Stadt anvertraut! Er ist es ja, welcher Rechenschaft geben muß nicht bloß für die Seelen, die zu Grunde gehen, — jener gottvergessene Bischof richtet sie ja zu Grunde, — sondern auch für alle Sünden, <418> die derselbe begeht. Denn wer im Privatstande schon gottvergeben ist, der ist’s noch viel mehr, wenn er eine hierarchische Würde erlangt. Ja, es ist nur zu wünschen, daß ein sonst frommer Mann fromm bleiben möge als Träger einer solchen Würde. Denn eitle Ruhmsucht setzt ihm in dieser Stellung schärfer zu, ebenso der Geiz; dann Übermuth bei der Macht, die seine Würde ihm bietet; ferner kommt es leicht zu Feindseligkeiten, Injurien, Schmähungen und tausend anderen Dingen. Ist nun Einer gottvergessen, dann ist er es um so mehr in einer so hohen Stellung; und stellt ein Bischof einen solchen Amtsbruder auf, so ist er verantwortlich für seine Sünden und für die ganzer Gemeinden. Wenn es schon von Demjenigen, der eine einzige Seele ärgert, heißt, „es wäre besser für ihn, daß man ihm einen Mühlstein um den Hals hänge und ihn in die Tiefe des Meeres versenke,“[18]wie wird es erst Dem ergehen, welcher so vielen Seelen Ärgerniß gibt, ganzen Städten und Gemeinden, zahllosen Seelen, Männern, Weibern, Kindern, Bürgern, Bauern, den Bewohnern der Stadt und ihrer Umgebung? Sprichst du von dreifacher Strafe, so hast du Nichts gesagt; so groß ist die Züchtigung und Strafe, welcher er verfällt. Also braucht am allermeisten ein solcher Mann „die Gnade und den Frieden Gottes“. Denn wenn er nicht damit ausgerüstet das gläubige Volk regiert, dann geht Alles vollständig zu Grunde, da es am Steuer fehlt. Er mag noch so erfahren sein in der Leitung eines Schiffes, wenn ihm dieses Steuer mangelt, nämlich die Gnade und der Friede Gottes, dann wird er Schiff und Leute in die Tiefe versenken. Daher muß ich mich darüber wundern, daß es noch Männer gibt, die nach einer so hohen Stellung eifrig streben. O du armer und unglücklicher Mensch. Siehst du nicht, was du anstrebst? Wenn du als Privatmann lebst in Verborgenheit und ohne Auszeichnung, dann kannst du hundert Sünden begehen, und du hast doch nur für eine einzige Seele Rechenschaft zu geben, nur für sie allein bist du verantwortlich; wenn du aber zu dieser Würde gelangst, dann bedenke, für wie viele Köpfe dich die Strafe treffen wird! Höre nur, was Paulus spricht: „Gehorchet eueren Vorgesetzten und seid ihnen Unterthan, weil sie für euere Seelen wachen, da sie dafür Rechenschaft geben werden!“[19]