Im Talkessel - Fritz Peter Heßberger - E-Book

Im Talkessel E-Book

Fritz Peter Heßberger

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Beschreibung

Eine Gruppe Menschen, überwiegend Deutsche, wird von Außerirdischen auf deren Heimatplaneten Nirbelaja verschleppt. Mehrere wurden bereits 2022/23 entführt und in jahrelangem Tiefschlaf gehalten, andere, darunter der Verteidigungsminister, sowie die Außenministerin und die Ministerin für 'Vielfalt', erst im Jahre 2033. Sie erwachen dann alle fast gleichzeitig in einem Talkessel, dem Krater eines erloschenen Vulkans. Während die Politiker hinter den Entführern Rechtsextremisten oder gar Islamisten vermuten, kommen andere recht schnell zur Erkenntnis, daß es sich um Außerirdische handeln muß. Dies führt zunächst zu Verwirrungen, da die früher Entführten die wichtigen Politiker des Jahres 2033 gar nicht kennen. Hinzu kommen 'Unholde', die versuchen sich an den Frauen zu vergreifen und ausgeschaltet werden müssen. Unklar bleibt allen zunächst, was die Außerirdischen konkret mit ihnen vorhaben. Es folgen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten, zumal auch die Ministerin für 'Vielfalt' versucht, unter Ausschaltung der Außenministerin, eine Art Exilregierung zu bilden, die sich besonders den Prinzipien der Diversität verpflichtet fühlt. Sie nimmt auch das alleinige Recht zu Verhandlungen mit den Entführern für sich in Anspruch. Die Außerirdischen und ihre beiden irdischen Helfer Carola und Bodo beobachten das Verhalten der Menschen im Talkessel genau und wählen schließlich eine Gruppe 'Vernünftiger' aus, mit denen sie langfristig zusammenarbeiten wollen.

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Personen und Handlung des Romans sind frei erfunden. Irgendwelche Übereinstimmung oder Ähnlichkeiten der Namen der handelnden Personen mit lebenden oder verstorbenen Personen, deren charakterlichen Eigenschaften oder auch geschichtlichen Ereignissen sind nicht beabsichtigt und wären daher rein zufällig.

Der Autor:

Fritz Peter Heßberger, Jahrgang 1952, geboren in Großwelzheim, heute Karlstein am Main, studierte Physik an der Technischen Hochschule Darmstadt; 1985 Promotion zum Dr. rer. nat.; von 1979 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2018 als wissenschaftlicher Angestellter in einer Großforschungsanlage tätig.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 1

Otto erwachte in einem kleinen Raum, in dessen Mitte ein breites Bett stand. Nahe der beiden Bettkanten sah er jeweils einen Schemel, auf welchem Kleidung ausgebreitet war. Neben ihm lag eine Frau, leicht dunkle Gesichtsfarbe, schwarze Haare. Mehr konnte er nicht erkennen. Sie schlief noch.

„Wo bin ich denn und wie bin ich hierher gekommen?“ fragte er sich, „und wer ist dieses Weib? Die habe ich in meinem Leben noch nie gesehen.“

Nach kurzem Nachdenken beschloß er aufzustehen. Er kleidete sich an: Unterwäsche, ein weites T-Shirt, eine weitgeschnittene Hose, Strümpfe, Sandalen. Er ging zur Tür. Sie ließ sich öffnen. Vor ihm breitete sich eine Graslandschaft aus, die in etwa dreihundert Metern Entfernung, so schätzte er, durch eine Buschreihe begrenzt wurde. Über ihm ein blauer Himmel. Es war angenehm warm. Er wollte schon nach draußen gehen, als er eine Stimme hinter sich hörte.

„Wo bin ich denn?“

Er drehte sich um. Die Frau war erwacht, hatte sich im Bett aufgerichtet. Er ging zu ihr hin.

„Wer bist denn du?“ fragte sie ihn.

„Ich bin Otto.“

„Das sagt mir jetzt gar nichts.“

„Mein Name ist Otto Meßberg.“

„Das sagt mir genauso wenig. Was hast du mit mir vor?“

„Was sollte ich mit dir vorhaben?“

„Du liegst doch neben mir. Hast doch sicher mit mir geschlafen! Was habt ihr mit mir gemacht? Mich zur Hure!“

„Um korrekt zu sein. Ich liege nicht neben dir, ich lag einige Zeit neben dir, jetzt stehe vor dir.“

„Das ist eine Spitzfindigkeit. Du hast bei mir gelegen, das hast du doch selbst zugegeben.“

„Ja, das habe ich auch gar nicht bestritten. Aber ich weiß nicht wie ich hierher gekommen bin.“

„Das ist doch eine faule Ausrede. Man hat mich entführt und in ein Bordell gesteckt. Und du bist mein Freier.“

„Davon weiß ich nichts, ehrlich. Außerdem, hat dich denn überhaupt jemand vergewaltigt? Hast du das nachgeprüft?“

„Nein, wie sollte ich das nachprüfen?“

„Dann tue es. Du müßtest doch gewisse Spuren an deinem Körper feststellen. Ich gehe auch so lange raus, wenn du dich vor mir schämst.

Rufe mich, wenn du fertig bist.“

Otto verließ den Raum, setzte sich neben der Tür ins Gras.

„Dummes Weibervolk“, dachte er, „die sind doch alle gleich, denken, man hätte nichts besseres zu tun als sie zu ficken. Das ist vielleicht bei Kanaken und Proleten so, aber doch nicht bei zivilisierten Männern.“

Nach einer Weile hörte er seinen Namen rufen. Er kehrte ins Zimmer zurück. Die Frau hatte sich mittlerweile angekleidet, saß auf der Bettkante.

„Und? Was hat die Untersuchung ergeben?“ wollte Otto wissen.

„Ganz offensichtlich hat mich niemand vergewaltigt.“

„Das ist doch eine positive Erkenntnis. Kann man jetzt vernünftig mit dir reden?“

„Was heißt 'vernünftig reden'?“

„Nun ja, zunächst einmal müssen wir die Fakten betrachten. Bei mir war das so: ich war gestern, wenn es überhaupt gestern war, im Spessart auf einer Wanderung unterwegs. Ich lief vom Parkplatz Steintor aus zum Gasthaus Sylvan. Ich hatte bereits den Weihersgrund erreicht, als eine schwarze Wolke rasch heranzog und mich einhüllte. Und dann wachte ich hier in dieser kleinen Hütte in diesem mir völlig unbekannten Raum auf.

Und die Gegend, in welcher die Hütte steht, ist mir auf den ersten Blick völlig unbekannt, jedenfalls ist sie nicht der Weihersgrund. Und dann lag noch eine mir vollkommen unbekannte Frau neben mir im Bett. Ich frage mich also, erstens, wo bin ich hier? Zweitens, wer hat mich hierher verschleppt? Drittens, aus welchem Grund hat man mich hierher gebracht? Viertens, warum hat man mir diese Frau, also dich, beigesellt?

Und wie sieht das bei dir aus?“

„Sylvan und Weihersgrund sagen mir jetzt überhaupt nichts. Und 'Spessart'? Das ist doch der Name einer Raststätte an der Autobahn von Frankfurt nach Nürnberg? Jetzt erinnere ich mich. Also, zunächst will ich mich einmal vorstellen. Ich heiße Wichita Brown, bin Historikerin, lehre an einer Universität in Minnesota, das liegt in den USA. Ich nahm an einem Kongreß in Frankfurt teil, lernte dort Yukiko Yamaguschi, eine japanische Kollegin kennen. Wir freundeten uns an, aber wir sind nicht lesbisch, wie du vielleicht jetzt denkst, und beschlossen für einige Tage nach München zu fahren. Wir hatten gerade diese Raststätte 'Spessart' passiert, als eine schwarze Wolke rasch heran zog, die unser Auto einhüllte. Mehr weiß ich nicht. Und dann erwachte ich hier in diesem Raum. Was aus Yukiko geworden ist weiß ich nicht.“

Otto runzelte die Stirn.

„Dann bist du also Amerikanerin.“

„Genau gesagt, ich bin eine Oglala.“

„Das spielt jetzt keine Rolle. Ich meine nur, du sprichst sehr gut Deutsch.“

„Was heißt gut? Ich habe ein paar Jahre Deutsch gelernt. Es reicht um mich verständlich zu machen.“

„Aber mit mir sprichst du doch Deutsch?“

„Nein, ich rede Englisch. Und du sprichst Deutsch mit mir?“

„Ja.“

Wichita lächelte.

„Fünfte Merkwürdigkeit: du redest Deutsch, ich rede Englisch. Und jeder versteht den anderen in seiner Sprache, wenn ich das einmal so ausdrücken darf.“

„Scheint so. Vielleicht haben sie uns einen kleinen Chip, einen Translator eingepflanzt. So etwas soll es doch geben.“

„Und wer sind 'sie'?“

„Ich habe keine Ahnung. Wir sollten versuchen es herauszufinden.“

„Wir?“

Otto zuckte mit den Schultern.

„Zunächst einmal: der Rasthof 'Spessart' liegt nicht weit von der Gegend entfernt, in der ich gestern wandern ging. Es handelte sich also zweifelsohne um die gleiche schwarze Wolke. Und die hat unser Verschwinden bewirkt. Es war also keine gewöhliche Gewitterwolke, sondern sie wurde künstlich angelegt, von wem auch immer. Ich nenne diejenigen, welche dahinterstecken, nun einfach einmal 'sie', ohne jetzt zu wissen, wer 'sie' sind. Sie haben uns in ein Zimmer, in ein Bett zusammengesteckt. Das kann Zufall sein oder auch Absicht. Ich nehme einmal Letzteres an. Und nachdem die Anfangsmißverständnisse ausgeräumt sind, scheinen wir uns auch recht gut zu verstehen. Ich schlage daher vor, daß wir uns zusammentun. Oder möchtest du lieber alleine bleiben? Das war jetzt auch nur ein Vorschlag. Du mußt nicht darauf eingehen.“

Wichita lächelte.

„Meinetwegen. Trennen können wir uns ja noch immer jederzeit. Aber hier drinnen erreichen wir nichts. Gehen wir also raus. Ich könnte auch etwas zu essen und zu trinken vertragen. Und eine Waschgelegenheit wäre auch nicht schlecht.“

Sie verließen die Hütte, die auf einer großen mit Büschen und Bäumen durchsetzten Wiesenfläche stand, welche nach einer Seite hin durch eine Buschreihe begrenzt wurde, wie Otto bei seinem ersten Blick ins Freie bereits festgestellt hatte. Dahinter erkannten sie nun eine offensichtlich steil emporragende Felswand, die wie ein Rundumblick zeigte, die Wiesenlandschaft etwa kreisförmig umgab.

„Sieht aus wie ein riesiger Krater“, bemerkte Wichita.

In unmittelbarer Nähe erblickten sie sechs weitere kleine Hütten, der ihren ähnlich, in etwa zweihundert Meter Entfernung zwei größere Flachbauten; vor dem einen standen mehrere Tische und Bänke. Ein paar Menschen saßen dort herum.

„Schauen wir uns mal den Flachbau mit den Tischen davor an“, schlug Wichita vor, „dort scheint so eine Art Gartenwirtschaft zu sein. Vielleicht finden wir darin etwas zu essen und zu trinken.“

Der Bau enthielt ein aus zwei Räumen bestehendes Magazin. In einem standen auf einem größeren Tisch drei Bottiche mit verschiedenen Sorten Brei. Sie kosteten; bei dem einen handelte es sich um einen Früchtebrei, bei dem anderen um einen Gemüsebrei, der dritte schien ein zerstampftes Gemisch aus Bohnen und Fleisch zu sein, dessen Geschmack an Chili con Carne erinnerte. Daneben standen noch mehrere Kannen, die Getränke enthielten, die nach Apfelsaft, Orangensaft, beziehungsweise Traubensaft schmeckten. In dem anderen Raum gab es Kleidung, der ihren ähnlich, Schuhe, Handtücher, Badematten aus Strohgeflecht, Waschzeug, Schreibzeug, Papier, Taschenlampen und sonstigen Kleinkram. Daneben gab es noch einen Duschraum mit zehn Brausen und ebenso vielen Waschbecken, sowie einen Toilettenraum, beide allerdings ohne Abtrennung in Frauen- und Männerbereiche.

„Bevor ich etwas esse und trinke möchte ich mich erst einmal frisch machen“, meinte nun Wichita, „und wie sieht es bei dir aus?“

„Nun ja“, antwortete Otto, „wenn du duschst, dann muß ich zwangsläufig auch duschen. Sonst bekommst du einen schlechten Eindruck von mir.

Duschen wir nacheinander oder zusammen?“

„Machen wir keine Umstände, es gibt hier ohnehin keine Trennung zwischen Frauen- und Männerbereichen. Außerdem hast du ja auch versprochen, mir nicht zu nahe zu kommen. Da kannst du gleich einmal zeigen, daß du es ehrlich gemeint hast.“

Sie standen noch unter der Brause als eine blonde, schlanke Frau hereintrat.

Sie grüßte kurz, entledigte sich dann ihrer Kleidung, stellte sich unter eine Dusche.

„Es stört euch doch nicht“, meinte sie beiläufig.

Wichita und Otto suchten anschließend den Lebensmittelraum auf, nahmen sich jeweils eine Portion von dem an Chili con Carne erinnernden Brei und Getränke. Sie gingen dann zu einem Tisch, an dem ein schlanker, noch recht jugendlich wirkender Mann saß, fragten, ob sie Platz nehmen dürften, weil sie hofften, von ihm vielleicht Näheres über ihre Situation zu erfahren.

Der Mann blickte sie allerdings mürrisch an.

„Nein! Wie kommt ihr eigentlich dazu mich zu belästigen. Wer seid ihr denn überhaupt?“

Otto lächelte.

„Meine Begleiterin heißt Doktor Wichita Brown. Sie ist Historikerin, kommt aus Minnesota. Und ich heiße Doktor Otto Meßberg, bin Physiker, Deutscher. Und wer bist du?“

„Wie kommst du eigentlich dazu mich zu duzen?“ knurrte ihn der Mann an.

„Du duzt uns ja auch.“

„Das ist ja auch etwas ganz anderes. Wißt ihr denn nicht, wer ich bin?“

„Nein“, grinste Otto, „du hast dich ja noch nicht vorgestellt.“

„Banause“, brummte der Mann, „du interessierst dich wohl nicht für das, was in unserem Land vor sich geht, kennst nicht einmal die wichtigsten Persönlichkeiten.“

„Doch, diejenigen, die sich für wichtig halten und auch von den Medien für wichtig gehalten werden, kenne ich jetzt schon, nicht persönlich, aber aus aus der Zeitung und vom Fernsehen. Dich kenne ich allerdings nicht.“

„Du Lümmel“, brauste der Mann nun auf, „du bist wohl so ein Rechter, der mich provozieren will. Ich bin Julius Pistolius, der Verteidigungsminister.“

„Verteidigungsminister? Von welchem Land?“

„Jetzt wirst du auch noch frech, von Deutschland natürlich.“+

„Und was verteidigst du denn? Etwa deinen Tisch hier?“

Otto wandte sich nun Wichita zu.

„Dieser unfreundliche Typ ist keine Gesellschaft für uns. Wir suchen uns einen anderen Platz.“

Kapitel 2

„Du warst jetzt aber wirklich ein bißchen frech zu dem Minister“, meinte Wichita, nachdem sie sich an einem anderen Tisch niedergelassen hatten.

„Ach was“, erwiderte Otto lachend, „Verteidigungsminister! Ich kenne unseren Verteidigungsminister, also jetzt nicht persönlich, sondern aus dem Medien. Er sieht ganz anders aus und heißt auch nicht Julius Pistolius.

Außerdem ist er eine Frau. Dieser Kerl ist ein Spinner.“

Er atmete tief durch.

„Die haben offensichtlich auch einige aus einer Irrenanstalt mitgenommen.

Das kann ja heiter werden.“

Sie begannen zu essen. Kurze Zeit später trat ein Mann heran. Er wirkte leicht unsicher, grüßte, fragte höflich und bescheiden, ob er Platz nehmen dürfe.

„Mein Name ist Rudolf Kratz-Fuß, ich bin Verwaltungsbeamter. Seien Sie mir bitte nicht böse, aber ich halte es für meine Pflicht, Ihnen das mitzuteilen, auch wenn es etwas Unangenehmes ist. Seien Sie bitte nicht ungehalten über meine Worte.“

„Nein“, entgegnete Otto, „da können Sie ganz beruhigt sein. Was können Sie auch schon Unangenehmes sagen? Wurden wir etwa von den Russen entführt? Ich bin auf alles gefaßt.“

„Spaßen Sie bitte nicht. Es ist wirklich eine ernste Sache. Sind Sie mir auch wirklich nicht böse, wenn ich mich in dieser Angelegenheit äußere?“ fragte nun Rudolf vorsichtig.

„Nein, da können Sie ganz beruhigt sein. Was ist es denn? Schießen Sie schon los.“

„Wirklich? Ich muß Sie nämlich kritisieren und auch warnen.“

„Ja, was gibt es denn?“

Otto wurde allmählich ob der Herumdruckserei ungehalten.

„Ja, das war nicht recht“, begann Kratz-Fuß, „wie Sie mit dem Minister geredet haben. Das dürfen Sie nicht tun. Er ist doch eine hochgestellte Persönlichkeit.“

„Ach, was“, lachte Otto, „der ist doch gar kein Minister! Der ist ein Verrückter!“

Kratz-Fuß erschrak sichtlich.

„Seien Sie vorsichtig“, er flüsterte nun, „sagen Sie so etwas nicht so locker dahin. Sie bekommen Schwierigkeiten mit dem Staatsschutz, wenn Sie so über Regierungsmitglieder reden, sie beleidigen. Herr Pistolius ist schließlich unser Verteidigungsminister und Vizekanzler.“

Otto verzog das Gesicht.

„Von welchem Land denn?“

„Ja, von der Bundesrepublik Deutschland.“

„Unmöglich!“ erwiderte Otto, „unser Verteidigungsminister heißt nicht Pistolius. Und er ist auch nicht Vizekanzler, sondern eine Frau.“

„Ich habe mit Ihnen vollstes Verständnis“, mischte sich jetzt Wichita ein, „unsere Situation ist hier etwas ungewöhnlich und undurchsichtig. Das belastet Sie sicherlich psychisch und hat Sie etwas verwirrt.“

„Sie halten mich also für verrückt“, empörte sich nun Kratz-Fuß.

„Nein“, versuchte Wichita ihn zu beruhigen, „so schlimm sehe ich das jetzt nicht, nur scheinen Sie mir etwas geistig verwirrt. Aber das gibt sich, wenn Sie sich hier ein wenig eingelebt haben.“

Rudolf knurrte.

„Ich sehe, Sie gehören zu den Unbelehrbaren, diesen Querdenkern, mit denen man nicht vernünftig reden kann.“

Er wandte sich ab.

„Sie werden sehen wohin das führt. Aber ich habe Sie gewarnt.“

Er ging.

„Der zweite Verrückte“, bemerkte Otto.

Sie frühstückten weiter.

„Also, ich weiß nicht so recht“, begann Wichita nach einer Weile, „der Mann wirkte zwar etwas verwirrt, aber noch mehr wirkte er unterwürfig.

Geistesgestört scheint er mir aber nicht zu sein. Er hält sicher diesen Pistolius wirklich für den Verteidigungsminister.“

Otto grinste.

„Darüber müssen wir uns jetzt nicht streiten. Warten wir es ab.“

Kurze Zeit später kam die blonde Frau, die ihnen in der Dusche begegnet war mit einem Tablett, auf dem ein Teller mit Frühstücksbrei und ein Becher standen, aus dem Magazin, steuerte auf den Tisch zu, an dem Pistolius saß. Es entspann sich ein kurzes, heftiges Gespräch, das offensichtlich unfreundlich endete, denn sie verließ ihn, kam zu Wichita und Otto, fragte, ob sie bei ihnen Platz nehmen dürfe. Die beiden schauten sich kurz an, sagten dann 'ja, bitte'. Obwohl sie kein Wort gewechselt, nur kurz Blicke ausgetauscht hatten, verstanden sich Wichita und Otto. Sie vermuteten, daß die Blonde ein Gespräch suche und sie vielleicht Näheres über diesen Pistolius erfahren könnten.

Die Frau setzte sich, meinte dann.

„Die Höflichkeit gebietet, daß ich mich erst einmal vorstelle. Ich heiße Ilonka Vigdolia.“

„Angenehm“, erwiderte Wichita, „mein Begleiter heißt Otto Meßberg und ich heiße Wichita Brown. Weißt du, ich bin neugierig und ich muß dich gleich einmal etwas fragen.“

Sie stockte kurz.

„Ich hoffe, es ist dir recht, wenn wir uns duzen.“

„Sicher“, antwortete Ilonka.

Wichita lächelte.

„Das ist gut, aber das wollte ich dich nicht fragen. Es geht vielmehr um den Kerl da drüben. Du kennst ihn doch ganz offensichtlich. Er behauptete uns gegenüber, er sei der deutsche Verteidigungsminister. Aber Otto kennt ihn überhaupt nicht. Er ist der Meinung, der Kerl ist ein bißchen verrückt, bildet sich das nur ein. Es ist ja auch alles recht merkwürdig hier.“

„Und du?“ fragte Ilonka.

„Ich bin Amerikanerin, genau gesagt, Oglala – Indianerin. Ich kenne euere deutschen Politiker nicht.“

Ilonka schüttelte den Kopf.

„Nein, er ist nicht verrückt. Er heißt Julius Pistolius und ist wirklich der deutsche Verteidigungsminister. Ich muß es wissen. Er ist ja schließlich einer meiner Stammkunden. Er besucht mich in der Regel dreimal im Monat, manchmal auch öfter. Gestern abend war er auch bei mir. Er blieb über Nacht. Wir wachten dann heute morgen im gleichen Bett auf, aber komischerweise war es nicht das Bett, in dem wir gestern abend eingeschlafen sind. Und es war auch nicht das gleiche Zimmer. Die ganze Gegend hier ist mir unbekannt.“

Sie lachte.

„Aber als ich mich eben zu ihm setzen wollte, da wurde er unfreundlich und hat mich abgewiesen. Wahrscheinlich wäre es ihm peinlich, wenn ihn jemand, der ihn kennt, zusammen mit seiner Stammnutte am Frühstückstisch sitzen sieht. Das ist ja auch irgendwie verständlich. Er ist ja auch im Grunde ein biederer Typ, will nur ganz normalen Sex, keine ausgefallenen oder widerwärtigen Sachen.“

„Sei jetzt nicht eingeschnappt, aber du verwirrst mich auch“, warf Otto ein, „der Kerl sagte uns, er sei der deutsche Verteidigungsminister; dann kam so ein kleiner Bürokrat, der hieß auch bezeichnenderweise Kratz-Fuß, der behauptete das auch. Und du hast das bestätigt. Und warum kenne ich ihn nicht?“

Ilonka zuckte mit den Schultern.

„Woher soll ich das wissen?“

Otto überlegte, wandte sich dann zu Wichita hin.

„An welchem Tag ist eigentlich die schwarze Wolke erschienen, die dich und Yukiko verschlungen hat.“

„Das war am Sonntag, am 20. März.“

„Bei mir war es der gleiche Tag.“

Er blickte Ilonka an.

„Und welches Datum ist für dich gestern?“

„Was bezweckst du mit der Frage? Gestern war der 15. Mai.“

Otto zog die Augenbrauen hoch.

„Da liegen zwei Monate dazwischen. Vermutlich ist dieser Pistolius erst ein paar Wochen im Amt, war vorher ein unbedeutender Regierungsrat. Daher kenne ich ihn nicht.“

„Nein, nein“, wandte Ilonka ein, „Pistolius ist seit fast zwei Jahren Verteidigungsminister.“

Otto starrte sie nun groß an.

„Das gibt es doch nicht.“

Ein kurzes Schweigen setzte ein.

„Ilonka“, begann schließlich Wichita, „aber jetzt einmal ganz konkret.

Wann ist für dich gestern, Tag, Monat Jahr?“

Ilonka blickte sie verwirrt an.

„Also, ich verstehe deine Frage wirklich nicht. Wer immer uns verschleppt hat, der hat uns vielleicht auch längere Zeit im Tiefschlaf gehalten, euch beide vielleicht länger als Pistolius und mich. Das würde die zwei Monate Unterschied erklären. Aber um dich zu beruhigen: gestern ist für mich konkret der 15. Mai 2033, ein Sonntag. Ich wunderte mich ein bißchen darüber, daß Pistolius gestern kam, weil er wegen seiner Frau normalerweise nie sonntags kommt. Er sagte aber, seine Frau sei übers Wochenende mit einer Freundin nach Rom gereist und komme erst am Dienstag zurück.“

Wichita und Otto hatten die letzten Worte Ilonkas gar nicht mitbekommen, sie waren bei der Nennung der Jahreszahl 2033 quasi erstarrt.

„Sagtest du 2033?“ fragte Wichita schließlich, „hast du dich auch nicht versprochen?“

„Nein, natürlich nicht, was soll es denn sonst für ein Datum gewesen sein?“ gab Ilonka zur Antwort.

Mittlerweile hatte auch Otto seine Fassung wiedergewonnen.

„Dann halte dich einmal gut fest, Ilonka“, sagte er, „der Tag, an dem die schwarze Wolke uns beide verschlungen hat, allerdings nicht am gleichen Ort, war der 20. März 2022.“

Ilonka schaute ihn zunächst etwas ungläubig an, lächelte dann.

„Das ist elf Jahre her. Deshalb kennst du auch den Verteidigungsminister Pistolius nicht“, meinte sie kühl, „ihr habt elf Jahre geschlafen. Das soll vorkommen. Dornröschen hat hundert Jahre geschlafen.“

„Wo sie recht hat, hat sie recht“, konstatierte nun Otto, „wer uns entführt hat ohne daß wir es merkten und uns Translatoren ins Gehirn einpflanzte, der kann uns auch elf Jahre im Tiefschlaf halten.“

„Das sehe ich ein“, bemerkte Wichita, „das erklärt aber nur, warum du Pistolius nicht kennst, sonst aber nichts. Wir wissen noch immer nicht, wer uns entführt hat, warum, das heißt zu welchem Zweck und wohin.“

„So ist es“, pflichtete ihr Ilonka bei.

Eine zierliche Frau mit braunen, halblangen Haaren verließ nun, ein Frühstückstablett in der Hand, das Magazin.

„Yukiko!“ rief ihr Wichita zu, „komm her zu uns.“

Sie setzte sich zu ihnen.

„Schön dich zu sehen“, sagte Wichita nun, „ich hatte schon Angst um dich.

Wie ist es dir ergangen? Die beiden hier sind Ilonka und Otto. Die sind nett, du brauchst keine Scheu vor ihnen zu haben. Wie ist es dir ergangen?“

Yukiko zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahung. Ich erinnere mich nur noch an die schwarze Wolke, die auf uns zukam. Ja, und dann erwachte ich in einer dieser Hütten. Neben mir lag so ein komischer Kerl. Er hieß Theo, sagte, er sei Student der 'Vergleichenden Theologie'. Ich habe keine Ahnung, was das sein könnte, aber etwas Gescheites ist es wohl nicht, denn ein vernünftiger Mensch beschäftigt sich meines Erachtens nicht mit so etwas. Ich habe ihm auch gleich zu verstehen gegeben, daß ich nicht an einer näheren Bekanntschaft mit ihm interessiert bin.“

Wichita grinste.

„Der Kerl war wohl nicht der Typ Mann mit dem du dich abgeben möchtest.“

„Ganz recht, er hat das auch gleich akzeptiert, nicht versucht mich anzurühren, sondern ist gegangen.“

Wichita berichtete ihr nun über das mit Ilonka geführte Gespräch, dann setzten sie schweigend das Frühstück fort.

„Was unternehmen wir denn heute?“ unterbrach schließlich Wichita die Stille, „sollen wir hier herumsitzen und abwarten, was passiert oder sollen wir die Gegend erkunden?“

„Abwarten, was passiert, ist nicht unsinnig“, erwiderte Yukiko, „man hat uns auf der Erde entführt, nicht alle auf einmal, mindestens in zwei Etappen im Abstand von elf Jahren. Und sie haben uns alle für einige Zeit im Tiefschlaf gehalten, einige von uns offenbar sogar mehr als elf Jahre.

Und dann haben sie uns unterdessen hierher verfrachtet, uns nun alle wieder aufgeweckt. Und wir wissen auch nicht, was für Menschen sie noch hierher gebracht haben und was das für Typen sind. Man muß aber etwas mit uns vorhaben. Und ich gehe davon aus, daß irgendwann, vielleicht schon sehr bald, einer von ihnen, wer immer sie sein mögen, erscheint und eine Erklärung abgibt.“

„Vielleicht haben sie uns gar nicht jahrelang im Tiefschlaf gehalten, sondern hatten mit uns Umgang und haben nur alles aus unserem Gedächtnis gelöscht“, wandte Otto ein.

„Das kann sein“, meinte nun Yukiko, „aber das lenkt jetzt vom Thema ab.

Und ich glaube auch nicht, daß sie unser Gedächtnis gelöscht haben.

Warum sollten das tun? Sie haben sicher etwas mit uns vor. Es gab doch für sie gar keinen Grund das Gedächtnis zu löschen, wenn sie Umgang mit uns hatten und nun den Umgang fortsetzen wollen, denn dann müssen sie jetzt noch einmal von vorne anfangen.“

„Der Gedanke hat etwas für sich“, gestand Otto ein, „aber warum haben sie uns so lange im Tiefschlaf gehalten. Das muß doch seinen Grund haben.“

„Sicher hat das seinen Grund“, bemerkte Yukiko, „wir kennen ihn allerdings nicht, vermutlich werden wir ihn aber bald erfahren.“

„Das sehe ich ein“, erwiderte Otto, „aber deswegen müssen wir nicht hier herumsitzen. Wenn sie uns etwas wirklich Wichtiges mitteilen wollen, das uns alle angeht, dann werden sie uns auch mit Sicherheit alle versammeln.“

„Sicher ist das aber nicht“, gab Ilonka zu bedenken.

„Hier ist nichts sicher“, antwortete Otto, „hier kann man nur spekulieren.

Ich jedenfalls werde mir einmal die Gegend anschauen. Vielleicht gibt es einen Weg aus dem Krater heraus. Ich bin wirklich gespannt, wie es da draußen aussieht.“

„Ich habe auch keine Lust hier herumzusitzen“, warf nun Wichita ein, „ich will auch wissen, ob es einen Weg aus dem Krater heraus gibt.“

„Gehen wir also zusammen?“ fragte Otto.

„Ach, ich denke das ist nicht notwendig“, antwortete Wichita, „wir können uns die Arbeit ja teilen. Einer läuft nach rechts, der andere nach links. Und spätestens wenn es dunkel wird, dann treffen wir uns wieder hier. Oder hast du Angst alleine zu gehen?“

„Natürlich nicht. Aber wir wissen nicht, wen alles sie hierher verfrachtet haben. Vielleicht ist da auch ziemlich übles Gesindel darunter.“

„Nein, ich habe keine Angst. Gut, dann wäre das also geklärt“, Wichita blickte Yukiko und Ilonka an, „und wie sieht es mit euch aus?“

„Ich werde hier im Lager, so kann man es doch nennen, die Stellung halten“, sagte Yukiko, „ich habe auf der Tagung in Frankfurt einen Vortrag über die frühe Besiedlung der japanischen Inseln gehalten. Die Unterlagen sind jetzt weg, aber ich will versuchen ihn aus dem Gedächtnis niederzuschreiben. Ich habe im Magazin auch ein Buch über die Frühgeschichte Japans gesehen, das ich noch nicht kenne. Ich werde also lesen und schreiben, ansonsten hier die Stellung halten, euch dann am Abend berichten, wenn sich etwas Besonderes ereignet hat.“

„Dann kann ich ja die Umgebung, den Talkessel erkunden“, warf Ilonka ein.

„Dann sind wir uns ja einig“, stellte Wichita fest, „treffen wir uns dann am Abend. Und wenn ihr interessante Leute kennenlernt, dann bringt sie mit.“

„Aber auf Typen wie Pistolius und Kratz-Fuß können wir verzichten“, ergänzte Otto.

Die Runde löste sich auf. Ilonka begann umherzuschweifen. Yukiko besorgte sich Schreibzeug und das Buch. Wichita und Otto fanden im Magazin kleine Rucksäcke; jeder packte dann zwei Flaschen von einem Getränk, das Orangensaft ähnelte, ein. Wichita marschierte nach rechts, Otto nach links.

Kapitel 3

Wichita mochte wohl zwei Stunden gelaufen sein ohne auch nur ein Anzeichen eines Weges zu finden, der nach oben führen könnte. Dann erblickte sie eine Frau, die auf einem kleinen Felsblock saß.

„Hallo Wichita“, grüßte sie, „ich habe dich erwartet. Ich heiße Carola.“ Wichita schaute sie fragend an.

„Woher kennst du mich? Und warum hast du mich erwartet?“

„Ich will dir einige Erklärungen geben.“

„Und warum kommst du dann nicht ins Lager und teiltst es allen mit?“

„Weil es im Moment noch nicht alle wissen sollen. Aber du gehörst zu den Vernünftigen, die wir nicht im Unklaren lassen wollen.“

„Und du hältst mich für vernünftig?“

„Du bist es. Das haben unsere Untersuchungen ergeben.“

„Eure Untersuchungen?“

Carola lächelte.

„Du glaubst, du hättest mehr als elf Jahre im Tiefschlaf gelegen. Das ist nicht völlig richtig. Die meiste Zeit hast du geschlafen. Aber zeitweise warst du wach. Ihr wurdet allerdings in einer Art Dämmerzustand gehalten.

Daher habt ihr auch keine bewußte Erinnerung daran. Und in diesem Zustand wurdest du untersucht. Und es wurde eindeutig festgestellt, daß du vernünftig bist, die vernünftigste aller Frauen, die wir mitgenommen haben.

Das hat sich auch heute morgen gezeigt als du Otto kennenlerntest.“

„Wir werden beobachtet?“

„Ja, natürlich. Was hast du denn gedacht? Aber gut, jetzt weißt du es. Und du wirst auch das, was ich sage nicht hinausplappern, sondern nur denen mitteilen, die vernünftig sind.“

„Und wer sind die?“

„Es wird dir doch nicht schwerfallen, Vernünftige von Unvernünftigen zu unterscheiden?“

„Du meinst, Yukiko, Ilonka und Otto gehören zu den Vernünftigen?“

„Ja, aber das sind nicht alle, einige wirst du noch kennenlernen.“

„Ja, und was ist jetzt Sache?“

„Ihr seid Teil eines Experimentes, das die Nirbeljaner durchführen um das menschliche Verhalten zu studieren. Bodo und ich sind aber der Ansicht, daß die ganze Sache schieflaufen kann und die Gefahr besteht, daß alles im Chaos versinken und auch die Vernünftigen verschlingen wird, wenn ich das jetzt einmal so ausdrücken darf. Deshalb sehen wir uns genötigt einzugreifen und wollen die Vernünftigen etwas von der Horde absondern, zumal wir ja mit den Vernünftigen auch langfristig zusammenarbeiten wollen.“

Carola grinste leicht.

„Du weißt es ja selbst, es gibt Menschen, die sind zwar einigermaßen intelligent, besitzen auch eine gewisse Bildung, sind deswegen aber noch lange nicht vernünftig. Manche sind arrogant und eingebildet, überheblich, weil sie eine hervorgehobene Stellung in Staat und Gesellschaft einnehmen.

Andere sind zwar intelligent, lassen sich aber nicht von ihrem Verstand, sondern von ihren Trieben leiten; wieder andere benutzen ihre Intelligenz um ihren Mitmenschen zu schaden. Die Nirbeljaner verstehen das nicht. sie Sie sind geistig anders strukturiert, kennen das alles auch gar nicht.

Deswegen müssen ja auch Bodo und ich eingreifen.“

„Und wer sind jetzt diese Nirbeljaner? Und wer ist Bodo?“

Carola lächelte.

„Die Vorrede ist zu Ende. Ich komme jetzt zur Sache. Die Nirbeljaner sind die Bewohner des Planeten Nirbelaja, der etwa neunzig Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Sie verstehen es Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit durch das Weltall zu unternehmen. Ein Flug zur Erde dauert etwa acht Monate nach unserer irdischen Zeitrechnung. Nirbelaja ist der Erde sehr ähnlich, wir können also ohne Probleme hier auf dem Planeten leben. Und umgekehrt können natürlich die Nirbeljaner auch ohne Probleme auf der Erde leben. Vor etwa dreißig Jahren entdeckte eine ihrer Expeditionen die Erde und sie errichteten auf ihr einen Stützpunkt, eine Erdstation, die aber uns Erdenmenschen verborgen blieb. Ihr Raumschiff flog weiter, eine kleine Mannschaft blieb zurück. Sie erkundeten die Erde und ihre Tierwelt, ihre Bewohner. Das Forschungsprogramm war auf zwanzig Erdenjahre, die auch etwa zwanzig Nirbelajajahren entsprechen, angelegt. Gegen Ende der Zeit sammelten sie noch einige Erdenmenschen ein, die sie mitnehmen wollten um sie bei der Auswertung der auf der Erde gesammelten Daten zu unterstützen. Doch dann geschah das Unglück. Das Raumschiff, das die Mannschaft und die Ausrüstung abholen sollte, wurde zwischen Mars und Erde von einem kleinen Mereoriten getroffen. Es entstand zwar kein großer Schaden, aber es wurde leck geschlagen und es gelang nicht das Leck abzudichten. Das bedeutete allerdings, daß nur in einem kleinen Bereich des Raumschiffs Druck und Sauerstoffversorgung aufrecht erhalten werden konnte. An eine Rückführung des gesamten Personals der Erdstation und der Ausrüstung war nicht zu denken. Im Gegenteil, es mußte ein Teil der Mannschaft zurückgelassen werden. Der auf der Erde answesende Direktor des Zentralinstituts für Weltraumforschung erreichte allerdings, daß er und zwei seiner Assistenten mitgenommen wurden. Auch Bodo, der bereits länger Kontakt mit den Nirbeljanern hatte und mittlerweile schon eine recht enge Beziehung zu ihnen unterhielt, das soll er dir aber selbst erzählen, durfte mitkommen und da er nicht alleine sein wollte, nahmen sie mich auch mit. Wir nutzten dann die Zeit um die zukünftige Arbeit der Erdenmenschen im Zentralinstitut für Weltraumforschung vorzubereiten.“

Sie pausierte kurz.

„Ich sollte der Vollständigkeit halber noch sagen, daß wegen des Schadens der Flug nach Nirbelaja natürlich viel länger dauerte als üblich, er nahm fast drei Jahre in Anspruch. Und dann explodierte das Raumschiff während der Reparatur in der Nirbelajaumlaufbahn aus unbekannten Gründen. Da kein Ersatz vorhanden war, mußte auf die Ankunft eines zweiten Raumschiffs, das auch auf einer Weltraumexpedition unterwegs war, gewartet werden. Und so dauerte es elf Jahre bis die Mannschaft von der Erde abgeholt werden konnte.“

„Und was geschah eigentlich mit den Menschen, die sie auf der Erde eingesammelt hatten.“

„Das wurde diskutiert. Aber da sie mit einem Teil von ihnen schon Kontakt aufgenommen hatten, wollte man sie nicht freilassen, auch nicht nach Auslöschung des Gedächtnisses. Sie waren ja immerhin einige Zeit verschwunden gewesen und man fürchtete, dies könnte Nachforschungen auslösen, wenn es bekannt werden würde und zur Entdeckung der Erdstation führen. Deshalb wurde beschlossen, sie in Tiefschlaf zu versetzen.

Aber da gab es Pannen, auch deswegen, weil man keine Erfahrungen mit so langen Tiefschlafperioden hatte. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Menschen starb. Daher wurde dann vor Abflug erneut eine Anzahl von Menschen eingesammelt.“

Wichita lachte.

„Das hat schon zu Verwirrungen geführt, so bei dem Verteidigungsminister, den Otto gar nicht kannte. Warum habt ihr eigentlich den mitgenommen?“

Carola grinste.

„Das war einer von Bodos Scherzen. Aber das wird er euch selbst sagen.

Jetzt habe ich dir erzählt, was du vorerst wissen mußt. Wir bleiben in Kontakt. Bodo und ich wollen uns allerdings vorerst noch nicht im Lager zeigen. Und noch eines. Du brauchst nicht weiter zu gehen. Es gibt nur einen Weg aus dem Kessel und der liegt auf der anderen Seite. Und ich denke, Otto hat ihn sicher bereits gefunden.“

Carola verabschiedete sich dann.