Phantasiewelten - Fritz Peter Heßberger - E-Book

Phantasiewelten E-Book

Fritz Peter Heßberger

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Beschreibung

Auf der Fahrt von Algier nach Timbuktu verunglückt der Reisebus. Laura und Peter finden sich am folgenden Morgen in einem geheimnisvollen Palast in der Wüste wieder. Ein undurchsichtigerMann namens Alessandro, erklärt ihnen, sie hätten eine 'Mission' zu erfüllen, doch sie erfahren nicht, worin diese Mission besteht. Wotan besucht die Erde, schließt Bekanntschaft mit Thomas, verstrickt ihn in einige Abenteuer, bringt ihn in unangenehme Situationen. Thomas lernt durch Wotan aber auch die attraktive Journalistin Emanuela kennen, mit der er angenehme Stunden verbringt. Jürgen stößt während einer Fahrradtour auf einen ausgedehnten Talkessel, der auf keiner Landkarte verzeichnet ist, in dem die Nachfahren einer Gruppe Goten leben, die nach Untergang des Gotenreiches nach Norden flohen. Er lernt die Lehrerin Annette kennen, er verliebt sich in sie. Nach drei Tagenn muß er sie verlassen. Er verspricht wiederzukommen. Doch er findet den Talkessel nicht mehr. Ein Gruppe von Frauen flieht aus der 'Verastiristischen Republik Eutorischja' ins Nachbarland um einer Verhaftung wegen Mitwirkungin 'unzüchtigen' Filmen zu entgehen. Dort werden sie wegen 'illegaler Einreise' zu einer halbjährigen Dienstpflicht verurteilt, finden aber in der Zeitihre Lebenspartner.

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Inhalt

1. Der Palast in der Wüste

2. Wotan

3. Das geheimnisvolle Tal

4. Eutorischja

Personen und Handlung der Erzählungen sind frei erfunden.

Irgendwelche Übereinstimmung der Namen der handelnden Personen mit lebenden oder verstorbenen Personen oder geschichtlichen Ereignissen wären rein zufällig

Der Autor:

Fritz Peter Heßberger, Jahrgang 1952, geboren in Großwelzheim, heute Karlstein am Main, studierte Physik an der Technischen Hochschule Darmstadt; 1985 Promotion zum Dr. rer. nat.; von 1979 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2018 als wissenschaftlicher Angestellter in einer Großforschungsanlage tätig.

Der Palast in der Wüste

Der Unfall

Etwas gelangweilt saß Peter in dem einigermaßen komfortablen Reisebus, der über eine holprige Wüstenpiste in Richtung Timbuktu rollte. Abwechselnd las er in einem Buch, Adalbert von Chamissos 'Reise um die Welt', das nicht gerade zu der Landschaft paßte, die sie durchquerten oder hörte Musik mittels seines alten MP3 – Spielers. Er hatte in einem Preisausschreiben eine sogenannte 'Abenteuerreise' gewonnen, die aus zwei Etappen bestand, einer in Genua startenden Kreuzfahrt, welche über Barcelona, Valencia, Alicante und Oran nach Algier führte und einer Busfahrt durch die Sahara von Algier über Timbuktu, wo ein dreitägiger Aufenthalt vorgesehen war, nach Bamako. Von dort aus sollte der Rückflug, mit Zwischenaufenthalt in Casablanca, nach Frankfurt erfolgen. Der Gewinn war ihm anfangs wegen der Unruhen in Mali etwas unangenehm gewesen. Auf dem Reisebüro wurde ihm allerdings das Versprechen gegeben, die geplante Route sei sicher. Die Bedenken wurden dadurch zwar nicht ausgeräumt, aber es sollte ja eine Abenteuerreise sein und so sah er sich schon im Kampf gegen die islamistischen Rebellen oder auf der Flucht durch die Wüste, wenn er vor sich hindöste, weil er zu müde zum Lesen war oder keine Lust hatte Musik zu hören. Der Reisebus war eine Spezialkonstruktion, trotz seiner Größe geländegängig, also den Straßenverhältnissen gut angepaßt. Etwa vierzig Reisende waren in ihm unterwegs, unterteilt in zwei Klassen. Die Passagiere Erster Klasse saßen vorn, ihr Bereich war durch Plexiglasscheiben zum Fahrer und den Sitzen des Ersatzfahrers und der beiden Reisebegleiter, sowie zu den Passagieren der Zweiten Klasse abgetrennt. Zwischen den Sitzreihen befand sich allerdings ein schmaler Durchgang. Zehn Personen reisten Erster Klasse, darunter eine Gruppe von vier Männern und drei Frauen, vermutlich ein Film- oder ein Phototeam, denn bei jedem Stopp wurden ein Umkleidezelt für die Frauen, offenbar Photomodelle, aufgebaut und ausgiebig Modeaufnahmen gemacht. Dies führte bei einigen Mitreisenden zu einer gewissen Verärgerung, weil dadurch ihrer Meinung nach die Aufenthalte unnötig in die Länge gezogen wurden und sie in der prallen Sonne oder im stickig heißen Bus warten mußten, denn die Klimaanlage war bei Stopps ausgeschaltet. Die Mitglieder dieser Gruppe störten sich nicht am Unmut der anderen, sie beachteten sie nur wenig, pflegten auch keinerlei Umgang oder Unterhaltung mit ihnen. Abends wurden Zelte aufgebaut. Auch hier gab es zwei Arten, größere, mit Feldbetten ausgestattete Zelte für jeweils zwei Personen für die Passagiere Erster Klasse und kleinere für die Reisenden Zweiter Klasse. Hier mußten sich jeweils vier Leute ein Zelt teilen und in Schlafsäcken auf dem Boden liegen. Die Zelte waren geschlossen, das heißt, Boden und Zeltwand waren miteinander verbunden, so daß Schlangen, Skorpione und anderes Getier nicht eindringen konnte. Es erübrigt sich fast zu erwähnen, daß die Zelte der Passagiere Erster Klasse von den Reisebegleitern errichtet wurden, die Passagiere Zweiter Klasse ihre Zelte selbst aufbauen mußten. Einmal waren sie auch ohne zu biwakieren die Nacht hindurch gefahren, die Passagiere der Zweiten Klasse mußten im Sitzen schlafen, da nur in der Ersten Klasse die Sitze zu Liegesitzen ausgeklappt werden konnten.

Sie hatten bereits die malische Grenze überquert, gegen Mittag das Städtchen Tessalit passiert. Am späten Nachmittag durchfuhren sie eine breite Schlucht. Der Bus mußte allerdings bald seine Geschwindigkeit drastisch reduzieren, da die Straße von Steinen übersät war. Plötzlich war ein lautes Krachen zu hören. Ein Felsblock schlug in den vorderen Teil des Busses ein, zertrümmerte ihn vollkommen, während der hintere Teil, in dem Peter saß, völlig unbeschädigt blieb. Das Fahrzeug selbst schwankte bei dem Aufschlag, kippte aber nicht um. Nachdem sich die Passagiere von ihrem ersten Schrecken erholt hatten, verließen sie fluchtartig den Bus. Die meisten standen dann draußen, schwiegen starr vor Entsetzen. Einige beherzte, darunter Peter, kletterten in den Bus um die Verletzten zu bergen. Eine der Frauen aus der Film-Photo-Gruppe, eine dunkelhäutige Schönheit, schrie hysterisch. Sie hatte sich ein Getränk aus dem Kühlschrank geholt, der hinten in einer Art unterem Stockwerk neben der Toilette stand und über eine Treppe erreicht werden konnte. Sie befand sich gerade auf dem Rückweg zu ihren Platz als der Felsblock einschlug. Die anderen aus der Gruppe waren unter den Toten, sie selbst blieb unverletzt. Insgesamt hatte das Unglück zwanzig Todesopfer gefordert, darunter die beiden Fahrer und die beiden Reisebegleiter, fünf Personen waren schwerverletzt, der Rest hatte nur unwesentliche Blessuren davon getragen oder war wie Peter unverletzt geblieben.

Man beriet nun kurz, was zu tun sei. Es wurde beschlossen den Laderaum aufzubrechen, Schlafsäcke, Feldbetten und die Zelte herauszunehmen und letztere aufzubauen. Man fand auch Verbandszeug, Medikamente und Wunddesinfektionsmittel, so daß eine mitreisende Krankenschwester die Verwundeten zumindest notdürftig versorgen konnte. Man legte die Verletzten dann in die Zelte auf die Feldbetten. Alle versuchten natürlich mit ihren Mobiltelefonen Verwandte oder Freunde anzurufen und diese um Hilfe zu bitten. Die meisten mußten allerdings feststellen, daß sie keine Netzverbindung hatten. Viele wußten auch gar nicht, wo sie sich befanden. Auch hatten die Angerufenen meist keine Ahnung, wen sie nun um Hilfe bitten sollten. Peter hatte auch keine Netzverbindung. Er öffnete seinen Rucksack, nahm eine Karte heraus, setzte sich auf einen Felsblock, entfaltete sie, begann sie genau zu studieren.

„Hast du herausgefunden, wo wir sind?“ sprach ihn jemand an.

Peter blickte auf. Es war Jeff, ein Amerikaner. Er kannte ihn ein wenig. Sie hatten bisher im gleichen Zelt übernachtet.

„So ungefähr; vor vier Stunden haben wir Tessalit passiert. Wir sind nicht allzu schnell gefahren, haben zwischendurch auch eine kurze Pause eingelegt. Ich schätze einmal, wir befinden uns achtzig Kilometer südlich von Tessalit, also hier.“

Er zeigte auf die Karte. Jeff betrachtete sie, insbesondere die am Kartenrand angegebenen Koordinaten.

„Ja, das könnte hinkommen. Mein Navi zeigt 19030' nördlicher Breite an. Ich habe bereits einen Hilferuf abgesetzt, werde jetzt noch einmal die Koordinaten bestätigen.“

Er grinste.

„Die meisten hier führen sich doch auf wie aufgeschreckte Hühner, rufen Freunde in New York oder Berlin an. Die meisten von denen wissen wahrscheinlich gar nicht einmal wo Mali überhaupt liegt.“

Peter lächelte.

„Du hast das wahrscheinlich besser gemacht.“

„Na klar, ich habe mir vor Reiseantritt die Nummer der amerikanischen Botschaft, Notfallservice, in Bamako besorgt. Und an die habe ich meine Meldung abgesetzt.“

Peter grinste.

„Hoffentlich können die etwas mit den Koordinaten anfangen oder wissen, wo Tessalit liegt.“

„Du hältst uns Amerikaner wohl für blöd. Das ist aber für euch Krauts, zumindest für die Intelligenten unter euch, typisch.“

Es dunkelte rasch. Es fand sich etwas Holz, genug um ein Lagerfeuer zu entfachen. Man nahm das Abendessen ein, unterhielt sich. Die Stimmung schwankte zwischen Euphorie und Depression. Typisch dafür war folgende Szene.

„Wenn alle Stricke reißen“, sagte einer, „dann können wir ja den nächsten, der hier vorbeikommt, bitten Hilfe zu holen.“

Worauf ein anderer anmerkte.

„Wahrscheinlich sind wir bis dahin alle verdurstet.“

Peter hielt nach der dunkelhäutigen Schönheit Aussicht. Sie hatte sich inzwischen wieder beruhigt, saß abseits. Die Film-Photo-Gruppe hatte bisher auf die Passagiere Zweiter Klasse herabgesehen, jeden Kontakt abgelehnt. Das rächte sich jetzt. Niemand kümmerte sich um sie.

Gegen acht Uhr meldete sich Jeff zu Wort.

„Tolle Nachricht, Leute. Unsere Jungs sind fix. In Timbuktu wird bereits ein Hilfszug zusammengestellt. Er wird noch vor Mitternacht aufbrechen und gegen Mittag hier eintreffen. So lange müssen wir eben noch aushalten. Aber das ist doch kein Problem?“

Die Menschen legten sich getrost schlafen.

Der geheimnisvolle Palast

Peter erwachte in einem weichen Bett, trug noch seine Unterwäsche.

„Habe ich unsere Rettung nicht mitbekommen? Wo bin ich eigentlich?“ fragte er ich.

Verwundert schaute er sich um. Das Zimmer wirkte äußerst komfortabel. Auf einem Sessel lagen seine Oberkleidung und sein Rucksack. Er erhob sich, lief erst einmal zum Fenster. Das Haus stand offenbar in einem größeren, fast parkähnlichem Garten, der von einer Buschreihe begrenzt wurde. Dahinter erstreckte sich die Wüste. Dann schaute er sich im Zimmer um. Eine Sitzgarnitur, bestehend aus einem kleinen Tisch und drei Sesseln, auf einem von ihnen lagen seine Sachen, ein Sofa, ein Fernsehapparat, ein Schreibtisch, ein Kleiderschrank. Darin befanden sich einige Hosen, Hemden, Unterwäsche, Socken und Schuhe. Abgetrennt vom übrigen Raum gab es in einer Nische einen Kühlschrank und eine Anrichte, auf der eine Kaffeemaschine sowie einige Kaffeepads und Tütchen Zucker, zwei Tassen mit Untertellern und Löffeln standen. Im Kühlschrank erblickte er zahlreiche Getränkeflaschen, Bier, Wein, verschiedene Fruchtsäfte, Wasser, sowie einige kleine Dosen mit Kondensmilch. Eine Tür führte ins Badezimmer, in dem sich auch eine Toilette befand. Er beschloß erst einmal zu duschen. Danach ging er zum Kleiderschrank.

„Die Sachen sind offensichtlich für mich gedacht“, sagte er sich, „alles andere würde ja auch keinen Sinn machen.“

Er zog sich an, Kleidung und Schuhe paßten. Dann untersuchte er seinen Rucksack. Bargeld, Kreditkarte, Reisepaß, Impfbuch, Reiseunterlagen, die Landkarte, alles war vorhanden. Er nahm ihn zu sich, verließ dann das Zimmer. Der Flur, in dem sich Türen zu drei weiteren Räumen befanden, führte zu einer Galerie. Über eine Treppe gelangte er nach unten in eine kreisrunde Halle, die ihn an eine Hotellobby, allerdings ohne Empfangsschalter, erinnerte. Von da aus konnte man in einen Hof, in zwei Flure, auf eine Terrasse und in eine Küche gelangen. Da er hungrig war, suchte er erst einmal die Küche auf. Sie war mit einem Kühlschrank, einer Spülmaschine, einem Herd, einem Mikrowellenofen, einem Backofen, einem Schrank, der Geschirr, Töpfe, Besteck und auch Lebensmittel, die keiner Kühlung bedurften und einer Spüle ausgestattet. Auf einer kleinen Anrichte standen eine Kaffeemaschine, ein Wasserkocher, ein Toaster und ein Eierkocher. Weißbrot fand er im Schrank, Wurst, Käse, Margarine, Erdnußbutter, Eier, Marmelade im Kühlschrank.

„Das sind doch genau die Sachen, die ich morgens mag“, sagte er sich.

Er bereitete sich erst einmal ein Frühstück zu, begab sich dann auf die Terrasse, ließ sich an einem der dort stehenden Tische nieder, begann zu essen.

„Wenn ich nur wüßte, wo ich gelandet und wie ich hierher gekommen bin. Es ist alles so komfortabel hier. Das scheint so ein richtiges Nobelhotel zu sein. Seltsam ist nicht nur, daß ich nicht weiß wie ich hierher gekommen bin, sondern auch, daß außer mir offensichtlich niemand anwesend ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle anderen noch schlafen. Es ist doch bereits kurz nach neun Uhr. Und außerdem muß es doch auch Personal geben.“

Was blieb ihm aber anderes übrig als gelassen zu sein.

„Nun, schlecht habe ich es nicht getroffen“, resümierte er schließlich, „warten wir ab, was geschieht.“

Nach einiger Zeit trat eine Frau hinzu, die dunkelhäutige Schönheit aus der Film-Photo-Gruppe.

„Guten Morgen“, grüßte sie freundlich, „darf ich mich zu Ihnen setzen?“

Peter wunderte sich über diese Frage, da die Mitglieder dieser Gruppe bisher jeden Kontakt mit den anderen gemieden hatten, dachte aber auch, er könnte von der Frau vielleicht Näheres über die Umstände erfahren, die ihn hierher verschlagen hatten. Er antwortete daher.

„Selbstverständlich, bitte nehmen Sie Platz. Mein Name ist Peter.“

Sie setzte sich.

„Ich heiße Laura, schön, endlich hier einmal einen Menschen zu treffen. Sie gehörten doch auch der verunglückten Reisegruppe an. Können Sie mir sagen, wie wir hierhergekommen sind und wo sich die anderen befinden?“

„Tut mir leid, ich weiß es nicht. Ich schlief gestern Abend in einem Zelt ein, erwachte dann heute Morgen in diesem Palast in einem komfortablen Zimmer. Wie ich hierhergekommen bin, das weiß ich nicht. Und Sie wissen es sicher auch nicht, wie ich Ihrer Frage entnehme.“

„Nein, ich schlief gestern Abend in einem Zelt ein, erwachte heute Morgen in diesem Palast in einem komfortablen Zimmer, wahrscheinlich ähnlich Ihrem Zimmer. Es gab da sogar einen Schrank, in dem zahlreiche hübsche Kleider, Hosen, Blusen, Unterwäsche, Schuhe und so weiter aufbewahrt waren. Und alle Sachen paßten. Bei Ihnen war es offenbar ähnlich, denn Sie tragen nicht die Sachen, die Sie im Reisebus anhatten. Man könnte daraus schließen, daß sie hier auf unsere Ankunft vorbereitet waren, uns also erwarteten.“

Peter runzelte die Stirn.

„Also uns gezielt entführten, denn weitere Personen aus der Reisegruppe sind offenbar hier nicht anwesend.“

„Ja, das habe ich mich auch schon gefragt. Nun ja, ich duschte erst einmal, zog mich an, ging nach unten, vernahm den Duft von frischem Kaffee, fand die Küche, bereitete mir ein Frühstück zu, sah dann Sie auf der Terrasse sitzen, aber sonst keinen Menschen. Es müßte doch Personal geben und, falls wir wirklich entführt wurden, auch Wachen.“

„Mir ist das alles unklar. Möglicherweise wurden wir entführt um ein Lösegeld zu erpressen. aber warum haben sie dann mich genommen. Ich bin Physiker, arbeite in einen Forschungslabor in Deutschland. Ich habe nur eine mittelmäßige Stelle. Ich bin nicht reich. Die Reise habe ich in einem Preisausschreiben gewonnen. Viel Lösegeld können sie von mir nicht erhalten.“

„Sie sagten, sie arbeiten in einem Forschungslabor. Vielleicht sind sie an Ihrem Wissen interessiert, kennen vielleicht irgendwelche geheimen Produkte, die noch nicht im Handel erhältlich sind und die sie nun vermarkten wollen. Vielleicht haben Sie Kenntnisse über neue und geheime Waffen.“

Peter schüttelte den Kopf.

„Nein, nein, ich habe reine Grundlagenforschung betrieben. Mit meinem Wissen ist mit Sicherheit kein großes Geld zu verdienen. Und wie sieht es bei Ihnen aus?“

„Bei mir sieht das ähnlich aus. Ich bin Filmschauspielerin, aber kein großer Star. Ich besitze auch nicht so viel Geld, daß sich eine Entführung lohnt. Wissen Sie, Carlo, ein Regisseur, mit dem ich schon einige Filme gedreht habe, rief mich vor vier Wochen an, sagte, er wolle eine Fahrt durch die Sahara nach Timbuktu unternehmen um Ausschau nach möglichen Kulissen für einen neuen Film zu halten. Er sagte, er handele von einem jungen Franzosen, der so vor einhunderfünfzig Jahren wegen eines Vergehens, er war natürlich das Opfer einer Intrige, in ein Straflager in Algerien eingeliefert wurde. Er konnte entkommen, floh in die Wüste, wurde von Tuaregs aufgegriffen und in Timbuktu als Sklave an einen reichen Handelsherrn verkauft. Während einer Handelsreise rettete er ihm bei einem Überfall von Räubern das Leben, wurde reich belohnt, erhielt seine Freiheit, eine große Geldsumme und eine hübsche Sklavin zur Frau. Carlo bot mir auch gleich die weibliche Hauptrolle an, fragte, ob ich Lust hätte mitzukommen. Er sagte auch, es reisten zwei ihm bekannte Photographen und zwei Models zu Modeaufnahmen in einer Wüstenkulisse und in Timbuktu mit. Sie hätten auch Interesse an mir als Model. Ich hatte Bedenken, fragte ihn 'Timbuktu? Das liegt doch in Mali. Ist das nicht gefährlich wegen der Unruhen dort?' Er antwortete 'ach, nein, die Gegend, durch die wir fahren, ist sicher. Ich habe mich genau erkundigt. Glaubst du etwa, ich würde durch ein Rebellengebiet fahren wollen? Nein, sei ganz beruhigt.' Ich willigte dann ein. Die Fahrt in der Ersten Klasse verlief ja auch ruhig, war eher langweilig. Es gab ja auch keine Abwechslung außer einige Unterbrechungen für Photoaufnahmen. Wir blieben ja auch unter uns, hatten kein Interesse an Kontakten mit anderen Reisenden. Alles war langweilig, bis gestern. Ich hatte mir gerade ein Getränk aus dem Kühlschrank geholt, befand mich auf dem Rückweg, als ich ein Krachen hörte und ein Felsblock den vorderen Teil des Busses zertrümmerte. Ich überlebte als einzige aus unserer Gruppe. Den Rest kennen Sie ja. Wir hatten bisher jeden Kontakt zu den anderen Reisenden vermieden und nun mieden sie mich. Ich bekam zu Essen und zu Trinken, einen Schlafplatz zugewiesen. Ich legte mich dann auch bald hin, da ich nicht bei den anderen am Feuer sitzen wollte. Die hätten mich ja ohnehin geschnitten. Und dann erwachte ich hier.“

Sie nahm einen Schluck Kaffee.

„Vielleicht handelt es sich auch um islamistische Rebellen. Sie sind Deutscher, ich habe auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Es könnte sein, daß sie unsere Regierung erpressen wollen, um Geld oder auch um den Abzug der Bundeswehr aus Mali zu erzwingen.“

„Die Forderung nach Geld könnte ich verstehen, aber Abzug der Bundeswehr? Die richtet hier doch ohnehin nicht viel aus. Aber jetzt im Ernst. Würden islamistische Rebellen uns hier so komfortabel unterbringen und uns unbewacht lassen?“

„Nein, das kann ich mir jetzt nicht vorstellen. Es könnte natürlich auch sein, daß das Gelände so gesichert ist, daß wir gar nicht herauskommen.“

„Es gibt da noch etwas, das gegen islamistische Rebellen spricht, die alkoholischen Getränke im Kühlschrank, sowie dieser durch und durch europäisch wirkende Palast mitten in der Wüste. Wer mag ihn erbaut haben, wem gehört er?“

„Sind Sie sicher, daß er wirklich mitten in der Wüste liegt? Ich konnte von meinem Fenster aus nur in eine Richtung schauen. Ich sah in der Tat nichts anderes als Wüste. Aber wie sieht es auf der anderen Seite aus? Vielleicht steht der Palast am Rande einer Stadt.“

„Das habe ich jetzt auch noch nicht überprüft. Schauen wir einfach nach. Ach, übrigens, bevor wir gehen, ich habe da noch etwas. Also, wenn wir hier schon die einzigen sind, dann können wir uns auch duzen. Oder ist Ihnen das nicht recht?“

„Nein, ganz und gar nicht. Ich bin nicht so förmlich.“

Sie brachten das Geschirr in die Küche zurück, gingen nach draußen. Der Palast lag in der Tat in einem parkähnlichen, sehr gepflegten Garten, in dem sich auch ein Swimming Pool befand. Er wurde durch eine dichte, mehr als zwei Meter hohe Buschreihe begrenzt, die keinen Blick nach außen zuließ. Lediglich an einer Stelle wurde sie durch ein etwa vier Meter breites Tor unterbrochen, das etwa die gleiche Höhe wir die Buschreihe besaß und ebenfalls keinen Blick nach außen gestattete. Das Tor war verschlossen. Ein gepflasterter Weg führte von ihm aus zu einem größeren Schuppen, der offensichtlich auch als Garage diente. Er war ebenfalls verschlossen, Fenster gab es nicht.

„Schauen wir uns im Haus um“, schlug Laura vor.

Sie gingen zurück, stiegen die Treppe hoch. Sie fanden bald eine zweite Treppe, die weiter nach oben führte, nach zwei weiteren Stockwerken schließlich in einer kleinen Kabine endete, von der aus eine Dachterrasse betreten werden konnte. Die Tür war nicht verschlossen. Von hier oben aus hatten sie einen herrliche Blick in die Ferne, sahen aber nichts außer Wüste.

„Es sieht tatsächlich so aus als seien wir in einem Luxusgefängnis eingeschlossen“, bemerkte Laura.

„Wir könnten natürlich über das Tor klettern. Aber wer weiß, wie weit der nächste Ort entfernt ist, fünfzig Kilometer, hundert Kilometer? Und in welcher Richtung liegt er?“

„Vielleicht führt eine Straße dorthin?“

„Aber fünfzig Kilometer oder mehr bei glühender Hitze duch die Wüste marschieren? Das ist hart.“

„Wieso denn? Die Beduinen legen viel größere Strecken in der Wüste zurück.“

„Wir sind aber keine Beduinen.“

„Und nachts?“

„Ich weiß nicht, ob wir die Strecke bis zur nächsten Ortschaft in einer Nacht schaffen. Die Straße ist vermutlich auch nur eine unbefestigte Piste. Wir haben außerdem kein Licht, können in der Dunkelheit von ihr abkommen und uns dann erst recht verirren. Zudem brauchen wir feste Stiefel. Mit den leichten Schuhen können wir unmöglich durch die Wüste laufen.“

„Und was schlägst du vor?“

„Abwarten und gelassen bleiben.“

Alessandro

„Das ist auch das beste, was Sie tun können.“

Eine Stimme schreckte die beiden auf, sie drehten sich um, erblickten einen gut gekleideten Herrn, schlank, mittelgroß, vielleicht fünfzig Jahre alt. Er war ein Weißer. Er lächelte.

„Ach, bitte erschrecken Sie doch nicht. Niemand will Ihnen etwas zuleide tun, ganz im Gegenteil. Fühlen Sie sich hier wie zuhause und genießen Sie den Aufenthalt. Der nächste Ort liegt übrigens zweiundsiebzig Kilometer von hier entfernt. Er ist ein kleines, armseliges Nest, in dem Sie keine Unterkunft finden werden. Fühlen Sie sich also als meine Gäste.“

„Und wer sind Sie?“ fragte Laura.

„Ach, das spielt doch gar keine Rolle“, er grinste, „warum wollen Sie das wissen? Es nutzt Ihnen nichts. Ich könnte Sie ja auch anlügen, sagen ich sei Dr. No. Nennen Sie mich einfach Alessandro.“

„Und warum halten Sie uns hier gefangen?“ wollte Peter wissen, „und was ist das überhaupt für ein geheimnisvolles Anwesen mitten in der Wüste?“

Alessandro verzog das Gesicht.

„Gefangen, was ist denn das für ein häßlichen Wort! Sie sind meine Gäste, keine Gefangenen. Und mein Anwesen ist keineswegs geheimnisvoll. Es ist weithin sichtbar und ich habe es hier erbaut, weil es mir so gefiel.“

„Aber Eure Gastfreundschaft genießen wir nicht freiwillig. Wir wurden hierher entführt“, bekräftigte Laura.

„Entführt! Am Ende sagen Sie noch 'verschleppt'! Schon wieder solch häßliche Worte. Wurde Ihnen etwa Gewalt angetan?“

„Wir sind“, entgegnete Peter, „ich weiß nicht wie weit von hier, in einem Zelt eingeschlafen und hier in einem Zimmer aufgewacht. Wir sind nicht freiwillig hierhergekommen.“

„Seien Sie bitte präzise“, erklärte nun Alessandro, „Sie beide sind keineswegs in einem Zelt eingeschlafen und in einem Zimmer erwacht, sondern in unterschiedlichen Zelten und in unterschiedlichen Zimmern. Und daß Sie sich hier befinden, liegt daran, daß ich Sie eingeladen habe.“

„Verschiedene Zelte, verschiedene Zimmer! Das sind doch jetzt Haarspaltereien. Von einer Einladung habe ich nichts mitbekommen.“

„Das konnten Sie ja auch nicht, da Sie geschlafen haben.“

„Was soll denn diese Haarspalterei schon wieder?“ dachte Peter, „worauf will der Kerl eigentlich hinaus?“

Er kam allerdings zur Überzeugung, daß ein Konfrontationskurs nichts bringen würde, setzte daher eine freundliche Miene auf.

„Verzeihen Sie bitte, wir mögen zwar unhöflich erschienen sein. Unser Besuch hier, ich denke, ich kann auch für Laura sprechen, kam so überraschend, so unvermittelt, daß wir zugebenermaßen leicht verwirrt sind. Wir bedanken uns natürlich für Ihre Gatfreundschaft, möchten sie aber nicht über Gebühr in Anspruch nehmen.“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich verstehe Sie voll und ganz. Auch für mich kam all dies überraschend. Gestern um diese Zeit wußte ich noch gar nicht, daß Sie zu Besuch kommen werden. Aber, auch wenn Ihnen die Situation ungewöhnlich erscheint, Sie sind doch intelligent und geistig flexibel. Sie werden sich rasch an die veränderte Lage gewöhnen. Sie werden meine Gastfreundschaft auch nicht länger als erforderlich in Anspruch nehmen“, er lächelte, „sagen wir, bis ihre 'Mission', so möchte ich es einmal nennen, erfüllt ist.“

„Sie haben sich jetzt sehr undeutlich ausgedrückt“, wandte Laura ein, „was bedeutet konkret 'nicht länger als erforderlich'? Und was ist unsere 'Mission'?“

„Das sind zwei Fragen, die miteinander verwoben sind. Was Ihre 'Mission' ganau ist, das werden Sie zu gegebener Zeit erfahren. Wie lange es dauert sie zu erfüllen, das hängt von Ihrer Kooperationsbereitschaft ab und natürlich auch von meinen sonstigen Terminen und Verpflichtungen. Ich denke, vielleicht zwei oder maximal drei Wochen, sicher nicht länger. Es liegt mir ja auch fern, sie unnötig aufzuhalten und ich werde Sie daher kontaktieren wann immer mir es wegen meiner anderen Termine möglich ist. Genießen Sie einfach die übrige Zeit. Sie müssen sich auch nicht langweilen. Ihre Zimmer sind mit einem Fernsehapparat und einer Stereoanlage ausgestattet. Es gibt eine kleine Bibliothek, in der sich auch Musik - CDs und Film - DVDs befinden. Filme können Sie sich auch auf einem Großbildschirm im Kinosaal anschauen. Im Keller finden Sie auch einen Fitness – Raum mit zahlreichen Sportgeräten. Und draußen gibt es neben dem Swimming Pool auch einen Tennisplatz.“

Er grinste.

„Und außerdem, Sie sind doch nicht allein, eine gesunde Frau und ein gesunder Mann. Sie werden doch sicher etwas miteinander anzufangen wissen. Und niemand wird sie dabei stören.“

„Das ist ja alles schön und gut, aber bereits zwei Wochen sind recht lang“, entgegnete Laura, „die anderen aus der Reisegruppe werden uns sicherlich bereits vermissen. Sie werden uns suchen oder es werden Suchtrupps ausgesandt. Auch haben wir bereits die Rückflüge, Peter nach Frankfurt und ich nach Rom gebucht. Ja, und was ist mit der Reisegruppe? Sie befindet sich doch offensichtlich nicht hier. Warum haben Sie nur uns beide als 'Gäste' in Ihrem Palast aufgenommen?“

„Das sind viele Fragen, die ich Ihnen leider jetzt nicht im Detail beantworten kann, da ich mich zu meinem Bedauern nun von Ihnen verabschieden muß. Ich habe ja, wie ich bereits erwähnte, noch andere Verpflichtungen. Deshalb nur kurz. Sie wurden ausgewählt, weil sie für die 'Mission' die geeignetsten sind. Den anderen Reiseteilnehmern geht es gut. Der Hilfszug wird gegen Mittag am Unglücksort eintreffen. Und was den Rest betrifft, da müssen Sie sich keine Sorgen machen, das ist alles arrangiert.“

Er verabschiedete sich, wollte gehen.

„Eine Frage noch“, meinte Peter, „das Anwesen hier ist doch recht groß. Zu seiner Unterhaltung ist sicherlich Personal erforderlich. Und wenn wir längere Zeit hierbleiben sollen, dann brauchen wir auch Lebenmittel und Getränke.“

Alessandro lächelte.

„Sie haben Probleme! Natürlich gibt es hier Personal. Es wird für Nahrungsmittel und Getränke sorgen, Ihre Wäsche und auch Ihre Zimmer reinigen. Es erledigt aber seine Arbeit sozusagen im Verborgenen. Es wäre Ihnen doch sicher lästig, wenn Ihnen ständig Zimmermädchen, Putzfrauen, Köchinnen, Gärtner oder Hausmeister über den Weg laufen würden.“

Er wandte sich nun um, ging.

„Jetzt bin ich genau so schlau wie vorher“, begann Laura als sie alleine waren, „was bedeutet das denn alles? Mission? Welche Mission denn? Und was heißt, wir seien ausgewählt? Warum gerade wir? Also, an mir ist jetzt nichts Besonderes dran. Und wie sieht das bei dir aus? Sei ehrlich. Und was heißt, alles ist arrangiert?“

Peter atmete tief durch.

„Hm, woher soll ich das wissen. Ich habe doch auch keine Ahnung, was hier für ein Spiel getrieben wird, was hier vorgeht. Aber laß uns einmal überlegen. Was diese Mission betrifft, kann ich mir zwar nicht vorstellen, was das sein soll, aber sie brauchen hierfür offenbar zwei Menschen, eine Frau und ein Mann, die intelligent und geistig flexibel sind, aber ansonsten nicht unbedingt über spezielle Fachkenntnisse auf irgendeinem Gebiet verfügen müssen. Auch besondere handwerklichen Fähigkeiten benötigen sie offenbar nicht. Ich bin wirklich einmal gespannt, was diese 'Mission' sein soll. Was 'alles arrangiert' bedeutet, so stelle ich mir vor, daß sie nach Beendigung der 'Mission' unseren Transport nach Timbuktu, Bamako, vielleicht auch Algier organisieren und auch die Rückflüge entsprechend umbuchen.“

„Das macht Sinn. Und denkt man konsequent weiter, dann werden sie unser Verschwinden gegenüber der Reisegruppe erklären oder haben es bereits getan. Und sie werden auch dafür sorgen, daß wir keine beruflichen Nachteile zu erwarten haben wenn wir später als geplant nach Hause zurückkehren, daher Termine nicht wahrnehmen können oder du verspätet aus dem Urlaub zurückkehrst.“

„Das ist wirklich konsequent gedacht. Aber, wer auch immer hinter der Sache steckt, sie müssen die Macht und den Einfluß haben, solches zu arrangieren und durchzusetzen.“

Laura grinste.

„Vielleicht haben sie auch die Fähigkeit, die Zeit anzuhalten oder zurückzudrehen. Wie dem auch sei, hier oben in der Sonne wird es mir allmählich unangenehm. Ich brauche etwas zu trinken und will dann eine Runde im Pool schwimmen. Kommst du mit?“

„Ja, natürlich.“

Sie liefen nach unten. Am Pool angekommen zog Laura ihr Kleid aus, streifte ihren Slip ab.

„Es macht dir doch nichts aus? Oder bist du prüde?“

„Nein“, erwiderte Peter, „ganz und gar nicht.“

Er legte seine Kleidung ab, sprang ins Becken. Sie plantschten wohl eine Stunde im Wasser herum, zu körperlichen Berührungen kam es allerdings nicht.

Sie legten sich dann neben dem Pool ins Gras.

„Wo kommst du eigentlich her?“ fragte Peter um ein Gespräch zu beginnen.

„Ich lebe in Rom“, entgegnete Laura.

„Nein, das meine ich jetzt nicht. Du besitzt doch die deutsche Staatsbürgerschaft. Ich vermute daher, daß du in Deutschland aufgewachsen bist. Ich nehme an in Franken.“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Das höre ich am Klang deiner Stimme.“

„Du scheinst wohl auch aus Franken zu stammen?“

„Ja, geboren bin ich in Marktbreit, lebe aber nun seit fast zwanzig Jahren in Darmstadt, wo ich auch Physik studiert habe.“

„Nun, mein Vater war Ingenieur, arbeitete einige Jahre in Indonesien, wo er auch meine Mutter kennenlernte. Als ich vier Jahre alt war zogen wir nach Deutschland, nach Schweinfurt. Dort bin ich auch aufgewachsen. Ich war musikalisch, habe auch ein ausgezeichnetes Gehör, lernte Klavier spielen, brachte es da aber nicht zur Perfektion. Ich absolvierte daher eine Ausbildung zum Tonmeister“, sie lächelte, „zur Tonmeisterin, in Detmold. In der deutschen Provinz war es mir aber zu eng, deshalb ging ich nach Rom. Daß ich hübsch bin, das siehst du ja, daher blieb es nicht bei meiner Tätigkeit im Tonstudio. Ich wurde auch Photomodell. Schließlich bot man mir eine Filmrolle an. Ich mache nun alles, lege mich auf nichts völlig fest, arbeite noch nebenbei in meinem erlernten Beruf. Ich werde ihn in ein paar Jahren auch wieder voll ausüben, wenn ich keine Lust mehr zur Filmerei habe. Im Moment genieße ich noch die Glitterwelt, weil es mir Spaß macht, aber auf Dauer wird mir das doch zu öde.“

Gespräch am Morgen

„Du bist schon ein bißchen merkwürdig“, sagte Laura, als sie am nächsten Morgen beim Frühstück zusammensaßen, „jetzt sind wir schon zwei Tage zusammen und du hast noch immer keinen Annäherungsversuch unternommen. Gefalle ich dir nicht oder stehst du nicht auf Frauen?“

„Wie kommst du darauf?“

„Wie ich schon sagte, wir sind hier allein und mehr oder weniger ungestört, wenn ich von diesem komischen Typ, der sich Alessandro nennt, einmal absehe. Und du hast noch immer nicht versucht mich zu berühren. Das habe ich bisher noch bei keinem Mann erlebt.“

„Möchtest du das denn? Würde es die gefallen?“

„Bei manchen Männern schon, bei anderen nicht.“

„Und bei mir?“

Sie lächelte.

„Du mußt es ausprobieren. Es waren ja zwei Fragen. Ich möchte es schon. Und ob es mir gefällt, das wird sich dann erweisen.“

„Und wenn es dir nicht gefällt, dann stehe ich da wie ein begossener Pudel, weil du sagen wirst 'was machst du denn da? Das bringt doch nichts, so spüre ich überhaupt nichts. Ach, was bist du doch für ein Tölpel. Wenn ich daran denke, was ich für Männer haben könnte. Und mit dir verschwende ich meine Zeit'.“

Laura lachte.

„Über großes Selbstbewußtsein verfügst du in der Hinsicht nicht. Das erste mag so sein, das zweite nicht. Im Moment gibt es ohnehin keine Alternative zu dir. Ein bißchen Mühe mußt du dir natürlich geben und dann klappt es auch. Mich ein bißchen begrapschen und an mir herumrumfummeln, das ist zu wenig. Man muß mich schon auf Touren bringen. Und dann erlebst du angenehmste Stunden. Ein Mann muß eben etwas riskieren. Ohne Fleiß kein Preis. Und ohne Mut ...“

Peter schüttelte den Kopf.

„Darum geht es doch gar nicht. Du gehst von falschen Voraussetzungen aus. Wir bleiben doch nur kurze Zeit hier und dann kehrt jeder in seine Welt zurück. Ja, wir leben in verschiedenen Welten. Du bist ein Star und ich nur ein kleiner Laborphysiker. Soll ich mich jetzt in dich verlieben, ein paar schöne Stunden mit dir verbringen und dann den Rest meines Lebens unglücklich sein?“

„Wie du willst. Ich will und kann dich zu nichts zwingen. Aber hänge jetzt nicht irgendwelchen Träumen von großer Liebe nach. Das hast du irgendwo gelesen, bei romantischen Dichtern. Die große Liebe gibt es in Wirklichkeit nicht, bestenfalls sehr selten. Es ist also ziemlich unwahrscheinlich, daß du deine große Liebe triffst. Vielleicht lernst du einmal eine Frau kennen, die deine große Liebe ist, du aber nicht ihre. Und dann wirst du wirklich unglücklich. Also, höre auf meinen Rat. Genieße das Leben, genieße den Tag und die Glückseligkeiten, die er mit sich bringt und träume nicht von Glückseligkeiten, die erst am Sanktnimmerleinstag eintreten. Denn dann bist du wahrscheinlich schon lange tot.“

„Bist du jetzt sauer auf mich?“

Laura lachte.

„Nein, du bist eben ein spezieller Typ, hast so deine Eigenarten. Wir werden ja wohl auch noch einige Zeit hier zusammen sein. Es ist also noch nicht aller Tage Abend.“

„Genau. Und wie heißt es so schön? 'Lieber ein fränkische Weib als ein zänkisches Weib'.“

Laura lachte.

„Das klingt schön, aber es gibt auch fränkische Weiber, die zänkisch sind. Ich gehöre allerdings nicht zu denen. Mit mir kann man über alle Dinge vernünftig reden.“

Der Fluchtversuch

Am nächsten Morgen als Peter zum Frühstückstisch kam, Laura war bereits anwesend, wunderte er sich über ihre Kleidung. Sie trug einen langärmeligen Khaki – Anzug und Tennisschuhe, neben ihr lagen ein Rucksack und eine Mütze. Als sie mit dem Essen fertig war, erhob sie sich, lief Richtung Eingangstor. Peter folgte ihr. Das Tor ließ sich öffnen, Laura durchschritt es.

„Was hast du vor? Wo willst du hin?“ rief er ihr zu.

„Ich will weg. Ich halte es hier nicht mehr aus. Diese Ungewißheit.“

„Aber das ist doch Wahnsinn, zu Fuß durch die Wüste. Und die nächste Ansiedlung ist zweiundsiebzig Kilometer entfernt, sagte Alessandro.“

„Ach, vielleicht hat er gelogen und sie ist nicht so weit entfernt. Er wollte uns doch sicher davor abschrecken wegzugehen. Ich habe drei Flaschen Wasser dabei und die Straße wird mir den Wag weisen.“

„Drei Flaschen Wasser sind viel zu wenig. Das wird doch ein Fußmarsch von mindestens zwei Tagen. Und wer weiß, wie lange die Straße überhaupt befestigt ist. Dann mußt du durch den Sand laufen. Und du hast nur Tennisschuhe an. Bleib!“

„Nein, ich gehe. Das ist mein fester Entschluß.“

Peter überlegte kurz. Es war der helle Wahnsinn, was sie vorhatte. Sie lief in den sicheren Tod. Aber er konnte sie nicht zurückhalten. Doch alleine gehen lassen wollte er sie nicht, auch wenn er sich selbst in äußerste Lebensgefahr begab.

„Warte, ich komme mit“, rief er ihr zu.

Er lief rasch ins Haus zurück, zog ebenfalls einen Khaki – Anzug und Tennisschuhe an, nahm eine Mütze. Dann füllte er zehn Plastikflaschen mit Wasser, mehr konnte der größte Rucksack, den er fand, nicht fassen.

Sie brachen auf. Sie waren wohl eine halbe Stunde gelaufen, passierten gerade ein Geröllfeld, als eine gelbliche Wolke auf sie zukam.

„Ein Sandsturm, das hat uns gerade noch gefehlt“, dachte Peter.

Er zog rasch sein Unterhemd aus, zerriß es in zwei Teile, reichte einen Fetzen Laura.

„Bedecke dein Gesicht damit und wende dich von der Wolke ab.“

Der Wind wehte nun so stark, daß Peter sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Er kniete nieder, den Kopf zur Erde hingewandt. Die Sandwolke zog rasch vorüber. Nach ein paar Minuten war der Spuk vorbei. Peter blickte sich um. Laura lag etwa zehn Meter entfernt auf dem Boden, halb mit Sand bedeckt, das Gesicht nach unten gewandt. Er lief zu ihr hin, rüttelte an ihr. Sie drehte sich um.

„Alles in Ordnung?“ fragte er.

„Ich denke schon.“

Sie erhob sich, verzog gleich das Gesicht.

„Mein Knöchel“, sagte sie, „ich bin wohl beim Fallen gegen einen Stein gestoßen.“

„Kannst du laufen?“

Sie richtete sich völlig auf, ging einige Schritte.

„Schlecht.“

„Dann ist der Ausflug wohl zu Ende. Gehen wir zurück. In den nächsten Ort kommen wir so nie.“

Laura blickte leicht finster.

„Ja, es bleibt uns wohl nichts anderes übrig.“

„Unsere Mützen haben wir auch verloren. Bedecken wir den Kopf mit den Unterhemdfetzen.“

Sie traten den Rückweg an. Der Sand hatte die Straße bedeckt, die nun nicht mehr zu erkennen war.

„Hoffentlich verlaufen wir uns nicht“, dachte Peter, beruhtigte sich aber mit dem Gedanken, daß sie nicht viel länger als eine halbe Stunde marschiert waren und das Anwesen also bald erblicken mußten.

Laura humpelte, Peter mußte sie stützen. Sie waren bereits eine Stunde unterwegs, der Palast war aber noch immer nicht zu sehen.

„Haben wir die falsche Richtung eingeschlagen?“ fragte Laura.

„Nein“, beruhtigte sie Peter, „du hast dir den Knöchel verstaucht und wir müssen auch durch den Sand waten, da die Straße bedeckt ist. Wir kommen also nur langsam voran.“

Peter war sich aber gar nicht so sicher. Vielleicht hatten sie sich bereits verirrt.

„Wenn ich wenigstens einen Kompaß hätte“, dachte er.

Endlich, nach vier Stunden erblickten sie in der Ferne ein Gebäude.

„Hoffentlich ist es keine Fata Morgana“, dachte Peter.

Es war tatsächlich der Palast. Es dauerte aber noch mehr als zwei Stunden bis sie das Anwesen erreichten. Die Sonne sank bereits.

„Tut mir leid“, sagte Laura, „es war eine dumme Idee wegzugehen. Ich habe uns beide in höchste Lebensgefahr gebracht.“

„Schon gut“, erwiderte Peter, „wir sind ja jetzt in Sicherheit.“

„Ich bin völlig erschöpft. Ich gehe auf mein Zimmer, lege mich ins Bett. Zu Essen brauche ich heute nichts mehr. Ich will nur noch trinken und schlafen.“

Auch Peter fühlte sich müde, aber nicht vollkommen erschöpft. Er verspürte auch Hunger. Er ging auf sein Zimmer, duschte, zog frische Kleider an, holte sich dann aus der Küche etwas zu Essen und eine Flasche Bier, setzte sich auf die Terrasse.

„Wie konntet ihr nur so etwas Dummes tun? Das hätte euch das Leben kosten können.“

Peter blickte auf. Alessandro stand vor ihm. Er setzte sich ohne zu fragen.

„Von Ihnen hätte ich mehr Vernunft erwartet.“

„Laura wollte weg“, verteidigte sich Peter, „sie ließ sich nicht zurückhalten. Ich konnte sie doch nicht alleine gehen lassen. Dann wäre sie jetzt tot. Denken Sie doch nur an den Sandsturm!“

Alessandro zuckte mir den Schultern.

„Es war doch ihre Entscheidung wegzugehen. Sie haben sie gewarnt.

Wieso haben Sie sich wegen ihr in Lebensgefahr begeben? Sie kennen diese Frau kaum. Was geht diese Laura Sie an? Aus purer Menschenfreundlichkeit haben Sie das nicht getan.“

„Ja, aber ich konnte sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.“

„Na und, sie ist doch eine völlig fremde Person für Sie. Und Sie sind ihr nichts schuldig. Denken Sie doch auch daran, wie sie und ihre Begleiter sich im Reisebus euch Passagieren Zweiter Klasse gegenüber benommen haben, hochnäsig, herablassend. Sie wollten mit euch doch gar nichts zu tun haben.“

„Ja, aber das spielt doch jetzt keine Rolle. Ich konnte sie doch nicht in den Tod laufen lassen.“

Alessandro erhob sich nun, sagte, daß er sich nur etwas zu trinken holen wolle, gleich wieder zurück käme.

„Ihnen gefällt die Maus“, fuhr er dann mit einem Grinsen fort, „Sie sind in sie verliebt. Deshalb sind Sie mit ihr gegangen. Sie hätten sich für Ihre Liebe geopfert. Sie sind schon ein komischer Vogel. Sie will mit Ihnen schlafen, Sie zieren sich, bringen irgendwelche Ausreden, sagen, Sie wollten sich nicht in sie verlieben, dabei sind Sie es schon längst, und so sehr, daß Sie Ihr Leben für sie auf Spiel setzen.“

„Ich sehe da keinen Widerspruch. Gerade weil ich in sie verliebt bin, achte ich sie, will sie nicht mißbrauchen. Ich weiß, daß meine Liebe zu ihr keine Zukunft hat. Sie lebt in einer anderen Welt, der ich nicht angehöre und auch nie angehören werde. Wir werden einfach auseinandergehen, wenn unsere 'Mission', wie Sie es nennen, hier erfüllt ist. Und ich will doch nicht mit einem schlechten Gefühl von ihr scheiden.“

Alessandro lachte schallend.

„Sie glauben wohl, daß es nur dann erlaubt ist miteinander zu schlafen, wenn man verheiratet ist. Das haben Ihnen irgendwelche Kuttenbrunzer so tief eingeimpft, daß es selbst der Verstand nicht mehr eliminieren kann. Und dann glauben Sie an die große Liebe, die meist tragisch endet. Sie haben zu viele romantische Bücher gelesen. Das alles gibt es in Wirklichkeit nicht. Werfen Sie all diesen Ballast über Bord, möglichst bald, am besten noch heute.“

Alessandro nahm einen tüchtigen Schluck Bier.

„Die Sache ist doch ganz einfach. Sie wollen mit ihr schlafen und sie mit Ihnen. Also tun Sie es.“

Er trank die Flasche leer, holte sich eine neue aus der Küche, brachte auch eine für Peter mit.

„Ich muß Ihnen einen Vorwurf machen. Sie sind ja auch mit daran schuld, daß Laura weg wollte. Es war nicht nur die Ungewißheit über eure 'Mission'. Es war auch der Frust darüber, daß sie hier mit einem Mann zusammenleben muß, der zwar freundlich zu ihr ist, aber sie als Frau bisher völlig ignorierte, so daß sie annehmen mußte, daß Sie sie als Frau nicht schätzen oder sogar ablehnen. So etwas ist bitter und es entwickelte sich daraus eine für sie unerträgliche Situation. Verstehen Sie?“

„Nein, nicht so richtig. Weiber fühlen sich doch heute schon angemacht, wenn man sie freundlich grüßt und viele fühlen sich bereits sexuell belästigt, wenn man ihnen in den Mantel hilft oder die Tür offenhält.“

„Mit welchen Frauen haben Sie denn Umgang? Oder haben Sie das schlechten Presseerzeugnissen entnommen? Natürlich gibt es solche Fälle, aber das ist doch nur eine Minderheit. Die meisten Frauen sind normal und Laura ist es auch“, er grinste, „vielleicht sogar ein bißchen übernormal.“

Peter schüttelte den Kopf.

„Wo kommen Sie denn her? Ich habe da ganz andere Erfahrungen gemacht.“

„Das ist Ihre Ansicht. Darüber müssen wir jetzt nicht diskutieren. Es spielt hier ja auch gar keine Rolle. Bei Laura brauchen Sie da keine Bedenken zu haben. Sie wartet noch immer darauf. Aber ein bißchen Mühe müssen Sie sich schon geben und stellen Sie sich nicht so tolpatschig an.“

Er erhob sich dann.

„Ich möchte Sie nicht länger aufhalten. Sie waren fast den gesamten Tag in der Wüste unterwegs, sind jetzt sicherlich müde, wollen schlafen gehen.“

Er verschwand im Haus.

Gespräche mit und über Alessandro

Laura saß beim Frühstückstisch als Alessandro zu ihr trat, Peter war noch nicht anwesend.