Zwischen Südsee und Galaxis - Fritz Peter Heßberger - E-Book

Zwischen Südsee und Galaxis E-Book

Fritz Peter Heßberger

0,0

Beschreibung

Unter Piraten: Auf der Fahrt von Sydney nach Valparaiso gerät die 'Pride of South' in einen schweren Sturm und strandet vor einer unbewohnten Insel. Eine Gruppe Piraten übernimmt das Kommando und terrorisiert die überlebenden Passagiere. Der ehemalige Marineoffizier Karl entwickelt einen Fluchtplan. Gemeinsam mit der Lehrerin Nancy gelingt es ihm nach Samoa zu entkommen. Onmi: Der Söldner-Captain Peter erhält Onmi als Belohnung für erwiesene Tapferkeit. Er findet Gefallen an ihr, sie an ihm. Doch ihre Wege trennen sich bald. Vier Jahre treffen sie sich wieder und der Traum von einer gemeinsamen Zukunft wird Wirklichkeit. Die sieben Höfe: Ludwig und Carina müssen sechs Höfe durch-queren; in jedem müssen sie ihre unbedingte Bereitschaft sich für einander einzusetzen beweisen. Erst dann gelangen sie in den Hof der 'Vollendung'. Raumfrachter XPZ15: Der 'geächtete' ehemalige Raumkreuzer-kommandant Fitz führt seit Jahren Erztransporte vom Planetoiden Tichroni zum Mars durch. Sein ruhiges Lotterleben nimmt ein jähes Ende, als er die Generalin Almuta, ihren Adjutanten und schließlich die Außerirdische Kassiolara aufnehmen muß. Zunächst kommt es zu heftigen Streitereien zwischen Fitz und Almuta, aber schließlich finden sie sich doch recht sympathisch. Die Atlanter: Auf einem Segeltörn über den Südatlantik gerät die Yacht in einen Sturm und sinkt. Heinrich findet sich in einem Krankenhaus auf der Insel Atlantis wieder, wo Außerirdische eine der Weltöffentlichkeit unbekannte Kolonie gegründet haben. Er lernt die Türkin Fatma kennen, die auf der Insel lebt um das Staatswesen, die Lebensweise und die Gebräuche der Atlanter zu studie-ren und er erfährt von ihr vieles über das geheimnisvolle Volk. Pottenwald: Wegen Verstoßes gegen die 'Staatsideologie' werden Anita und Frank nach Pottenwald in die entlegene Provinz Markland strafversetzt, wo sie auf Anordnung der 'Partei' zusammenleben müssen. Sie lernen dort andere 'Verbannte' kennen, ebenso wie die Lächerlichkeit der Parteiideologie und und des 'Benehmens' und des Regierungsstils der Staatsführung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 411

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Personen und Handlung der Erzählungen sind frei erfunden. Irgendwelche Übereinstimmungen der Namen der handelnden Personen mit lebenden oder verstorbenen Personen oder geschichtlichen Ereignissen wären rein zufällig.

Der Autor:

Fritz Peter Heßberger, Jahrgang 1952, geboren in Großwelzheim, heute Karlstein am Main, studierte Physik an der Technischen Hochschule Darmstadt; 1985 Promotion zum Dr. rer. nat.; von 1979 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2018 als wissenschaftlicher Angestellter in einer Großforschungsanlage tätig.

Inhalt

Unter Piraten

Onmi

Die sieben Höfe

Raumfrachter XPZ15

Die Atlanter

Pottenwald

Unter Piraten

Am 28. Mai 192... verließ die 'Pride of South' den Hafen von Sydney mit dem Ziel Valparaiso. An Bord befanden sich etwa sechshundert Passagiere und hundert Mann Schiffsbesatzung. Bei der 'Pride of South' handelte es sich um eine Kombination aus einem Fracht- und Passagierschiff. Es gab wenige Luxussuiten, eine größere Anzahl von Kabinen, welche man als Touristenklasse einstufen konnte, die Masse der Passagiere mußte sich allerdings mit Schlafsälen zufrieden geben, welche dreißig bis fünfzig Personen beherbergten.

Die überwiegende Zahl der Reisenden bestand Männern und Frauen südamerikanischer Herkunft, überwiegend Chilenen und Argentiniern. Sie hatten für einige Zeit in Australien gearbeitet, kehrten nun in ihre Heimat zurück. Daneben gab es eine größere Anzahl von Geschäftsleuten, Weltenbummlern und zwielichtigen Existenzen, deren Anführer ein gewisser Robert Cloud zu sein schien, der, so muß man sich ausdrücken, in einer der Luxussuiten residierte. Cloud war, niemand an Bord wußte es, der Anführer einer Bande von Küstenpiraten gewesen, welche lange Zeit das Meer zwischen der Nordwestküste Australiens und Niederländisch – Indien unsicher machte. Nachdem er durch Mittelsmänner erfahren hatte, daß ihm die australischen Behörden auf die Schliche gekommen waren, beschloß er, um einer Verhaftung zu entgehen, sich mit seinen Männern nach Südamerika abzusetzen. Die Bande umfaßte etwa dreißig Mann.

Mehrere Personen ließen sich nicht so recht einer dieser Gruppen zuordnen, pflegten auch keinen Kontakt zu den anderen Passagieren.

Eine von ihnen hieß Nancy Brown. Sie war ungefähr dreißig Jahre alt, stammte aus Malaita, einer Insel der Salomonengruppe. Sie war als junges Mädchen zum Studieren nach Australien gekommen, arbeitete dann einige Jahre in Sydney als Lehrerin, fühlte sich dort allerdings unwohl. Nun hatte sie durch Vermittlung eines Bekannten eine Anstellung an einem englischen Gymnasium in Santiago erhalten, reiste jetzt zu ihrer neuen Wirkungsstätte. Ein anderer dieser Passagiere hieß Karl Spartan, ein ehemaliger Kapitänleutnant im Südseegeschwader der Deutschen Reichsmarine. Er war während des Großen Krieges in australische Gefangenschaft geraten, dann, nach Friedensschluß nicht in Heimat zurückgekehrt, hatte einige Jahre in Australien gearbeitet, nun genügend Geld gespart und beschlossen sich in Südamerika, ein genaues Ziel hatte er noch nicht, eine neue Existenz aufzubauen.

Zunächst verlief die Fahrt recht ruhig, doch nach drei Tagen geriet das Schiff in einen schweren Sturm. Ein gewaltiger Blitz schlug in die Kommandobrücke ein, tötete den Kapitän und die anwesenden Schiffsoffiziere, zerstörte die Funkanlage und das Steuer. Manövrierunfähig und führerlos trieb das Schiff nun dem Unwetter ausgesetzt, das sich erst am dritten Tagen legte, dahin.

Unter den Passagieren war eine Panik ausgebrochen. Dem jungen, unerfahrenen Dritten Offizier, nun der Ranghöchste an Bord, fehlte es an Autorität und Entschlossenheit das Schiff unter seine Kontrolle zu bringen. Die überwiegend aus Malaien und Chinesen bestehende Besatzung verweigerte ihm den Gehorsam. Es herrschten bald, noch wütete der Sturm, anarchistische Zustände. Vorratskammern wurden gewaltsam aufgebrochen, jeder nahm sich, was er brauchte, Passagiere wurden aus ihren Kabinen vertrieben, Streitereien brachen aus, zahlreiche Menschen wurden über Bord geworfen oder auch von den häufig das Deck überstreichenden Brechern ins Meer gespült. Diese Zustände währten allerdings nur wenige Stunden, dann griffen Cloud und seine Männer ein. Sie besaßen Waffen, die sie offensichtlich heimlich an Bord geschafft hatten und stellten rasch die Ordnung in ihrem Sinne wieder her. Die Malaien und Chinesen sahen in Cloud einen starken Führer, schlossen sich ihm an. Die Südamerikaner, welche den Großteil des wütenden Mobs gebildet hatten, wurden in die Schlafsäle unter Deck eingesperrt.

Die meisten Kabinenpassagiere waren erleichtert, daß nun wieder Ruhe herrschte, so nahmen sie es auch hin mit drei oder vier anderen eine Kammer teilen zu müssen, da die bis dahin in einem Schlafsaal untergebrachten Piraten, wie auch ein Teil der Schiffsbesatzung nun gute Quartiere forderten.

Man muß natürlich auch sagen, daß die Menschen mittlerweile von einer gewissen Apathie befallen waren. Noch immer tobte der Sturm. Niemand wußte, wohin das Schiff trieb. Es konnte jeden Augenblick auf ein Riff stoßen und sinken.

Selbst bei den neuen Herren über das Schiff herrschte eine gewisse Endzeitstimmung. Man aß, man trank, vergnügte sich mit den zahlreichen südamerikanischen Frauen, die den Burschen zu Willen sein mußten.

Karl war bei den oben geschilderten Vorgängen unbelästigt geblieben. Dies lag vielleicht daran, daß er, als das Chaos losbrach, das Schiff durchstreifte und in der leerstehenden Kapitänskajüte einen großkalibrigen Revolver samt Munition fand, welche er an sich nahm um zu vermeiden, daß sie in falsche Hände geraten könnten.

Er beobachtete nun die Entwicklung auf dem Schiff genauestens. Die Verhältnisse dort rührten ihn nicht sonderlich, da er sich ohnehin als Außenseiter fühlte. Er mußte nur darauf bedacht sein, nicht mehr als notwendig die Aufmerksamkeit der Piraten auf sich zu ziehen, was bedeutete, sich nach Verteidigung seiner Kabine, wenn man das einmal so nennen darf, nicht weiter in deren Angelegenheiten einzumischen.

Er hielt seine Lage nicht für gefährlich, da die Piraten ohnehin nur darauf aus waren sich zu vergnügen. Und wenn ihnen dabei niemand in die Quere kam, so gab es keinen Grund, gegen ihn vorzugehen.

Karl sah dieses Spiel zwar mit Widerwillen, war sich aber auch bewußt, daß er alleine nichts gegen sie ausrichten konnte. Und von den anderen noch freien Passagieren traute sich niemand den bewaffneten Piraten Widerstand zu leisten.

Ohnehin war damit zu rechnen, daß dieser Zustand nur kurzfristig andauern würde. Er sah zwei Möglichkeiten: man sichtete ein Schiff, das Rettung brachte oder die 'Pride of South' lief auf ein Riff, wurde Leck geschlagen und sank. Daß sie durch den Sturm, der zwar noch wütete, aber bereits einen Teil seiner Kraft verloren hatte, zerschlagen oder zum Kentern gebracht werden könnte, hielt er für wenig wahrscheinlich. Für den Fall eines Sinkens mußte er sich allerdings wappnen und so begann er das Schiff näher nach Gegenständen, die ihm nützlich sein konnten, zu durchstöbern. Niemand hinderte ihn daran. Neben einigen Werkzeugen fand er eine Anzahl Gewehre und Revolver nebst Munition, einen Sextanten, einen Kompaß, eine Anzahl Seekarten und sogar, was ihm besonders wertvoll erschien, ein aufblasbares Boot nebst Blasebalg. Er deponierte die Sachen in einer etwas abseits gelegenen Kammer. Dabei begegnete ihm einmal eine jüngere, dunkelhäutige Frau, welche sich hier wohl verborgen hielt. Er beachtete sie allerdings nicht weiter, da er kein Interesse daran besaß, jemanden auf sein Versteck, sei es auch nur ungewollt, aufmerksam zu machen.

Auch Nancy, die nach Ausbruch der Unruhen ihre Habseligkeiten zusammengepackt und das Schiff nach einer sicher erscheinenden Unterkunft durchstreift hatte, beachtete den Mann nicht. Sie konnte ihn bei der kurzen Begegnung nicht gleich einschätzen, hielt es daher für geraten ihn glauben zu lassen, sie sei hier nur zufällig unterwegs, vermied dann auch die nächsten Tage jede Begegnung mit ihm. Sie hatte sich einen kleinen Vorrat an Lebensmitteln verschafft, blieb daher weitgehend in ihrer Kammer, verließ sie nur einmal pro Tag für kurze Zeit um sich über die Entwicklung der Dinge zu informieren, achtete aber peinlichst darauf, den Piraten aus dem Wege zu gehen um Nachstellungen zu vermeiden.

Nach Abflauen des Sturmes trieb das Schiff noch zwei Tage auf dem Meer dahin. Dann lief es auf ein Riff, schlug leck, begann zu sinken. Die Piraten hielten es für angebracht das Schiff zu verlassen und eine nahe gelegene Insel aufzusuchen. Sie begannen, alles was brauchbar erschien, in die zahlreich vorhandenen Rettungsboote zu laden und zum Strand zu schaffen. Die 'freien Passagiere' und die zu den Piraten übergelaufene Schiffsbesatzung beteiligten sich an der Aktion, während die Südamerikaner, denen man nicht traute, noch unter Deck verbleiben mußten. Karl beteiligte sich nicht an dem Treiben, er zog sich in seine Lagerkammer zurück. Es erschien ihm keine Eile geboten; er hatte bald bemerkt, daß das Schiff nur wenig sank, dann auf Grund lief, offensichtlich auf Felsen Halt fand und von einer Zerstörung verschont blieb, solange kein neuer, heftiger Sturm aufkam. Auch Cloud hatte das erkannt, er trieb daher die Männer nicht zur höchsten Eile an, stellte die Fahrten zum Strand auch nach Einbruch der Dunkelheit ein, da wegen zahlreicher kleinerer Riffe die Unfallgefahr hoch blieb und er nicht unnötig Boote und Ladung verlieren wollte.

Karl wartete die Nacht ab, machte dann das Boot klar, verlud die zusammengesuchten Sachen, brachte sie ungesehen von den Piraten, die es nicht für notwendig gehalten hatten Wachen aufzustellen, zum Strand. Er steuerte allerdings einen Platz an, der ein gutes Stück von dem Landeplatz der Piraten entfernt lag, so daß er von Männern, die sich in der Nacht zweifelsohne dort aufhielten, nicht gesehen werden konnte. Zwei Fahrten genügten Karl um die Sachen anzulanden. Er versteckte das Boot in nahem Strauchwerk, belud sich dann mit den Gegenständen, die ihm am wichtigsten erschienen, brach ins Innere der Insel auf. Nach etwa zwei Stunden erreichte er ein kleines, verlassenes Fort. Es bestand lediglich aus zwei Hütten; die größere hatte wohl als Mannschaftsquartier gedient, die kleinere als Lagerschuppen. Er lud die mitgebrachten Sachen in der größeren Hütte ab. Deren Möblierung war einfach: zwei Tische, einer diente wohl einst als Schreibtisch, fünf Hocker, vier Schlafpritschen, ein eiserner Herd, ein Wandschrank. Karl öffnete ihn, nahm zwei Wolldecken heraus, die allerdings stark modrig rochen. Er brachte sie nach draußen, legte sie über das Geländer, das die kleine Terrasse vor der Hütte begrenzte.

Er brach dann zur Küste auf um eine zweite Ladung ins Fort zu holen; es war bereits hell als er den Strand erreichte. Er lud die restlichen Sachen auf, trug sie ebenfalls in die kleine Festung. Er nahm nun die Decken, die mittlerweile ihren penetranten Modergeruch größtenteils verloren hatten, von der Brüstung, legte sich auf eine der Pritschen, schlief bald ein.

In der darauffolgenden Nacht kehrte er zum Schiff zurück, schloß sich am Morgen dann den 'freien Passagieren' an, welche noch immer mit dem Entladen der 'Pride of South' beschäftigt waren, half beim Transport der Güter zum Strand mit.

Die Piraten hatten mittlerweile einen Teil der Südamerikaner an Land gebracht, sie mußten nun unter bewaffneter Aufsicht Bäume fällen und etwas landeinwärts Hütten errichten.

Unter den gegebenen Umständen, niemand wußte wo man sich befand, wäre es sicherlich sinnvoll gewesen an einer exponierten Stelle ein großes Feuer zu entfachen um eventuell vorbeifahrende Schiffe auf sich aufmerksam zu machen. Doch die Piraten dachten nicht daran. Sie sahen eine Möglichkeit, sich hier bequem einzunisten und erst einmal ein süßes Leben zu genießen solange die Vorräte des Schiffes ausreichten. Denn eine Rettung konnte ihre wahre Identität aufdecken.

Es hatte sich in den wenigen Tagen bereits eine Vierklassengesellschaft herangebildet. Da waren zum einen die Piraten und die Schiffsbesatzung, die sich ihnen angeschlossen hatte. Sie spielten nun die Herren. Dann gab es die 'freien Passagiere', die sich mit ihnen arrangiert hatten, ihnen Hilfsdienste leisteten, ansonsten unbehelligt blieben. Die Südamerikaner wurden wie Sklaven behandelt, bewacht und in Schach gehalten von den Piraten. Die 'freien Passagiere' beteiligten sich nicht daran, zumal sie auch nicht über Waffen verfügten. Das war ihnen nicht unrecht, da sie im Falle einer Rettung anführen konnten, sie hätten sich nur dem Umständen gefügt und so einer Bestrafung entgehen konnten. Die vierte Klasse bildeten die Frauen, die als Freiwild galten, den Piraten nach deren Belieben fügsam sein mußten. Auch hier hielten sich die 'freien Passagiere' zurück, wohl auch um im Falle einer Rettung nicht der Vergewaltigung beschuldigt zu werden.

Nancy wollte nicht alleine auf dem Schiff bleiben, mischte sich unter die Frauen. Sie sorgte allerdings vor. Sie fertigte sich einen Höcker an, den sie umschnallte, entstellte ihr Gesicht durch Schminke. Derart verunstaltet beachteten sie die Piraten nicht. Sie blieb unbehelligt, wurde nur zu leichten Arbeiten herangezogen.

Karl fiel es nicht schwer sich unauffällig unter die 'freien Passagiere' zu mischen. Ihn stieß die Situation ab, doch konnte er alleine nichts ausrichten. Er versuchte unter den 'Freien' Gefährten für eine Erhebung gegen die Piraten zu gewinnen, sagte, es genüge wohl, Cloud und seine Unterführer auszuschalten. Dann könnten sie die Schiffsbesatzung auf ihre Seite ziehen und die restlichen Mitglieder der Bande, sofern sie überhaupt noch Widerstand leisteten, leicht überwinden. Er ging natürlich sehr vorsichtig vor, da sich viele der 'Freien' unterwürfig zeigten und er Denunziation fürchten mußte. Er merkte aber bald, daß niemand bereit war sich ihm anzuschließen. Ja, er fand nicht einmal jemanden, den er bezüglich der Ausführung eines anderen Planes ins Vertrauen ziehen konnte.

Zwischendurch verließ er die Gesellschaft des öfteren heimlich, suchte das Fort auf.

Dann begegnete er Nancy. Sie saß unweit des Strandes im Schatten eines Busches, blickte aufs Meer hinaus.

Karl erkannte trotz ihrer Verunstaltung in ihr sofort die Frau, welche er im Schiffsrumpf kurz gesehen hatte. Er wunderte sich allerdings nicht über ihre Verkleidung, die sie wohl angelegt hatte um den Nachstellungen der Piraten zu entgehen. Zu den Südamerikanerinnen gehörte sie offensichtlich nicht, mußte daher aus anderen Gründen die Reise unternommen haben. Neugierig geworden, wer diese Frau, die sichtlich keine Weiße war, wohl sein mochte, trat er heran, fragte, ob er sich zu ihr setzen dürfe. Sie nickte bejahend. Karl ließ sich nieder.

Auch Nancy hatte in ihm den Mann aus dem Schiffsrumpf wiedererkannt, ihn schon seit Tagen beobachtet, sich darüber gewundert, daß er oft längere Unterhaltungen mit 'Freien' geführt hatte, aber hinterher nie wieder versuchte mit einem der Gesprächsteilnehmer Kontakt aufzunehmen. Wer war also dieser seltsame Mann, der offensichtlich kein Pirat war, auch kein Südamerikaner, sich auch nicht den 'Freien' zurechnete, sondern seiner eigenen Wege ging, oft das Lager, wenn man es so nennen möchte, verließ und erst nach Stunden wieder zurückkehrte?

„Wir können froh sein, daß wir trotz der widrigen Umstände überhaupt noch leben“, begann er.

„Nennen Sie das etwa 'Leben', was wir hier durchmachen?“

„Nun ja, das kann man so sehen. Aber so lange man lebt besteht Hoffnung, insbesondere dann, wenn man nicht auf Wunder wartet, sondern etwas unternimmt.“

Karl pausierte kurz.

„Vielleicht wird aber auch bald ein Schiff auftauchen, das uns aufnimmt, denn unsere Lage ist nicht gut. Die Lebensmittel der 'Pride of South' werden in wenigen Wochen aufgebraucht sein und dann wird es schwierig, mehrere Hundert Menschen zu ernähren.“

„Wie soll uns ein Schiff entdecken?“ entgegnete Nancy, „da müßte man ein großes Leuchtfeuer entzünden. Aber genau dies unterbinden die neuen Herren.“

„Es ist natürlich ihre Absicht, daß wir nicht entdeckt werden. So können sie ihre Herrschaft noch einige Zeit genießen.“

„Und uns dabei zugrunde richten“, fügte Nancy hinzu.

„Die Gefahr besteht, wenn nichts unternommen wird. Für mich macht das alles aber wenig Sinn“, erwiderte Karl, „sie führen sich hier wie Verbrecher auf, obwohl sie damit rechnen müssen, daß bei einer Rettung alles ans Tageslicht kommt und sie im Zuchthaus landen. Ein hoher Preis für ein paar Tage süßes Leben.“

Nancy überlegte kurz.

„Ich sehe die Sache so. Über die Schiffsmannschaft brauchen wir nicht nachzudenken. Das sind doch primitive, ungebildete Menschen, die von der Hand in den Mund in den Tag hinein leben. Das Wort Zukunft hat für sie keine Bedeutung. Sie genießen die Gegenwart, das Morgen interessiert sie nicht. Doch Cloud und seine Leute sind anders. Ich fürchte, sie haben etwas zu verbergen, hatten vermutlich auch triftige Gründe Australien zu verlassen und wissen genau, daß Rettung für sie Zuchthaus oder gar den Galgen bedeutet.“

Karl überlegte.

„Das könnte sein. Sie hatten schließlich sofort Waffen. Die müssen sie wohl mit an Bord gebracht haben. Na schön, wir werden es vermutlich noch erfahren. Aber ich sollte endlich höflich sein und mich vorstellen: mein Name ist Karl Spartan. Ich bin Deutscher, habe einige Jahre in Australien verbracht, will nun nach Südamerika, Chile oder Argentinien, vielleicht auch Brasilien um dort ein neues Leben zu beginnen. Wirklich festgelegt habe ich mich noch nicht.“

„Ein neues Leben?“ Nancy lächelte, „das möchte ich auch beginnen. Aber wie es aussieht ist es bereits zu Ende bevor es überhaupt begonnen hat. Ich heiße Nancy Brown, bin Lehrerin. Ich stamme aus Malaita, habe in Australien studiert, dort einige Jahre gearbeitet, habe nun eine Stelle an einem englischen Gymnasium in Santiago angetreten. Daraus wird jetzt wohl aber nichts.“

„Das kann man nicht wissen“, erwiderte Karl, „vielleicht kommen wir hier schneller weg als Sie sich das vorstellen können.“

„Das glauben Sie doch selbst nicht. Wer soll uns hier finden? Wir wissen doch selbst nicht, wo wir gestrandet sind. Vielleicht liegt die Insel weitab von allen Schiffahrtsrouten. Sie ist doch offenbar unbewohnt. Und ich schließe daraus, daß sie für niemanden von Interesse ist. Es kann jahrelang dauern bis ein Schiff vorbeikommt. Bis dahin sind wir doch alle verhungert oder an irgendwelchen Krankheiten gestorben.“

Karl grinste süffisant.

„Deswegen sollten wir die Insel schleunigst verlassen. Möchten Sie das?

Wirklich? Bedenken Sie, wir müssen einige Tage über das Meer fahren, vielleicht Hunger oder was noch schlimmer ist, Durst leiden? Es können Stürme auftreten. Trauen Sie sich eine Fahrt zu?“

Nancy blickte ihn an.

„Mein Vater war Fischer. Er hat mich des öfteren mit aufs Meer hinausgenommen. Nein, vor dem Wasser habe ich keine Angst.“

Karl pausierte kurz.

„Wir könnten uns zusammentun. Überlegen Sie es sich. Zu zweit schaffen wir es.“

Er verabschiedete sich dann.

„Ich bin sicher, wir sehen uns wieder.“

Er ging.

Nancy blieb etwas erstaunt zurück.

„Die Insel verlassen? Dazu braucht man ein Schiff, zumindest ein großes Boot. Und wohin sollen wir steuern? Ohne Navigationsgeräte? Der Pazifik ist weit. Und auf den ersten Blick sah er mir nicht wie ein Seemann aus.“

Sie überlegte.

„Andererseits, er scheint einen Plan zu haben, kann ihn aber aus irgendeinem Grund nicht alleine ausführen. Vielleicht sprach er deshalb mit den anderen 'Freien', fand aber keinen, der ihm geeignet schien. Er ist Deutscher, hielt sich einige Jahre in Australien auf. So kurz nach dem Großen Krieg? Die Australier haben doch gegen die Deutschen gekämpft. Vielleicht war er Kriegsgefangener. Das wäre möglich. Die nördliche Nachbarinsel von Malaita, St. Isabella gehörte zum Deutschen Schutzgebiet. Möglicherweise lebte er dort vor dem Krieg, vielleicht war er Marinesoldat, kennt sich aus. Und er wirkte ja auch nicht wie ein Phantast.“

Während der nächsten Tage suchte Karl keinen Kontakt zu Nancy. Sie merkte aber wohl, daß er sich oft in ihrer Nähe aufhielt, sie genau zu beobachten schien. Was hatte das zu bedeuten? Was plante er?

Karl war sich darüber im Klaren, daß sein Plan nur gelang, wenn er einen Kameraden fand, dem er absolut vertrauen konnte, der auch absolut verschwiegen war. Es mußten noch etliche Vorbereitungen getroffen werden, bevor es möglich war die Insel zu verlassen. Daher hielt er es für unumgänglich sie in seine Pläne, sein Geheimnis einzuweihen. Sie mußte ihn ja auch bei den Arbeiten unterstützen. Ein paar unbedachte Worte konnten das Vorhaben aufdecken und alles verderben.

Nancy hielt sich von den anderen fern, wechselte mit ihnen nur wenige Worte, führte keine längeren Gespräche. Dies überzeugte Karl, daß sie keine Kontakte pflegte, er also nicht befürchten mußte, sie könnte unbedacht plaudern. Und er beschloß sie ins Vertrauen zu ziehen.

Er sprach sie an als sie sich wieder einmal abseits des Lagers in Strandnähe niedergesetzt hatte und aufs Meer hinaus blickte.

„Ich habe Ihnen einige Tage Zeit zum Nachdenken gegeben und Sie währenddessen genauestens beobachtet“, begann er, „schließlich muß ich Ihnen vertrauen können. Das Unternehmen ist zwar nicht sonderlich gefährlich, es muß aber strengstes Stillschweigen bewahrt werden. Erfahren Cloud und seine Männer davon, werden sie es verhindern. Und alleine oder auch zu zweit können wir nichts dagegen tun. Haben Sie es sich überlegt?“

„Nun ja“, antwortete sie, „welche Möglichkeiten habe ich denn? Hierbleiben und darauf warten, daß sie entdecken, daß mein Buckel künstlich ist und meine Häßlichkeit durch Schminke hervorgerufen wird? Nein, ich gehe mit Ihnen. Sie scheinen ein aufrechter Mann zu sein, dem man vertrauen kann.“

Karl lachte.

„Vertrauen gegen Vertrauen, das ist eine gute Basis.“

Er reichte ihr die Hand.

„Jetzt sind wir Kameraden, Verbündete. Ich bin Karl.“

Sie lächelte.

„Und ich bin Nancy.“

„Gut, dann werde ich dich in mein Geheimnis einweihen. Komm mit.“

Nach knapp drei Stunden Marsch erreichten sie das Fort.

„Eine kleine Festung mitten im Urwald. Wie hast du sie gefunden? Du hast sie doch sicher nicht in der kurzen Zeit gebaut. Doch, wer hat sie angelegt?“

Nancy stutzte kurz.

„Und was hat sie mit dem Verlassen der Insel zu tun?“

Karl lächelte.

„Du sollst wissen, daß ich dir völlig vertraue. Deshalb erzähle ich dir jetzt alles. Setzen wir uns aber erst einmal.“

Sie holten sich zwei Hocker, ließen sich auf der Veranda nieder.

„Nein, ich habe sie nicht gebaut“, begann Karl, „sie existierte schon als ich diesmal zur Insel kam.“

„Diesmal?“ unterbrach ihn Nancy, „das klingt doch so also seist du schon öfters hier gewesen?“

Sie überlegte kurz.

„Ja, du mußt schon einmal auf der Insel gewesen sein. Wie hättest du auch so schnell dieses versteckt liegende Fort finden können. Wir sind doch erst wenige Tage hier.“

„Gemach, gemach“, lächelte Karl, „du erfährst alles, der Reihe nach. Ich habe in Darmstadt Maschinenbau studiert. Aber die Arbeit in einem muffigen Büro befriedigte mich nicht. Und so ging ich zur Kaiserlichen Marine, kam nach der Ausbildung zum Südseegeschwader. Du weißt sicher, das Deutsche Reich besaß vor dem Krieg ein größeres Schutzgebiet im Pazifik. Als Marineoffizier habe ich die Gegend kennengelernt. Und auf dieser Insel haben wir damals drei Stationen errichtet. Sie waren als Vorposten zum Schutz Samoas gegen Angriffe der Franzosen aus Richtung Tahiti gedacht. Sie waren nicht permanent besetzt, zwei von ihnen waren mit Kanonen ausgestattet. Das Fort hier war die kleinste, es diente als Beobachtungsposten. Von dem Felsen da oben hat man einen herrlichen Blick auf die Weiten des Pazifiks. Ich war öfters hier, habe die Insel gleich erkannt, als wir auf das Riff aufliefen.“

„Schön“, unterbrach ihn Nancy, „und wie hilft uns das jetzt weiter?“

„Wir können Samoa in zwei Tagen erreichen.“

„Ja, wenn wir ein Schiff hätten. Willst du etwa ein Rettungsboot stehlen und brauchst mich zum Rudern? Und du findest Samoa ohne Navigationsgeräte?“

„Nein, natürlich nicht. Unterbrich mich doch nicht dauernd.“

„Dann mache es kurz und sage endlich, was Sache ist. Das Fort hier kann doch mit Sicherheit nicht schwimmen.“

„Das braucht es auch nicht. Wir hatten hier ein größeres, seetüchtiges Boot versteckt, für Notfälle. Es ist noch vorhanden, die Amerikaner haben es ebenso wenig entdeckt wie das Fort hier. Es ist noch völlig in Ordnung, die Segel sind auch noch gut. Wir müssen es nur noch seeklar machen.“

„Aber ohne Navigationsgeräte?“

„Ich habe von der 'Pride of South' einen Sextanten und einen Kompaß, sowie einige Seekarten mitgenommen. Außerdem besitze ich eine gute, wasserdichte Uhr. Das genügt.“

„Und wozu brauchst du mich?“

„Nun ja, normalerweise sind drei Mann Besatzung notwendig.“

Karl lachte.

„Ein kräftiger Mann wäre mir lieber gewesen, aber zur Not muß auch eine Frau genügen.“

Nancy verzog das Gesicht.

„Sei mir nicht böse wegen dieses Scherzes. Harte Arbeit mußt du nicht verrichten. Du mußt mir nur helfen das Boot seeklar zu machen. Und dann müssen wir aus dem Riff heraus ins offene Meer. Da muß jemand genau die See beobachten, damit wir nicht irgendwo auflaufen. Ich kann nicht gleichzeitig steuern und nach Unterwasserfelsen Ausschau halten. Außerdem muß auch jemand steuern, wenn ich einmal ein paar Stunden Schlaf brauche.“

„Da kannst du dich auf mich verlassen.“

„Ansonsten benötigen wir einen Trinkwasservorrat und Lebensmittel, am besten für etwa eine Woche. Denn wenn wir in eine Flaute geraten, dauert die Fahrt länger.“

„Und wo bekommen wir die Lebensmittel her? Wir können Sie doch nicht Cloud stehlen. Das ist zu riskant.“

„Das ist auch nicht notwendig. Wasser ist kein Problem. Ich habe bereits genügend Flaschen eingesammelt und gereinigt. Die sind schnell befüllt.

Und Lebensmittel gibt es noch im Wrack der 'Pride of South'. Cloud und seine Leute haben nicht alles gefunden. Aber ich darf nicht gesehen werden, kann daher nur nachts hinüberfahren. Und im Lager muß ich mich auch zeigen, damit kein Verdacht aufkommt. Zwei bis drei Tage Vorbereitung sind schon noch notwendig. Und du mußt auch vorsichtig sein, dich schützen. Einige Kerle, die ansonsten zu kurz kommen, haben es auf dich abgesehen, trotz deines künstlichen Buckels und deiner vorgetäuschten Häßlichkeit. Warte einen Moment.“

Er erhob sich, begab sich in die Hütte, kam kurz darauf wieder heraus, hielt einen Revolver in der Hand. Er reichte ihn Nancy.

„Kannst du damit umgehen?“

„Ja.“

„Gut, er ist geladen. Ich gebe ihn dir zu deinem Schutz, für alle Fälle.

Verberge ihn aber gut.“

Er führte sie dann zum Strand zurück. Etwas abseits, schon im Dickicht stand eine außergewöhnlich hohe Palme.

„Sie ist ein markantes Zeichen“, sagte Karl, „du kannst sie nicht verfehlen, auch nicht bei Nacht. Du erreichst sie vom Lager aus, wenn du am Strand nach rechts abbiegst. Begib dich dorthin, falls du Schwierigkeiten bekommst. Ich werde dich da finden.“

Am späten Abend des nachfolgenden Tages lag Nancy unter ihrer Zeltplane, schlief bereits. Sie wurde unsanft geweckt, Hände betatschten ihren Körper.

„Diese verdammten Hurensöhne nehmen uns alle Weiber weg. Jetzt müssen wir uns eben mit der Buckligen begnügen“, hörte sie eine Stimme.

„Besser als gar nichts“, gab eine andere zur Antwort, „ich fuhr einmal auf einem deutschen Schiff; der Bootsmann sagte immer 'nachts sind alle Katzen grau'. Du verstehst, was ich meine?“

Ein leises Lachen ertönte.

„Ja, so ungefähr. Ich kenne auch ein deutsches Sprichwort, es lautet 'in der Not frißt der Teufel Fliegen'. Hauptsache, sie ist unten nicht bucklig und wir kommen auf unsere Kosten.“

Nancy erschrak, sie blickte auf, sah im Mondlicht zwei Gestalten über sich.

Sie zögerte keinen Augenblick, zog ihren Revolver unter der Decke hervor, schoß zweimal. Dann sprang sie auf, rannte zum Strand, bog nach rechts ab, erreichte nach fünf Minuten die Palme, wo sie sich niederließ.

Die Schüsse hatten das Lager aufgeschreckt. Bewaffnet, Laternen in den Händen durchstreiften die Piraten die Örtlichkeit, fanden bald die Zeltplane und die beiden niedergeschossenen Männer. Sie lebten noch. Die Piraten riefen Cloud herbei. Der schaute die beiden Kerle an.

„Malaien“, sagte er verächtlich.

„Was ist passiert?“ herrschte er sie dann an.

Einer war noch in der Lage zu sprechen.

„Die Bucklige war es. Sie hatte einen Revolver.“

Cloud wandte sich ab.

„Der Schiffsarzt soll nach ihnen sehen, wenn er Lust hat. Viel Zweck hat es nicht, sie verrecken sowieso.“

Er ging zu seiner Hütte, rief sofort seine drei Unterführer herbei.

„Weiß einer, wer die Bucklige ist?“

„Eine von den Weibern, so eine Kanakin; ziemlich abstoßend. Keiner von uns hat sich bisher für sie interessiert. Wir gaben ihr leichte Arbeit und Essen. Auffällig verhalten hat sie sich jedenfalls nicht.“

Cloud runzelte die Stirn.

„Wahrscheinlich wollten die Kerle es mit ihr machen, weil sie heute abend sonst nichts bekamen. Eigentlich hätte sie doch froh sein müssen, daß überhaupt einer an sie ran geht. Aber das interessiert mich nicht und um die Kerle ist es auch nicht schade. Bedenklich ist nur, daß sie eine Waffe besaß.“

„Vielleicht fand sie die den Revolver auf dem Schiff in einer Offizierskajüte“, erwiderte nun Slim, einer der Unterführer, „wir hatten ja unsere eigenen Waffen, haben die 'Pride of South' nicht durchsucht.“

„Weil ihr gefressen, gesoffen und gehurt habt“, knurrte Cloud.

„Du bist der Boß, du hättest es anordnen sollen“, blaffte Slim zurück, „ist doch logisch, daß die Offiziere Waffen besaßen. Aber das läßt sich jetzt nicht mehr ändern. Wir haben auch keine Ahnung wie viele Waffen sich an Bord befanden.“

„Nicht mehr ändern?“ stieß Cloud hervor, „wenn sie eine Waffe hat, dann haben andere auch welche. Und du hast recht. Wir haben keine Ahnung wie viele Waffen an Bord waren.“

„Bisher ist uns noch nichts aufgefallen“, meinte Joe, ein anderer Unterführer.

„Bisher!“ fuhr Cloud fort, „die Südamerikaner müssen wir vermutlich nicht fürchten. Die haben garantiert nicht daran gedacht. Aber die 'Freien', die könnten Waffen haben. Ich meine jetzt nicht die Geschäftsleute, die nur daran denken Kohle zu machen, aber ansonsten Nieten sind. Da sind aber auch einige so zwielichtige Weltenbummler darunter, die nicht dumm sind.

Denen traue ich zu nach Waffen gesucht zu haben. Sie tragen sie sicher versteckt, warten die Entwicklung der Dinge ab. Solange sie gut versorgt werden und sich nicht die Finger dreckig machen müssen, ist für sie die Sache in Ordnung. Aber wenn ihnen der Kram hier nicht mehr paßt, dann gehen sie gegen uns vor. Wir müssen sie durchsuchen, am besten gleich.“

„Jetzt bei der Dunkelheit?“ wandte Slim ein, „da finden wir doch nichts.“

„Aber wenn wir bis zum Morgen warten, dann haben sie Zeit die Sachen zu verstecken. Dann finden wir erst recht nichts.“

Sie riefen ihre Leute zusammen, umstellten das Lager, begannen mit der Durchsuchung. Sie fanden nichts.

„Das war ein Schlag ins Wasser“, brummte Cloud, „haben wir überhaupt alle gefilzt?“

„Unwahrscheinlich, jetzt in der Nacht“, entgegnete Joe.

„Das bedeutet aber, wer etwas hatte, hat sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht, und wer nichts hatte, der mußte ohnehin nichts befürchten.“

Karl schlief noch nicht als ihn die Schüsse aufschreckten. Sie kamen aus der Gegend, wo die Frauen lagerten. Unwillkürlich dachte er an Nancy. Ihr drohte Gefahr. Hier im Lager konnte er nichts für sie tun. Er wußte ja nicht einmal wo sich ihr Schlafplatz befand. Also begab er sich sofort zur Palme.

Er traf dort Nancy. Sie war sichtlich aufgeregt.

„Was ist passiert? Du hast doch geschossen?“

Nancy erzählte, was vorgefallen war. Karl dachte kurz nach.

„Beruhige dich erst einmal. Dann laufen wir zum Fort. Das ist die einzige Möglichkeit. Dort bist du sicher. Denn eines ist klar: ins Lager kannst du nicht zurück. Sie wissen bestimmt bereits, daß du es warst.“

Er wartete ein paar Minuten bis Nancy etwas ruhiger geworden war, dann brachen sie zum Fort auf.

„Hab keine Angst“, sagte Karl unterwegs, „ich bleibe heute nacht bei dir.“

Am anderen Morgen meinte Karl. „Am besten wir brechen heute nacht schon auf. Sie könnten anfangen die Insel zu durchsuchen und früher oder später hierher kommen. Sammele also bitte so viele Früchte wie du tragen kannte, ich versuche, ein paar Konserven zu organisieren. Ich habe noch nichts vom Schiff geholt. Ich komme am Nachmittag wieder, da wir das Boot noch vor Einbruch der Dunkelheit seeklar machen müssen. Falls Gefahr droht komme ich schon eher. Sei ohne Sorge.“

Dann verabschiedete er sich. Seinen Revolver ließ er zurück.

Vorsichtig näherte sich Karl dem Lager. Die Unruhe hatte sich mittlerweile zwar etwas gelegt, es herrschte jedoch eine ziemliche Nervosität unter den 'Freien'. Karl verzichtete daher erst einmal darauf es zu betreten, begab sich zum Strand, sprach einen Mann an, der dort spazieren ging.

„Hast du eine Ahnung, was der Aufruhr heute nacht zu bedeuten hatte, die Schüsse und die nachfolgende Durchsuchung des Lagers?“

„Du weißt das nicht? Warum?“ fragte der Mann mißtrauisch, „das ist doch Gesprächsthema Nummer eins.“

„In der Nacht war nichts zu erfahren“, log Karl, „und am Morgen bin ich schon in aller Frühe in den Urwald gegangen um Früchte zu suchen. Ich mag die Konserven nicht.“

Der Mann musterte ihn skeptisch, er glaubte ihm offenbar nicht so recht.

„Na ja“, meinte er dann, „eine von den Weibern, so eine häßliche, buckelige hat zwei Malaien erschossen, die an sie ran wollten.“

„Erschossen?“ unterbrach ihn Karl, „dann muß sie ja eine Waffe besessen haben.“

„Genau“, lautete die Antwort, „und wenn sie eine Waffe hatte, dann bedeutet das wohl, daß sie diese auf dem Schiff fand.“

„Und was schließt man daraus?“

Der Mann wurde leicht ärgerlich.

„Spiel doch nicht den Naiven. Wenn sie auf dem Schiff eine Waffe gefunden hat, dann haben andere dort wohl auch Waffen gefunden. Das kann Cloud ganz und gar nicht recht sein. Deswegen gab es ja auch diese Durchsuchungen heute nacht. Sie haben natürlich nichts gefunden, denken aber nun, wir hätten die Waffen versteckt, überwachen uns nun auf Schritt und Tritt.“

Karl schaute dem Mann ins Gesicht. Dessen Blick sagte:

„Du könntest einer der Kerle sein, die Waffen besitzen, du treibst dich ja ständig überall herum. Und daß du im Urwald nichts anderes machst als Früchte zu suchen, das nehme ich dir nicht ab.“

Unter diesen Umständen hielt es Karl nicht für geraten ins Lager zu gehen und sich nach Konserven umzuschauen.

Er kehrte zum Fort zurück, nahm aber größere Umwege um eventuelle Verfolger abzuschütteln, erreichte es erst am Nachmittag, gut zwei Stunden vor Sonnenuntergang.

„Alles ist zwar alles gut gegangen, aber die Kerle sind mißtrauisch, nicht nur Cloud und seine Leute, sondern auch die 'Freien'. Und einigen von ihnen traue ich durchaus zu, daß sie einen ohne Bedenken ans Messer liefern. Es erschien mir daher zu riskant ins Lager zu gehen und nach Konserven zu suchen. Wir müssen uns mit den Früchten zufrieden geben, die du eingesammelt hast. Brechen wir am besten gleich auf.“

Sie nahmen, was sie tragen konnten, erreichten nach einer dreiviertel Stunde einen größeren Teich, in dem ein Boot lag.

„Und wie bringen wir es hinaus aufs Meer?“ fragte Nancy nun.

Karl grinste.

„Es lag natürlich nicht all die Jahre im See, sondern getarnt am Ufer. Es ließ sich aber über ein verborgenes Rollensystem leicht in den See bringen.“

„Das habe ich nicht gefragt“, unterbrach ihn Nancy leicht ungehalten.

„Gemach, gemach, werde doch nicht immer gleich ungeduldig. Also, das ist kein natürlicher See, sondern ein aufgestauter Bach. Vorne am Auslauf befindet sich ein verborgenes Wehr. Wenn ich es öffne, dann strömt genügend Wasser aus um das Boot, auch wenn es vollbeladen ist, ins Meer zu tragen.“

„Und das soll funktionieren?“

„Mißtraust du etwa der Kaiserlichen Deutschen Marine?“

Karl grinste.

„Keine Sorge, das geht glatt, auch nachts. Ich habe übrigens alles überprüft.

Der Bachlauf ist frei.“

„Aber wir können doch nicht gleich aufbrechen. Es wird bald dunkel. Und bei Nacht können wir doch wegen der Klippen nicht durchs Riff.“

„Das ist wahr, für heute ist es zu spät. Ruhen wir uns also noch ein bißchen aus. Und wir brechen dann etwa eine Stunde vor Beginn der Dämmerung auf. Dann erreichen wir den Strand wenn es hell wird.“

„Sollen wir nicht besser hier bleiben? Das Fort aufzusuchen erscheint mir riskant. Vielleicht suchen sie doch nach uns.“

„Du hast recht. Im Boot befinden sich Hängematten. Bleiben wir also hier.“

Kurz vor dem Morgengrauen bereiteten sie sich auf die Abfahrt vor. Karl öffnete die Schleuse und das Boot trieb wie vorgesehen mit der Strömung zum Meer. Sie warfen den Anker aus, richteten dann den Mast auf und setzten das Vorsegel. Langsam trieb das Boot durch die Bucht dem offenen Meer zu.

Nancy beobachtete die Wasserfläche gewissenhaft, tastete zudem mit einem langen, dünnen Stock das Meer nach dicht unter der Wasserlinie liegenden Felsen ab. Sie ließen sich Zeit, die Sicherheit hatte Vorrang. Gefahr drohte nicht, denn vom Piratenlager aus konnten sie nicht gesehen werden, es sei denn es hielt jemand auf einer exponierten Stelle der Insel Ausschau. Das war aber bisher nicht üblich gewesen. Nach etwas mehr als einer Stunde sagte Karl schließlich:

„Wir haben es geschafft, die Riffe liegen hinter uns. Jetzt können wir loslegen, das Hauptsegel setzen.“

Nachdem dies getan war, meinte er:

„Samoa liegt im Nordwesten, wir befinden uns hier an der Ostküste der Insel. Wir können uns nun nach Norden halten und dann nach Westen abbiegen; dazu müssen wir allerdings den Lagerplatz passieren. Wir befinden uns soweit von Strand weg, daß ihre Gewehre uns wohl kaum töten oder verletzen können, aber wir müssen sichergehen und uns weiter entfernen. Außerdem weiß ich nicht, ob sie nicht versuchen könnten, etwas gegen uns zu unternehmen und uns zu folgen. Sie haben ja noch die Rettungsboote, müssen allerdings rudern. Dennoch, es könnte für uns übel ausgehen, wenn der Wind einschläft. Die andere Möglichkeit besteht darin, die Insel südlich zu umsegeln. Falls sie einen Posten aufgestellt haben, kann der uns natürlich auch sehen, aber bis er seine Gefährten alarmiert hat und die reagieren, vergeht einige Zeit. Und wir können von der Südspitze aus nach Westen segeln, dann haben wir von vornherein eine größere Distanz zu einem eventuell ausgesandten Boot.“

„Dein Vorschlag klingt vernünftig. Ein einzelner Posten kann wenig gegen uns unternehmen. Vielleicht ist die Vorsicht unnütz, aber ich denke, mehr als zwei bis drei Stunden Reisezeit nach Samoa wird uns das nicht kosten.

Wir sollten uns jetzt nicht unbedacht in Gefahr begeben, wenn es nicht notwendig ist.“

„Es freut mich, daß du das auch so siehst.“

Drei Stunden später war die Insel außer Sicht. Niemand folgte ihnen. Ein günstiger Wind blies.

„Wenn kein Unwetter heraufzieht, dann werden wir sicher morgen abend Samoa erreichen.“

„Wir sollten nicht zu viele Bedenken haben. Die Sache ist am Laufen, ändern können wir nichts mehr. Es ist unnütz sich nun zu beunruhigen. Ich weiß, das Unternehmen birgt Risiken. Ich war mir dessen bewußt, als ich mich dir anschloß.“

Karl bestimmte nun die Position gab den Kurs vor. Sie lagen jetzt etwas träge im Boot, Karl korrigierte ab und zu den Kurs, sie dösten vor sich hin.

Beide waren müde, da sie die Nacht davor kaum zum Schlafen gekommen waren.

„Was hast du eigentlich vor, wenn wir Samoa erreicht haben?“ fragte Karl schließlich.

„Ich habe ja die Stelle als Lehrerin in Chile angenommen. Ich werde also von Samoa aus der Schule telegraphieren, daß ich das Unglück der 'Pride of South' überlebt habe und nun versuchen werde, möglichst rasch nach Valparaiso zu kommen. Ich hoffe, sie nehmen mich noch, auch wenn ich nicht rechtzeitig zum Schuljahresbeginn ankomme. Ich habe im Moment ja auch keine Ahnung, wie es von Samoa aus weitergehen wird.“

„Ich meine das noch ein bißchen anders. Wir kennen uns noch nicht lange.

Trotzdem wäre es schade, wenn wir uns aus den Augen verlören. Oder siehst du das anders?“

„Nein, aber dann mußt du mit nach Chile kommen.“

„Das ist das geringste Problem. Ich habe ohnehin noch kein Ziel.“

Zwei Tage später erreichten sie Samoa. Sie melden sich bei der amerikanischen Kommandantur, berichten über das Schicksal der 'Pride of South' und von den Vorgängen auf der Insel.

Die Amerikaner sandten umgehend ein kleines Geschwader von drei Schiffen aus, welches die Piraten überwältigte und die Schiffbrüchigen rettete. Zwei Tage später kehrt das Geschwader zurück.

Ein Teil der Piraten, darunter Cloud, war bei der Befreiungsaktion getötet worden, die Überlebenden wurden an Australien ausgeliefert.

Die Amerikaner baten Karl an im Range eines 'Captains' in ihre Dienste zu treten, stellten Nancy eine Anstellung als Lehrerin in Aussicht. Doch sie winkte ab.

„Ich habe nicht Australien verlassen um zu den Amerikanern zu gehen.“

Sie hatte auch mittlerweile die Schule in Santiago telegraphisch benachrichtigt und man zeigte Verständnis für ihre Lage. Man teilte ihr mir, ihre Anstellung sei auf jeden Fall sicher, auch wenn sie ein paar Tage später eintreffe. Karl lehnte daher das Angebot der Amerikaner ab.

Drei Wochen später legte ein Schiff an, welches die Geretteten nach Chile brachte.

Karl fand nach kurzer Zeit eine Anstellung in einer im Aufbau befindlichen Maschinenfabrik.

Drei Monate später heirateten Nancy und Karl.

Onmi

Am späten Nachmittag kehrten Captain Peter Kronau und seine Männer in das von den Regierungstruppen eroberte Hauptquartier der Rebellen auf der Insel Oglabi zurück. Major Oleg Rogarki empfing den Offizier lachend.

„Das war wieder einmal eine Meisterleistung von euch, Captain. Ihr habt nicht nur General Daghli, den Militärchef der Rebellen hier auf Oglabi und seinen Stab erledigt, sondern auch noch den stellvertretenden Rebellenchef Kukuman, der sich zufällig hier aufhielt. Damit war unsere Aktion ein voller Erfolg: das Hauptquartier erobert, die militärische Führung eliminiert; der Colonel wird zufrieden sein. Schade, daß Daghli tot ist, sie hätten ihm sicherlich gerne den Prozeß gemacht.“

„Und vorher gefoltert“, wandte Kronau ein.

„Sei doch nicht so empfindlich“, entgegnete der Major, „wir befinden uns hier schließlich im Krieg. Sieg oder Niederlage heißt die Parole und der Sieger hat am Ende immer recht. Das kennst du doch.“

Peter schwieg, er verstand. Vier Jahre hatte er im Krieg gekämpft, die meiste Zeit als Stoßtruppführer. Zerstörung von Brücken, Nachrichtenzentren, Kommandozentralen, das waren seine Spezialitäten. Er erhielt Auszeichnungen. Nach der Niederlage und der Revolution, wurden einige der Unternehmungen als Kriegsverbrechen eingestuft, er vor Gericht gestellt und zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Es gelang ihm zu fliehen.

Er streifte durch die Welt, ließ sich schließlich als Söldner anwerben.

Allerdings machte er zur Bedingung, daß er den Rang eines Captains erhielt, was einem Hauptmann, seinem letzten militärischen Dienstgrad in der Heimat entsprach. Brauch war das nicht, doch da es an fähigen Kommandoführern mangelte, akzeptierten die Auftraggeber diese Forderung. Nun kämpfte er hier auf Oglabi als Söldner der Regierung im Bataillon von Major Rogarki gegen Rebellen. Die Hintergründe dieses Kriegen interessierten ihn wenig. Er tat seinen Job, er führte eine kleine Kommandoeinheit, die Spezialaufträge durchführte. Heute war es die Verfolgung der geflohenen Führungsspitze nach einer handsteichartigen Eroberung des Hauptquartiers in den Morgenstunden. Nach drei Stunden Jagd hatten sie die Geflohenen schließlich im Dschungel aufgespürt und erschossen.

„Du hast dir eine kleine Belohnung verdient. Wir haben eine Horde Weiber gefangengenommen. Such dir eine aus. Es ist alles dabei: Weiße, Braune, Schwarze, Gelbe. Aber mach nicht so lange rum. Die Jungs sind schon ganz heiß. Weißt du, die anderen Offiziere haben sich schon bedient. Und nun werden die übrigen an die Unteroffiziere und Mannschaften verteilt. Ich habe übrigens für dich und deine Männer die Baracken sieben und acht reserviert. In Nummer sieben gibt es sogar eine Dusche. Da kann sich deine Puppe vorher waschen wenn du Wert darauf legst.“

Peter zögerte etwas.

„Mach schon“, munterte ihn Oleg auf, „die anderen wollen ja schließlich auch noch ran.“

Peter lief langsam auf die Weibergruppe zu, die etwas abseits auf einer Grasfläche lagerte. Es handelte sich um etwa siebzig Frauen unterschiedlichen Alters und Aussehens. Ebenso unterschiedlich war ihre Kleidung.

Manche waren recht gut angezogen, manche trugen eher billige Sachen bis hin zu Lumpen. Peter warf einen Blick auf sie. Über ihr Schicksal war er sich im Klaren, etwa siebzig Frauen, ungefähr dreihundert Soldaten; also kamen auf jede Frau etwa vier Männer. Und eine von ihnen konnte er vor einer Vielfachvergewaltigung bewahren. Etwas unschlüssig durchschritt er die Reihen. In den Gesichtern las er Haß, Verzweiflung, Angst, Lethargie.

Gab es keine mit positiver Ausstrahlung? Vermutlich nicht. Worauf sollte die sich auch gründen? Nach einiger Zeit fiel sein Blick auf eine noch junge, hübsche Frau mit bronzefarbener Haut. Er bemerkte in ihren dunklen Augen ein Bitten, das Hoffnung auf Erlösung auszudrücken schien. Das berührte ihn sonderbar. Er bat sie aufzustehen. Sie erhob sich. Sie war recht groß, schien einigermaßen schlank zu sein, wenn auch nicht dünn. Sie trug ein weißes Hemd und ein gleichfarbene Hose, die beide allerdings recht schmutzig waren. Das Hemd war zerrissen, bedeckte nur noch notdürftig ihren Oberkörper, so daß die Brüste teilweise sichtbar waren. Ein leichtes Lächeln glitt nun über ihr Gesicht. Es schien Angst und Hoffnung gleichzeitig auszudrücken. Zumindest empfand es Peter so. Die Frau gefiel ihm.

„Komm mit“, sagte er kurzentschlossen. Sie folgte ihm wortlos.

Die Baracke Nummer sieben war recht klein, bot zwei bis drei Mann Platz zum Schlafen. In einem durch eine Wand abgetrennten Nebenraum befand sich eine primitive Dusche: ein oben offener Wasserkanister in einer Höhe von etwa einem Meter siebzig angebracht; ein Schlauch führte aus ihm heraus, an dessen Ende sich ein Brausekopf befand. Ein Loch im Fußboden diente als Abfluß.

„Du wirst dich sicher waschen wollen. Etwas ordentliches ist es nicht, aber es muß genügen; es gibt auch nur kaltes Wasser; ich hoffe, das stört dich nicht“, sagte Peter.

„Danke“, lautete die Antwort, „ich bin nichts besseres gewöhnt.

Er begab sich nun zu Baracke acht. Die Frau folgte ihm. Dieser Bau war etwas größer, bestand aus zwei Räumen, verfügte über zehn Schlafplätze.

„Es muß für euch reichen“, sagte er zu seinen Männern, die sich mittlerweile eingefunden hatten. Dann wies er einen von ihnen an, den Wasserbehälter der Dusche zu füllen. Er ging zurück zu Baracke sieben, ließ sich auf einem der davor stehenden Hocker nieder, gebot der Frau auf einem anderen Schemel Platz zu nehmen.

„Wie heißt du eigentlich?“

„Onmi.“

„Ich heiße Peter, nenne mich einfach so.“

Er schwieg kurz.

„Du brauchst vor mir keine Angst zu haben und vor meinen Männern auch nicht. Sie tun dir nichts. Du stehst unter meinem Schutz und der wirkt, zumindest so lange du hier im Bereich der beiden Hütten bleibst. Und versuche nicht wegzulaufen. Du kommst nicht weit und was dich dann erwartet kannst du leicht erraten.“

„Ich habe keine Angst“, lautete die Antwort, es lag eine leichte Bitternis in ihrer Stimme, „was werdet ihr schon mit mir tun? Doch nichts anderes als das was die anderen getan haben.“

„Sie haben dich mißbraucht?“

„Mißbraucht? Ein seltsames Wort. Sie sagten es sei unsere Pflicht, unser Beitrag zur Revolution, den Kämpfern, die ihr Leben für die Freiheit des Volkes einsetzen, ein bißchen Spaß zu gewähren.“

Peter lachte.

„Ich setze mein Leben nicht für die Freiheit des Volkes aufs Spiel, habe daher auch kein Anspruch auf Spaß.“

Onmi lächelte.

„Gut, dann verstehen wir uns also.“

Er pausierte kurz.

„Waschen ist aber nicht genug. Du brauchst auch ordentliche, saubere Kleidung. Mal sehen, ob ich etwas besseres besorgen kann. Komm mit.“

Sie begaben sich in den Bereich des Lagers, den der Major für sich und seinen Stab als Quartier ausgesucht hatte. Peter schaute sich um.

„Was gibt es, Captain?“ sprach ihn schließlich ein Sergeant an.

„Ich suche frische Kleidung für die Frau hier. Es wurde doch sicher einiges hier im Hauptquartier erbeutet. Wer verwaltet das?“

„Klamotten für eine Frau aus der Kriegsbeute“, der Sergeant lachte, „Sie sind gut, Captain. Das ist ja etwas ganz Neues. Also, Sergeant Borosco verwaltet das. Gehen Sie zu ihm.“

„Eigentlich darf ich Ihnen nichts geben, Captain“, Borosco wiegte den Kopf hin und her, „alles muß ans Regiment abgeliefert werden, außer Waffen, Munition und Lebensmittel, wenn sie hier zur Versorgung der Truppe dringend gebraucht werden. Und das muß der Major genehmigen. Und es muß auch genau Buch darüber geführt werden.“

„Uniformen gehören doch auch zur Ausrüstung“, wandte Peter ein, „Soldaten können doch nicht in Lumpen herumlaufen.“

„Das Weib ist aber kein Soldat.“

„Trotzdem braucht sie frische Kleidung. Ich werde sie auch bezahlen.“

Borosco runzelte die Stirn.

„Also gut, Sie bekommen etwas, Unterwäsche, eine Bluse, eine Hose. Aber Sie müssen das quittieren und der Major muß es genehmigen.“

Peter grinste.

„Ich kann ihm ja die Sachen morgen zurückgeben, wenn er nicht damit einverstanden ist.“

„Schon gut“, wehrte Borosco ab, „sie soll sich etwas aussuchen. Ich schreibe inzwischen die Quittungen.“

Kurze Zeit später überreichte ihm der Sergeant zwei Blatt Papier.

„Unterschreiben Sie bitte, Captain. Ich bringe sie dann zum Major. Sie können sich dann ihren Wisch morgen bei ihm abholen und auch die Bezahlung regeln.“

Onmi hatte inzwischen etwas Passendes gefunden und sich das Bündel unter den Arm geklemmt. Sie verabschiedeten sich von Borosco. Sie gingen zurück zur Baracke. Unterwegs begegnete ihnen ein junger Leutnant. Er grüßte vorschriftsmäßig.

„Gut daß ich Sie treffe, Captain. Ich war auf dem Weg zu Ihnen. Der Major befiehlt alle Offiziere zu einer Lagebesprechung zu sich.“

„Wann?“

„In einer Viertelstunde.“

„Gut ich komme. Ich muß nur noch einmal kurz zu meiner Unterkunft.“

In der Baracke angekommen öffnete Peter, seinen Tornister, sein Marschgepäck war mittlerweile herbeigebracht worden, holte ein Stück Seife hervor, reichte es Onmi.

Sie lächelte.

„Danke.“

Er ermahnte sie noch einmal dringlich, ja nicht wegzugehen, begab sich dann zum Major.

Nach kurzer Zeit waren die Offiziere vollständig versammelt. Rogarki begann.

„Das war ein großartiger Erfolg heute. Wir haben das Hauptquartier der Rebellen hier auf Oglabi im Sturm bei relativ geringen Verlusten erobert.

Es hat auch lange genug gedauert, bis wir es ausfindig gemacht hatten. Wir haben fünfzehn Tote und etwa fünfzig Verwundete zu beklagen. Der Feind verlor mehr als dreihundert Mann, etwa zweihundert wurden gefangen genommen. Ein Teil davon ist verletzt. Den Erfolg haben wir nicht zuletzt unserem Captain Kronau und seinen Männern zu verdanken. Von ihm stammte auch der Plan zur Erstürmung. Dann hat er mit seinen Männern das Zugangstor geknackt und das Munitionsdepot in die Luft gejagt. Dabei verlor der Feind allein hundertfünfzig Mann. Und damit nicht genug. Er hat dann noch die geflohene Führungsmannschaft in den Dschungel verfolgt und erledigt. Die Leichen sind mittlerweile identifiziert. Es sind tatsächlich General Daghli und der Vizechef der Rebellen darunter. Gratuliere.“

Und er meinte dann an Peter gewandt, mit einem Grinsen.

„Ich hoffe, du hast dir als Belohnung auch eine hübsche Maus ausgesucht.“

Peter grinste.

„Nicht nur eine Maus, Major, auch noch ein paar Klamotten für sie. Ich hoffe, das geht in Ordnung. Ich bezahle es auch.“

Der Major lachte schallend.

„So seid ihr Gepiden eben, immer korrekt, wenn es nicht um Wichtiges geht.“

Er nahm einen Schluck Wasser, fuhr dann fort.

„Der Colonel ist äußerst zufrieden. Es gibt aber auch ein paar logistische Schwierigkeiten. Sie kommen mit ihren schweren Lastwagen nicht so recht hierher durch, haben auch Angst vor Überfällen durch versprengte Banditen während der Nacht. Deshalb wurden heute nur unsere Toten und Verwundeten abgeholt, wir anderen müssen bis morgen bleiben. Die toten Feinde werden in einem Massengrab verscharrt. Eine größere Gruppe Gefangener hebt bereits eine Grube aus. Auch müssen wir damit rechnen, daß versprengte Banditen sich hier hereinschleichen und Anschläge begehen. Also genügend Wachen aufstellen und nicht zuviel Schnaps ausgeben. Die Männer sollen nüchtern bleiben. Die gefangenen Weiber sind zum Gebrauch freigegeben. Sorgen Sie dafür, daß das ordentlich abläuft und es nicht zu Streitereien kommt. Sonst noch Fragen?“

Die Offiziere schwiegen.

„Gut, meine Herren, dann können Sie gehen. Lassen Sie sich noch Ihre Eßpakete aushändigen.“

Die verabschiedeten sich.

„Ach, Peter, bleib noch kurz hier; ich habe mit dir noch etwas zu besprechen. Gehen wir raus auf die Veranda.“

Sie nahmen Platz. Der Major winkte einen Soldaten herbei, orderte Bier.

Dann zog er ein Päckchen Zigaretten hervor, reichte es Peter. Der bediente sich.