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Nach den Iphorismen war es Zeit für etwas Neues. Jetzt das logische Folgewerk: iphorismische Short Stories, kurz: iShSt
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Seitenzahl: 307
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Erst kamen die Iphorismen
Was zeichnet eine Kurzgeschichte aus?
1. Januar
2. Januar
3. Januar
4. Januar
5. Januar
6. Januar
7. Januar
8. Januar
9. Januar
10. Januar
11. Januar
12. Januar
13. Januar
14. Januar
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17. Januar
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30. Januar
31. Januar
1. Februar
2. Februar
3. Februar
4. Februar
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23. Februar
24. Februar
25. Februar
26. Februar
27. Februar
28. Februar
29. Februar (nach Bedarf)
1. März
2. März
3. März
4. März
5. März
6. März
7. März
8. März
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29. März
30. März
1. April
2. April
3. April
4. April
5. April
6. April
7. April
8. April
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30. April
1. Mai
2. Mai
3. Mai
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29. Mai
30. Mai
31. Mai
1. Juni (Juno)
2. Juni
3. Juni
4. Juni
5. Juni
6. Juni
7. Juni
8. Juni
9. Juni
10. Juni
11. Juni
12. Juni
13. Juni
14. Juni
15. Juni
16. Juni
17. Juni
18. Juni
19. Juni
20. Juni
21. Juni
22. Juni
23. Juni
24. Juni
25. Juni
26. Juni
27. Juni
28. Juni
29. Juni
30. Juni
1. Jumi (Jumau)
2. Jumi
3. Jumi
4. Jumi
5. Jumi
6. Jumi
7. Jumi
8. Jumi
9. Jumi
10. Jumi
11. Jumi
12. Jumi
13. Jumi
14. Jumi
15. Jumi
16. Jumi
17. Jumi
18. Jumi
19. Jumi
20. Jumi
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23. Jumi
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26. Jumi
27. Jumi
28. Jumi
29. Jumi
30. Jumi
30,5. Jumi
1. Juli
2. Juli
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1. Dezember
2. Dezember
3. Dezember
4. Dezember
5. Dezember
6. Dezember
7. Dezember
8. Dezember
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12. Dezember
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16. Dezember
17. Dezember
18. Dezember
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27. Dezember
28. Dezember
29. Dezember
30. Dezember
31. Dezember
Für deinen Geburtstag
Nach dem durchschlagenden Erfolg der Iphorismen – meiner Iphorismen – ist es Zeit für ein neues Projekt. Einfach noch ein Jahr an die Iphorismen anzuhängen, ist langweilig, vor allem für mich, die Autorin.
Aber als ich heute die Spülmaschine ausräumte, kam der Geistesblitz. Künstler brauchen Geistesblitze, den Funken der Kreativität. Bei anderen gibt es die auf der Toilette, aber bei mir eben beim Ausräumen von Tellern, Schüsseln und Bestecken.
Da mein einziger Roman bisher von niemandem veröffentlicht wurde, nicht einmal von mir selbst, und dasselbe für meine Sammlung von Kurzgeschichten gilt, war mir klar: Es ist Zeit für etwas Neues. Etwas, wonach sich ein Selbstverlag die Finger schleckt. Ein Nachfolger, der kein Nachfolger ist, aber Erinnerungen hochkommen lässt. Was kann es anders sein als iphorismische Kurzgeschichten, für jeden Tag eine?
Ob der Jumi, der Totgeglaubte, mit dabei sein wird, ist noch ungeklärt.
Gute Kurzgeschichten haben eine (häufig witzige) Pointe, sind kurz (zwischen – selten – einer halben und 30 Seiten), haben einen packenden Anfang und ein überraschendes Ende oder eines, das die Leser zum Nachdenken bringt. Die Leserinnen denken immer über das Ende von Kurzgeschichten nach, ich brauche mich daher nicht mit einer gendergerechten Form zu quälen.
Und wo ist nun der Unterschied?
Die iphorismische Short Story
Was nicht denglisch ist, ist nicht gut (dies könnte in die Iphorismen aufgenommen werden). Also ist es logisch, diese Literaturgattung so zu bezeichnen.
Was zeichnet die iphorismische Short Story aus?
1. Sie ist nicht länger als die Seite eines Buches mit maximal Taschenbuchgröße.
2. Eine Pointe ist fast verpönt und darf nur per Zufall hineingeraten.
3. Der Anfang schon soll die Leser möglichst abstoßen oder langweilen.
4. Werden mehrere zu einem Band zusammengeführt, muss für jeden Tag eine dabei sein.
5. Eventuell kommt hier mehr. Ist dies der letzte Punkt, so hat sich erwiesen, dass eventuell eben nicht eingetroffen ist.
Gebrauchsanleitung
Die Gebrauchsanleitung für die iphorismischen Short Stories1 ist dieselbe wie für die Iphorismen. Ich habe sie mit wenigen Handgriffen angepasst. Da es sich um ein Zitat handelt, setze ich eine Streichung im Originaltext in Klammern und eine Änderung kursiv:
Bitte pro Tag nur eine(n) (I)iphorismische Short Story lesen. Wer mehr liest, wird noch verwirrter.
1 Der korrekte Plural von „Story“ im Deutschen ist „Storys“. Hier aber haben wir einen zusammengesetzten Begriff: Der deutsche Teil ist iphorismische und der englische Teil Short Stories.
Am 29. August war die iphorismische Short Story auf die Bühne getreten: Unter tosendem Applaus verneigte sie sich zu allen Seiten. Und das, obwohl es draußen regnete.
Ihr erster Satz auf der Bühne war: „Ich bin dem Erfinder der Spülmaschine so dankbar. Hätte er mich nicht erfunden, hätte meine Schöpferin viel öfter zur Toilette gehen müssen.“
Erneut tosender Beifall, einzelne Männer sprangen auf und brüllten: „Bravo, bravo!“ Die Frauen hingegen blieben eher sitzen und trampelten mit den Füßen. Es soll Einzelfälle gegeben, haben, wo Frauen aufsprangen und Männer trampelten. Dies sei der Vollständigkeit halber erwähnt.
Die iphorismische Short Story entschied sich, sich nur als iShSt abkürzen zu lassen. Sie wollte nicht mit anderen Kräften verwechselt werden.
Die iShSt hatte sich bei der Wahl aller Seitenverneigungen auch nach hinten gedreht. Das wurde ihr fast zum Verhängnis, weil ihre Nase sich im dünnen Vorhangstoff verfing. Sie bemerkte sofort einen Fehler im ersten Absatz: Der Vorhang wurde nicht in ihm erwähnt.
Marita und Wolfgang saßen gemütlich beim Sonntagsfrühstück. Wolfgang las die Wochenendausgabe der Norddeutschen und Marita die Gisela. Die Brötchen knusperten im Mund, die Butter hatte genau die richtige Temperatur. Die Eier waren perfekt gelungen.
„Es ist eine Schande“, hob Wolfgang an und runzelte verärgert die Stirn. Marita sah hoch. „Diese Verbrecherbande! Wenn du liest, was Banazon an Waren vernichtet bei Rücksendungen, wie sie ihre Mitarbeiter schinden und mies bezahlen, wie sie europäisches Recht durch den Geschäftssitz in Singapur umgehen. Es ist nicht zu glauben. Und was tut der Staat, die Regierung? Mal wieder nichts! Banazon zahlt hier keine Steuern, keinen Cent. Und sie schleichen sich in alle Handelszweige ein, jetzt bauen sie schon einen Pizzadienst auf!“
Marita nickte: „Das muss gestoppt werden!“
Am Montagmorgen: Wolfgang verlässt das Haus vor Marita.
„Sag mal, Maritaschatz, hast du schon diese preiswerte Powerbank bei Banazon bestellt?“ „Klar, Wolfischätzchen.“
Die drei Archäologen beugten sich über ihren Fund. Das war sensationell! So gut erhaltene Schriftstücke gab es nach dem großen Krieg und der verheerenden Seuche selten.
„Die müssen damals trotz ihres technischen Fortschritts eine Bilderschrift benutzt haben. Das ist erstaunlich.“
Seine Kollegin nickte. Sie beugte den Kopf über die Seiten, die sie mit dem restlichen Strom aus dem klobigen Handy von damals hatten ausdrucken können.
„Wir konnten nicht alles drucken, wir müssen erst im Museum so ein Stromgerät finden, mit dem wir ‚nachladen‘ können.“
Freddy legte den Kopf nachdenklich zur Seite. „Vielleicht sind das gar nicht einzelne Buchstaben, sondern ganze Wörter? Irgendwo habe ich gelesen, dass es eine Ganzheitsmethode gab.“
Sie beugten den Kopf über die letzten Zeilen:
So schrieb Kataganga Typhus in sein Tagebuch.
Es war seit vielen Jahren Annas (Lieblingsprotagonistinnenname) Traum, Klavier spielen zu lernen. Als sie klein war, hatten ihre Eltern kein Geld für ein Klavier oder Klavierstunden. So hatte sie sich und ihre Mitmenschen mit einer Blockflöte gequält.
Als sie ihre Lehre zur Bäckereifachverkäuferin abgeschlossen hatte, legte sie jeden Monat etwas von ihrem Lohn zurück. Als sie nur noch drei Monate hätte sparen müssen, heiratete sie Jochen. Da musste sie Möbel, später das kleine Häuschen mitfinanzieren. Als die Kinder endlich aus dem Haus waren und sie wieder arbeiten gehen konnte, begann sie erneut zu sparen. Aber irgendwie ... etwas kam immer dazwischen.
Dann war Jochen bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen. Es gab Geld von der Berufsgenossenschaft sowie der Unfall- und der Lebensversicherung. Sie zahlte das Geld in eine private Rentenversicherung ein, kaufte sich ein Klavier und nahm Stunden. Nach zwei Jahren wurde ihr das zu teuer.
Sie übte jeden Morgen zwischen fünf und sechs Uhr. Sie war zufrieden mit ihren Fortschritten.
Wer in einem Selbstverlag ein Buch veröffentlicht, darf selbst den Verkaufspreis bestimmen. Der unterliegt zum einen der Menge der farbigen Abbildungen und zum anderen der Seitenzahl.
Genau das war das Problem: die Seitenzahl. Frieder hatte die letzten elf Jahre damit verbracht, einen Roman zu schreiben – eine Mischung aus Vampirthriller, Gesellschaftskritik, Romanze und Sachbuch. Er hatte im zweiten Korrekturgang viel gekürzt, aber wenn er die Geschichte nicht bis zur Unverständlichkeit verstümmeln wollte, blieben doch 11482 Seiten. Immerhin – die Seitenzahl war durch vier teilbar, das war Bedingung für den Buchdruck. Er entschied sich, eine Reihe daraus zu machen. Das gäbe 23 Bände zu je 480 Seiten und einen Rest von 442 Seiten. Dann zwei Seiten über sich selbst mit einem großen Schwarzweißfoto, einem halbverdeckten Porträt im Selfiemodus. Das erzeugte eine geheimnisvolle Stimmung!
Diese Reihe, daran hatte Frieder keine Zweifel, war einzigartig.
Nele regte sich regelmäßig über den Satz „Alle Menschen sind verschieden“ auf. Das war für sie dieser bekloppte moderne Egodualismus, die Mischung zwischen Egoismus und Individualismus. Schön wär’s ... aber jeder Mensch braucht Wasser und Nahrung. Es gibt sicher mehr als zwölf verschiedenen Menschenvariationen, daher war Astrologie für Nele auch Blödsinn. Aber ... na ja.
Ihr Aufregung erreichte ihren Höhepunkt, als Nele beim Durchforsten von Internetrezepten las:
Nun die Hörnchen ca. 10-15 Min. (180 °C) backen und drauf achten, dass sie nicht verbrennen, denn jeder Ofen ist anders.
Jeder Ofen ist anders? Dass ich nicht lache!
Nele ging zu ihrem Ofen und streichelte ihn freundlich: „Du bist ein Einzelstück und keiner ist wie du.“
Marianne sah sich im Spiegel an. Sie war zufrieden. Obwohl sie siebenundsechzig Jahre alt und schon zweifache Großmutter war, sah man ihr das überhaupt nicht an!
Die grauen Haare – seit einem halben Jahr färbte sie sie nicht mehr – hatte sie sich burschikos kurz schneiden lassen. Zu ihrer weiß-blau karierten Bluse trug sie eine hellblaue Jeans, natürlich nicht modisch eingerissen. Und solides Schuhwerk. Beige, mit einer dickeren Gummisohle. Sie zog sich ihren Rucksack über. Sowas von praktisch! Er war weinrot, aus Leder und nicht zu groß.
War es warm genug, ohne ihre seegrüne Jacke das Haus zu verlassen? Ach, das wird schon gehen. Als sie an der Ampel stand, sah sie auf der anderen Seite drei Teenager. Die Teenies schauten sie an und tuschelten. Ja, dachte Marianne, sie vermissen violett gefärbte Pudellöckchen, Gesundheitsschuhe und eine Handtasche bei mir – die Rentneruniform.
„Guck mal da drüben, die Frau ist ja total hundertpro in Rentneruniform unterwegs!“ Die drei konnten ihr Lachen kaum unterdrücken.
„Wenn es bis zur Auslieferung deiner Pizza länger als 22 Minuten dauert, bekommst du sie umsonst!“
Dr. Hagenbruch schaute auf die Pizzen von Würfelhut, die die junge Frau gerade an der Haustür abgeliefert hatte. Auf der obersten Pizza klebte das Werbeetikett.
Dr. Hagenbruch war Vorsitzender der Patientenvereinigung WWFÄ (Wir wollen faire Ärzte e.V.). Diesen Slogan würde er morgen bei der Konferenz ansprechen, bei der Ärzte- und Patientenvertreter eingeladen waren!
Und so schloss er dann seine Einführungsrede:
„Und nun schlage ich etwas vor, das alle Ärzte in ihre Praxis einführen sollten. Diese Aufenthalte in Wartezimmern sind unzumutbar. Also: Wer länger als 30 Minuten im Wartezimmer sitzt, bekommt die Behandlung umsonst“. Tumult auf der Ärzteseite, Klatschen und Trampeln bei den Patientenvertretern.
Dr. Winterbeet beugte sich zu seinem Kollegen Süßenfeld: „Das führt doch zu nix. Da sparen wieder nur die paar Privatpatienten. Den anderen ist das völlig egal!“
Bald würde er fünfzig Jahre alt. Er erschrak. Er hatte viel erreicht, war bedeutender Chefarzt der Gastroenterologie in einer mittelgroßen Kleinstadt, außerdem ärztlicher Direktor. Aber wie doch das Leben an ihm vorbeieilte! Wurde er alt?
„Ich muss jung bleiben!“, lautete nun seine Devise. Er meldete sich bei Facebook, Instagram und Twitter an und postete in unregelmäßigen Abständen. Die Beiträge waren fachlich, aber seine Klickzahl nahm nicht zu. Seine Töchter konnten ihm nicht sagen, warum.
Er schaute in den Spiegel. Wie sollte er in seinem maßgeschneiderten Anzug, dem Taschentuch in der Brusttasche, den handgefertigten Schuhen und der edlen Uhr jung wirken? Im Hinterkopf dachte er an die neue Sekretärin. Nein, nichts mit ihr anfangen, aber so ein paar bewundernde Blicke fänd er schon angenehm.
Er postete Fotos von sich. In Jeans mit Rissen am Knie, wattierten neongrünen Jacken. Nichts. Eine hautenge weiße Hose (der Bauch musste noch weg, das wusste er), dazu ein Muskelshirt – nichts. Ein kragenloser Kaschmirpulli mit luftigem Schal ohne Hemd darunter. Nichts.
„Sie müssen weniger arbeiten, haben mehr Zeit für Ihre Familie, sie werden effizienter und, ach ja, die Firma kann sparen. Eine typische Win-win Situation.“ Abteilungsleiterin Irmgard Frohwein lächelte Herrn Meier an.
„Ich habe keinen Spaß mehr an meiner Arbeit, meine Familie nerve ich zu Hause und die Firma spart nicht, weil ich aus Trübsinn irgendwann heimlich Dinge einstecke und die Abteilung sabotiere“, dachte Herr Meier. „Eine typische Defeatdefeat-Situation.“ Er sagte nichts.
Zu Hause erklärte ihm seine Frau, dass seine Gedanken lächerlich seien. Es heiße doch Loselose-Situation!
Marco schaute in den Briefkasten. „Nur ein Brief heute“, rief er nach oben.
Melanie kam die Treppe herunter. „Was ist das denn?“
Beide schauten auf den Umschlag, sie kannten die Absenderin nicht. Sie lasen den gelben Postzettel. Dort stand, dass der Brief wegen mangelnder Frankierung nicht befördert werden könne.
„Wir werfen den heute Abend einfach wieder in den Briefkasten.“
Sie vergaßen es mehrere Tage. Erst dann klappte Melanie den Zettel hoch. Der Adressat war das Gesundheitsamt der Stadt, Dezernat 41. Sie nahm kurzerhand eine Briefmarke und klebte sie auf den Umschlag. „Den nehmen wir jetzt aber mit. Das scheint was Wichtiges zu sein, nicht, dass die Frau noch einen Termin versäumt.“ Marco war nicht begeistert. Warum jemandem Schlampigen eine Marke spendieren? Aber Melanie hatte sie ja schon aufgeklebt. Als er ein Foto von dem Umschlag machte, sah seine Frau ihn fragend an.
„Ich werde an die Verfasserin schreiben und Erstattung von Porto und Aufwand einfordern!“
Anna nahm das Buch zur Hand. Einbruch der Wirklichkeit. Was für ein mieser Titel! Lieber wäre ihr Ausbruch der Irrealität gewesen. Viele Titel würde sie verbessern – wenn man sie dann ließe.
Statt Die Angst des Tormanns vorm Elfmeter jetzt Die Freude der Spielerin auf das Tor, statt Der Schatten des Windes nun Das Licht des Sturms, statt White Teeth nun Black Toes, statt Die Liebe unter Aliens nun Der Hass unter Erdbewohnern, statt Entmannung nun Befrauung. Vielleicht sollte sie mit dem Schreiben beginnen, und zwar mit ihrem Lieblingstitel: Fuß – eine Komödie.
Außerdem musste sie sich einen Künstlernamen dafür auswählen. Johanna Wölfchen zu Fränkfert schien ihr passend.
Sie hatte wirklich alles getan, damit sie sich einen Virus oder wenigstens einen Trojaner einfinge. Ihre Passwörter wählte sie sorgsam: Anna1972, Passwort, 3Mai1972, 123456. Dennoch, es passierte nichts. Ihr E-Mail-Name war gleichzeitig auch ihr Name in vielen Foren.
Dann kam der 14. Januar 2021. Und ihre allerschönste E-Mail:
[email protected] ist in einem neuen Datenleck aufgetaucht. Daten Monitor warnt dich vor Datenlecks, die deine persönlichen Daten betreffen. Wir haben soeben Informationen über ein Datenleck bei einem anderen Unternehmen erhalten.
Endlich! Das langweilige Leben war vorbei. Glücklich ging sie abends zu Bett und wartete von da an täglich auf Anzeichen dieses Lecks.
Susanne und Max kamen auf ihrer mittäglichen Runde an dem Hutgeschäft von Frau M. vorbei, mit der sie gelegentlich plauderten: über Max’ Herkunft aus der Schweiz, über das Altern, die desolate Einzelhandelslage in ihrem Vorort usw.
So auch an diesem Tag. Kaum hatte Frau M. die beiden gesichtet, trat sie vor die Tür. Sie begannen ein lockeres Gespräch, in dem Frau M. berichtete, wie sie kürzlich eine Messerstecherei auf einem Spielplatz fast miterlebt hätte.
Nun entsetzte sich Frau M. über die Türken. Max wollte keine Kontroverse und murmelte, in der Schweiz gäbe es solche Probleme auch. Susanne war das peinlich.
„Die Türken, die sind ja alle so impulsiv und ziehen dann sofort ein Messer. Die haben ja alle immer ein Messer dabei.“
Susanne entgegnete: „Ich bin übrigens noch nie von einem Türken mit Messer angegriffen worden, Sie?“ Da musste Frau M. zustimmen. Hinterher ärgerte sich Susanne über ihre laue Antwort. Besser wäre doch gewesen: „Ja, stimmt. Dafür treten die Deutschen lieber mit Stiefeln auf ihre Opfer ein.“
Anna lag in ihrem Bett und schaute sinnierend zum Fenster hinaus. Wie man das wohl tut, wenn man alt und schwerkrank ist und nicht mehr viel vom Leben erwartet.
War ihr Leben gut verlaufen? Finanziell war sie immer abgesichert gewesen, so gesehen hatte sie nie Not gelitten. Aber es gab da einige Phasen und Ereignisse, die sie rückschauend bedrückten.
Die Lösung hatte sie vor kurzem erkannt, das half jetzt aber auch nichts mehr. Sie war zu tolerant gewesen. Sie hatte die Wünsche und Eigenheiten ihrer Nächsten bis zur Selbstkasteiung toleriert: Als ihre Freundin bei ihr für sechs Monate einzog und das Bad mit Haaren übersät zurückließ, was bei Anna Ekel hervorrief. Hang zur Unordnung war nun mal Teil ihrer Persönlichkeit, erklärte die Freundin. Als sie mit einem Mann zusammen war, der Hefte mit Bildern von nackten Jungen schon mal vergaß wegzuschließen. Das war nun mal Teil seiner Persönlichkeit, erklärte er. Als ihr zweiter Mann sie mit der Kellnerin betrog, die er in ihrer Lieblingspizzeria kennenlernte, das war nun mal Teil seiner Persönlichkeit.
Computer sind eigentlich lebendige Wesen mit eigenem Charakter. Deswegen geben ihnen Menschen Namen. Und deswegen muss Joe gegen den Bildschirm von Fritz schlagen, wenn PC Fritz ihn absichtlich durch langsames Starten quält. Und wie sonst ließe sich erklären, dass ständig Viren seine Festplatte heimsuchten? Fritz lud sie förmlich ein.
Wie sonst ließe sich erklären, dass der Bildschirm gestern rabenschwarz war, nichts rührte sich. Aber als Joe morgens ängstlich den Einschaltbutton drückte, lief alles normal. Wenn Fritz brav war und einen längeren Download einmal ordnungsgemäß und flott geladen hatte, lobte Joe ihn auch. „Fritz, du bist einfach mein bester Freund!“
Nicht bekannt ist, wie Fritz auf Drohungen der Art „Wenn du jetzt diese Fehlermeldung nicht endlich behebst, reiß ich dir den Arsch auf und schmeiße dich hochkant zum Fenster raus“, reagierte. Joe tat das nicht. Wer weiß, ob Fritz sich nicht mit den anderen PC-Leichen im Garten paaren würde.
Der Neandertaler in uns lässt uns mit Maschinen und Computern umgehen, wie man es von der Spitze der Evolution nicht erwarten würde. Wobei ich den Neandertaler (N.) hier in Schutz nehmen möchte, denn neuste wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass er deutlich kultivierter und intelligenter war, als lange vermutet.
Neandertaler mögen mir also verzeihen, wenn ich sie hier als Bild benutze.
N. schaut aufs Handy, der Sperrbildschirm geht nicht weg. Er reißt das Gerät in die Luft, und schüttelt es wild.
N. tritt gegen die Waschmaschine, die mal wieder anzeigt: „Bitte Dosierung kontrollieren.“
N. klopft mit der Faust oben auf den PC, wenn der ihm zu langsam rödelt.
Mit einer ähnlichen Handbewegung straft er sein Auto, das mal wieder stehen geblieben ist.
Da ist das Beschimpfen und Durch-die-Luft-Schleudern von stockenden Kugelschreibern förmlich ein Kavaliersdelikt.
Marieluise strickt gern. Im Wollladen ist Marieluises Sucht bekannt. Hämisch stellen sie immer wieder Kartons mit deutlich herabgesetzter Wolle vor die Tür. Ein Knäuel ein Euro: Daran kann Marieluise nicht vorbeigehen. Deshalb spaziert sie möglichst nur in der Mittagszeit durch das Städtchen, wenn der Wollladen Mittagspause hat.
Gern schaut sie auch in das Schaufenster des Taschengeschäfts. Als sie heute daran vorbeikam, sprang die Besitzerin des Ladens förmlich vor die Tür. Oh nein, bitte nicht wieder ein Gespräch über das Wetter!
„Stricken Sie?“, fragte die Geschäftsinhaberin. Marieluise nickte. „Dann schauen Sie hier“, die Frau zog ihr Strickzeug nach vorn. Dicke Wolle, matte Farben. Fünfzig Euro ein Knäuel mit 1000 g. Nichts für Marieluise. „Ich stricke nur mit Billigwolle“. „Aber die ist doch billig! Rechnen Sie mal um auf 100 g, und Sie kommen so weit damit.“ „Mir zu teuer!“ „Und das ist sogar 50 Prozent Schurwolle.“ Jetzt reichte es Marieluise, sie täuschte Eile vor und hastete davon.
Wolle, was für ein Blödsinn. Kunststoffgarne können in die Waschmaschine!
Frau Ottmann ist gut über achtzig Jahre alt. Sie wohnt allein in dem Reihenhaus, ihr Mann ist vor zwanzig Jahren, ihr Sohn vor wenigen Jahren an Magenkrebs gestorben. Ihre Tochter, das jüngere Kind, will nicht in das Haus einziehen.
Frau Ottmann kocht jeden Tag ‚ordentliches Essen‘, ist immer adrett angezogen. Mit einer Nachbarin im selben Alter geht sie einmal pro Woche in die Gymnastikgruppe.
Sie hat ein phänomenales Gedächtnis, was Nachbarn, die selbst oder deren Eltern im selben Alter sind, bestätigen. Sie kennt alle Nachbarn mit Namen.
Früher, als ihr Mann noch lebte, hatten sie einen Pinscher. Eher drei nacheinander. Den kleinen Vorgarten pflegt sie mit viel Liebe.
Gestern stand sie schimpfend vor den Pflanzen, als ihre Nachbarn aus dem Haus traten.
„Die Katzen, die haben mir wieder die Blumenzwiebeln aus der Erde geholt!“ (Früher hatten sie laut Frau O. ihre Notdurft hinterlassen.) „Die da drüben sollen jetzt vier Katzen haben und“, sie senkte die Stimme, „die Bulgaren haben jetzt eine zweite Katze!“
Anna wollte gern Toningenieurin werden. Das ist so lange her, dass es damals nur die Ausbildung zum Toningenieur und keine ähnlichen Ausbildungsmöglichkeiten gab. Voraussetzung war ein gutes Gehör und die Beherrschung eines Instruments, Klavier oder Geige. Trotzdem rief sie an der Uni an: „Ich kann weder Klavier noch Geige, aber Blockflöte. Geht das trotzdem?“
Die Alternative war für sie Publizistik. Sie ließ sich Infomaterial kommen. Voraussetzung: mindestens eine Zwei in Deutsch. „Scheißschulnoten“, fluchte Anna.
Wäre sie hartnäckig gewesen, hätte sie für ein Klavier gearbeitet, vier Jahre lang eifrig Stunden genommen und sich dann für ihren absoluten Traumberuf beworben.
Im Gegensatz zu vielen Medizinstudenten fehlte ihr der Ehrgeiz. Und so studierte sie Pädagogik.
Charlotte rieb sich die Augen. Mist, sie hatte den Wecker schon wieder nicht gehört, dabei hatte sie die Lautstärke auf Maximum gestellt.
Sie versuchte es mit zwei Weckern. Aber sobald Nr. 2 klingelte, zog sie sich instinktiv das Kissen über die Ohren und blieb im Bett. So gemütlich warm!
Drei Wecker, einer im ungeheizten Bad. Ein Wecker, der sich erst ausschaltete, wenn sie eine Matheaufgabe korrekt löste. Nichts half.
Nee, nee, im neuen Job musste sie pünktlich sein, nicht schon wieder den Job wegen ständigen Zuspätkommens verlieren.
Sie suchte nach einem echten Uhrmacher. In der Innenstadt in einer Seitengasse fand sie ein kleines Lädchen, verstaubte Uhren und Armbänder im Fenster. Sie öffnete die Tür, die Glocke über der Tür läutete.
Der Uhrmacher konnte ihr helfen. Er verkaufte ihr den stummen Wecker. Eine Spezialität, für die er vor Jahren schon ein Patent beantragt hatte.
Charlotte verschlief nie wieder und wurde ein Vorbild für alle.
Ihre Eltern kauften nur Bioware. Wenn sie doch einmal in ein anderes Geschäft oder einen Supermarkt gingen – da gab es vielleicht gerade Biobananen billiger –, quengelte der kleine Luca.
„Ich will aber ein Überraschungsei, alle meine Freunde haben ganz viele!“
Die Eltern seufzten. „Nein, Luca, die sind nicht gesund. Aber wenn wir im Bioladen sind, kriegst du ein Fair Trade-Schokoei!“
Sie hielten Wort. Sein drittes Ei war besonders spannend, es enthielt eine kleine Holzfigur zum Zusammenbauen. Hansel, stand auf dem Begleitzettel. Aus dem Märchen Hansel und Gretel. Auf dem Zettel sah man, was man aus der Serie noch alles haben konnte: Eltern, Hexe, Eis usw.
Und dann das unbeschreibliche Angebot: Wenn man die Figuren sammelt, anmalt und davon ein Foto an die genannte Adresse schickt, bekommt man das Hexenhäuschen kostenlos dazu!
Luca versuchte, seine Eltern davon zu überzeugen, dass er jetzt jede Woche mindestens eine ganze Lage dieser Eier brauchte. Wie lange er quengeln musste, bis sie nachgaben, oder ob sie nachgaben, wird nicht verraten.
Sie fuhren in die Stadt, um Obst zu kaufen. Als sie wieder ins Auto stiegen und er den Motor anließ, las er die Kilometeranzeige vor: 77.769 km. Sie lachte: „Das ist ja herrlich, bald haben wir 77.777. Dann mache ich ein Foto!“
Er schmunzelte: „Soll ich etwa mitten auf der Autobahn anhalten, damit du fotografierem kannst?“ Auf dem Rücksitz stand ein Piccolo.
„So ein Quatsch, wir fahren doch gar nicht über die Autobahn. Aber heute Abend treffen wir uns mit Yannik in der Goldenen Kuh, das müsste genau hinhauen.“ „Okay, dann pass bitte auf!“
Die Kilometerstandsanzeige zeigte während der Fahrt nur die Tageskilometer an. „Rechne das mal aus, ob es reicht.“
Sie zog zur Sicherheit den Taschenrechner aus der Handtasche und rechnete. „Das müsste genau hinkommen!“
Die Parkplatzsuche dauerte ein wenig. Er schaltete den Motor ab: 77.778 km. „Wenn du blöde Kuh diesen Parkplatz in der Wiener Straße gesehen hättest, dann hätte es geklappt!“
„Natürlich bin ich wieder schuld!“ Das Essen schmeckte ihnen mäßig.
Monika besaß jetzt das fünfte Navigationssystem. Keines war in Ordnung. Daher schrieb sie:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe vorgestern ihr Gerät Sixtus 63 gekauft und seitdem getestet. Von den Strecken her würde ich es gern behalten, es findet alle Orte, die ich eingebe, zu Fuß und auch fürs Rad.
Aber eine Sache kann ich nicht akzeptieren. Ihr System ist dabei, meine Aussprache zu ruinieren.
Ein Beispiel: Ich wohne in der Müllerstraße. Fettdruck bedeutet, die Silbe trägt die Betonung. Das Navisystem sagt aber „Müllerstraße“. Gestern besuchte ich Freunde in Wunsberg. Wohlgemerkt: „Wunsberg“. Was tönt mir aus dem Navi entgegen? „Nehmen Sie die Abfahrt Wuuunsberg“. Mit langem U, obwohl drei Konsonanten folgen. Was ist, wenn ich das demnächst automatisch übernehme?
Bitte schicken Sie mir eine korrigierte Version oder erstatten Sie mir den Kaufbetrag.
Danke für Ihr Verständnis. Mit freundlichen Grüßen
M. Hüffgen
An ihrem vierzigsten Geburtstag nahm Rita ein Programm zur Prophylaxe für Demenz auf. Sie erarbeitete sich ein ausgeklügeltes Ernährungssystem. Sie achtete darauf, dass sie jeden Tag mindestens 45 Minuten Sport trieb.
Ganz wichtig sind soziale Kontakte. Sie trat daher in diverse Vereine ein, nahm regelmäßig an Töpferkursen teil und engagierte sich auf dem Weihnachtsbasar der Gemeinde. Ein neues Instrument musste her. Sie entschied sich für Geige und nahm Geigenstunden. Eine neue Sprache trainiert ebenso das Erinnerungsvermögen, sie schrieb sich daher für Urdu ein. Es war der einzige Kurs, der noch kurzfristig Plätze frei hatte.
Zum einundvierzigsten Geburtstag schenkte ihr Mona, ihre beste Freundin, ein Buch für Gedächtnistraining: Zahlen leichter merken. Jeden Tag nahm sie sich eine Übung vor.
Gleich die erste Übung im Buch Zahlen leichter merken war faszinierend.
Auf der Seite wurden Zahlen mit einfachen kleinen Bildern gekoppelt, die man sich fünf Minuten lang einprägen musste. Rita stellte den Kurzzeitwecker. Dann sollte sie sich die Zahl 46773 einprägen, indem sie die Bildchen entsprechend den Zahlen zu einer Geschichte zusammenfügte. Das war nicht so einfach, aber der Satz „Der Schwan packte den Koffer, aß einen Apfel und noch einen Apfel und ritt auf einer Schildkröte davon“ half.
Sie nahm sich Monas zwölfstellige Handynummer vor. Das Ausdenken der Geschichte mit zwölf Bildchen dauerte eine halbe Stunde, eine weitere halbe Stunde, sich die Geschichte korrekt zu merken. Das Rückbilden der Bilder zu Zahlen nahm weitere fünf Minuten in Anspruch.
Am nächsten Tag wollte sie Mona von einem anderen Telefon aus anrufen. Die Nummer, die sie früher im Schlaf hätte wählen können, fiel ihr nicht mehr ein.
Aufmerksam las Harald die neue Betrugsmasche: Jemand klingelt an der Tür, gibt sich als Amazon-Fahrer aus und will eine Nachnahme abgeben.
Einige Wochen später klingelt es, Harald geht an die Sprechanlage: „Ja, bitte?“ Eine Männerstimme „Ein Paket von Amazon.“
Harald horcht auf. Er bestellt seit mehr als fünfzehn Jahren nichts mehr bei Amazon. Aber er schaltete schnell: „Kleinen Augenblick, ich muss mir nur gerade etwas überziehen.“ Blitzschnell rief er bei der Polizei an und berichtete von dem Fall. Man versprach ihm, jemanden zu schicken.
Nach kurzer Zeit klingelte es erneut. Wieder der (haha) Amazon-Fahrer. „Ja, sorry, ich komme direkt ...“ „Was ist denn los?“, fragte seine Frau Hilde. „So ein Betrüger mit Amazon-Masche!“
Die Polizei kam, verhaftete den jungen Mann sofort, der sogar einen Amazon-Kombi organisiert hatte. Verzweifelt warf er Harald ein Päckchen nach. Wie, keine Forderung nach Geld? Er öffnete das Päckchen. Da war sein neuer Rasierer, den er bei eBay bestellt hatte. Ach ja, manche Verkäufer liefern über Amazon aus, belehrte ihn Hilde.
„Wer war denn der junge Mann, der gestern bei Ihnen die Fenster geputzt hat?“
„Das war kein Mann, das war mein Fensterroboter.“
„Wie, gibt es solche Geräte jetzt schon so, dass sie aussehen wie ein Mensch?“
„Na ja, wenn Sie direkt danebenstehen, merken Sie den Unterschied schnell.“
„Was kostet der denn?“
„Der lässt sich nur mieten. Hier ist der Werbezettel der Firma mit Telefonnummer und Kontonummer. Man muss allerdings im Voraus bezahlen.“
„Hmmm, im Voraus. Mache ich nicht so gern. Ist die Firma wirklich zuverlässig?“
„Ehrlich ist sie – haben Sie bei mir im letzten Jahr dreckige Fenster gesehen?“, fragte Frau Lottenbrück.
Solche Gespräche wiederholten sich. Und für jede Empfehlung erhielt sie zwanzig Euro. Und niemand beschwerte sich dann, wenn der Roboter doch genau wie ein Mensch aussah und roch.
Eine wahre Geschichte für zweieinhalb Tage:
Der Zoo in unserer Stadt, genannt der grüne Zoo, ist wunderschön. Da könnte man genussvoll spazieren gehen, auch wenn es keine Tiere dort gäbe. Der Zoo ist fortschrittlich, gibt sich große Mühe, die Tiere artgerecht zu halten. Da überlegte ich, dass eine Mitgliedschaft in einem entsprechenden Verein eine gute Tat wäre.
Am 20. Januar, d. h. vor zehn Tagen, schrieb ich eine Mail an den Zoo-Förderungsverein der Stadt (das ist ein privater Verein, der dem Zoo Geräte, tierärztliche Sonderbehandlungen, neue Gehege u. Ä. finanziert). Mitgliedschaftsantrag nur per Post oder Fax:
Sehr geehrte Damen und Herren, warum ist es nicht möglich, eine Mitgliedschaft online zu beantragen? Ich finde das echt extrem lästig, ein PDF auszudrucken, auszufüllen und mit der Post zu schicken. (Wer hat heute noch ein Fax? :-)). Also hab ich’s bisher gelassen.
VG Anna Müller
Nach zehn Tagen kam die Antwort:
Sehr geehrte Frau Müller, vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bedauern, dass es für Sie zu umständlich ist, die Mitgliedschaft auf den von uns angebotenen Wegen zu beantragen. Falls Sie sich doch irgendwann dazu entschließen möchten, einen der angebotenen Wege zu nutzen und Mitglied bei uns zu werden, würden wir uns natürlich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas H-K
Annas Antwort:
Guten Morgen Herr H-K,
Danke für Ihre Antwort. Falls nicht schon geschehen, sollten Sie in die Politik gehen: Dort werden einfache Fragen auch nie direkt beantwortet :-) (Dieser Smiley bedeutet: kleiner Scherz.)
Ich hatte eine Frage gestellt. Aber wie heißt es so schön: Keine Antwort ist auch eine Antwort.
VG Anna Müller
Wenn ich Geschäftsführerin eines Vereins wäre und eine Mail bekäme, in der stünde:
Sehr geehrte Damen und Herren, warum ist es nicht möglich, eine Mitgliedschaft online zu beantragen? Ich finde das echt extrem lästig, ein PDF auszudrucken, auszufüllen und mit der Post zu schicken. (Wer hat heute noch ein Fax?;-)). Also hab ich’s bisher gelassen, so wäre meine Antwort:
Guten Tag Frau Anna Müller,
Sie haben völlig Recht, zeitgemäß ist das nicht. Wir haben im Moment aber nicht die finanziellen Möglichkeiten, unsere Webseite dementsprechend überarbeiten zu lassen.
Wir freuen uns natürlich über Ihr Interesse. Vielleicht kann ich Sie ja doch bewegen, den zugegebenermaßen etwas umständlichen Weg über die Post zu nehmen?
Wir freuen uns über jeden Beitrag, unser Zoo und seine Mitglieder liegen uns am Herzen. VG die Geschäftsführerin
Als Freddy mit seiner Frau vor etwa fünfunddreißig Jahren sein Restaurant eröffnete, nannte er es Goldene Teewurst.