JEDE MENGE LEBEN - Herbert W. Franke - E-Book

JEDE MENGE LEBEN E-Book

Herbert W. Franke

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Beschreibung

Der Sonderband »Jede Menge Leben« mit einem für die Ausgabe erfundenen konterkarierenden Titel stellt eine notwendige Ergänzung zum Band »Keine Spur von Leben« dar. Er enthält die Hörspiele aus der frühen und späten Zeit Herbert W. Frankes, die bisher noch nicht gedruckt wurden. Deshalb warten hier auf den Leser Neuentdeckungen besonders bei der ersten Serie des Autors, den sechs »Stimmen aus dem All«, mit der er sich in die Geschichte des deutschen Hörspiels eingeschrieben hat, das nach dem Krieg und vor dem Aufkommen des Fernsehens ein äußerst einflussreiches und angesehenes neues Medium war. Der Vergleich des ursprünglichen Exposés mit den gesendeten Fassungen – von drei Texten gibt es sogar zwei Versionen, von denen die erste transkribiert werden musste – erlaubt einen Einblick in die Werkstatt des Autors und seinen Gebrauch des modernen Mediums. Dies gilt auch für »Sonntagsfahrt« und »Ferngelenkt«, zwei Hörspiele, die aus den Kurzgeschichten »Verkehrsstau« bzw. »Ferngelenkt« entwickelt wurden und hier ebenfalls aus dem gesendeten Text rekonstruiert wurden. In all diesen Hörspielen entwickelt Franke nach seiner Auffassung von der Science-Fiction Szenarien von Gesellschaften mit futuristischer Technik, in den »Stimmen aus dem All« ausgreifend in den Weltraum, in den späteren Texten angesiedelt auf der Erde.

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Seitenzahl: 423

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Herbert W. Franke

JEDE MENGE LEBEN

Science-Fiction-Hörspieltexte

Herbert W. Franke

JEDE MENGE LEBEN

Science-Fiction-Hörspieltexte

SF-Werkausgabe Herbert W. Franke

Band 32

hrsg. von Hans Esselborn & Susanne Päch

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2024 by art meets science – Stiftung Herbert W. Franke

www.art-meets-science.io

Dieses Werk wird vertreten durch die AVA international GmbH, München, www.ava-international.de

Titelbild: Thomas Franke

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

E-Book-Erstellung: global:epropaganda

Verlag

art meets science – Stiftung Herbert W. Franke

c/o mce mediacomeurope GmbH

Bavariafilmplatz 3

82031 Grünwald

ISBN 978 3 911629 31 7

Herbert W. Franke

Die Stimmen aus dem All

Eine Hörspielserie

Vorschläge zu sechs Science-Fiction-Hörspielen

Das Exposé

Science-Fiction im Hörfunk

Die Problematik

Utopische Themen erfreuen sich einer steigenden Beliebtheit in der Literatur. Auf diesem Gebiet bewahrheitet sich eine Erfahrung – dass sich nämlich Erscheinungen in den USA mit einer gewissen Verzögerung oft auch im deutschen Sprachgebiet bemerkbar machen. Im Rahmen des Films, des Fernsehens und des Hörfunks haben Science-Fiction-Themen bei uns noch keine Bedeutung erlangt, aber es ist zu erwarten, dass das demnächst der Fall sein wird.

Somit tritt die Frage auf, ob man diese Entwicklung ablehnen oder gutheißen soll. Mehrere Gründe sprechen für eine positive Aufnahme:

Die Auseinandersetzung mit den künftigen Möglichkeiten der menschlichen Entwicklung ist zumindest ebenso wichtig wie jene mit deren Vergangenheit.

Die Science-Fiction ist eine echte Bereicherung des gehobenen Unterhaltungssektors, da sie nichtklassische Konfliktsituationen (etwa die Auseinandersetzung zwischen Mensch und Maschine, Mensch und nichtmenschlicher Intelligenz usw.) behandelt.

Die Science-Fiction führt zu einer Bereicherung der dramaturgischen Möglichkeiten im Hörspiel (wie noch gezeigt werden wird).

Eine gewisse Tendenz, Neuland von der niedrigsten Stufe her zu betreten (Beispiel: Science-Fiction wurde in Deutschland durch minderwertige Heftliteratur eingeführt), sollte von vornherein kupiert werden – vor allem bei jungen Menschen. Einige schlechte Beispiele aus dem Science-Fiction-Bereich könnten eine positive Entwicklung unterbinden. Daraus folgt die selbstverständliche Forderung, der Wissenschaftlichkeit der Themen größte Beachtung zu schenken.

Möglichkeiten der Realisierung

Obwohl es ausgezeichnete Beispiele für Science-Fiction-Hörspiele gibt (Dürrenmatt: Unternehmen Wega; Buzzati: Das große Ebenbild), liegt die Thematik doch außerhalb der herkömmlichen Stoffe. Der Autorenkreis ist naturgemäß stark eingeengt, da außer den literarischen Qualitäten nicht nur ein fachliches Fundament, sondern ein weitester Gesichtskreis künftiger naturwissenschaftlicher, psychologischer, soziologischer und technischer Möglichkeiten zu verlangen ist. Diese Schwierigkeit bedarf ernster Beachtung, sie sollte jedoch zu umgehen sein.

Der Charakter eines Hörspiels kommt der Science-Fiction-Thematik in mancher Hinsicht entgegen. Das Abenteuer der modernen Wissenschaft und sogar jenes des Weltraums bietet wenig bildliche Eindrücke – das Geschehen verlagert sich eher auf die Ebene des Informationsaustausches und eignet sich daher gut für auditive Darstellungen. Außerdem sind im utopischen Bereich Situationen denkbar, in denen es keine visuelle Komponente gibt – Beispiele: Eine intelligente Rasse hat keine Sehorgane entwickelt, weil das ihr Lebensraum nicht zuließ; oder: Eine Raumschiffbesatzung wird durch eingebaute Mikrofone heimlich überwacht. Die künftig zweifellos gesteigerten Manipulationsmöglichkeiten von Zeit, Raum und Information gestatten einen Wechsel von Zeiten und Schauplätzen, ohne den Zusammenhang zu unterbrechen – Beispiele: Mehrmals in den Tiefschlaf versetzte Personen leben für kurze Etappen in verschiedenen Zeitaltern; oder: Vergessene Sinneseindrücke werden durch neurologische Eingriffe reaktiviert.

Die Themen

Wer Science-Fiction nicht kennt, neigt dazu, ihren Rahmen auf Weltraumabenteuer zu beschränken. In Wirklichkeit dürften sich die wirklich umwälzenden Neuerungen auf anderen Gebieten ereignen. Es sind jene, die sich schon in der heutigen Entwicklung abzeichnen und die deshalb, weil wir sie noch beeinflussen können, besonders wert sind, durchdacht zu werden; gemeint sind die Automation (Roboter), die Gehirnchirurgie, apparatives Lesen von Gedanken, psychologische Manipulationen, Persönlichkeitsumwandlung durch Drogen, Eingriffe in die Erbmasse, kybernetische Modelle und dergleichen. Wenn die Aufgabe gestellt ist, sechs Einzelsendungen so zusammenzustellen, dass der Charakter einer Serie gegeben ist, ohne dass die Eigenständigkeit (jede Sendung muss in sich abgeschlossen sein) darunter leidet, so liegt es nahe, sie den genannten oder ähnlichen Themenkreisen zu entnehmen und unter einem gemeinsamen Motto, das sich auch im Titel andeutet, zu vereinigen. Um den jungen Hörer nicht zu enttäuschen, sollte man allerdings auf Weltraumschauplätze nicht verzichten. Das muss aber nicht bedeuten, dass andere Gesichtspunkte zu kurz kommen – im Gegenteil: Jede aus der Zukunft herausgegriffene Phase muss auf allen Gebieten adäquaten Fortschritt aufzuweisen haben. Dass das nicht immer beachtet wird, dass man eine Entwicklung nur auf einem Gebiet, etwa dem der Physikotechnik, postuliert, ist ein häufiger Fehler des älteren »Zukunftsromans«. (Zur Thematik vgl. auch: H. W. Franke: Phänomen Technik, Brockhaus.)

Bei der Auswahl jener Serie, die als Erste in Angriff genommen wird, sind mehrere Gesichtspunkte zu beachten:

Der Hörer soll nicht mit allzu fremden Dingen und Gedanken konfrontiert werden. Trotzdem soll die ungeheure Tragweite der möglichen Entwicklungen klar zum Ausdruck kommen.

Das Thema soll einen Überblick über die Gesamtentwicklung zulassen.

Es soll eine gewisse Wendigkeit in der Wahl der Ausdrucksmittel aufweisen, um die nötige Abwechslung zu erzeugen.

Die Storys sollen auch ein genügendes Maß an Spannung aufweisen; dadurch werden Hörer dazu gewonnen, sich mit den Entwicklungszügen der Zukunft und den Tendenzen der Gegenwart zu beschäftigen, die der utopischen Thematik ansonsten kein Interesse widmen.

Eine Science-Fiction-Serie für den Hörfunk

Um einer Serie von Hörspielen eine gewisse Kontinuität zu geben, – wobei jede Story geschlossen und auch ohne Bezug auf die anderen verständlich sein soll –, empfiehlt es sich, ihr einen Rahmen zu geben. Die Rahmenhandlung sollte so gewählt werden, dass sie auch Gelegenheit zu einer Erläuterung des Ereignishintergrundes bietet – der wissenschaftlich-technischen Voraussetzungen, der sozialen Kulisse und so fort. Auch hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten, etwa die Erklärungen zweier Journalisten, die eine Reportage zu machen haben, die Erinnerungen von Fachleuten, die die geschilderten Ereignisse miterlebt haben und Ähnliches.

Im vorliegenden Fall wird als Rahmenhandlung Folgendes vorgeschlagen:

Eine Gruppe von Archäologen einer nicht näher beschriebenen Rasse hat Tonaufzeichnungen gefunden. Bevor sie sie abspielen lassen, knüpfen sie daran ihre Vermutungen über die Kultur, auf die sie hiermit gestoßen sind. Das gibt nicht nur Gelegenheit zur Erläuterung der Situation, sondern auch zu ironisch gefassten, kritischen Bemerkungen.

Die Einzelstorys greifen aus der künftigen menschlichen Entwicklung einige Geschehnisse heraus, die die Periode der Ausbreitung des Menschen im Sonnensystem schlaglichtartig erhellen.

1. Der Magmabrunnen

technisch-wissenschaftliches Problem: die Energiewirtschaft;

Schauplatz: ein Vulkan-Kraftwerk;

die Story: In einem Kraftwerk, in dem die Erdwärme verwertet wird, war ein Unfall passiert. Der Schuldige wurde freigesprochen, doch als er zurückkommt, unterziehen ihn seine Kameraden noch einmal einem privaten Verhör, das unter dem Druck eines drohenden Magmaausbruchs steht. Es gelingt, die wahren Schuldigen zu finden. Zuletzt stellt sich heraus, dass das Ansteigen des Magmas durch ein Übungsprogramm mit Hilfe von Computern vorgetäuscht wurde.

2. Im Vakuum gestrandet

technisch-wissenschaftliches Problem: Erschließung des Mondes;

Schauplatz: eine Staubwüste auf dem Mond;

Story: Ein Ballonfahrzeug dringt in eine Staubwüste des Mondes ein. Aus Ehrgeiz und Gewinnsucht lässt die Besatzung einige Vorsichtsmaßnahmen außer Acht, sodass ein Ballonrad leck wird und das Fahrzeug bewegungsunfähig liegen bleibt. Das Kühlsystem fällt aus, und die Hitze der Sonne bringt den Glaspanzer zum Springen. Aus einer Schlierenbewegung in der Luft ersieht der Jüngste der Besatzungen, dessen Warnungen bisher überhört wurden, dass ein Schacht eines alten Bergwerks in der Nähe ist, in den sich die Besatzung retten kann.

3. Meuterei auf der Venus

technisch-wissenschaftliches Problem: Massenpsychologie;

Schauplatz: ein Bergwerk auf der Venus;

Story: Bei den Arbeitern eines Venus-Bergwerks ist es zu Unruhen gekommen. Die Leitung fordert Polizeitruppen an, um den Aufstand niederzuschlagen. Stattdessen schickt die Weltregierung einen einzelnen Psychologen. Niemand glaubt, dass ein einzelner Mann mit den Unzufriedenen fertigwerden kann. Die Bergwerksleitung sabotiert seine Maßnahmen und versucht es weiter mit gewaltsamer Unterdrückung. Auch die Streikenden nehmen ihn nicht ernst. Die Lage spitzt sich so zu, dass mit den passiven Mitteln der Beeinflussung bald nichts mehr zu machen sein dürfte. Aber darf der Psychologie die noch vielfach unerprobten aktiven Maßnahmen – maschinelle Hypnose, psychisch wirksame Gase und Drogen – ergreifen, die menschliche Psyche manipulieren? Endlich fasst er einen Entschluss. Er wendet sie nicht auf die Arbeiter, sondern auf die Direktoren der Bergwerksleitung an, die ihm die eigentlich Schuldigen am Zerwürfnis zu sein scheinen. Dadurch gewinnt er deren Zustimmung zum Einlenken und kann durch Diplomatie und einige Zugeständnisse den Aufstand niederschlagen.

4. Der Strahlenregen

technisch-wissenschaftliches Problem: Astronomie und Strahlenphysik;

Schauplatz: der Jupitermond Io;

Story: Die Wissenschaftler einer Forschungsstation auf dem Mond Io stellen einen starken Ausbruch von Radioaktivität fest; zunächst glauben sie, dass der Atomreaktor dafür verantwortlich ist, dann stellt sich heraus, dass es sich um einen Strahlenausbruch der Sonne handelt. Die starke Ionisierung unterbindet den Funkverkehr. Jemand müsste zum Notsender auf der nahe gelegenen Bergkuppe gehen, um ein Notzeichen über Laser zu geben, aber auch die Umgebung ist radioaktiv. Es wird beschlossen, den Funkingenieur hinauszuschicken, der noch nicht weiß, dass der Fehler nicht am Reaktor liegt. Als er schon unterwegs ist, wird noch immer diskutiert, ob man ihn in den Tod schicken darf, und einer der Männer verrät ihm über Handfunk noch im letzten Moment die wahre Situation und rät ihm, umzukehren. Der Ingenieur aber entschließt sich freiwillig, seine Aufgabe zu Ende zu führen.

5. Der Passagier des Raumschiffs

technisch-wissenschaftliches Problem: Politik und Ideologie;

Schauplatz: ein Passagierraumschiff;

Story: Ein Raumschiff des Passagierdienstes befindet sich zwischen Mars und Jupiter, als ein Funkspruch eintrifft, der vor einem Anschlag, eventuell durch eine Höllenmaschine, warnt. Der Kapitän ordnet eine genaue Durchsuchung an, doch statt der erwarteten Bombe findet sich ein Behälter, der bei der ersten Berührung platzt; ein graues Pulver verteilt sich in der Luft. Ein Arzt teilt mit, dass es sich um einen Viruskörper handelt, der im Rahmen militärischer Entwicklungen künstlich gezüchtet wurde; dagegen gibt es keine Rettung, die infizierten Menschen scheinen verloren.

In dieser Situation der Todesangst beginnt ein Streitgespräch zwischen den Passagieren. Der Arzt, der an der Entwicklung der Viruswaffe beteiligt war, wird von den Übrigen attackiert. In seiner Bedrängnis verrät er, dass der Mann, der den Befehl für diese Entwicklungen gegeben hat, der Chef der Weltpolizei, als anonymer Passagier an Bord ist. Schließlich gibt sich noch ein Angehöriger der demokratischen Partei zu erkennen: Er hat das Virusgift an Bord geschmuggelt, doch sollte es den Polizeipräsidenten erst später allein töten, infolge des Funkspruchs kam es zu einer verfrühten Entladung. Der Grund für den Anschlag war ein Machtstreich, den der Polizeichef auf dem Jupiter geplant hatte. Infolge des veränderten Gesichtswinkels der Todesangst sind die beiden Gegner zur Versöhnung bereit. Eben will der Polizeipräsident durch einen Funkspruch die Revolution aufhalten, da trifft eine Schnellrakete ein – ein Mittel gegen die Infektion wird an Bord gebracht, die Passagiere erhalten Injektionen und verfallen in eine Art Betäubung. Werden sie nach dem Erwachen an ihrer Versöhnung festhalten oder werden sie die Stunden der Angst vergessen und ihren sinnlosen Kampf fortsetzen?

6. Die Sonnenbombe

technisch-wissenschaftliches Problem: Konflikt zwischen nationaler und ethischer Pflicht;

Schauplatz: ein Plasma-Forschungsinstitut;

Story: In einem Institut für Plasmaforschung trifft eine Kommission ein, da der Regierung ein Gerücht bekannt geworden ist, nach dem sich die Physiker heimlich mit einer neuen Waffe, der Sonnenbombe, beschäftigen. Da die Existenz dieser Waffe strikt geleugnet wird, versuchen sie durch Verhöre, Nachforschungen, Bestechung und Drohungen etwas herauszukriegen. Auch der Spion einer feindlichen Macht schaltet sich ein. In vielen Gesprächen geht es um die Frage, wie weit Wissenschaftler die Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Erkenntnisse tragen. Als die Kommission, aber auch der Spion einen Mann ausfindig gemacht haben, der angibt, Näheres über die geheimnisvolle Waffe zu wissen, glauben sie, ans Ziel ihrer Wünsche gekommen zu sein. Dieser Mann ist jedoch ein Fantast – es gibt keine Sonnenbombe. Jedoch auch in der geringsten wissenschaftlichen oder technischen Entdeckung stecken die Keime segensreicher wie auch zerstörerischer Anwendungen, und eine Menschheit, die mit den technischen Fortschritten fertig werden will, muss auch geistig reifer und verantwortungsbewusster werden.

Begutachtung zu HW Franke: »Stimmen aus dem All«

Die Rahmenhandlung erscheint mir etwas arg »sophisticated«. Gleichwohl macht sie den Reiz des Ganzen aus. Nur um konsequent zu bleiben, dürfte nach anfänglicher Ratlosigkeit der »Mentalen« nicht unvermittelt vom Menschen gesprochen werden. Wie überhaupt, wenn schon solche Elektronenwesen sprechen, noch mehr Bezugspunkte auf unser Denken entfallen müssten. Zumindest müssten sie mehr nach Begriffen für das Unbegreifliche suchen. Die einzelnen Hörspiele sind zu kurz für isolierte Sendung. Andererseits wirkt das Ganze nur geschlossen, möglichst als eine Sendung.

Dokument Y6 scheint mir im Vergleich zu vorhergehenden Dokumenten etwas zu nahe unserer Zeit. Dabei soll es ja wohl das letzte historische Dokument der Menschheit sein, die seither schweigt. Hier dürfte auf keinen Fall mehr in der Handlung auf Bekanntes angespielt werden (Max-Planck-Institut).

Wenn man von diesen Spielen etwas sendet, müsste man zusammen mit dem Autor den Text abgrasen nach logischen Brücken, die bisweilen in einem Nebensatz versteckt sein können.

Um zusammenzufassen und ganz praktisch zur Möglichkeit der Sendung: Entweder als Ganzes, aber dafür dürfte das Opus zu lang sein. Oder aber man versucht, den Autor zu bewegen, einzelne der Dokumente zu längeren Stücken auszubauen. Z. B. »Der Strahlenregen« gefiel mir eigentlich am besten. In anderen Stücken verfallen Ingenieure bisweilen in eine geradezu pathetische Redeweise (Schluss »Magmabrunnen«). Will man diese Gedanken retten, dann wäre vielleicht an eine Rahmenhandlung mit Untersuchungskommission zu denken. Deren Leiter könnte dann, als eine Art Urteilsbegründung, von Arbeitsmoral etc. reden.

Kra.

Herbert W. Franke

Die Stimmen aus dem All

Eine Hörspielserie

Manuskript zur Rahmenhandlung

Die erste Diskussion, Teil A

Durcheinanderklingendes Summen und Sirren; darunter einzelne Stimmen.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Einzelne Geräuschkomponenten fallen aus.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Bis auf einzelne Zwitschertöne wird es ruhig.

AUTOMATIK: Kurze Pause für eine Serienschaltung des Mentalsystems. Als aktive Teilnehmer schalten sich ein: Alpha b alpha (Pfeifton) – Eta g eta (Pfeifton) – Jota m jota (Pfeifton) – Kappa s kappa (Pfeifton). Passive Teilnehmer bitte in Wellenbereich 11 plus minus 0,6.

Kurze, nur angetippte, knisternde Töne.

AUTOMATIK: Schaltung eingerichtet. Frequenzsignal zur Abstimmung.

Verschiedene Heultöne vereinigen sich in einer Frequenz.

AUTOMATIK: Bereit!

Die Stimmen der Diskussionsteilnehmer klingen metallisch. Jede hat ihre eigene spezifische Klangfarbe.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Im Namen des wissenschaftlichen Konzils eröffne ich die Verhandlung. Zur Debatte steht ein überaus interessantes Objekt: jene Serie von Dokumenten, die in der historischen Abteilung unter Y1 bis Y6 registriert ist. Der Öffentlichkeit sind sie bekannter unter der Bezeichnung »Die Stimmen aus dem All«. (Erstaunen, durch zwitschernde Stimmen ausgedrückt.) Ich bitte um eine kurze Erläuterung der Vorgeschichte.

AUTOMATIK: Im Institut für Verständigung mit nichtmentalen Rassen wurde im Frequenzbereich 1360 Kilohetz ein Wellenzug aufgefangen, deren Modulationen ein arhythmisches Muster ergeben. Eta g hat eine Decodierung versucht und ist zu einer Übersetzung gekommen, die der Versammlung vorliegt.

ETA: Es spricht Eta g. Ich habe vor der Versammlung die These zu vertreten, dass es sich bei dem Dokument Ypsilon um das Projekt einer intelligenten Rasse handelt.

Stimmen.

AUTOMATIK: Wir bitten die passiven Teilnehmer, sich ihrer Äußerungen zu enthalten.

ETA: Es spricht Eta g. Es besteht der Verdacht, dass es sich um nichtelektronische Wesen handelt, was ich … (Stimmen.) … was ich im Folgenden begründen werde.

JOTA: Es spricht Jota m. Ich vertrete die Antithese, dass es sich um kein historisches Dokument handelt. Ich werde meine Meinung begründen. Die Annahme nichtelektronischer Wesen ist absurd.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Als Sachverständiger wurde Kappa s zugezogen. Wir erbitten seinen Vorschlag zur Tagesordnung.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Ich darf vorausschicken, dass in der Geschichte unserer Wissenschaft nie ein Muster bekannt geworden ist, das dem fraglichen auch nur im Entferntesten gleicht. Es ist daher verständlich, dass man seine Echtheit prüfen muss, ehe man es anerkennt. Ich darf erwähnen, dass Eta g selbst im Falle eines Zweifels keine Schuld treffen muss: Er kann selbst einer Mystifikation zum Opfer gefallen sein.

Stimmen.

ETA: Es spricht Eta g. Auf die Gefahr hin, in einen bösen Verdacht zu geraten, versichere ich, dass das Dokument Y alle Prüfungen bestanden hat. Ich gebe zu, dass die Wesen, von denen es berichtet, von uns äußerst verschieden sein mussten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Sie scheinen sich frei bewegt zu haben. (Stimmen.) Gerade das unterstreicht aber die Wichtigkeit der Dokumente. Es könnte die bisherige Annahme widerlegen, dass Lebewesen nur auf elektronischer Grundlage bestehen können …

JOTA: Es spricht Jota m. Ketzerei!

ETA: Es spricht Eta g. In Jota ms Steuerzentrum scheint der Regelkreis für höfliches Benehmen ausgefallen zu sein.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Die Angelegenheit hat in der Tat außergewöhnliche Aspekte. Daher verstehen wir die Erregung von Jota m.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Bevor das Dokument beziehungsweise Kollege Etas Übersetzung nicht zu Gehör gebracht wird, ist jede Diskussion sinnlos. Ich schlage vor, wir nehmen uns vor allem anderen den ersten Teil vor!

ETA: Es spricht Eta g. Ich möchte zuvor das Ergebnis meiner Analyse der Intelligenzstufe geben …

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich glaube wir folgen Kappas Rat. Ich bitte um die Wiedergabe von Teil eins.

AUTOMATIK: Achtung! Beginn der Wiedergabe von Dokument Y1.

Pfeifton.

[Text: Der Magmabrunnen]

Die erste Diskussion, Teil B

Pfeifton.

AUTOMATIK: Ende der Wiedergabe von Dokument Y1.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich bitte Eta g, uns einen kurzen Kommentar zu geben.

ETA: Es spricht Eta g. Zunächst zur Übersetzung. Mithilfe der Automatik habe ich die Umgebung aller vorkommenden Spracheinheiten analysieren lassen und auf diese Weise die semantischen Felder der Begriffe erhalten. Daraufhin nahm ich einen Vergleich mit unseren eigenen Begriffen vor. Die Übersetzung erfolgte so, dass wir jedes Wort des fremden Textes durch jenes Wort unserer Sprache ersetzten, für die die größte Übereinstimmung der Feldkenngrößen besteht.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Auf diese Weise könnte ich selbst ein Husten in einen sinnvollen Satz übersetzen lassen.

Stimmen.

ETA: Es spricht Eta g. Das Husten von Kappa s hätte trotzdem keinen historischen Wert.

Stimmen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich bitte Eta g, sachlich zu bleiben.

ETA: Es spricht Eta g. Der beste Beweis gegen Kappa s‘ Einwand ist die Tatsache, dass wir einige Begriffe gefunden haben, für die es in unserer Sprache keine Ausdrücke gibt. Ich verweise nur auf den Begriff »sehen«, der offenbar eine Tätigkeit ausdrückt, die unserem »hören« entspricht. Ich habe Grund zur Annahme, dass es sich um Informationsaufnahme durch frei interferierende elektromagnetische Wellen handelt.

JOTA: Es spricht Jota m. Eta g hat offenbar die Grundbegriffe der Biophysik vergessen: Elektromagnetische Wellen existieren nur im quecksilberfreien Raum, also außerhalb der Region, in der Leben möglich ist. Auch das ist ein Beweis für die Unechtheit des Dokuments Y.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Es könnte vielleicht Lebensformen geben, die sich einer ganz anderen Umgebung angepasst haben als wir. Solche mögen auch ganz anders aussehen als unsere elektronische Lebensform. Ich bin deshalb der Meinung, dass eine Beurteilung der »Stimmen aus dem All« nur möglich ist, wenn wir die Handlungsweise jener seltsamen Geschöpfe, die hier Menschen genannt werden, zu ergründen suchen. – Eta g, haben Sie uns dazu etwas zu sagen?

ETA: Es spricht Eta g. Es dürfte sich um eine Gruppe von Personen handeln, die aus irgendeinem Grund die Wärmeenergie eines Vulkans nutzbar machen wollen, obwohl ich auch nicht verstehe, warum sie nicht eine Neutrinoquelle verwenden.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Noch unerklärlicher erscheint mir die Handlungsweise der beteiligten Wesen. Aus dem Dokument scheint zwar tatsächlich hervorzugehen, dass sie sich frei bewegen, und das nicht mal in einer Metallschmelze, sondern in einem Gas, das, glaube ich, Luft genannt wird – was ist der Anlass für ihr Handeln? Ich glaube zu verstehen, dass eines der Wesen am Tod eines anderen schuld war, und es wird auch eine Begründung dafür gegeben – sie hängt mit dem Begriff Angst zusammen. Ich habe nur so viel verstanden, dass diese Angst die von ihr befallenen Personen zu vernunftswidrigem Tun veranlasst. Wurde der Begriff Angst eigentlich analysiert?

ETA: Es spricht Eta g. Diese »Angst« ist in der Tat etwas höchst Eigenartiges. Sie scheint mit dem Begriff Gefahr zusammenzuhängen, ja, vielleicht ihre Folge zu sein.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Ein Lebewesen, das sich in Gefahr befindet, darf nicht unvernünftig handeln, wie es im Zustand der Angst offenbar geschieht, sondern ganz im Gegenteil. Es muss zu besonderen Verstandesleistungen befähigt sein, was ja bei uns auch tatsächlich der Fall ist. Geschöpfe, die mit dem Makel der Angst bestraft sind, können nicht lebensfähig sein.

ETA: Es spricht Eta g. In diesem Punkt wird tatsächlich ein Widerspruch deutlich. Ich vermag ihn, wie ich zugebe, noch nicht zu lösen.

JOTA: Es spricht Jota m. Wie jetzt wohl schon allen Zuhörern klar geworden sein dürfte, besteht dieses ominöse Dokument Y vor allem aus Widersprüchen. Es ist bisher noch nicht gelungen, eine einzige verwertbare Information daraus zu gewinnen. Ich möchte daher meine These verschärfen: »Die Stimmen aus dem All« sind überhaupt kein Dokument, weder ein historisches noch irgendein anderes. Ich werde beweisen, dass eine plumpe Fälschung vorliegt. (Stimmen.) Es besteht der begründete Verdacht, dass Eta g dieses Muster entworfen hat, um den vierten Grad der wissenschaftlichen Qualifikation zu erreichen. (Stimmen.) Ich behalte mir eine Anzeige bei der zivilen Behörde vor.

Stimmen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Diese Anschuldigung von Jota m ist ungewöhnlich, aber sie wird geprüft werden. Sollte sich der Verdacht als gerechtfertigt erweisen, wird das Konzil vom hygienischen Zentralamt eine Umschaltung von Eta gs Denkzentrum fordern. Vorderhand gilt Eta g aber als unbescholten und frei. Er darf seine These verteidigen. – Inzwischen nähert sich unsere Sendezeit dem Ende. Ich schlage vor, die Verhandlung zu vertagen.

AUTOMATIK: Die Serienschaltung wird aufgehoben. Kanal 37 steht zur allgemeinen Benutzung frei.

Es beginnt wieder das gleiche Summen und Sirren wie zu Beginn.

Autor: Herbert W. Franke

Vorlage: gleichnamiges Hörspielmanuskript 1964

Regie: Hans Pelters

Ton: Fred Schnakenberg

Schnitt: Ingrid Antelmann

RB Red. Jugendfunk, 1964

Sendetermine: RB 10.11.1964, 12.07.1968

Sprecher: Anne Rottenberger, Eberhard Fechner, Eberhard von Gagern, Leo Sylvester Huth, Herbert Leonhardt, Erwin Wirschaz, Kurt Zielke

Diese Daten stammen von Horst G. Tröster.

Die zweite Diskussion, Teil A

Durcheinanderklingendes Summen und Sirren; darunter einzelne Stimmen.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Einzelne Geräuschkomponenten fallen aus.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Bis auf einzelne Zwitschertöne wird es ruhig.

AUTOMATIK: Kurze Pause für eine Serienschaltung des Mentalsystems. Als aktive Teilnehmer schalten sich ein: Alpha b alpha (Pfeifton) – Eta g eta (Pfeifton) – Jota m jota (Pfeifton) – Kappa s kappa (Pfeifton). Passive Teilnehmer bitte in Wellenbereich 11 plus minus 0,6.

Kurze, nur angetippte, knisternde Töne.

AUTOMATIK: Schaltung eingerichtet. Frequenzsignal zur Abstimmung.

Verschiedene Heultöne vereinigen sich in einer Frequenz.

AUTOMATIK: Bereit!

ALPHA: Es spricht Alpha b. Im Namen des wissenschaftlichen Konzils eröffne ich die Verhandlung. Wir setzen die Debatte über die Dokumente Y1 bis Y6 fort. Ich bitte Kappa s um eine kurze Zusammenfassung unserer ersten Ergebnisse.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Von Ergebnissen kann keine Rede sein. Es steht noch nicht einmal fest, ob das Dokument Y echt ist, ob es sich wirklich um »Stimmen aus dem All« handelt.

ETA: Es spricht Eta g. Der modulierte Wellenzug wurde einwandfrei empfangen. Es besteht kein Zweifel daran, dass er aus dem Weltraum stammt. Die Decodierung erfolgte nach streng wissenschaftlichen Methoden. Der Text beweist die Existenz einer intelligenten Rasse, deren Eigenschaften uns allerdings noch einige Rätsel aufgeben.

JOTA: Es spricht Jota m. Die Eigenschaften dieser ominösen Menschen sind nicht rätselhaft, sie sind absurd! Man denke nur an die Behauptung, sie wären frei beweglich, also Tiere! (Stimmen.) Dabei weiß die Wissenschaft seit fünfzehntausend Jahren, dass nur im Boden verwurzelte Geschöpfe jenes Kommunikationsnetz bilden können, das Voraussetzung für Intelligenz ist.

ETA: Es spricht Eta b. Das Dokument Y widerlegt diese Meinung.

Stimmen.

JOTA: Es spricht Jota m. Ich fordere mehr Achtung vor dem altehrwürdigen Wissen!

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich schlage vor, wir brechen den Streit über den Metabolismus der Menschen ab und wenden uns lieber jenen Problemen zu, für die uns der Text Aufschluss verspricht. Die sechs Abschnitte scheinen Ereignisse besonderer Bedeutung zu behandeln – sonst hätte man sie nicht dokumentarisch festgehalten, als Wellenzüge verschlüsselt und in den Weltraum ausgestrahlt. Vielleicht kann uns Eta g etwas über den zweiten Teil mitteilen, dem wir uns heute zuwenden werden.

ETA: Es spricht Eta g. Dokument Y2 ist insofern von höchster Wichtigkeit, als ihm der Schauplatz der dargestellten Szenen zu entnehmen ist – es ist der sogenannte Mond, ein Trabant jenes Planeten Erde, der die Heimat der Menschen sein dürfte.

Stimmen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Diese Vermutung klingt allerdings sehr fantastisch – trotzdem bitte ich die passiven Teilnehmer, sich ruhig zu verhalten.

ETA: Es spricht Eta g. Das Dokument verrät auch einiges über die physikalische Situation auf dem Mond. Es scheint, dass die Menschen dort nur mithilfe technischer Hilfsmittel existieren können. Besonders schwer fällt ihnen, sich vor den Einflüssen der Kälte zu schützen.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Hier scheint ein Irrtum vorzuliegen. Eta g meint wohl Hitze. Jeder weiß, dass die Lebensbedingungen umso besser werden, je kälter es ist. Denken Sie an die Erholungszeiten, die wir bei Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts verbringen.

ETA: Es spricht Eta g. Dieser Punkt wurde von mir genau untersucht. Es liegt kein Irrtum vor: Für die Menschen wirkt Kälte tödlich.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich schlage vor, wir hören uns die Übersetzung von Teil zwei an, bevor wir weiterdiskutieren. Ich bitte um die Wiedergabe.

AUTOMATIK: Achtung! Beginn der Wiedergabe von Dokument Y2.

Pfeifton.

[Text: Im Vakuum gestrandet]

Die zweite Diskussion, Teil B

Pfeifton.

AUTOMATIK: Ende der Wiedergabe von Dokument Y2.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich halte es für richtig, über die biologischen Eigenschaften des Menschen erst am Schluss unserer Diskussionsreihe zu sprechen. Je mehr Detailinformationen wir sammeln, umso genauer lässt sich das Bild seiner Existenz rekonstruieren. Meiner Meinung nach sollten wir uns mehr über seine charakterlichen Merkmale unterhalten. Trotz der körperlichen Unterschiede ähnelt er uns in dieser Beziehung viel mehr, als man erwarten dürfte.

JOTA: Es spricht Jota m. Diese Entsprechung ist nicht weiter erstaunlich, wenn man wie ich annimmt, die »Stimmen aus dem All« seien eine Ausgeburt der Fantasie. (Stimmen.) Seltsame physikalische Bedingungen lassen sich leicht ausdenken, seltsame Charaktere viel weniger leicht.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Hier möchte ich aber doch einflechten, dass die festgestellte Entsprechung mit den Anschauungen der Psychokybernetik übereinstimmt, nach der intelligente Systeme, ob Pflanzen, Tiere oder Maschinen, nach gleichen Prinzipien funktionieren und daher auch ähnliche psychische und soziale Eigenschaften entwickeln, aus welchen Wirkungseinheiten oder Schaltelementen sie auch immer zusammengesetzt sein mögen. So ist es uns beispielsweise gelungen, mit den Ammoniakwesen unseres Nachbarplaneten in mentalen Austausch zu treten, lange bevor wir ihre biochemischen Daten wussten.

ETA: Es spricht Eta g. Ich finde die Entsprechungen gar nicht so groß. So verstehe ich beispielsweise ganz und gar nicht, warum der Pettoni genannte Mensch sich in Gefahr begibt und warum man dem Blinky genannten Menschen nicht mehr Beachtung schenkt.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Könnte sich Pettonis Verhalten nicht durch die Annahme erklären lassen, er wolle sich für seine Kameraden opfern? Derartige Heldentaten sind uns aus der prämentalen Zeit durchaus geläufig.

ETA: Es spricht Eta g. Die Analyse der Gespräche ergibt, dass er eher aus verwerflichen Gründen handelte. Ich denke hier an die Begriffe Ehrgeiz, Geltungsdrang, Machtstreben und ähnliche, deren Bedeutung in jedem Lexikon der alten Sprachen zu finden ist.

KAPPA: Hier spricht Kappa s. Hat sich auch irgendeine Erklärung über das überhebliche Benehmen der Besatzung dem jungen Menschenexemplar gegenüber gefunden?

ETA: Es spricht Eta g. Die Erklärung liegt auf der Hand. Eine primitive Rasse kennt andere Bewertungsmaßstäbe als jene der Intelligenz. Auch in unserer Vorgeschichte gibt es Beispiele dafür, dass der Besitz eines großen Energiespeichers zu einer höheren Machtposition führte. (Ablehnende Stimmen.) Ich vermute, dass jener Blinky nicht nach seiner Intelligenz beurteilt wurde, sondern aufgrund seines geringen Alters weniger Rechte besaß.

Stimmen.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Barbaren! Wie soll eine Zivilisation lebensfähig sein, in der die Intelligenz weniger gilt als das körperliche Alter!

ETA: Es spricht Eta g. In dieser Frage hat die Analyse zu einem verblüffenden Ergebnis geführt. Da sich, wie Kappa s bemerkt hat, eine Zivilisation nur entwickeln kann, wenn intelligentere Wesen mehr Stimme haben als unintelligentere, den sogenannten Menschen aber eine, wenn auch niedrige Zivilisationsstufe nicht abzusprechen ist, müssen bei ihnen Alter und Intelligenz in gewisser Proportionalität gestanden sein.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Das ist bestürzend! Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass sie ihren Wissensschatz gegenseitig nicht übertragen konnten.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Oder nur unter gewissen Schwierigkeiten.

ETA: Es spricht Eta g. Genau das ist die Folgerung: Für die Weitergabe des Wissens brauchten sie Zeit. Daher die höhere Einschätzung des Alters.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Arme Menschen! Was für Verwirrung musste bei ihnen herrschen! Dieser unglaubliche Aspekt ist wert, genau überdacht zu werden. Ich schlage vor, die Verhandlung zu vertagen.

AUTOMATIK: Die Serienschaltung wird aufgehoben. Kanal 37 steht zur allgemeinen Benutzung frei.

Es beginnt wieder das gleiche Summen und Sirren wie zu Beginn.

Autor: Herbert W. Franke

Vorlage: Hörspielmanuskript 1964

Regie: Hans Pelters

Ton: Reinhard Henke

Schnitt: Ingrid Antelmann

RB Red Jugendfunk, 1964

Sendetermine: RB 24.11.1964, RB 18.07.1968

Sprecher: Walter Bäumer, Helmut Düvelsdorf, Eberhard Fechner, Christian E. Günther, Herbert Leonhardt, Jo-Hanns Müller, Ernst Rottluff, Bernd Wiegmann, Erwin Wirschaz, Kurt Zielke

Diese Daten stammen von Horst G. Tröster.

Die dritte Diskussion, Teil A

Durcheinanderklingendes Summen und Sirren; darunter einzelne Stimmen.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Einzelne Geräuschkomponenten fallen aus.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Bis auf einzelne Zwitschertöne wird es ruhig.

AUTOMATIK: Kurze Pause für eine Serienschaltung des Mentalsystems. Als aktive Teilnehmer schalten sich ein: Alpha b alpha (Pfeifton) – Eta g eta (Pfeifton) – Jota m jota (Pfeifton) – Kappa s kappa (Pfeifton). Passive Teilnehmer bitte in Wellenbereich 11 plus minus 0,6.

Kurze, nur angetippte, knisternde Töne.

AUTOMATIK: Schaltung eingerichtet. Frequenzsignal zur Abstimmung.

Verschiedene Heultöne vereinigen sich in einer Frequenz.

AUTOMATIK: Bereit!

ALPHA: Es spricht Alpha b. Im Namen des wissenschaftlichen Konzils eröffne ich die Verhandlung über die »Stimmen aus dem All«.

JOTA: Es spricht Jota m. Ich bitte Eta g, uns Näheres über die technische Anlage mitzuteilen, mit der die fraglichen Wellenmuster empfangen wurden.

ETA: Es spricht Eta g. Bekanntlich schreibt uns das Ethische Gesetz vor, in Informationsaustausch mit möglichst vielen intelligenten Rassen zu treten, um ein Maximum an geistiger Relativierung zu erreichen. Die Konfrontation mit der Gedankenwelt fremdartiger Wesen hilft uns, alle absoluten Wertmaßstäbe zu eliminieren, die sich noch in unserer Philosophie verbergen mögen …

ALPHA: Es spricht Alpha b. Eta g möge sich zur Sache äußern. Unsere weltanschaulichen Prinzipien dürften allgemein bekannt sein.

ETA: Es spricht Eta g. Obwohl wir selbstverständlich von der Kommunikation mit Rassen, die die mentale Stufe der Verständigung erreicht haben, mehr erwarten dürfen als von den mühsamen Verständigungsversuchen mit Gruppen geistig getrennter Einzelwesen, haben wir doch vor dreihundert Jahren auch solche in unsere Kontaktierungen einbezogen.

JOTA: Es spricht Jota m. Diese Maßnahme ist mir von Anfang an unverständlich geblieben. Welchen Fortschritt soll uns der Kontakt mit Primitiven schon bringen?!

ETA: Es spricht Eta g. Gerade die Andersartigkeit dieser Geschöpfe bedingt Unterschiede in den Standpunkten, die für unsere ethischen Forschungen höchst interessant sind. Ich warne Jota m davor, zu glauben, dass unser weltanschauliches System das einzig Richtige ist! (Stimmen.) Vielleicht sind wir anderen denkbaren Entwicklungsstufen gegenüber selbst primitiv.

Stimmen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Zur Sache, Eta g, zur Sache!

ETA: Es spricht Eta g. Vor dreihundert Jahren ließen wir von den Robotmanipulatoren eine Richtantenne zwischen dreien unserer äußeren Planetoiden aufspannen. Einer von ihnen wurde so auf eine neue Bahn gelenkt, das keine Periodizitäten mehr auftreten. Die Folge davon ist, dass die Antenne ihre Richtung stets wechselt und nie wiederholt. Auf diese Weise haben wir all jene elektromagnetischen und gravitomagnetischen Impulse aufgefangen, die uns zur Entdeckung der verschiedenen nichtmentalen Rassen geführt haben. Mit ihnen allen halten wir jetzt Verbindung aufrecht. Die letzten Signale, die wir aufgefangen haben, sind jene von der Erde, die als Dokument Y oder als »Stimmen aus dem All« bekannt wurden.

JOTA: Es spricht Jota m. Hat man auch schon Verbindung mit den sogenannten Menschen aufgenommen?

ETA: Es spricht Eta g. Nein.

JOTA: Es spricht Jota m. Ich bitte, diese Tatsache anzumerken. Sie ist wieder ein Beweis gegen die Echtheit des Dokuments.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Was wurde unternommen, um zu einer Verständigung zu kommen?

ETA: Es spricht Eta g. Wie in allen anderen Fällen haben wir im gleichen Code mit gravitomagnetischen Wellen geantwortet und Anleitungen für den Bau von Gravitationsrühren und eines Gravitationssenders gegeben, um jede Laufzeitverzögerung zu vermeiden. Zur Aufnahme von Gravitationsschwankungen sind dagegen keine besonderen Empfangsgeräte nötig – schon gewöhnliche Seismografen sprechen darauf an. Wie ich zugeben muss, waren die Menschen die einzigen Wesen, die nicht geantwortet haben.

JOTA: Es spricht Jota m. Und das konnte auch nicht anders sein, denn diese Menschen existieren nur in der Fantasie von Eta g. Ich beantrage, dieses Dokument als eine Fälschung zu erklären und die Verhandlung abzubrechen.

Stimmen.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Jota ms Beweisführung ist nicht schlüssig – es könnte schließlich irgendeine Situation eingetreten sein, die die Menschen am Antworten hindert.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Hat Eta g irgendeine Erklärung für die Ignorierung unseres Kontaktversuchs?

ETA: Es spricht Eta g. Keine Erklärung, aber eine Vermutung. Sie hängt mit dem widersprüchlichen Charakter der Menschen zusammen und stützt sich vor allem auf das Dokument Y6. Da uns aber auch Y3 seinem Verständnis näherbringt, bin ich dafür, die ursprüngliche Reihenfolge beizubehalten.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Auch ich meine, dass wir uns zunächst die Übersetzung von Teil drei anhören sollten. Ich bitte um die Wiedergabe.

AUTOMATIK: Achtung! Beginn der Wiedergabe von Dokument Y3.

Pfeifton.

[Text: Meuterei auf der Venus]

Die dritte Diskussion, Teil B

Pfeifton.

AUTOMATIK: Ende der Wiedergabe von Dokument Y3.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich bitte Kappa s, sich zu äußern.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Das Dokument Y3 bestätigt einige Schlüsse über die Natur des Menschen, die ich schon aufgrund der ersten beiden Teile gezogen habe. Am interessantesten ist wohl der soziologische Aspekt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Mensch ein Einzelwesen in einem viel tragischeren Sinne ist, als wir es uns vorstellen können. Er hat nicht nur keine Möglichkeit zum Gemeinschaftsdenken, wie es in unserer Frühzeit mithilfe der Pseudopodien immerhin schon notdürftig möglich war. Er empfindet daher nur Einflüsse, die ihn selbst betreffen, und handelt deshalb nur aus eigenen Antrieben heraus.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Dadurch muss es zu gegenläufigen Bestrebungen kommen, die sich auf die Gemeinschaft und damit auch auf das Individuum schädigend auswirken. Welche Vergeudung von vitaler Energie!

KAPPA: Es spricht Kappa s. Die gegenläufigen Antriebe können so stark werden, dass daraus Auseinandersetzungen resultieren, bei denen ein Wesen auf das andere Gewalt anzuwenden versucht.

ALPHA: Es spricht Alpha b. In dem eben gehörten Text haben wir ein gutes Beispiel dafür. Der Widdelby genannte Mensch besitzt Mittel zur Ausübung psychischen Zwangs, und er wendet sie schließlich auch an. Grauenhaft!

ETA: Es spricht Eta g. Zur Beurteilung der Sachlage müssen wir uns in den Bewusstseinszustand von Wesen versetzen, die ganz auf sich allein gestellt sind. Dass es bei ihnen zu gegensätzlichen Meinungen kommt, kann man ihnen nicht anlasten. Wesentlich erscheint mir aber, dass Widdelby den Zwang zwar ausübt, dass er ihn aber zu minimieren versucht. Er wendet seine Mittel nicht gegen die große Menge der Arbeiter an, sondern gegen das Einzelwesen Walkers. Überdies handelt er offenbar nicht aus eigennützigen Motiven, sondern im Bestreben, ein soziales Gleichgewicht herzustellen. Es dürfte bei den Menschen also doch irgendeinen Antrieb geben, der ihnen als Ganzheit dient.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Wie deutlich geworden ist, fehlt aber dieser Antrieb bei anderen! Eine solche Situation ist überaus unausgeglichen und gefährlich. Was wäre geschehen, wenn nicht Widdelby, sondern Walkers jene Psychowaffen zur Verfügung gehabt hätte, von denen die Rede ist?

JOTA: Es spricht Jota m. Ein Sozialsystem, das auf so unsicheren Füßen steht, gleicht eher einem Angsttraum als der Wirklichkeit. Wir haben hier wieder eine Bestätigung dafür, das der sagenhafte Mensch nicht existiert haben kann.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich muss Jota m zum Teil beipflichten – auch mir kommt ein solches System unglaubhaft vor. Was meint Kappa s dazu?

KAPPA: Es spricht Kappa s. Nach allem, was wir bisher über die Steuerungsprinzipien sozialer Strukturen wissen, hat eine so geartete Gemeinschaft wirklich wenig Chance zum Überleben. Sie muss aber nicht absolut lebensunfähig sein. Voraussetzung dafür ist, dass, statistisch gesehen, die Summe aller Handlungen noch einen Integral mit positivem Sozialwert ergibt, das heißt, der Gemeinschaft nützt.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Um es in der Symbolik unserer Märchen und Sagen auszudrücken: Das Gute muss das Böse überwiegen.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Ja.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Die statistische Betrachtensweise ist nur gültig, solange Einzelereignisse nicht ins Gewicht fallen. Ich frage mich, ob das noch der Fall ist, wenn erst einmal technische Werkzeuge existieren, mit denen der Wille anderer ausgeschaltet werden kann.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Hier liegt auch der Unsicherheitsfaktor: in der Frage der Macht. Durch das Aufstreben der Technik, wie es auch bei den Menschen erkennbar ist, steigt die Macht, das heißt die Fähigkeit, Einfluss auszuüben. In einer Gesellschaft, in der das ohne ein Abwägen der Folgen auf die Allgemeinheit geschieht, können sich starke Abweichungen vom Gleichgewicht bemerkbar machen. Sind die Machtmittel erst so groß, dass eine Einzelhandlung das Ganze zu vernichten imstande ist, dann mag das den Untergang bedeuten.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ein solches Leben muss fürchterlich sein! Ich möchte nicht in der Haut eines Menschen stecken.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Und noch etwas erscheint mir schrecklich: die Einsamkeit des Menschen. Ein Wesen, das nur sich selbst empfindet, nur seine eigenen Gedanken kennt! Es bleibt in jeder Situation allein.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Zwar sind wir dem Verständnis des Menschen nicht viel näher gekommen, aber ob nun die »Stimmen aus dem All« echt oder unecht sind – sie ergeben neue Aspekte, die der Überlegung wert sind. Ich meine, wir sollten an diesem Punkt unterbrechen und die Verhandlung vertragen.

AUTOMATIK: Die Serienschaltung wird aufgehoben. Kanal 37 steht zur allgemeinen Benutzung frei.

Es beginnt wieder das gleiche Summen und Sirren wie zu Beginn.

Autor: Herbert W. Franke

Vorlage: gleichnamiges Hörspielmanuskript 1964

Regie: Hans Pelters

Ton: Reinhard Henke

Schnitt: Helga Kunze

RB Red. Jugendfunk, 1964

Sendetermine: RB 08.12.1964, RB 26.07.1968

Sprecher: Horst Breiter, Gudrun Daube, Eberhard Fechner, Christian E. Günther, Hans-Peter Hallwachs, Leo Sylvester Huth, Herbert Leonhardt, Günter Siebert, Harry Teubner, Bernd Wiegmann, Kurt Zielke

Diese Daten stammen von Horst G. Tröster.

Die vierte Diskussion, Teil A

Durcheinanderklingendes Summen und Sirren; darunter einzelne Stimmen.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Einzelne Geräuschkomponenten fallen aus.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Bis auf einzelne Zwitschertöne wird es ruhig.

AUTOMATIK: Kurze Pause für eine Serienschaltung des Mentalsystems. Als aktive Teilnehmer schalten sich ein: Alpha b alpha (Pfeifton) – Eta g eta (Pfeifton) – Jota m jota (Pfeifton) – Kappa s kappa (Pfeifton). Passive Teilnehmer bitte in Wellenbereich 11 plus minus 0,6.

Kurze, nur angetippte, knisternde Töne.

AUTOMATIK: Schaltung eingerichtet. Frequenzsignal zur Abstimmung.

Verschiedene Heultöne vereinigen sich in einer Frequenz.

AUTOMATIK: Bereit!

ALPHA: Es spricht Alpha b. Im Namen des wissenschaftlichen Konzils eröffne ich die Verhandlung. Wir setzen die Diskussion über jene Reihe von Dokumenten fort, die als »Stimmen aus dem All« bekannt sind. Nachdem wir die Übersetzungen der ersten drei Teile Y1 bis Y3 gehört haben, beginnt sich allmählich ein Bild des seltsamen Wesens Mensch abzuzeichnen.

JOTA: Es spricht Jota m. Ich protestiere gegen diese Formulierung; sie setzt die Existenz des nebulösen Menschen voraus, die noch keineswegs erwiesen ist.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich wollte gewiss kein Urteil der Kommission vorwegnehmen. Wenn wir aber zu einem objektiven Ergebnis gelangen wollen, dann bleibt uns gar nichts anderes übrig, als seine Existenz wenigstens als Möglichkeit vorauszusetzen. Es gibt kein anderes Analyseverfahren als das einer Kritik an der inneren Logik der im Dokument Y beschriebenen Zusammenhänge. In diesem Sinn fesselt mich der Aspekt des Technischen. Kann uns Kappa s etwas darüber sagen?

KAPPA: Es spricht Kappa s. Das Auftreten einer Intelligenz hat notwendigerweise die Entstehung einer Technik zur Folge – das geht aus den Grundsätzen der Psychokybernetik hervor und wird durch unsere Erfahrungen mit fremden Rassen bestätigt.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ist der Begriff der Technik auch in völlig andersartigen Milieus noch definiert?

KAPPA: Es spricht Kappa s. Gewiss – als bewusste Nutzung der Naturkräfte. Diese Technik sieht natürlich völlig anders aus, je nachdem, ob ihre Schöpfer beispielsweise in Quecksilber, in Ammoniak oder in einer Salzlösung leben. Denn von der Umgebung hängt die Art der Sinnesorgane ab; jene Erscheinungen, die den Sinnesorganen am leichtesten zugänglich sind, werden zum ersten Gegenstand technischer Handlungen. Wegen unserer Vibrationsorgane sind es die Schallphänomene, mit denen wir uns zuerst auseinandergesetzt haben. Die Kinetik kam natürlich viel später, weil wir als Pflanzenwesen an unsere Orte gebunden sind und es uns relativ schwerfällt, Gegenstände zu bewegen. Die Elektrostatik wurde uns leicht zugänglich, weil unser Energiehaushalt auf elektrischer Basis arbeitet. Die Elektrodynamik wurde uns erst nach der Gravitationsdynamik zugänglich, weil es in unserem Element, dem Quecksilber, keine elektromagnetischen Wellen gibt.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich bitte Kappa s, zum Problem des Menschen zurückzukommen!

KAPPA: Es spricht Kappa s. Soviel wir von ihm wissen, ist er ein tierhaftes Wesen, kann sich also frei bewegen. Somit hat sich bei ihm zweifellos frühzeitig eine Technik der Beförderung gebildet. Der Schluss ist frappant: Viele jener Erkundungen, zu denen wir erst sehr spät durch unsere Robotmechanik fähig wurden, hat der Mensch selbst körperlich vollzogen. Er hat seinen Planeten selbst durchforscht, hat sich selbst in die Tiefen der Erde gewagt und ist selbst in die Höhe gestiegen; soviel wir bis jetzt wissen, ist er bis an den Rand seines Planetensystems gelangt.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Es ist erschreckend, sich eine derart ungehemmte körperliche Bewegung vorzustellen. Wie oft sind unsere automatischen Sonden, Traktoren und Flugkörper, unsere Robotfahrzeuge und Laboratorien vernichtet worden! Das alles hat der Mensch auf sich genommen.

ETA: Es spricht Eta g. Der vierte Teil des Dokuments betrifft eine Situation, in der sich Menschen tatsächlich persönlich in unbekannte Regionen begeben und sich mit den für sie gefährlichen Umständen auseinandersetzen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Dann wollen wir jetzt den vierten Teil der Übersetzung prüfen. Ich bitte um die Wiedergabe.

AUTOMATIK: Achtung! Beginn der Wiedergabe von Dokument Y4.

Pfeifton.

[Text: Der Strahlenregen]

Die vierte Diskussion, Teil B

Pfeifton.

AUTOMATIK: Ende der Wiedergabe von Dokument Y4.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Ich muss zugeben, dass mich das dargestellte Ereignis erschüttert hat. Die daran beteiligten Menschen scheinen ganz andere Aufgaben zu haben als jene der ersten drei Darstellungen. Sie handeln und denken anders und besitzen auch vornehmere Charakterzüge. Rührend ist auch die Gebrechlichkeit des menschlichen Organismus, der nicht einmal gegen Strahlung immun ist.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Nach wie vor interessiert mich besonders die Frage nach den charakterlichen Eigenschaften. Wenn die Menschen kein gemeinsames Bewusstsein besitzen – was treibt sie dann zu Handlungen, die ihnen selbst nichts nützen, sondern nur den anderen? Das Dokument Y4 gibt dafür mehr als ein Beispiel. Schon der Aufenthalt in der Einsamkeit einer entlegenen Forschungsstation im Weltraum ist ein Opfer, das nicht aus dem Nutzen für den Einzelnen zu erklären ist. Und die Person jenes Gregory! Sein Wunsch, etwas Großes zu leisten, hat ihn dazu bestimmt, seine Tätigkeit in der Heimat aufzugeben. Und als sein Wunsch nicht in Erfüllung geht, gibt er sein Leben für das der anderen. Warum?

JOTA: Es spricht Jota m. Nach allem, was wir von den Menschen wissen, ist bei ihnen die physische Vernichtung total – es gibt keine Übertragung seiner im mentalen Speicher niedergelegten Information auf Initialeinheiten und somit kein Weiterbestehen. Folglich wird kein Mensch so handeln wie Gregory. Das ist einer der Punkte, in denen sich ein innerer logischer Widerspruch ergibt.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Das halte ich für keinen Widerspruch. Es ist klar, dass eine Gruppe von Lebewesen nur bestehen kann, wenn sich jedes so verhält, dass es auch an anderen nützt – wenigstens im Durchschnitt gesehen. Wir haben das schon erörtert. Die Antriebe müssen nach diesem Gesichtspunkt ausgerichtet sein – das ist ein Problem der Steuerung.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Damit ist die Frage aber keineswegs beantwortet.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Es ist seltsam – wir halten es für selbstverständlich, dass sich die Art der Sinnesorgane nach der Eigengesetzlichkeit des Geschöpfes und nach seiner Umgebung richtet, sehen aber nicht ein, dass das auch für die Motive seines Handelns gilt. Selbstverständlich kann ich nicht beantworten, wie die Selbststeuerung des Menschen funktioniert, aber aus kybernetischen Gründen folgt aus der Tatsache, dass der Mensch lebt …

JOTA: Es spricht Jota m. Das ist keine Tatsache!

Stimmen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich bitte Jota m, die Ausführungen von Kappa s nicht zu unterbrechen!

KAPPA: Es spricht Kappa s. Aus der Annahme der menschlichen Existenz folgt die Annahme eines vernünftigen Steuersystems.

ETA: Es spricht Eta g. Die eingehende Analyse aller in den Dokumenten beschriebenen Handlungen ergab auch eine Statistik der Motivationen. Tatsächlich treten neben rationalen Begründungen auch solche auf, die nur im Hinblick auf die Gemeinschaft der Menschen einen Sinn erkennen lassen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Was wäre eine solche Begründung?

ETA: Es spricht Eta g. Als eindeutiger Sozialantrieb hat sich der bei uns schon längst nicht mehr auftretende Ehrgeiz erwiesen.

Stimmen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ehrgeiz? Ehrgeiz gilt bei uns mit Recht als destruktive Eigenschaft. Eta g möge seine Meinung begründen.

ETA: Es spricht Eta g. Ehrgeiz hat nur Sinn in der Gemeinschaft. Da sein Lohn die Bewunderung oder Achtung anderer ist, sind die durch ihn ausgelösten Handlungen in der Regel sozial positiv zu bewerten.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Eta gs Argumentation hat etwas für sich. Sie wäre imstande, neues Licht auf die Bedeutung archaischer Charakterzüge zu werfen. An der isolierten Stellung des Menschen ändert das zwar nichts, aber wenigstens scheint etwas in ihm lebendig zu sein, das ihn über jede Trennung hinaus mit den anderen verbindet. Vielleicht sind das jene Kräfte, die ihn am Leben erhalten. Darüber wollen wir bis zum nächsten Mal nachdenken. Die Verhandlung ist vertagt.

AUTOMATIK: Die Serienschaltung wird aufgehoben. Kanal 37 steht zur allgemeinen Benutzung frei.

Es beginnt wieder das gleiche Summen und Sirren wie zu Beginn.

Autor: Herbert W. Franke

Vorlage: gleichnamiges Hörspielmanuskript 1964

Regie: Hans Pelters

Ton: Werner Stemmeer

Schnitt: Liesl Staats

RB Red. Jugendfunk, 1964

Sendetermine: RB 05.01.1965, RB 02.08.1968

Sprecher: Rolf Becker, Gerd Buss, Helmut Düvelsdorf, Christian E. Günther, Jürgen Nola, Ernst Rottluff, Harry Teubner, Kurt Zielke, Werner Vollert

Diese Daten stammen von Horst G. Tröster.

Die fünfte Diskussion, Teil A

Durcheinanderklingendes Summen und Sirren; darunter einzelne Stimmen.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Einzelne Geräuschkomponenten fallen aus.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Bis auf einzelne Zwitschertöne wird es ruhig.

AUTOMATIK: Kurze Pause für eine Serienschaltung des Mentalsystems. Als aktive Teilnehmer schalten sich ein: Alpha b alpha (Pfeifton) – Eta g eta (Pfeifton) – Jota m jota (Pfeifton) – Kappa s kappa (Pfeifton). Passive Teilnehmer bitte in Wellenbereich 11 plus minus 0,6.

Kurze, nur angetippte, knisternde Töne.

AUTOMATIK: Schaltung eingerichtet. Frequenzsignal zur Abstimmung.

Verschiedene Heultöne vereinigen sich in einer Frequenz.

AUTOMATIK: Bereit!

ALPHA: Hier spricht Alpha b. Im Namen des wissenschaftlichen Konzils eröffne ich die Verhandlung. Wir kommen heute zur Diskussion des fünften Teils der »Stimmen aus dem All«. Zuvor möchte ich Kappa s die Frage stellen, ob sich aufgrund der bisherigen Sendungen schon etwas über das gesellschaftliche System der Menschen sagen lässt.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Eines steht fest: Ihre Gesellschaftsordnung muss sich von unserer grundlegend unterscheiden. Wir fassen unsere Entschlüsse durch gemeinsame Bemühungen, während wir durch mentale Kontakte miteinander verbunden sind. Das ist beim Menschen nicht möglich. Vielmehr hat es den Anschein, als ob einzelne Personen eine Art Steuerfunktion ausüben.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Das würde bedeuten, dass Einzelne über andere zu bestimmen haben.

Stimmen.

JOTA: Es spricht Jota m. Dass einzelne Entscheidungen ohne das Einverständnis aller getroffen werden. (Stimmen.) Ein Widerspruch in sich!

ETA: Es spricht Eta g. Das Verhalten des Menschen beweist, dass es doch so ist.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Allmählich bekommt das Bild, das wir uns vom Menschen zu machen versuchen, Farbe und Kontur. Ich kann aber nicht behaupten, dass es dadurch verständlicher wird. Wenn es einen Menschen gibt, so wie wir ihn zu erkennen glauben, dann dürfte er nicht nur ein körperlich äußerst anfälliges Wesen sein, sondern sich auch ständig in einem schizophrenen Zustand befinden. Seine Antriebe drängen ihn in die eine Richtung, die Notwendigkeiten der Natur in die andere. Dazu kommen Befehle von Vorgesetzten, denen er gegen seinen Willen folgen muss. Unter ständiger Bedrohung, uneins mit sich selbst, lebt er in seiner schrecklichen Welt und ahnt nichts vom Ziel alles Lebendigen: der Harmonie zwischen dem Geist und dem All.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Ich möchte nicht in der Haut eines Menschen stecken.

Stimmen.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Und nun bitte ich darum, uns den Teil fünf des Dokuments zu Gehör zu bringen.

AUTOMATIK: Achtung! Beginn der Wiedergabe von Dokument Y5.

Pfeifton.

[Text: Der Passagier des Raumschiffs]

Die fünfte Diskussion, Teil B

Pfeifton.

AUTOMATIK: Ende der Wiedergabe von Dokument Y5.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Dieser Handlungsablauf bestätigt unsere Vermutungen über das Gesellschaftssystem des Menschen. Ich bitte Eta g um die Ergebnisse der Analyse.

ETA: Es spricht Eta g. In den handelnden Personen spiegeln sich verschiedene Gruppen von Menschen. Jede Gruppe hat offensichtlich andere Ziele, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Wir dürfen daher annehmen, dass wir es nicht mit einer einzigen Menschenart zu tun haben, sondern mit mehreren. Anders ist ihre Uneinigkeit nicht zu erklären.

JOTA: Es spricht Jota m. Warum sollten sich verschiedene Arten nicht miteinander einigen?

ETA: Es spricht Eta g. Es gab auch in unserer frühgeschichtlichen Zeit Gegensätze zwischen den Bewohnern des Tieflands und der Hochebenen.

Stimmen.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Es gilt als pietätlos, davon zu sprechen.

ETA: Es spricht Eta g. Aber es hilft uns, die Wahrheit zu finden.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich weiß wirklich nicht, ob es wissenschaftlich nötig war, Eta g, diese beschämende Situation aus prämentalen Zeiten zu erwähnen.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Ich glaube, dass uns Spekulationen über die menschliche Gesellschaftsordnung nicht weiterbringen. Versuchen wir doch, im Konkreten zu bleiben! In der Wiedergabe von Y5 kommen wieder einige Ausdrücke vor, die uns unbekannt sind. Was bedeutet beispielsweise »tolles Mädchen«? Und was ist ein »Mörder« – ein Begriff, der öfters erwähnt wurde? Was ist mit »Pistole« gemeint?

ETA: Es spricht Eta g. Darüber kann ich ein Ergebnis vorlegen: Eine Pistole scheint eine Art Strahler zu sein, der einschläfernd wirkt. Als Mörder wird jene Person bezeichnet, die eine andere Person ohne deren Zustimmung einschläfert.

KAPPA: Es spricht Kappa s. Das ist furchtbar! Geht diese Erklärung nicht über alles Zumutbare hinaus?

JOTA: Es spricht Jota m. Je mehr wir uns mit diesen »Stimmen aus dem All« beschäftigen, umso absurder werden sie. Ich schlage vor, auf die Wiedergabe von Teil 6 zu verzichten. Was wir bisher gehört haben, dürfte genügen, um ein Urteil zu bilden.

ALPHA: Es spricht Alpha b. Ich stimme Jota m nicht zu. Die Wiedergabe von Dokument Y6 ist beschlossen, und sie wird durchgeführt. Da wir aber im Anschluss daran zu einer Entscheidung kommen wollen, bitte ich die aktiven Teilnehmer der Diskussion, sich schon jetzt um ein Ergebnis zu bemühen. Die Verhandlung ist vertagt.

AUTOMATIK: Die Serienschaltung wird aufgehoben. Kanal 37 steht zur allgemeinen Benutzung frei.

Es beginnt wieder das gleiche Summen und Sirren wie zu Beginn.

Autor: Herbert W. Franke

Vorlage: Hörspielmanuskript »Der Passagier des Raumschiffs« 1964

Regie: Hans Pelters

Ton: Werner Stemmer

Schnitt: Lotte Koch

RB Red. Jugendfunk, 1964

Sendetermine: RB 19.01.1965, RB 09.08.1968

Sprecher: Heinz Daubach, Gudrun Daube, Helmut Düvelsdorf, Eberhard Fechner, Christian E. Günther, Hans-Dieter Jendreyko, Herbert Leonhardt, Ernst Rottluff, Sieghold Schröder, Herbert Sebald, Herbert Steinmetz, Kurt Zielke

Diese Daten stammen von Horst G. Tröster.

Die sechste Diskussion, Teil A

Durcheinanderklingendes Summen und Sirren; darunter einzelne Stimmen.

AUTOMATIK: Bitte Kanal 37 räumen! Bitte Kanal 37 räumen!

Einzelne Geräuschkomponenten fallen aus.