Johannes vom Kreuz - Gabriele Ebert - E-Book

Johannes vom Kreuz E-Book

Gabriele Ebert

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Beschreibung

Johannes vom Kreuz (1542-1591) gründete zusammen mit Teresa von Avila den Reformorden der Karmeliter in Spanien. Er war nicht nur einer der ersten "Unbeschuhten" Karmeliten und ein großer Dichter und Mystiker, sondern beteiligte sich auch aktiv am Bau und Umbau der neuen Konvente und an den Hausarbeiten im Kloster, betreute die Nonnen seelsorglich, bildete Novizen aus und hatte verschiedene Ämter als Prior und im Leitungsgremium des neuen Ordens inne. Bald geriet er ins Fadenkreuz der Auseinandersetzungen zwischen den "Beschuhten" und "Unbeschuhten" und musste neun Monate im Klostergefängnis von Toledo schmachten, bis ihm die abenteuerliche Flucht gelang. Am Ende seines Lebens geriet er in eine Verleumdungskampagne und wurde aller Ämter enthoben. Sein Leben war abwechslungsreich und spannend wie ein Krimi.

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Johannes vom Kreuz, Gemälde von unbekanntem Maler, 1656

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kindheit und Jugend

In Medina del Campo (1551-1563)

Eintritt in den Karmel und Studium in Salamanca (15631568)

Die Teresianische Reform

Die erste Gründung in Duruelo (1568-1570)

Als Seelsorger und Ordensreformer (1571-1579)

In Andalusien (1578-1588)

In Granada (1582-1588)

In Segovia (1588-1591)

Das letzte Lebensjahr (1591)

Die Schriften des Johannes vom Kreuz

Chronologie

Literaturverzeichnis

Einleitung

Johannes vom Kreuz (Juan de la Cruz) gilt als einer der bekanntesten Vertreter der spanischen Mystik im 16. Jh. Doch Johannes war nicht nur Mystiker und Dichter, sondern vieles mehr, da er nach seiner ersten Begegnung mit Teresa von Avila viele Klostergründungen für Männer und Frauen der Unbeschuhten Karmeliter umsetzen musste. Er legte selbst Hand beim Bau oder Umbau von Konventen an, kümmerte sich um Formalitäten, Planungen und Finanzen, führte als Prior mehrere Klöster, musste als Visitator Klöster besuchen, nach dem Rechten sehen und Missstände korrigieren, nahm an den Provinzkapiteln teil und beteiligte sich an Entscheidungen den neu gegründeten Reformorden betreffend. Zudem kümmerte er sich als begabter Seelsorger um seine Mitbrüder und mehrere Frauenklöster, aber auch um Laien, und bildete die Novizen aus. Er betätigte sich als Krankenpfleger und half mit auf dem Feld und bei der Hausarbeit. Der kleine Mann mit dem dunklen Bart, wie er beschrieben wird, war eine sehr rührige und vielschichtige Persönlichkeit, und war trotz seines intensiven Gebetslebens sehr bodenständig. Ständig war er auf Reisen und legte im Laufe seines Lebens über 25.000 km zurück – nicht mit dem Wagen, sondern kürzere Strecken zu Fuß und längere auf einem Esel oder Maultier.

Sein Leben lang versuchte er, Kontemplation und Aktion in Einklang zu bringen, was beides in seinem Leben reichhaltig vorhanden war. Zudem war er Verfolgung und Verunglimpfung ausgesetzt, geriet am Anfang der Neugründungen ins Fadenkreuz der Machtkämpfe zwischen den Beschuhten und Unbeschuhten Karmeliten und der verworrenen kirchlichen Zuständigkeiten und musste neun Monate in Einsamkeit eingekerkert im Kloster der Beschuhten in Toledo verbringen, bis ihm die abenteuerliche Flucht gelang. Er erlebte, wie der reformierte Karmeliterorden der Unbeschuhten sich schließlich allen Widerständen zum Trotz durchsetzte, konsolidierte und ausbreitete. Kurz gesagt – sein Leben war spannend wie ein Krimi.

Johannes vom Kreuz hat nichts über sich selbst geschrieben. So sind wir auf anderweitige Zeugnisse angewiesen. Aber seine zahlreichen Schriften und einige Briefe, die noch erhalten sind, können uns Aufschluss geben. Auch das Zeugnis von Theresa von Avila ist eine gute Quelle, und natürlich die Zeugen beim Heiligsprechungsprozess.

Historisch fallen in seine Zeit: die Entdeckung Amerikas, Kopernikus Entdeckung, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und die Spaltung der Kirche in Protestanten und Katholiken, was allerdings im Spanien des 16. Jh. keine große Rolle spielte.

Dieses Büchlein soll einen Einblick in dieses vielschichtige Leben ermöglichen. Wer mehr über Johannes‘ Gebetsleben und seine seelsorglichen und mystischen Erfahrungen lesen möchte, die der Grundstock seiner Lehre bilden, dem seien seine Werke ans Herz gelegt.

Gabriele Ebert

Kindheit und Jugend

Juan de Yepes y Alvarez wurde im Juni (am Fest von Johannes dem Täufer) oder Dezember (am Fest des Apostels Johannes) 1542 in Fontiveros in der Provinz Avila, Kastilien, geboren. Der Ort liegt am höchsten Punkt der Kastilischen Hochebene am westlichen Rand der Provinz Avila. Das genaue Geburtsdatum ist nicht sicher, da einige Jahre nach seiner Geburt alle Taufbücher der Kirche von Fontiveros verbrannt sind. Der Gedenkstein in Fontiveros in der Nähe des Taufbrunnens gibt den 24. Juni an.

Seine Eltern, Gonzalo de Yepes und Catalina Álvarez, stammten aus dem Gebiet um Toledo, daher der Nachname de Yepes, der sich auf einen kleinen Ort in der Provinz Toledo bezieht.

Catalina, eine Waise, lebte und arbeitete im Haus einer adeligen Witwe in Fontiveros in der Cantiveros-Straße in deren Seidenweberei, die auch noch ein Gasthaus besaß. Gonzalo wuchs bei einem Verwandten in Toledo auf und wurde der Geschäftsführer von dessen florierendem Seidenhandel.

Einmal begab sich Gonzalo wieder einmal auf die Handelsmesse in Medina del Campo, einem wichtigen Handelsplatz für Stoffe, und kam auf der Durchreise nach Fontiveros, wo er in besagtem Gasthaus Halt machte, Catalina kennenlernte und beide sich ineinander verliebten. Gonzalo musste sich mit dem Standesdünkel der damaligen Zeit auseinandersetzen, als er die schöne, aber mittellose Catalina heiraten wollte, wurde kurzerhand enterbt und vor die Tür gesetzt. Aus Liebe zu ihr und da er keine anderen Einkünfte hatte, erlernte er ebenfalls das Seidenweberhandwerk. Ihr Alltag war hart, aber sie kamen zurecht.

Johannes war der dritte und letzte Sohn von Gonzalo und Catalina nach Francisco, geb. 1530, und Luis (unbekanntes Geburts- und Todesdatum). Zudem zog Catalina als Amme ein Mädchen auf, was nicht nur ein Zeichen der Nächstenliebe war, sondern ihr auch ermöglichte, etwas hinzuzuverdienen.

Nach etwa dreizehn glücklichen Ehejahren starb Gonzalo an einer heimtückischen Krankheit, an der er zwei Jahre gelitten hatte. Die Ersparnisse der Familie waren aufgebraucht, da Catalina ihre Arbeit als Weberin aufgeben musste, um ihren Mann zu pflegen. So verarmten sie. Gonzales Todesjahr ist nicht bekannt, aber es muss kurz nach der Geburt von Johannes gewesen sein. Wann Luis gestorben ist, ist ebenfalls unbekannt. Das Grab beider befindet sich in der Pfarrkirche von Fontiveros ziemlich weit vom Altarraum entfernt, was ein Zeichen für ihre Armut ist.

Die Weberei konnte Catalina und ihre Kinder allein nicht ernähren. Hinzu kam, dass in dieser Zeit eine schreckliche Hungersnot herrschte. Deshalb beschloss sie, die reichen Verwandten ihres Mannes in der Umgebung von Toledo um Hilfe zu bitten. Toledo lag allerdings etwa 180 km entfernt. So bedeutete das für sie eine lange Reise.

Catalina wanderte mit ihren beiden Kindern nach Torrijos in der Provinz Toledo. Vermutlich musste sie auf dem ganzen Weg betteln. Ihr Schwager Diego de Yepes war der Erzdiakon von Torrijos. Sie bat ihn, wenigstens eines der Kinder aufzunehmen, doch er war nicht dazu bereit. So verabschiedete sich die untröstliche Catalina und ging ins etwa 30 km entfernten Gálvez, wo Juan de Yepes, ein weiterer Schwager, lebte, der Dorfarzt war, um bei ihm ihr Glück zu versuchen. Er empfing sie herzlich und erklärte sich bereit, Francisco bei sich aufzunehmen, für seine Ausbildung zu sorgen und ihn als Erben einzusetzen, da er selber keine Kinder hatte. Der Aufenthalt dort verschaffte ihr eine Atempause. Dann kehrte sie mit Johannes nach Fontiveros zurück, um wieder am Webstuhl zu arbeiten.

Ein Jahr verging, aber sie erhielt keine Nachricht von Francisco. Sie spürte, dass die Dinge nicht gut liefen, und machte sich schließlich auf den Weg nach Gálvez. Dort erfuhr sie, dass die Frau ihres Schwagers Francisco daran hinderte, die Schule zu besuchen, ihn schlecht behandelte, sich nicht richtig um ihn kümmerte und ihn niedrige Arbeiten erledigen ließ. Catalina nahm Francisco wieder nach Fontiveros mit. Später erlernte er das Weberhandwerk und übte es sein ganzes Leben lang aus.

Johannes war zwar ein „Engel“, wie ihre Mutter ihn nannte, wohl aber doch sehr lebhaft und aufgeweckt. Als er fünf oder sechs war, hielt er sich beim Spiel mit seinen Gefährten am Ufer eines kleinen Sees in der Umgebung von Fontiveros auf. Die Jungen warfen Stecken ins schlammige Wasser und versuchten, sie wieder herauszuholen. Bei einem dieser Versuche verlor Johannes das Gleichgewicht, als er sich über das schlammige Wasser beugte, fiel hinein und ging unter, tauchte wieder kurz auf, um erneut nach unten gezogen zu werden. Er erzählte später, er dabei „eine sehr schöne Frau“ gesehen, die ihm ihre Hand entgegenstreckte und um seine Hand bat, aber er habe sie ihr nicht reichen wollen, um sie nicht schmutzig zu machen. Wie er erzählte, trug er seitdem eine große Verehrung und Liebe zu „Unserer Lieben Frau“ in seinem Herzen. Schließlich kam ein Bauer herbei und zog ihn mit einem Stock aus dem See.

Da die wirtschaftliche Situation sich nicht verbesserte und Fontiveros keine großen Aussichten bot, siedelte Catalina vermutlich 1548 ins etwa 25 km entfernte Arévalo um. Dort fanden sie und Francisco Arbeit in einer Weberei bei einem Kaufmann. Sie blieben etwa vier Jahre dort.

Francisco war inzwischen verheiratet, und auch seine Frau Ana Izquierda arbeitete in der Weberei. Sie hatten in der Folge acht Kinder, von denen sieben im Kindesalter starben. Bernarda, die einzige Tochter, die überlebte, wurde später Zisterzienserin im Kloster Sanctus Spiritus de Olmedo. Sie trug den Ordensnamen Bernarda de la Cruz mit derselben Namensendung wie ihr Onkel. Francisco und Ana waren sehr wohltätig und kümmerten sich um die Armen. So brachte Francisco im Winter öfter einen Armen mit nach Hause.

Nach etwa vier Jahren tauchte wieder der Gedanke an einen Ortswechsel auf, um die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Johannes war etwa neun, als sie nach Medina del Campo, etwa 30 km von Arévalo entfernt, umzogen.

In Medina del Campo (1551-1563)

Medina del Campo, Lithographie von Francisco Javier Parcerisa, 1861

In Medina del Campo wohnte die Familie im Nordteil der Stadt in der Calle Santiago in der Nähe des Magdalenenklosters der Augustinerinnen. Hier verbesserte sich ihre wirtschaftliche Lage, und hier blieben sie. Sie arbeiteten weiterhin als Weber. Francisco verdiente gelegentlich als Maurer noch Geld hinzu.

In diese Zeit ereignete sich etwas Ähnliches wie einst in Fontiveros. Im Garten eines Krankenhauses befand sich ein tiefer Brunnen, an dem Johannes gerne mit anderen Kindern spielte. Da gab ihm einer seiner Gefährten einen Stoß, und er fiel hinein. Die Kinder liefen erschrocken davon und riefen um Hilfe. Erwachsene eilten herbei, beugten sich über den Brunnenrand und sahen überrascht, dass Johannes nicht ertrunken war, sondern aus der Dunkelheit des Brunnens rief: „Ich bin nicht untergegangen. Die Muttergottes hat mich gerettet! Werft mir ein Seil zu, damit ich mich daran binden kann. Dann zieht mich hoch.“ Er wurde völlig unversehrt herausgezogen.

Catalina erreichte, dass Johannes ins Colegio de la Doctrina, einem Internat für arme Kinder, aufgenommen wurde. Hier erhielt er eine Schulbildung, und auch eine handwerkliche Ausbildung war vorgesehen. Johannes versuchte es als Schreiner, Schneider, Schnitzer und als Maler, doch er taugte für all diese Berufe nicht.

Die Kinder mussten auch gewisse Dienste außerhalb verrichten. So diente Johannes als Ministrant im nahen Magdalenenkloster und musste wohl auch putzen, fegen und andere einfache Arbeiten übernehmen. Er erledigte alles ordentlich und liebevoll und gewann die Zuneigung der Nonnen. Eine weitere Aufgabe, die ihm aufgetragen wurde, war, in der Stadt um Almosen für die Schüler des Internats zu betteln.

Schließlich wurde Don Alonso Alvarez de Toledo, ein Ritter und der Verwalter des Hospital de Nuestra Señora de la Concepción, eines der 14 Krankenhäuser der Stadt, auf ihn aufmerksam. Dies war eine caritative Einrichtung für Patienten mit Syphilis und anderen infektiösen Krankheiten. Don Alonso hatte seine weltliche Laufbahn aufgegeben, ein Großteil seines Vermögens in dieses Krankenhaus gesteckt und widmete sich bereits seit vierundzwanzig Jahren ganz den Kranken, was Johannes sehr beeindruckte. Johannes pflegte fortan die Kranken und sammelte Spenden für den Unterhalt des Hospitals, das sich allein dadurch finanzierte. Er verrichtete diese Arbeit mit viel Güte und Geduld, obwohl sie sicherlich nicht immer angenehm und einfach war.

Als er siebzehn war, durfte er seine Schulbildung erweitern. Man schickte ihn ins nahegelegene Studienkolleg der Jesuiten, das er als externer Schüler von 1559 bis 1563 besuchte und das für seine guten Lehrer bekannt war. Da diese Jesuitengründung relativ neu war, waren viele Lehrer junge Jesuiten, die frisch von der Universität in Salamanca oder Alcála kamen.

Gleichzeitig pflegte Johannes weiterhin die Kranken und ging für das Krankenhaus betteln. Don Alonso Alvarez de Toledo förderte ihn, denn er hatte seine Begabung erkannt und hoffte, aus ihm einmal den Kaplan des Hospitals zu machen. Viel Zeit blieb Johannes nicht zum Lernen, und er erledigte seine Hausaufgaben oft nachts. So fand man ihn, als man ihn einmal um Mitternacht suchte, zwischen den Heubündeln lernen.

Johannes erhielt eine humanistische Ausbildung in Logik und Grammatik, Griechisch, Latein, Geschichte und Literatur. In Latein war er besonders gut. Vermutlich kam er in dieser Zeit auch zum ersten Mal mit der spanischen Dichtung in Berührung, mit der er später seine Gotteserfahrung ausdrücken würde.

Eintritt in den Karmel und Studium in Salamanca (1563-1568)

Nach seinem Schulabschluss trat Johannes mit einundzwanzig in den Karmeliterorden der Stadt ein, ein Schritt, der nicht überraschend kam. Don Alonso Alvarez de Toledo hatte zwar gehofft, dass er Hauskaplan im Hospital werden würde, doch Johannes wollte das nicht. So verließ er eines Tages ungesehen das Hospital und klopfte an die Pforte des Karmeliterklosters Santa Ana, wo man ihm gern den Mönchshabit gab.

Diese karmelitische Gründung in Medina del Campo war ganz neu und erst 1563 abgeschlossen, im selben Jahr, als Johannes dort eintrat. Warum er den Karmel wählte und nicht die Jesuiten, Benediktinern, Dominikanern, Franziskanern oder einen anderen Orden – die Auswahl war groß – oder nicht Diözesanpriester werden wollte, darüber kann nur spekuliert werden. Vermutlich lag ihm der kontemplative Zug mehr als der eher rationale der Jesuiten, der lehrende der Dominikaner oder der weltbezogen, caritative der Franziskaner. Auch die Marienfrömmigkeit des Ordens der Karmeliten, der ja den Zusatz „Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel“ trägt, mag ihm zugesagt haben, da er sich schon als Kind der Gottesmutter anvertraut wusste. So war durch seine „Flucht“ in den Karmel vorerst der Weg seiner Berufung geklärt.

In Santa Ana erhielt er den Ordensnamen Fray Juan de Santo Matía (Bruder Johannes vom Hl. Matthias) und lernte als Novize die Spiritualität des Karmel kennen. Mit ihm traten zwei weitere Mitbrüder ein: Rodrigo Nieto und Piedro de Orozco, die mit ihm das Jesuitenkolleg besucht hatten.

Neben der Heiligen Schrift studierte er die monastische Regel des Karmel und das „Buch der ersten Mönche“ aus dem 14. Jahrhundert, das die kontemplative und eremitische Lebensform des Karmel zum Thema hat. Das Buch stellt den Propheten Elias, der ein eremitisches Leben führte, als den Gründer des Karmel dar. Im 16. Jh. galt es als das wichtigste Handbuch des geistigen Lebens.