Sunyata - Gabriele Ebert - E-Book

Sunyata E-Book

Gabriele Ebert

0,0

Beschreibung

Der Däne Alfred Julius Emmanuel Sorensen (Sunyata, 1890-1884) machte bereits von Kindheit an die advaitische Erfahrung der Einheit und Stille. Sie war stets sein natürlicher Zustand. Deshalb nannte Ramana Maharshi, der große Weise vom Berg Arunachala, ihn einen "selten geborenen Mystiker". Obwohl Sunyata nie als offizieller Guru fungierte und leugnete, eine "Lehre" zu haben, vertrat er eine advaitische Weltsicht und sagte von sich, er habe immer gewusst, dass "die Quelle und ich eins sind". Wie Ramana Maharshi betrachtete er die Stille als die höchste Lehre und das Herz aller Religionen, wobei er mit Stille das Verstummen von Wünschen, Eigensinn und Ich-Bezogenheit meinte. Als Ramana Maharshi ihm den Satz "Wir sind immer bewusst, Sunyata" übermittelte, nahm er Sunyata als seinen spirituellen Namen an. Sunyata bedeutet die erfüllte Leere. Sunyata verbrachte den größten Teil seines Lebens in Indien, v.a. in der Nähe von Almora im Himalaya. Er begegnete Rabindranath Tagore, Mahatma Gandhi, Jawaharlal Nehru, Anandamayi Ma, Ramdas, Lama Gofinda und vielen anderen. In den 70ern wurde er von der Alan Watts Gesellschaft nach Amerika eingeladen, wo er den Rest seines Lebens verbrachte, Fragen beantwortete und Darshan gab. Im Alter von 94 Jahren kam er bei einem Autounfall ums Leben .

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 94

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Einleitung

Rabindranath Tagore

In Indien

Begegnung mit Mahatma Gandhi

Begegnung mit Jawaharlal Nehru

Begegnung mit Ramana Maharshi

Anandamayi Ma

Peer A. Wertin (Ramanagiri)

In Almora

Wuti und Wuji

Besuche in Dänemark und Europa

In den USA

Lehre und Aussprüche

Chronologie

Glossar

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Däne Alfred Julius Emmanuel Sorensen (Sunyata) machte bereits von Kindheit an die advaitische Erfahrung der Einheit und Stille. Sie war stets sein natürlicher Zustand. Deshalb nannte Ramana Maharshi, der große Weise vom Berg Arunachala, ihn einen „selten geborenen Mystiker“.

Sunyatas Erfahrung war dieselbe wie die Ramanas. Sie erkannten sich gegenseitig als Weise. In Indien gibt es den bekannten Spruch: „Nur ein Jnani [Weiser] kann einen anderen Jnani erkennen.“ Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Sunyatas Aussprüche an die von Ramana erinnern, obwohl er seinen eigenen Sprachstil entwickelte.

Obwohl Sunyata nie als offizieller Guru fungierte und leugnete, eine „Lehre“ zu haben, vertrat er eine advaitische Weltsicht und sagte von sich, er habe immer gewusst, dass „die Quelle und ich eins sind“. Wie Ramana Maharshi betrachtete er die Stille als die höchste Lehre und das Herz aller Religionen, wobei er mit Stille das Verstummen von Wünschen, Anstrengungen, Eigensinn und Ich-Bezogenheit meinte. Als Ramana Maharshi ihm den Satz „Wir sind immer bewusst, Sunyata“ übermittelte, nahm er „Sunyata“ als seinen spirituellen Namen an. Sunyata bedeutet die erfüllte Leere.

Quellen über sein Leben sind seine eigenen Berichte, u.a. seine Aufzeichnung „Memory“ (Erinnerung), die er im Himalaya geschrieben hat und in der er die Erinnerung an seine Kindheit und seine ursprüngliche Erfahrung der Stille beschreibt.

Gabriele Ebert

Kindheit und Jugend

Sunyata wurde am 27. Oktober 1890 auf einer einsam gelegenen Farm im Norden Dänemarks in der Nähe von Århus geboren. Sein Geburtsname war Alfred Julius Emmanuel Sorensen. Seine Eltern waren der Farmer Soren Sorensen und seine Frau Maren. Er hatte zwei ältere Schwestern: Jeusine und Mary, die 12 bzw. 14 Jahre älter waren als er. Jeusine arbeitete als Krankenschwester beim Roten Kreuz, und Mary heiratete 1897.

Sein Vater war ein stiller Mann, der sehr kompetent in seinem Beruf war, aber sich nicht in häusliche Angelegenheiten einmischte. Emmanuel schreibt: „Obwohl mein Vater sehr aktiv die Farm bewirtschaftete, war er ausgesprochen ruhig und still. Er behauptete sich nicht und machte kein Aufsehen. Tatsächlich sprach er selten, außer wenn andere zu ihm kamen. So lehrte er unbewusst und ohne jede Anstrengung die Stille.“1

Emmanuels Mutter war gesprächiger und umgänglicher und führte mit Liebe und Effizienz den Haushalt. Sie nannte ihn Emmanuel und hatte ihm auch die Bedeutung des hebräischen Namens erklärt. Im Evangelium wird erzählt wie der Engel Gabriel bei Maria eintrat und die Botschaft von der Geburt Jesu verkündet. Joseph erfährt in einem Traum, dass dieser Sohn der erwartete Emmanuel (Gott mit uns) sei (Mt 1,19-25). Emmanuel verstand seinen Namen immer in der Bedeutung des innewohnenden Christus.

Emmanuel wuchs in der friedlichen, glücklichen Umgebung der Farm auf, umgeben von Feldern und Tieren. Zur Erntezeit kamen Erntehelfer auf die Farm, und alle lebten harmonisch miteinander.

Über seine frühe Kindheit sagte er: „Sie war so einfach und bedingungslos, sodass die ersten sieben Jahre als Vor-Ego-Bewusstsein in Erinnerung bleiben. Das Ego und der Verstand machten keine Schwierigkeiten, denn es gab keine Zumutungen, keine Ausbildung, keine Disziplin und keinen Sündenkomplex. Aber es gab Gewahrsein und sogar ein gewisses unbewusstes Gewahrsein von Ganzheit, Einheit und lebendiger Harmonie, was er später als Erinnerung oder Gedächtnis2 (memory,) bezeichnete. Sokrates hatte denselben Begriff ‚Gedächtnis‘ [anamnesis] verwendet, um sich auf die Erinnerung an ein Licht des Bewusstseins zu beziehen, das vor der Geburt vorhanden ist. In ähnlicher Weise sah Mencius, der chinesische Weise, der ein Jahrhundert nach Sokrates lebte, den Zweck der Erziehung darin, sich an sein ‚ursprüngliches Herz‘ zu erinnern. Es ist weise, diese Erinnerung nicht in Wortsymbolen zu zerstreuen und zu verwischen oder zu versuchen, sie anderen zu erzählen, auszudrücken oder zu erklären. Wenn man innerlich versteht (innerstands), gibt es nie das Verlangen, etwas zu beweisen oder zu behaupten oder ein Schmeicheln, um Verständnis oder Liebe zu erlangen.“3

„Bäume und Tiere verstanden, und sie verlangten nicht, behaupteten nicht und versuchten nicht zu erklären. Mit ihnen fühlte er den wortlosen Austausch, den heilsamen, reichen Inhalt. Sie wussten wortlos, lebendig, und allein mit ihnen fühlte er sich nie einsam oder verloren.“4

Emmanuel akzeptierte alles, was geschah, genoss es, ertrug es und empfand keinen Drang, die Gesellschaft von anderen zu suchen. Er war ein stiller Zuhörer, Beobachter und sehr mitfühlend.

Er erzählt, dass er mit acht Jahren begann, Wünsche und ein Ego-Bewusstsein zu entwickeln und in Gefahr war, dieses ursprüngliche „Gedächtnis“ zu verlieren. Als Erinnerung, sein Selbst nicht zu vergessen, stellte er einen großen Stein wie ein Lingam am Wegesrand auf. „Der Gedenkstein schrie nicht laut genug. Die Erinnerung (memory) wurde immer unregelmäßiger im Bewusstsein, und der Wikingerjunge geriet in den Griff der Begierden. Der klare Blick und die ruhige Anmut wurden durch das Spiel des Ich-Bewusstseins verwischt. Aber nicht ganz. Auch da gab es immer noch die seltenen Momente, in denen das Zusammenspiel von Einsamkeit und Stille das Lied meines Selbst wiedererweckte.“5

Schließlich erlangte er seine „Unschuld“ wieder, wie er es formulierte. „Die erste und die zweite Unschuld scheinen ähnlich zu sein, doch ihr unmittelbarer Hintergrund ist unterschiedlich. Wie durch unsere Leiden, wenn sie realisiert und lebendig angenommen werden, etwas hinzugefügt wird, so wird auch in der zweiten Unschuld etwas hinzugefügt. Die Erinnerungen an ein kürzlich aufgeführtes Schattenspiel sind, obwohl sie in den Details verblasst sind, selbst wie Schatten auf der Leinwand der Erinnerung und machen uns das Licht der Leinwand der Stille bewusster.“6

„Zu gegebener Zeit kam der Einfluss der Schule und der Spielkameraden. Die erwachsenen Kinder versuchten, Wujis7 Werte- und Wahrheitsbewusstsein zu reformieren, zu verbessern und „weiterzuentwickeln“. Sie versuchten, ihm ihre Pflichtkomplexe, Sündenkomplexe und geistigen Scheuklappen aufzudrücken, versuchten, ihn nach ihrem Idealbild zu formen, aber vielleicht mit weniger als durchschnittlichem Erfolg. Der sensible, passive und empfängliche Junge erwies sich letztendlich nicht als gutes Medium, aber er wurde auch nicht als schlechtes oder unmögliches Medium empfunden. Er fügte sich passiv und pflichtbewusst, aber nicht eifrig. […] So wurde er nur wenig beachtet und dann wohl als sehr durchschnittlich angesehen. Sein Schweigen war der Mantel der Unsichtbarkeit, und wenn er bemerkt wurde, dann als stiller, freundlicher, passiver, unaufdringlicher, langweiliger, aber ziemlich harmloser Junge, ein wahres Kind meines irdischen und himmlischen Vaters.

Welch ein Segen in meinem Fall, unbemerkt zu sein und in Ruhe gelassen zu werden. Es kann wahre Nächstenliebe, wahre Höflichkeit, wahre Würde und wahre Liebe sein, die Mitpilger und besonders die Kinder in Ruhe zu lassen, sie sein zu lassen und nicht zu versuchen, sie zu inspirieren und ihnen ‚Gutes zu tun‘, indem man seine eigene gute Wahrheit über sie, an ihnen und für sie behauptet. Ihre Wahrheit mag anders sein, wunderbar anders, und unsere Aufgabe ist es, unsere eigene Wahrheit zu leben. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und die Goldene Regel ‚Was du willst, was man dir tut, das füg auch keinem andern zu‘ könnte auf bestimmten Ebenen geändert werden. Ihre Bedürfnisse mögen anders sein.“8

„Wujis Kindheitsvorstellung von ‚Gott‘ war nicht sehr persönlich. Wenn Gott die erste Person Singular war, die immer vor uns stand, dann nicht als das orthodoxe Bild eines Wesens mit langem Bart und Heiligenschein außerhalb seiner selbst. Wuji war sich keiner sehr klaren Unterscheidung zwischen Himmel, Hölle und Heimat bewusst. Alles schien hier zu sein, und Gott war irgendwie auch in der Hölle, wenn ich dort war. ‚Bettete ich mich in die Hölle [ins Totenreich] und wohnte ich am äußersten Meer, auch dort ...‘9– ‚In Ihm leben, bewegen wir uns und haben unser Sein. Ob wir leben oder sterben, wir sind im Herrn.‘10 Auf diese Worte reagierte Wuji sehr schnell, und obwohl ihm der Begriff ‚Er‘ nicht besonders gefiel, waren es eher Gefühle als Gedanken.11

„In der reichen Einsamkeit meiner Kindheit schien das Leben selbst ein bewegendes Gebet zu sein, und so gab es weder einen Drang noch eine Gelegenheit für mündliche Gebete und Lobpreisungen. Was gab es, um dafür zu beten? Wen sollte man mit Worten loben oder verehren?“ 12

„Wenn mich als Kind Schwierigkeiten, Probleme und Entscheidungen bedrängten, ging ich fast immer instinktiv nach innen und betrachtete sie von dort aus. In der Einsamkeit und in der Stille suchte das Kind instinktiv die Erinnerung, und in ihrem mystisch-klarem Licht wurden die Schmerzen und Probleme normalerweise geheilt oder akzeptiert. Langsam oder schnell gab es eine Art von Antwort auf mein Wohin, Wie und Warum? Durch Versuch und Irrtum, durch Prüfung und Erfolg lernt man, sich im Licht der Intuition zu bewegen und zu handeln. Die Führung durch den inneren Guru empfand ich als realer und befriedigender als die Ratschläge, Anregungen und Erklärungen von Mitstreitern in Bezug auf meine eigenen Schritte zum ‚Tao‘.

Wenn man sich in Bezug auf seine tiefsten Probleme und seine wahre Richtung nicht auf Ratschläge, Mitgefühl oder Liebe von außen verlässt, ist man weniger verwirrt. Man mag langsamer gehen, man mag anfangs stolpern und fallen, sich Verletzungen und Narben holen, aber man lernt durch seine eigenen Fehler, sie nicht zu wiederholen. Man lernt seine Schwächen und Stärken kennen, und wenn man allein geht, gehört einem der Frieden im natürlichen Rhythmus und Schwung, einfach und ungezwungen.“13

Sunyata erzählt von einem Erlebnis von doppeltem Bewusstsein in seiner Jugend: „Ein Fall von gleichzeitigem dualem Bewusstsein ereignete sich im körperlichen Alter von elf oder zwölf Jahren, als ich bei einer Kinderparty war. Wir spielten wie andere Jungen. Mitten im Spiel war ich plötzlich auch außerhalb des Spiels. Ich spielte weiter, war ein Teil des Spiels, aber auch getrennt von ihm. […] Ich sah meinen Körper und das Spiel voranschreiten, sah die einzelnen Teilnehmer subjektiv, aber auch objektiv als Akteure, die von einer Kraft angetrieben wurden, von der sie glaubten, sie beherrschen zu können. Ich sah sie schwingungsmäßig so, wie sie waren, und auch so, wie sie dachten, dass sie waren, Egos, die durch Namen und Form bekannt waren. ‚Was tun wir alle? Wir werden benutzt. Von was? Was ist der Sinn des Ganzen?‘

Ein Teil von mir spielte und redete wie von selbst über Gewöhnliches weiter, wenn auch in einer seltsam wehmütigen Stimmung, doch meine ‚Seele‘ war nicht im Spiel. Bald schien einer der Jungen meinen Zustand zu bemerken. Er war ein Jahr jünger, und ich bin sicher, dass wir den Perspektivenwechsel gemeinsam erlebten. Ein wortloser Blick und eine spätere Frage von ihm gaben mir Gewissheit. Wir waren beide augenblicklich ‚offen‘ und doppelt bewusst. Außerdem befanden wir uns beide an der Schwelle zur Adoleszenz.“14

Emmanuel besuchte die Dorfschule nur bis zur 8. Klasse. Schon früh erkannte er, dass diese Art der Bildung den Geist prägte und für ihn mehr ein Hindernis für das Fließen der Wahrheit war. Er schreibt: „Ich betrachte mich als glücklich, der Kopferziehung (headucation) entronnen zu sein. Ich wollte sicherlich nicht länger unter ihr leiden als ich musste.“15

Über das Bildungssystem sagte er: „Was für ein Wahn nach Ego-Ausdruck ist der sogenannte ‚Selbst-Ausdruck‘ der modernen Erziehung, gefördert, geleitet und gefärbt von diktatorischen Macht-Politikern, weiß, rot, grün, braun und schwarz. Wie wenige der Shakti-Spieler haben die Kraft der Reife oder der Erinnerung (memory), um wieder in die Leichtigkeit des Seins und in das Bewusstsein des ewigen, nicht anstrengenden und immer gegenwärtigen Selbstausdrucks hier und jetzt zu erwachen?“