Swami Ramdas - Gabriele Ebert - E-Book

Swami Ramdas E-Book

Gabriele Ebert

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Beschreibung

Swami Ramdas (1884-1963) spielte im spirituellen Bereich im Indien des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. Er widmete sein Leben der Hingabe an seine Gottheit Rama, deren Namen er ständig wiederholte (Japa), pilgerte als Wandermönch durch ganz Indien und errichtete schließlich den Anandashram in Kasaragod und danach in Kanhangad in Kerala. Eine Weltreise führte ihn in den 50er Jahren auch nach Deutschland. Swami Ramdas Liebe zu allen Lebewesen erinnert an den christlichen Heiligen Franz von Assisi. Seine Botschaft war die der universellen Liebe und des Dienstes, da Gott sich in allen Lebewesen manifestiert. Er schätzte alle Religionen gleichermaßen und betonte ihre gemeinsame Essenz.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kindheit und Jugend

Ehe und Beruf

Auf der Suche nach Gott

Das Leben als Wandermönch

Bei Ramana Maharshi

In Puri und Dakshineswar

Im Himalaya, in Mathura und wieder im Süden

In der Panch-Pandav-Höhle

Erneute Wanderschaft

Im Norden

Die Reise zum Amarnath

Der Anandashram in Kasaragod

Der Anandashram in Kanhangad

Die Weltreise

Das Leben im Ashram und Swami Ramdas‘ Ende

Chronologie von Swami Ramdas‘ Leben

Glossar

Literaturverzeichnis

Einleitung

Swami Ramdas spielte im Indien des 20. Jh. neben Ramana Maharshi, Aurobindo und Anandamayi Ma im spirituellen Bereich eine zentrale Rolle, doch über ihn ist hierzulande nur wenig bekannt.

Über seine Erlebnisse und Erfahrungen berichtet er in seiner dreiteiligen Autobiografie: Auf der Suche nach Gott (In Quest of God, 1925), Mit der Schau Gottes (In the Vision of God, 1935) und Die Welt ist Gott (World is God, 1955). Es sind humorvoll geschriebene Berichte von seinen Pilgerreisen durch ganz Indien, der Gründung des Anandashram in Kasaragod und Kanhangad und seiner fünfmonatigen Weltreise in den 50ern, die ihn u.a. auch nach Deutschland führte. Seine Autobiografie ist eng mit seiner Lehre verwoben, die sein Leben prägte.

Ramdas ging den Weg des Bhakti, der Gottesliebe, und übte die Wiederholung des Ram-Mantras „OM Ram Jai Ram Jai Jai Ram“ das sein Vater ihn gelehrt hatte. Die Verehrung der Gottheit Rama (Ramachandra) und die Mantra-Praxis ist in Indien weit verbreitet und erinnert im christlichen Bereich an das Jesusgebet. Rama ist eine populäre Inkarnation des Gottes Vishnu und der Held im Epos Ramayana.

Ram war für Ramdas wie ein persönlicher Freund, mit dem er sich unterhielt, scherzte und dem er auch Vorwürfe machte. Er verstand all sein Tun und was ihm widerfuhr als Rams Wille. Zugleich war er sich auch des unpersönlichen Aspektes Gottes als Brahman bewusst. Beide Aspekte sah er immer zusammen.

Wie Ramdas Gott in sich selbst manifestiert sah, so sah er Ihn auch in allen anderen Lebewesen gleichermaßen, ebenso in den Tieren, was an Franz von Assisi erinnert. Alle Religionen waren für ihn gleichwertig und führten zum selben Ziel. Seine Vision war die einer Welt, in der alle Menschen zunehmend diese universelle Sichtweise von Gott in allen Lebewesen haben und in Harmonie und Frieden miteinander leben.

Diese Biografie dient als Einleitung in Leben und Lehre von Ramdas. Wer ausführlicher über Ramdas lesen möchte, sei auf das Buch „Swami Ramdas: Die Autobiografie eines Gottliebenden“ verwiesen.

Gabriele Ebert

Kindheit und Jugend

Vittal Rao (der spätere Ramdas) wurde am 10. April 1884 in Hosdurg, Nordkerala, als Sohn eines Verwaltungsangestellten geboren und wuchs mit zwölf Geschwistern auf. Seine Eltern waren tief religiös. Er gehörte der Brahmanenkaste an. Vittal besuchte zunächst die örtliche Schule in Hosdurg und wurde später nach Mangalore an die Mission High School geschickt. Er las viel, v.a. Werke englischer Autoren und besonders Shakespeare. Zudem interessierte er sich fürs Zeichnen, Töpfern und das Theater. Für die Schule hatte er nicht viel übrig, schwänzte oft den Unterricht und schaffte die Abschlussprüfung der High School nicht. Mit sechzehn kehrte er nach Hause zurück und schloss sich einer Schauspieltruppe an. Nach einigen Monaten schickte ihn sein Vater auf die Kunstschule nach Madras. Dann erhielt er einen Freiplatz an der Technischen Fachhochschule in Bombay, wo er drei Jahre lang Textiltechnik studierte.

In dieser Zeit begann Vittal, sich mit Philosophie zu beschäftigen, und geriet für einige Zeit in den Einfluss atheistischer Denker. Doch dann fielen ihm die Schriften von Ramakrishna, Vivekananda und Rama Tirtha in die Hände, seine Gesinnung wandelte sich, und es reifte in ihm der ernsthafte Wunsch, ein Gottsucher zu werden.

Auf der Suche nach Gott

Der erste Teil seiner Autobiografie „Auf der Suche nach Gott“ beginnt, als er noch im weltlichen Leben war und mit sich rang.

Er berichtet: „Fast ein Jahr lang kämpfte sich Ramdas durch eine Welt voller Sorgen, Ängste und Schmerzen. Es war eine Zeit von schrecklichem Stress und Unruhe, die er selbst verursacht hatte. In diesem völlig hilflosen Zustand voller Elend schrie er in seinem Herzen: ‚Wo ist Erleichterung? Wo ist Ruhe?‘ Der Schrei wurde gehört, und aus der großen Leere kam die Stimme: ‚Verzweifle nicht! Vertraue Mir, und du sollst frei sein‘ – und dies war die Stimme von Ram. Die große Gewissheit besänftigte das schmerzende Herz des hilflosen Ramdas wie sanfter Regen, der auf durstige Erde fällt. Von da an wurde ein Teil der Zeit, die früher ganz den weltlichen Angelegenheiten gewidmet war, für die Meditation Rams verwendet, der ihm wirklichen Frieden und Erleichterung schenkte. Allmählich wuchs die Liebe zu Ram, dem Geber des Friedens. Je mehr Ramdas über Seinen Namen meditierte und ihn aussprach, desto größer wurde die Erleichterung und Freude, die er fühlte. Die Nächte, die frei von weltlichen Pflichten waren, wurden im Laufe der Zeit fürs Ram-Bhajan genutzt, mit kaum einer oder zwei Stunden Schlaf. Seine Hingabe für Ram nahm sprunghaft zu.“1

Zunehmend verlor die Welt für ihn ihre Anziehungskraft. Er verkürzte den Schlaf auf ein Minimum, seine Kleidung bestand fortan aus Handgesponnenem und sein Bett aus einer einfachen Matte. Er aß nur noch einmal am Tag.

Allmählich reifte in ihm die Erkenntnis, dass Ram die einzige Wirklichkeit war. Sein Verlangen nach Vergnügungen starb, ebenso sein Sinn für Besitz und verwandtschaftliche Beziehungen. Ihm wurde immer mehr bewusst, dass alles Ram gehörte und alle Handlungen von Ihm ausgeführt wurden. Daraus entstand der Wunsch, alles aufzugeben und als Wandermönch durchs Land zu ziehen.

Er holte sich Rat in Edwin Arnolds „Light of Asia“ und las die Worte Buddhas: „Nun ist die Stunde gekommen, in der Ich dieses goldene Gefängnis verlassen darf, in dem Mein Herz eingesperrt war. Ich werde zum Heil der Menschen so lange nach der Wahrheit suchen, bis Ich sie gefunden habe.“ Dann schlug er das Neue Testament auf und las die Worte Jesu: „Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben gewinnen.“ (Mt 19.29) Als er auch in der Gita auf die Stelle traf: „Gib alle Pflichten auf, und suche bei Mir allein Zuflucht! Sorge dich nicht, Ich werde dich von allen Sünden befreien!“, war im alles klar. Alle drei göttlichen Inkarnationen, Buddha, Jesus und Krishna, wiesen ihm denselben Weg. Da fasste er den Entschluss, endgültig das weltliche Leben hinter sich zu lassen. Er besorgte sich zwei orangefarbene Tücher als Kleidung. Dann schrieb er einen Brief an seine Frau und an einen guten Freund.

Am 27. Dezember 1922 schrieb er an Rukmabai:

Liebe Schwester,

ich wähle diese Anrede, weil Du fortan für mich wie eine Schwester sein wirst.

Sri Ram, dem ich mich voll und ganz überantwortet habe, hat mich aus meinem alten Leben abgerufen. Ich ziehe – mit Seinem süßen Namen auf den Lippen – als Wandermönch hinaus in die Welt. Du weißt, dass ich nur eines erstrebe: die Liebe und Gnade Sri Rams. Diesem Ziel widme ich den Rest meines Lebens. Ich bin bereit, dafür jedes Leid – mag es auch noch so schwer sein – auf mich zu nehmen. Vielleicht werden wir uns nicht mehr begegnen – auf keinen Fall jedoch als Mann und Frau.

Weiche nicht ab vom Pfad der Wahrheit, und leite Rame (Ramabai) an, das gleiche zu tun!

Gib die Arbeit am Spinnrad nicht auf! Sie wird dazu beitragen, dass Du glücklich und zufrieden bist. Lass auch Rame diese Arbeit verrichten!

Sri Rams Segen für Dich und Rame! Er wird Euch beschützen!

Dein Dich liebender

P. Vittalrao2

Rukmabai konnte zunächst das Verhalten ihres Mannes nicht verstehen. Erst im Laufe der Zeit wuchs ihr Verständnis, und später wurden sie gute Freunde.

Am nächsten Morgen um fünf Uhr brach Vittal zu seiner großen Wanderschaft auf, die ihn durch ganz Indien führen sollte. Er war inzwischen 38 Jahre alt.

Sein Buch „Auf der Suche nach Gott” umfasst den Zeitraum von einem Jahr nach diesem Erlebnis.

1 Ramdas: Search, S. 3. Er selbst sprach von sich immer als von Ramdas in der dritten Person.

2 Chandrashekar: Passage, S. 71 f.

Das Leben als Wandermönch

Orte, die Ramdas während seiner ersten Pilgerreise besuchte

Am 27. Dezember 1922 nahm Vittal den Morgenzug von Mangalore nach Erode. Er hatte 25 Rupien und einige Bücher dabei, darunter die Gita und das Neue Testament. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte, und wanderte ziellos umher. Als es dunkel wurde, kam er zu einer niedrigen Hütte, an deren Eingang eine Frau stand. Er bat sie um Essen, und sie bewirtete ihn gern mit Reis und Milch. Danach ging er zum Bahnhof, wo er die Nacht verbringen wollte. Um Mitternacht kündigte ein Glockenzeichen die Ankunft eines Zuges an. Ein Tamile fragte ihn, wohin er wolle. Vittal konnte darauf nicht antworten. Da bot dieser ihm an, ihn bis Trichinopoly mitzunehmen, und Vittal gab ihm Geld für die Fahrkarte.

Am Abend kamen die beiden in Trichinopoly an. Vittal begab sich in die Stadt, wobei er ständig den Namen Rams wiederholte. Die Nacht verbrachte er auf der Veranda eines Hauses. Da kam es ihm in den Sinn, dass Gott wollte, dass er sich auf Pilgerreise zu den heiligen Stätten und Flüssen Indiens begeben sollte. So trat er am frühen Morgen den Fußmarsch ins sieben Meilen entfernte Srirangam an, das ein bekannter Pilgerort ist.

Srirangam liegt am heiligen Fluss Kaveri. Vittal badete darin und legte danach die orangefarbenen Tücher als sein neues Sannyas-Gewand an. Seine weißen Gewänder, die Kleidung der Verheirateten, die er bisher getragen hatte, überließ er den Fluten. Seinen Namen änderte er zu Ramdas (Diener Rams) und legte drei Gelübde ab: sein Leben Ram zu weihen, striktes Zölibat einzuhalten und alle Frauen als Mütter zu betrachten sowie sich nur von Almosen zu ernähren. Seine Praxis bestand darin, alles in der Welt als die Formen Rams und alles, was ihm widerfuhr, als den Willen Rams zu betrachten.

Ramdas – wir wollen in künftig bei diesem Namen nennen – war nun ein Wandermönch. Das beseligende Gefühl, mit Rams Hilfe neu geboren worden zu sein, erfüllte ihn. Alle Sorgen und Ängste verschwanden für immer, und er wurde von Frieden erfüllt. Er ernährte sich von dem, was er durch Bhiksha erhielt, v.a. Milch, Obst, Reis, Rotis und Dal. Da er fast keine Zähne mehr besaß, musste die Nahrung weich sein. Oft lebte er nur von Milch, und immer wieder legte er ein reines Wasserfasten ein, wenn Ram es seiner Meinung nach wollte.

Er kam zu einer Raststätte, vor der zwei junge Sadhus Bhajans sangen. Er gesellte sich ihnen bei und stellte wie sie seinen Napf vor sich hin, damit vorbeiziehende Pilger etwas hineinlegen konnten. Sie sangen bis gegen Mittag. Die Sadhus waren über die geringen Gaben der Pilger enttäuscht, und einer von ihnen meinte: „Seit heute Morgen haben wir zur Ehre Gottes gesungen, und Er hat uns nur so wenig dafür gegeben. Oh Gott, wie sollen wir unseren Hunger stillen? Ist unser Bhajan nicht mehr wert als diese paar Pfennige?“

Ramdas antwortete: „Brüder, euer Bhajan behält seinen Wert auch ohne Bezahlung. Gott ist immer gütig und liebevoll. Niemals lässt Er den im Stich, der Ihm vertraut. Ram hat durch Seinen bescheidenen Sklaven Geld für euer heutiges Essen geschickt.“3 Dann gab er ihnen eine Rupie, die sie verwundert annahmen.

Ramdas fand in seinem Napf immerhin zwei Kupfermünzen, von denen er sich glücklich sein erstes Bhiksta, Almosen, kaufte: zwei kleine Bananen.

Ein anderer Sadhu fragte ihn nach seinen Plänen. Ramdas wusste darauf keine Antwort zu geben. Da forderte der Sadhu ihn auf, sich ihm anzuschließen. Er war der erste Sadhu, der ihn auf seiner Pilgerreise führte und ihm half. Ramdas nannte ihn und auch die folgenden, die sich nach und nach einstellten, Sadhuram.

Er händigte dem Sadhuram sein letztes Geld aus, damit er es unter den Armen verteilte, und fühlte sich überaus erleichtert.

Da die beiden nun völlig mittellos waren, bestiegen sie den Zug nach Rameshwaram ohne Fahrkarten. Kurz vor dem Ende ihrer Reise verlangte der Kontrolleur die Fahrkarten, und da sie keine besaßen, zwang er sie, vorher auszusteigen. Ramdas betrachtete das als die Gnade des Herrn, denn ein Pilgerort wie Rameshwaram sollte ein Sadhu zu Fuß erreichen, und es waren nur noch sechs Meilen.

Unterwegs begegneten sie einem Friseur, von dem sich Ramdas den Bart scheren und den Kopf rasieren ließ. Anschließend nahmen sie ein Bad, bevor sie den berühmten Tempel von Rameshwaram betraten. Im innersten Schrein fand soeben ein Gottesdienst zu Ehren Rams statt.

Anschließend fuhren sie nach Madurai, das ebenfalls einen berühmten Tempel besaß. Dort trennte sich der Sadhuram von ihm, nachdem er ihn zum Zug nach Chidambaram gebracht hatte.

Ramdas war wieder ohne Führer. In Chidambaram folgte er einigen Pilgern zum berühmten Tempel, doch er durfte nicht hinein, weil ihm das Eintrittsgeld fehlte. Nach einem Bad im Tempelteich setzte er sich auf einen Stein und las in der Gita. Da setzte sich ein Tamile neben ihn und fragte, ob er schon gegessen habe. Er gab ihm Bananen und bezahlte für ihn den Eintritt in den Tempel. Danach besorgte er ihm ein Nachtlager und verabschiedete sich von ihm.

Am nächsten Morgen stand Ramdas mit anderen Pilgern am Bahnhof, wiederum ohne ein Ziel vor Augen. Am Nachmittag stieg er in einen Zug, von dem er nicht wusste, wohin er fuhr. Dort stellte sich ein neuer Sadhuram ein, der ihn nach Tirupapuliyur brachte. Da erwachte in Ramdas der Wunsch, Aurobindo in Pondicherry zu besuchen. Der Sadhuram brachte ihn dorthin. Als sie aber das palastartige Gebäude, in dem Aurobindo lebte, betreten wollten, sagte einer der Pförtner, dass Aurobindo sich für ein Jahr zurückgezogen habe und niemanden empfangen würde. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als unverrichteter Dinge nach Tirupapuliyar zurückzukehren.

3 Ramdas: Search, S. 12

Bei Ramana Maharshi

Ramana Maharshi (1879-1950)