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"Ich werde mich niemals von ihm trennen, Vater", erklärt Angelika Prinzessin von Hohenberg mit fester Stimme. "Mir ist es gleich, wer Rolf ist oder wo er herkommt. Ich liebe ihn!"
Fürst Gottlieb runzelt die Stirn. "Du wirst ihn nicht mehr wiedersehen, mein Kind. Ein Mann, der aus seiner Herkunft ein Geheimnis macht, kommt für meine Tochter nicht infrage."
Verzweifelt fährt die Prinzessin in die kleine Universitätsstadt zurück. Sie muss mit Rolf reden. Aber der geliebte Mann ist spurlos verschwunden ...
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Seitenzahl: 147
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Ein Herz fragt nicht nach Rang und Namen
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Impressum
Ein Herz fragt nicht nach Rang und Namen
Mitreißender Liebesroman aus dem Hochadel
Von Sabine Stephan
»Ich werde mich niemals von ihm trennen, Vater«, erklärt Angelika Prinzessin von Hohenberg mit fester Stimme. »Mir ist es gleich, wer Rolf ist oder wo er herkommt. Ich liebe ihn!«
Fürst Gottlieb runzelt die Stirn. »Du wirst ihn nicht mehr wiedersehen, mein Kind. Ein Mann, der aus seiner Herkunft ein Geheimnis macht, kommt für meine Tochter nicht infrage.«
Verzweifelt fährt die Prinzessin in die kleine Universitätsstadt zurück. Sie muss mit Rolf reden. Aber der geliebte Mann ist spurlos verschwunden ...
Stöhnend wälzte sich der junge Mann auf die andere Seite.
Er schwebte zwischen Schlaf und Erwachen. Wir oft war ihm das schon passiert! Er wusste, dass er einen Albtraum durchlitt, und konnte sich doch nicht daraus lösen.
»Feuer«, flüsterte er mit spröden Lippen. »Feuer ... Feuer ...!«
Auf seiner Stirn schimmerten feine Schweißperlen. Seine Lider zuckten.
»Feuer ...«
Da waren die Flammen wieder, die knisternd und prasselnd nach ihm griffen. In Hunderten, vielleicht sogar in Tausenden Nächten war er vor diesen Flammen geflohen. Er war keuchend gerannt und doch nicht von der Stelle gekommen, während die Flammen näher und näher rückten!
»Feuer ... Hilfe ... Feuer ...«
Deutlich sah er, wie sich die Flammen in das Gebälk fraßen. Er hörte das trockene Knallen berstender Fensterscheiben und die Schreie der Eingeschlossenen.
Seine Zunge leckte über die rissigen Lippen. Seine Finger krallten sich in das Laken seines zerwühlten Bettes.
»Feuer ...«
Die Flammen fraßen sich mit rasender Geschwindigkeit weiter, während er rannte und rannte ...
»Feuer ...«
Das Feuer verzehrte die Gemälde, die noch einmal aufglühten und vergingen. Und es erfasste den roten Samt, den er liebte, weil er so vornehm wirkte.
Der Stoff bekam hässliche, glühende Ränder, die bis zu dem goldenen Wappen vorrückten. Obwohl der junge Mann diesen Albtraum seit Jahren hatte, war das Wappen in allen Träumen gleichgeblieben: zwei goldene, gekreuzte Schwerter, darüber eine Krone.
Nichts blieb zurück. Die Schwerter und die Krone lösten sich auf. Der brennende Samt stürzte von der Wand. Ein Funkenregen hüllte den Gepeinigten ein und ließ ihn mit einem Schrei hochfahren.
Ebenfalls seit Jahren brach der Albtraum an dieser Stelle ab. Sobald der Samt mit dem Fürstenwappen vernichtet war, schreckte der junge Mann hoch.
Mit schreckgeweiteten Augen starrte er in die Dunkelheit, hörte auf der Straße das Hupen eines Autos, sah an der Wand seines Zimmers die hellen Lichtflecken der Straßenlaternen und erinnerte sich, wo er war.
Seufzend ließ er sich zurücksinken, tastete nach dem blütenweißen Taschentuch auf dem Nachttisch und trocknete sich die nasse Stirn. Als er nach dem bereitstehenden Glas mit Fruchtsaft griff, zitterte seine Hand.
Beherrscht führte er das Glas an die Lippen und trank einen kleinen Schluck, um seine ausgedörrte Kehle anzufeuchten.
Mit einem erleichterten Seufzen drehte sich der junge Mann auf die andere Seite und schloss die Augen. Er wusste, dass er in dieser Nacht keine Störung mehr zu befürchten hatte.
Der Albtraum kam nur einmal in jeder Nacht. Vermutlich würde der junge Mann bis an sein Lebensende von diesem Schrecken gequält werden, aber das Fürstenwappen aus den zwei Schwertern mit der Krone wurde in jeder Nacht nur einmal vernichtet.
Der junge Mann zwang sich, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken. Bald darauf schlief er ruhig ein ...
***
Gottlieb Fürst von Hohenberg legte mit einer heftigen Bewegung das silberne Besteck auf seinen Teller. In dem holzgetäfelten Speisesaal von Schloss Falkenhorst war das kurze Klirren ein ungewohntes Geräusch. Wenn die Familie Hohenberg speiste, ging es sehr leise und dezent zu.
Aus den leuchtend blauen Augen des Fürsten flog ein kurzer Blick zu dem Diener, der die Dienstmädchen beim Servieren beaufsichtigte.
Alfred war im Dienst der Fürsten Hohenberg ergraut. Er kannte den jetzigen Fürsten von Kindesbeinen an und wusste jede Regung seines Herrn richtig zu deuten.
Sofort gab Karl den beiden Mädchen einen Wink. Lautlos zogen sie sich zurück. Karl schloss die Flügeltür hinter sich.
Erst jetzt wandte sich Fürst Gottlieb an seine Gemahlin.
»Ich muss mich sehr wundern, meine Liebe«, sagte er mit seiner kultivierten Stimme, der man die Erregung kaum anmerkte, »wieso machst du mir diesen Vorschlag? Du weißt ganz genau, dass es sich für eine Prinzessin nicht schickt, allein in einer fremden Stadt zu wohnen.«
»Ich dachte an eine gute Privatpension«, wandte Fürstin Adelheid ein. »Ich denke ...«
»Verzeih!«, unterbrach sie der Fürst. Auch das war ungewöhnlich, da er sonst seine Gesprächspartner immer ausreden ließ. »Ich kann nicht glauben, dass du mir diesen Vorschlag im Ernst machst. Ich bin geneigt, ihn als eine Laune oder einen Scherz hinzunehmen. Lass uns bitte nicht mehr darüber sprechen!«
Für einen Moment sah es so aus, als wolle Fürstin Adelheid aufstehen und die Tafel verlassen. Als sie jedoch einen Blick auf ihre Tochter Angelika warf, die mit gesenktem Kopf in ihren Teller starrte, überwand sie sich.
Um Angelikas willen blieb sie sitzen und aß weiter, als wäre nichts geschehen. Auch der Fürst überging die kurze Auseinandersetzung.
»Wie kommen deine Studien voran, mein Sohn?«, wandte er sich an Prinz Gregor, der betreten zwischen seinen Eltern hin und her sah und lautlos seufzte, als er die Enttäuschung seiner Schwester bemerkte.
»Wie bitte?« Prinz Gregor schreckte aus seinen Gedanken auf.
»Ich fragte, Gregor, wie deine Studien vorangehen«, wiederholte der Fürst mit leichter Ungeduld in der Stimme.
»Nun ja, ich ...«, setzte Prinz Gregor an.
Ein leises Schluchzen unterbrach ihn. Erschrocken wandte er sich zu seiner Schwester um.
Prinzessin Angelika versuchte, sich zu beherrschen. Es gelang ihr jedoch nicht.
Weinend sprang sie auf und lief aus dem Speisesaal.
»Was ist denn mit ihr?«, fragte Fürst Gottlieb überrascht.
»Das fragst du noch?« Seine Gattin schüttelte den Kopf. »Mein Gott, hast du denn gar kein Verständnis für deine Tochter? Eben verbietest du ihr, nach ihren Wünschen zu studieren, und jetzt fragst du Gregor, wie seine Studien laufen? Verstehst du Angelika denn gar nicht? Du hast sie so außerordentlich streng erzogen, wie es deiner Meinung nach einer Prinzessin zukommt.«
»War das vielleicht nicht richtig?«, fragte der Fürst erstaunt.
»Doch, es war richtig.« Die Fürstin zögerte einen Moment. »Obwohl ein junges Mädchen etwas mehr Freiheiten haben möchte. Ich kann es verstehen, Gottlieb. Meine Eltern waren genau so streng zu mir, und ich litt stets darunter. Aber das steht nicht zur Debatte. Es geht darum, dass Angelika die Beste ihrer Klasse war. Sie hat ein hervorragendes Abitur gemacht, auf das nicht nur wir, sondern auch die Leitung des Internats mit Recht stolz sein können.«
»Das weiß ich doch alles«, erwiderte Fürst Gottlieb ungeduldig. »Würdest du bitte zur Sache kommen.«
»Ich bin bei der Sache«, antwortete seine Frau mit ungewohntem Nachdruck. »Gottlieb, wie stellst du dir die Zukunft unserer Tochter vor? Soll sie die nächsten Jahre in der Einsamkeit von Schloss Falkenhorst zubringen?«
»Bist du jetzt auch gegen eine standesgemäße Heirat?«, brauste der Fürst auf.
»Selbstverständlich nicht, und das weißt du«, entgegnete seine Gemahlin ruhig. »Aber ich finde, dass Angelika bei ihren Fähigkeiten studieren sollte. Das kann für ihr späteres Leben nur von Vorteil sein. Die Zeiten, in denen ein Mädchen nichts anderes zu tun hatte, als auf einen Mann zu warten, sind vorbei. Auch auf Schloss Falkenhorst!«
Die Fürstin erhob sich und nickte ihrem Mann zu.
»Bitte, überlege es dir noch einmal«, sagte sie mit der gleichen Ruhe wie vorhin. Nur ihre dunklen Augen funkelten und verrieten das nur schwer gezügelte Temperament der Fürstin. »Ich werde alles tun, damit Angelika studieren kann! Und ich wäre sehr froh, auch in diesem Punkt nach so vielen glücklichen Ehejahren mit dir einer Meinung zu sein!«
Sie verließ den Speisesaal, ehe der Fürst antworten konnte. Ratlos wandte er sich an seinen Sohn.
»Was ist heute nur los, Gregor?« Der Fürst schob das Dessert von sich. Er hatte keinen Appetit mehr, nahm einen Schluck Wein und bot seinem Sohn eine Zigarette aus seinem goldenen Etui an. Er gab Prinz Gregor auch eigenhändig Feuer. »Dass du studierst, ist doch etwas ganz anderes.«
»Überhaupt nicht, Papa«, antwortete der junge Prinz lächelnd.
Die buschigen Augenbrauen seines Vaters schnellten erstaunt in die Höhe.
»Hast du dich jetzt auch gegen mich verschworen?«, fragte Fürst Gottlieb fassungslos. »Du bist ein Mann, du kannst auf dich achtgeben! Außerdem bist du schon zweiundzwanzig. Zwei Jahre älter als deine Schwester.«
»Man wird heute mit achtzehn volljährig, Papa«, erinnerte ihn der junge Prinz.
»Volljährig!« Der Fürst machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was bedeutet das schon! Auf die innere Reife kommt es an!«
»Was die innere Reife betrifft«, erwiderte sein Sohn und drehte spielerisch sein Weinglas, »ist wohl kaum eine junge Frau so gut auf das Leben vorbereitet wie Angelika. Vergiss nicht, dass sie dich und Mama stets als Vorbild hatte. Ihr beide seid wirklich ein Leitbild, an dem man sich orientieren kann. Ihr habt Angelika eine ausgezeichnete Ausbildung zukommen lassen. Papa, was willst du einem jungen Menschen mehr auf den Lebensweg mitgeben? Lass Angelika studieren und ihr eigenes Leben leben!«
Fürst Gottlieb war sichtlich betroffen, dass auch sein Sohn für diesen Plan sprach.
»Allein in einer fremden Stadt ...«, murmelte er stirnrunzelnd. »Nein, das geht nicht ...!«
»Papa!« Der schlanke, dunkelhaarige Prinz beugte sich über den Tisch. Er lächelte den Fürsten gewinnend an. In seinen strahlend blauen Augen, die er von seinem Vater geerbt hatte, glomm ein winziger Funke. »Papa, die Zeiten sind vorbei, in denen der Ruf einer jungen Frau ruiniert war, wenn sie allein in einer Stadt wohnte. Das gilt auch für eine Prinzessin!«
Gottlieb Fürst von Hohenberg nahm noch einen Schluck Wein. Seine Miene war sehr nachdenklich geworden.
»Es ist wahr, was Mama sagt«, führte Prinz Gregor noch an. »Du kannst Angelika nicht einsperren.«
»Das möchte ich nicht«, versicherte sein Vater hastig. Er sah sich plötzlich in die Rolle des Unterlegenen gedrängt. »Das war keinesfalls mein Plan.«
»Darauf läuft es aber hinaus, wenn du sie nicht von Schloss Falkenhorst weggehen lässt.«
»Gregor!« Der Fürst musste sich plötzlich verteidigen. »Gregor, ich habe sie die besten Schulen besuchen lassen!«
»Internate, die genau so wenig Freiheit bieten wie Schloss Falkenhorst«, sagte Gregor schlagfertig.
»Falkenhorst ist kein Gefängnis«, meinte der Fürst verärgert.
»Für dich nicht, für Mama nicht, für mich auch nicht«, entgegnete Gregor versöhnlich.
»Ich dachte schon, du wolltest dich beschweren«, antwortete sein Vater kühl.
»Ich habe keinen Grund.« Prinz Gregors blaue Augen blitzten noch einmal schalkhaft auf. »Du hast bei allen meinen Streichen gelächelt, ob sie nun harmlos waren oder nicht. Du hast jedes Mal zu Mama gesagt, dass sich ein Junge austoben muss. Ich habe es mehr als einmal gehört.«
»Stimmt es etwa nicht?«
»Ich werde mich hüten, dir zu widersprechen, Papa.« Der junge Prinz lachte herzlich. »Aber für Angelika gelten keine Freiheiten. Für sie ist Falkenhorst ein Gefängnis, auch wenn es ihr Elternhaus ist. Und das ist sehr schade! Möchtest du, dass sie in ein paar Jahren diesem Schloss den Rücken kehrt, weil sie endlich ihr eigenes Leben leben will? Möchtest du, dass es in späterer Zeit womöglich zu einem Zerwürfnis innerhalb der Familie kommt, weil du die Zügel zu straff gehalten hast? Papa, du bist ein guter Vater. Sei in diesem Fall nicht zu streng! Du kannst Angelikas Leben nicht bestimmten. Du kannst ihr nur Richtlinien geben, und das hast du getan. Sie ist wirklich erwachsen und reif genug, um von jetzt an über sich selbst zu bestimmen. Und ich bin sicher, dass meine Schwester keine Sekunde vergessen wird, was du ihr beigebracht hast und wer sie ist. Lass sie studieren, Papa!«
Lange sahen der Fürst und sein Sohn einander in die Augen. Endlich lockerte sich der strenge Zug um den Mund des Fürsten. Er lächelte seinem Sohn zu und hob sein Glas.
»Von wem hast du nur dieses Redetalent geerbt?«, fragte Fürst Gottlieb schmunzelnd.
»Von dir, Papa«, erwiderte Prinz Gregor. »Selbstverständlich von dir!«
***
Fast auf den Tag genau ein Jahr später verließ eine bildhübsche junge Frau das Universitätsgebäude und blinzelte gegen das fahle Sonnenlicht des schönen Oktobertages.
So mancher bewundernde Blick flog der dunkelhaarigen schlanken Frau zu, in deren Gang natürliche Anmut und Würde lagen.
Sie trug ein einfaches Kleid, in mehreren gedeckten Brauntönen abgesetzt, und eine dazu passende dunkelbraune Jacke. Wer ein Auge dafür hatte, erkannte sehr schnell, dass ihre Kleidung von einem erstklassigen Schneider stammte, der auf Qualität und Eleganz Wert legte. An ihrer Hand funkelte ein kleiner Goldreif mit einem Brillanten von seltener Schönheit. Das war ihr einziger Schmuck. Unter dem Arm trug sie eine schmale Ledertasche. Ihre leuchtend blauen Augen blickten fröhlich und neugierig, als wäre sie auf alles begierig, was ihr begegnete.
Von allen Seiten grüßten Kolleginnen und Kollegen, und Angelika Prinzessin von Hohenberg winkte zurück, wechselte einige Worte mit Leuten, die sie gut kannte, und lächelte anderen nur zu.
Sie näherte sich der Hauptstraße, an der die Universität lag, als sich ihre Augen plötzlich freudig weiteten.
»Gregor!«, rief sie und lief auf den jungen Mann zu, der ihr unglaublich ähnlich sah.
Tatsächlich hatten sich Gregor und Angelika von Hohenberg in früheren Jahren zu Karneval auf dem elterlichen Schloss gelegentlich als Pagen verkleidet und waren nicht voneinander zu unterscheiden gewesen.
Prinz Gregor breitete die Arme aus, fing seine Schwester auf, hob sie hoch und wirbelte sie lachend einmal im Kreis.
»Das ist eine Begrüßung!«, rief er. »Ist es mir doch gelungen, dich zu überraschen, oder etwa nicht?«
»Aber ja, Gregor, und wie!«, rief Angelika. »Lass mich sofort runter! Was sollen denn die Leute denken?«
»Was stört dich das?«, fragte Gregor, stellte sie jedoch behutsam auf den Bürgersteig. »Gut siehst du aus! Einfach prächtig! Wie vielen Studenten, Dozenten und Professoren hast du heute den Kopf verdreht?«
»Gregor! Wenn Vater das hören könnte!«
»Er wäre empört, du hast recht!« Gregor lächelte. »Er hört es aber nicht!« Er hakte sich bei seiner Schwester unter und zog sie zu seinem Sportwagen, der am Straßenrand parkte. »Nun, wie geht es dir? Erzähle!«
»Wohin entführst du mich denn?«, erkundigte sich Angelika.
»Ich lade meine Schwester zum Essen in das schönste Restaurant der Stadt ein!«
»Gregor, dafür bin ich nicht richtig angezogen«, wandte Angelika ein.
»Unfug, du bist wunderbar angezogen«, versicherte er und hielt ihr die Wagentür auf. »Steig ein und zier dich nicht lange! Ich bin nur dein Bruder! Mir brauchst du nicht mit berauschenden Kleidern den Kopf zu verdrehen.«
Angelika wartete, bis er hinter dem Steuer saß.
»Ich habe überhaupt nicht die Absicht, jemandem den Kopf zu verdrehen«, belehrte sie ihn. »Ich studiere.«
»Ja, mein fleißiges Schwesterchen«, neckte er sie, während er anfuhr. »Wie geht es denn so auf der Universität? Hast du dich gut eingelebt?«
»Aber ja, sehr gut«, versicherte sie. »Für mich ist besonders wichtig, dass ich von meinen Kolleginnen und Kollegen voll anerkannt werde.«
»Nanu«, meinte ihr Bruder erstaunt. »Warum sollte das nicht der Fall sein?«
Lächelnd wandte sich Prinzessin Angelika zu ihm.
»Ich hatte anfangs Angst, man würde mich ausschließen, weil ich eine Prinzessin bin. Ich könnte mir vorstellen, dass sich die einen vor dem Umgang mit mir scheuen und die anderen mich von vornherein für hochnäsig halten könnten.«
»Das geschieht offenbar nicht.«
»Nein, weil nur einige wenige gute Freundinnen und Freunde wissen, wer ich wirklich bin«, erklärte Angelika. »Für die anderen bin ich einfach Angelika Hohenberg. Sie nennen mich Angelika und wissen nicht, dass ich Prinzessin bin. Ich bin eine Studentin von vielen, verstehst du, Gregor?«
»Erzähle das bloß nicht Papa«, mahnte Gregor lachend. »Du kennst ihn. Er zittert heute noch um dein Wohlbefinden, weil du nicht im elterlichen Schloss bist. Papa wird sich nie ändern.«
»Es war schon sehr viel, dass er mich vor einem Jahr überhaupt weggehen ließ«, erwiderte Angelika. »Aber du, was hältst du davon, dass ich als gewöhnliche Studentin auftrete?«
»Ich finde es gut«, versicherte Gregor und wandte sich mit einem schelmischen Blinzeln zu ihr. »Obwohl ich es meinerseits an der Universität nie als Nachteil empfunden habe, ein Prinz zu sein.«
»Fiel dir das Studieren dadurch leichter?«, erkundigte sie sich neugierig.
»Das nicht, aber es hat so manches hübsche Mädchen auf mich aufmerksam gemacht«, sagte er leise lachend. »Und das war bestimmt kein Nachteil für mich.«
»Du bist doch ... also, nein!« Angelika musste mit ihrem Bruder lachen.
»Apropos, da wir schon davon sprechen.« Gregor hielt auf einem Parkplatz. »Wie sieht es bei dir in Herzensdingen aus? Verliebt?«
»Ich studiere, Gregor«, antwortete seine Schwester fast empört. »Sonst nichts.«
»Studium bedeutet nicht, dass man auf die Freuden des Lebens verzichten muss«, belehrte er sie, half ihr aus dem Wagen und führte sie in ein elegantes und gediegenes Restaurant.
Beim Essen kam er auf das Thema zurück.
»Gibt es wirklich keinen Studenten, der dein Interesse geweckt hätte?«, forschte er. »Auf der Uni laufen sicher eine Menge gut aussehende Burschen herum! Na, und du bist auch nicht gerade abstoßend hässlich.«
»Vielen Dank, das ist ein reizendes Kompliment«, sagte Angelika lächelnd.
»Aber bitte, gern geschehen.« Gregor neigte sich zu seiner Schwester. »Komm schon, vor deinem großen Bruder darfst du keine Geheimnisse haben. Erzähle es mir!«
Angelika schüttelte den Kopf. »Da gibt es nichts zu erzählen, Gregor, wirklich!«
»Du enttäuscht mich«, murmelte er.
»Und du bist schrecklich neugierig«, erwiderte sie. »So, und jetzt berichte von dir! Wie lange musst du noch studieren? Und wann kommst du mich wieder besuchen?«
Es war von Prinzessin Angelika kein Ablenkungsmanöver. Sie hatte wirklich nichts zu erzählen, da sie sich ausschließlich ihren Studien widmete. Sie war mit einigen Studenten befreundet, doch alles war rein kollegial geblieben.
***
Am späten Nachmittag verabschiedete sich Gregor von Hohenberg von seiner Schwester, um in seine Wohnung zurückzukehren. Er studierte nicht in derselben Stadt wie Angelika.
»Es war schön, dass du mich besucht hast«, sagte sie zum Abschied. »Manchmal vermisse ich euch alle sehr, dich, Papa und Mama und das Schloss. Die vertraute Umgebung fehlt mir.«