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Irina ist überzeugt davon, dass ihre Mutter an einem gebrochenen Herzen starb. Denn der Mann, den sie über alles liebte, ließ das damals schwangere Mädchen schmählich im Stich. Einsam und unter großen Entbehrungen musste sie ihre Tochter allein großziehen. Wie gern würde Irina diesem niederträchtigen Mann einmal gehörig die Meinung sagen, doch sie weiß nichts über ihn. Einmal nur nannte ihre Mutter in einem Fiebertraum den Namen Ostenau.
Je länger Irina darüber nachdenkt, desto mehr steigert sie sich in die fixe Idee hinein, der Graf von Ostenau könnte ihr Vater sein. Als auf dem Rappenhof, dem Nachbargut von Schloss Ostenau, eine Gutssekretärin gesucht wird, sieht sie ihre Chance gekommen, endlich das Rätsel um ihren ehrlosen Vater zu ergründen ...
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Seitenzahl: 136
Cover
Geheimnis auf dem Rappenhof
Vorschau
Impressum
Geheimnis auf dem Rappenhof
Meisterwerk um ein gefährliches Spiel von Lüge und Leidenschaft
Irina ist überzeugt davon, dass ihre Mutter an einem gebrochenen Herzen starb. Denn der Mann, den sie über alles liebte, ließ das damals schwangere Mädchen schmählich im Stich. Einsam und unter großen Entbehrungen musste sie ihre Tochter allein großziehen. Wie gern würde Irina diesem niederträchtigen Mann einmal gehörig die Meinung sagen, doch sie weiß nichts über ihn. Einmal nur nannte ihre Mutter in einem Fiebertraum den Namen Ostenau.
Je länger Irina darüber nachdenkt, desto mehr steigert sie sich in die fixe Idee hinein, der Graf von Ostenau könnte ihr Vater sein. Als auf dem Rappenhof, dem Nachbargut von Schloss Ostenau, eine Gutssekretärin gesucht wird, sieht sie ihre Chance gekommen, endlich das Rätsel um ihren ehrlosen Vater zu ergründen ...
»Irina! Irina! Himmel, wo steckst du denn nur?«
Heidemarie Braun fand eigentlich, dass man ihre Stimme nicht überhören konnte. Da sie jedoch keine Antwort erhielt, steckte sie ihren Kopf in eins der niedrigen Fenster des kleinen Hauses, das einsam inmitten der Heide lag.
Endlich entdeckte sie die Freundin, die eifrig mit der Durchsicht von Mappen und Papieren beschäftigt war.
»Sag mal, sitzt du auf den Ohren?« Heidemarie war mit einem Schwung im Zimmer gelandet und schaute die Freundin mit gespielter Entrüstung an.
»Warum?«, fragte Irina belustigt. »Soll ich etwa mit dem gleichen Gebrüll antworten, wie du dich anmeldest? Ich weiß ja, dass du mich findest.«
»Ja, mein kluges Kind«, gab Heidemarie heiter zurück, »und wie immer im Schutz deines niedlichen Hündchens, das noch nicht mal bellt, wenn sich jemand dem Haus nähert.«
Beide Mädchen lachten herzhaft auf, als das»niedliche Hündchen« sich nun zu seiner stattlichen Größe erhob.
»Du bist ein guter Kerl, Alf!« Liebevoll klopfte Heidemarie der schwarz-weiß gefleckten Riesendogge das Fell, die ihr daraufhin treuherzig ihre breite Pfote entgegenstreckte. Anschließend legte sie sich wieder zu Füßen ihrer jungen Herrin, die jetzt ihre Sachen zur Seite räumte und die Freundin fragte, ob sie Kaffee möchte oder ein Glas Saft bevorzuge.
»Saft bitte! Bei dieser Hitze lechzt man ja geradezu danach. Und wenn mein Wunsch nicht allzu unbescheiden ist, würde ich ihn am liebsten im Garten trinken.«
»Genehmigt! Such dir inzwischen einen schattigen Platz«, rief Irina, die schon in der kleinen Küche hantierte, der Freundin zu.
Wenig später hockten sie im Gras unter einer hohen Birke und erzählten sich alle Neuigkeiten, die in den vierundzwanzig Stunden, die sie sich nicht gesehen hatten, passiert waren.
Es war nicht gerade viel, aber Heidemarie schmückte alle Ereignisse so drollig aus, dass Irina aus dem Lachen nicht herauskam. Es war aber auch zu komisch, was sich im Forsthaus alles ereignet hatte.
Der Sonntagskuchen war verbrannt und die Köchin Anna bei dessen Anblick in Tränen ausgebrochen. Und ein Schwein war ausgerissen. Sämtliche Bewohner der Oberförsterei waren wie wild herumgerast, um es wieder einzufangen.
Schließlich war es dann Fritz, dem jungen Forsteleven, gelungen, die quietschende Sau im Wald einzuholen, die sich ganz brav in den Stall hatte führen lassen.
»Und was hast du erlebt, Iri?«, fragte die Freundin, um dann mit einer kleinen Handbewegung hinzuzufügen: »Na ja, ich weiß schon, du hast wieder einmal versucht herauszufinden, wer dein Vater ist.«
»Erraten«, war Irinas kurze Antwort. Sie hatte ihr rotbraunes Haar zurückgeschüttelt, und ihre grünen Augen sahen mit einem Mal merkwürdig ernst aus.
»Du, warum plagst du dich eigentlich damit herum?«, erkundigte Heidemarie sich in bewusst harmlosem Ton. »Väter können manchmal sehr unbequem sein ...«
Weiter kam sie nicht, denn nun lachte Irina belustigt auf.
»Das nehme ich dir nicht ab, Heide. Du hast doch den besten Vater, den man sich nur wünschen kann.«
»Gewiss«, stimmte die Freundin zu, »aber seine Eigenarten hat er auch.«
»Die sind erträglich.« Irina winkte ab. »Außerdem haben alle Menschen ihre Eigenarten. Aber es gibt doch kein harmonischeres Elternhaus als das, in dem du lebst. Du weißt gar nicht, wie beneidenswert du bist.«
»Doch, Iri, ich weiß es schon«, gab Heidemarie ernsthaft zu. »Warum kommst du eigentlich nicht ganz zu uns? Vati und Mutti haben es dir schon so oft angeboten, aber du hast jedes Mal behauptet, dich hier in deinem einsamen Heidehaus sehr wohlzufühlen.«
»Kannst du das nicht begreifen?«, fragte Irina erregt zurück. »Hier bin ich geboren und habe hier mit meiner Mutter gelebt.«
»Das verstehen wir ja alle, Iri«, erwiderte Heidemarie in einem so milden Ton, als spräche sie zu einem Kind. »Nur ...« Sie zögerte, bevor sie hinzusetzte: »Es ist ja auch nicht ungefährlich, so allein zu wohnen.«
Irina tippte mit einem Finger gegen ihre Stirn, um gleich darauf die Freundin neckend zu fragen, ob man in diesem kleinen Haus etwa Reichtümer vermuten könne.
»Vor Einbrechern bin ich sicher, und außerdem ist Alf mein Beschützer.«
Sie kraulte dem Hund, der sich an ihrer Seite niedergelassen hatte, zärtlich das Fell.
Heidemarie schwieg, aber die kleine Falte auf ihrer Stirn bewies, dass sie mit der Antwort nicht zufrieden war.
»Ich denke weniger an Diebe und anderes Gesindel, sondern ...« Sie zögerte, ehe sie den Satz entschlossen beendete. »... sondern an Männer, die sich dir nähern könnten. Du bist sehr schön.«
»Du sorgst dich völlig unnötig um meine Tugend«, erklärte Irina mit leichtem Spott. »Dabei müsstest doch gerade du genau wissen, dass mir kein Mann gefährlich werden kann. Oder glaubst du etwa, ich möchte das gleiche Schicksal erleben wie meine Mutter?«
Ihre Augen waren dunkel vor Erregung, als sie Heidemarie forschend anschaute, woraufhin diese ihrem Blick auswich.
»Ich finde, du bauschst alles zu sehr auf, Iri«, sagte Heide ein wenig unsicher. »Die traurige Erfahrung deiner Mutter ist doch kein Grund, gleich alle männlichen Wesen zu verdammen.«
»Du widersprichst dir selbst, Heide«, warf Irina ihr vor. »Zuerst warnst du mich vor den Männern, und dann erwartest du plötzlich, dass ich dem sogenannten starken Geschlecht Sympathien entgegenbringe. Es ist nun aber mal so, dass ich alle Männer hasse. Am meisten meinen Vater, dem ich hoffentlich eines Tages meine ganze Verachtung ins Gesicht schleudern kann.«
Das wird kaum möglich sein, da du seinen Namen nicht weißt, ging es Heidemarie durch den Kopf. Sie sprach dies jedoch nicht aus, sondern wechselte das Thema, um Irina auf freundlichere Gedanken zu bringen.
»Morgen Nachmittag erwarten wir dich im Forsthaus, Iri. Du wirst es hoffentlich verschmerzen, dass es anstatt der missratenen Torte einen schlichten Apfelkuchen zum Kaffee gibt.«
»Ich werde es mit Fassung tragen«, gab Irina scherzend zur Antwort, um gleich darauf zu fragen, ob die Freundin sich schon um eine Anstellung als Säuglingspflegerin bemüht habe.
»Nein, das hat ja noch Zeit«, entgegnete diese ausweichend.
»Nanu? Vor ein paar Wochen konntest du es gar nicht mehr erwarten, deine Kenntnisse an den Mann oder vielmehr an ein Baby zu bringen«, wunderte Irina sich.
Heidemarie lachte etwas verlegen auf, ehe sie gestand, der Abschied von ihren Lieben, nicht zuletzt auch von der Freundin, käme noch früh genug.
»Im Augenblick bin ich ganz froh über Vatis Vorschlag, mich bis zum ersten September von den Strapazen sämtlicher Examen zu erholen. Außerdem möchte ich nicht allzu weit von zu Hause entfernt sein, um wenigstens am Wochenende herkommen zu können.«
Irina nickte verstehend. Auch ihr würde der Abschied von der stets heiteren Freundin sehr schwerfallen.
»Ich muss nun gehen«, sagte Heidemarie nach einer Weile. »Kommst du noch ein Stück mit?«
»Natürlich.« Irina hatte sich ebenfalls erhoben und schaute sich suchend nach Alf um, der ein tiefes Loch in den sandigen Boden scharrte, in das er dann schnüffelnd seine Nase steckte.
Folgsam kam er jetzt zu seiner jungen Herrin, die bei seinem Anblick hellauf lachte. Mit seinem verdreckten Kopf wirkte er aber auch zu komisch und schien sich selbst nicht wohlzufühlen. Jedenfalls ließ er es geduldig über sich ergehen, dass Irina ihn am Brunnen säuberte, dann aber schoss er wie ein Pfeil davon.
»Du musst die Tür zuschließen, Iri«, erinnerte Heidemarie die Freundin, die bereits am Gartenzaun stand.
»Himmel, bist du pedantisch«, rief Irina belustigt zurück.
»Nein, nur vorsichtig.« Ohne auf Irina zu achten, ging sie nun selbst ins Haus, verschloss Türen und Fenster und übergab der Freundin den Schlüssel. »So, du schreckliches Mädchen«, sagte sie dabei mit gespielt strenger Miene, »versprich mir, in Zukunft nicht mehr so leichtsinnig zu sein!«
»Ich werde mich hüten, aber du kennst doch meine Vergesslichkeit«, gab Irina lächelnd zurück und wich geschickt Heidemaries drohend erhobener Hand aus. »Wage es! Ich suche Schutz bei Alf.«
Übermütig lief sie dem Hund nach und mäßigte erst ihr Tempo, als sie drei hohe Föhren erreicht hatte.
Hier wartete sie auf die Freundin, mit der sie nun gemeinsam den Weg fortsetzte. An einer Weggabelung trennten sie sich und winkten sich noch so lange zu, bis sie sich nicht mehr sahen.
♥♥♥
Ohne Eile marschierte Irina über den sandigen Pfad zurück und stieg schließlich auf einen mit Heidekraut bewachsenen Hügel, wo sie sich auf einem bemoosten Platz niederließ.
Von dort aus hatte sie einen herrlichen Blick über die jetzt noch grün schimmernde Heide, die von den Strahlen der untergehenden Sonne in ein wundervolles Licht getaucht wurde.
Das Laub der schlanken Birken flimmerte wie pures Gold, und selbst die hohen Wacholdersträucher wirkten mit ihren Goldkringeln längst nicht so ernst wie sonst.
Wie pures Gold leuchtete auch Irinas kupferfarbenes Haar, das ihr lang über die Schultern fiel. Wie sie dasaß, die Arme um die angezogenen Knie verschränkt, bot sie ein Bild vollendeter Schönheit.
Das fand auch der Mann, der in angemessener Entfernung unterhalb des Hügels stand und das zauberhafte Mädchen recht ungeniert durch ein Fernglas betrachtete.
Wie ein Jäger, der dem Wild auflauert, so umschlich er den Hügel, wobei er sorgsam darauf achtete, selbst nicht bemerkt zu werden. Immer wieder hob er das Fernglas an die Augen.
Zum Glück ahnte Irina nicht, dass sie beobachtet wurde. Obgleich sie keine Furcht kannte, wäre ihr diese Begegnung doch recht unangenehm gewesen. Seit dem Tod ihrer Mutter versuchte Reiner Baron von Hambüschen sich ihr zu nähern, ohne sich davon abschrecken zu lassen, dass sie ihn kaum eines Blickes würdigte.
Irina wusste auch nicht, dass ihre kühle, abweisende Art seine Leidenschaft immer aufs Neue entflammte und ihm jedes Mittel recht war, sie für sich zu gewinnen.
Nach geraumer Zeit trat Irina den Heimweg an, gefolgt von dem Baron, der sich hinter den dichten Sträuchern verbarg, als sie die kleine Pforte zu ihrem Garten öffnete.
Ganz genau sah er nun, dass sie vergeblich etwas in ihrer Kleidertasche suchte und schließlich an der Haustür und an den Fenstern rüttelte. Aha, das schöne Mädchen schien den Hausschlüssel verloren zu haben, eine günstige Gelegenheit, sich ihr zu nähern und seine Hilfe anzubieten, schoss es Baron von Hambüschen durch den Kopf.
Forsch trat er aus seinem Versteck hervor und wollte gerade den Garten betreten, als Alf laut bellend angelaufen kam.
»Verflixtes Vieh!«, knirschte er wütend, ehe er Irina zurief, sie möge ihren Hund beruhigen.
»Alf wird schon Ruhe geben, sobald Sie sich entfernen.«
Nur mühsam gelang es dem Baron, seinen Zorn hinunterzuschlucken. Er wollte es einfach nicht wahrhaben, dass sein männlicher Charme, von dem er selbst wohl am meisten überzeugt war, bei diesem Mädchen seine Wirkung verfehlte.
»Sie sind undankbar, Irina ...« Reiner von Hambüschen kam nicht weiter, denn Irina unterbrach ihn ziemlich hochmütig.
»Ich wüsste nicht, dass ich Ihnen die Erlaubnis gegeben hätte, mich mit meinem Vornamen anzureden.«
»Sie sind undankbar, gnädiges Fräulein«, begann der Baron erneut und mit schmeichelnder Stimme. »Dabei möchte ich Ihnen doch nur behilflich sein.«
»Wobei?«, erkundigte Irina sich betont harmlos, obwohl sie die Antwort ja kannte.
»Beim Öffnen Ihrer Tür. Wie ich sehe, kommen Sie allein nicht damit zurecht.«
Erneut machte der Baron einen Versuch, das niedrige Gartentor zu öffnen, ließ jedoch von seinem Vorhaben ab, als die Dogge zähnefletschend auf ihn zukam.
So ein widerliches Tier. Man sollte es vergiften, ging es dem Mann durch den Kopf. Es schien, als könne Irina Gedanken lesen, denn in ihrem Blick, mit dem sie den Baron kurz streifte, lag tiefste Verachtung.
»Bemühen Sie sich nicht weiter«, sagte sie kühl, »ich habe meinen Schlüssel verloren und kann deshalb nicht ins Haus.«
»Aber was wollen Sie denn tun?«, forschte er, ohne sich von ihrer abweisenden Miene beeindrucken zu lassen.
»Ich könnte im Gras schlafen«, entgegnete sie mit deutlichem Spott. »Im Schutz meines Hundes fühle ich mich völlig sicher. Aber ein Bett ist vielleicht doch angenehmer, und das werde ich im Forsthaus finden. Komm, Alf!«
Irina öffnete nun selbst das Gartentor, neigte kaum merkbar den Kopf und schritt gelassen den Weg zurück, den sie erst vor wenigen Minuten gekommen war.
»Hochnäsiges Frauenzimmer«, murmelte der Baron zornig vor sich hin, »spielt sich auf wie eine Prinzessin, statt dankbar zu sein, dass ein Mann wie ich nicht Anstoß an dem Makel ihrer Geburt nimmt.«
Gleich darauf aber sagte er sich, dass Irina sich vielleicht spröder gab, als sie tatsächlich war.
Männer im heiratsfähigen Alter gab es nur wenige ringsum. Das wusste das schöne Mädchen auch ganz genau und würde eines Tages noch dankbar sein, Baronin von Hambüschen zu werden.
Als er so weit mit seinen Gedanken war, blitzte etwas auf dem schmalen Pfad vor ihm auf. Überrascht pfiff er durch die Zähne, als er einen Schlüssel aufhob, der gewiss Irina gehörte.
Ein kostbarer Fund, dachte der Baron zynisch und steckte den Schlüssel ein. Seine Stimmung hatte sich merklich gebessert, als er den Weg zu seinem Gut einschlug.
♥♥♥
Im Forsthaus saß man beim Abendessen, als Irina dort eintraf.
»Ist etwas geschehen, Iri?« Heidemarie sprang so temperamentvoll auf, dass ihr Glas umfiel und die Milch sich über den ganzen Tisch ergoss.
»Nicht so ungestüm, Kind«, mahnte die Mutter, um dann aber den jungen Gast herzlich zu bitten, sich zu ihnen zu setzen.
»Heide holt noch ein Gedeck, oder hast du schon gegessen?«
»Nein, Tante Berti, ich kann nämlich nicht an meinen Vorratsschrank, oder besser gesagt kam ich gar nicht ins Haus«, gab Irina Auskunft.
»Ist das Schloss kaputt?«, fragte nun auch der Oberförster interessiert. Tröstend setzte er hinzu: »Nun, das lässt sich ja reparieren.«
»Ich habe den Schlüssel verloren«, erwiderte Irina kleinlaut, aber der Blick, den sie der Freundin dabei zuwarf, sagte: Siehst du, das kommt vom Abschließen.
Heidemarie war wenig beeindruckt.
»Macht nichts«, entschied sie einfach, »einstweilen bleibst du hier. Wenn Vati uns am Montag das Auto gibt, fahren wir in die Stadt und besorgen einen neuen Schlüssel. Die Nummer weißt du doch hoffentlich.«
Bevor Irina eine Antwort geben konnte, schüttelte der Vater den Kopf.
»Ich halte es für richtiger, ein neues Schloss anzubringen. Es könnte ja jemand den alten Schlüssel finden und Iri einen unerwünschten Besuch abstatten.«
»Hier in unserem Sandboden verschwindet so ein kleines Ding auf Nimmerwiedersehen«, meinte seine Frau lachend. Da Heidemarie sich jedoch auf die Seite des Vaters stellte, schloss sie sich deren Meinung an.
»Ich werde wohl überhaupt nicht gefragt«, ließ Irina sich scherzend vernehmen.
»Kleine Mädchen, die Hausschlüssel verlieren und für gute Ratschläge taube Ohren haben, fragt man einfach nicht«, entschied Heidemarie energisch.
Verwundert stellte sie dabei fest, dass sie mit ihrer Bemerkung anscheinend ins Schwarze getroffen hatte, denn die Freundin war bis zu den Haarwurzeln errötet. Beharrlich wich sie auch ihrem fragenden Blick aus und schien dankbar zu sein, als Tante Berti »gesegnete Mahlzeit« wünschte.
Von draußen ertönte Hundegebell. Fix und Fox, die Dackel des Hausherrn, tobten mit Alf im Garten herum und veranstalteten ein Heidenspektakel.
»Ruhe!«, brüllte der Oberförster, als er mit den jungen Mädchen hinaustrat.
Die beiden Dackel stellten daraufhin sofort ihr Gekläff ein, während die Dogge sich nicht angesprochen fühlte.
»Ein folgsames Tier«, stellte Herr Braun augenzwinkernd fest, woraufhin Irina sich genötigt sah, ihren Hund mit beredten Worten zu verteidigen.
»Er gehorcht nur, wenn ich ihm etwas sage«, meinte sie abschließend und streichelte Alf zärtlich das glatte Fell.
»Mir scheint es eher umgekehrt zu sein«, meinte der Oberförster schmunzelnd.
»Aber Onkel Ludwig!«, verwahrte Irina sich entrüstet.
»Ich denke an die Sache mit dem Halsband«, fuhr er unbeirrt fort. »Du weißt doch, Iri, dass du dich strafbar machst, Alf ohne Hundemarke herumlaufen zu lassen.«
»Er mag nun mal kein Halsband tragen. Gewiss findet er es unmännlich«, nahm Irina ihren vierbeinigen Freund in Schutz.
»Hier braucht er ja auch so ein überflüssiges Ding nicht«, warf Heidemarie ein, um gleich darauf die Freundin zu fragen, ob sie mit zu den Pferden käme.