Lore-Roman 65 - Birke May - E-Book

Lore-Roman 65 E-Book

Birke May

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Beschreibung

Geh nie mehr fort!
Wie die Träume eines armen Mädchens Wahrheit wurden

Von Birke May

Im Salon von Schloss Parau sitzen Baron Norman von Parau und seine schöne Verlobte zusammen. Immer wieder versucht Sylvia, über die bevorstehende Hochzeitsfeier zu sprechen, doch nur zögernd geht der Baron darauf ein. Er möchte kein großes Fest veranstalten. Sylvia dagegen will ihr kostbares Modellbrautkleid vor einer erlesenen Gästeschar tragen. Es dauert nicht lange, bis es zu einem heftigen Streit kommt. Sylvia wird hysterisch. Baron von Parau verlässt den Salon und tritt auf die Terrasse hinaus.
Da gellt der Schrei einer Frau durch die Nacht. Aus dem dunklen Park taumelt eine Gestalt auf das Schloss zu. Sofort eilt Norman der Fremden zu Hilfe. Er kann sie gerade noch auffangen, ehe sie ohnmächtig zu Boden sinkt. Der Baron ahnt nicht, dass das Mädchen in seinen Armen sein Leben vollkommen verändern wird ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Geh nie mehr fort!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Pavlo Melnyk / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8844-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Geh nie mehr fort!

Wie die Träume eines armen Mädchens Wahrheit wurden

Von Birke May

Im Salon von Schloss Parau sitzen Baron Norman von Parau und seine schöne Verlobte zusammen. Immer wieder versucht Sylvia, über die bevorstehende Hochzeitsfeier zu sprechen, doch nur zögernd geht der Baron darauf ein. Er möchte kein großes Fest veranstalten. Sylvia dagegen will ihr kostbares Modellbrautkleid vor einer erlesenen Gästeschar tragen. Es dauert nicht lange, bis es zu einem heftigen Streit kommt. Sylvia wird hysterisch. Baron von Parau verlässt den Salon und tritt auf die Terrasse hinaus.

Da gellt der Schrei einer Frau durch die Nacht. Aus dem dunklen Park taumelt eine Gestalt auf das Schloss zu. Sofort eilt Norman der Fremden zu Hilfe. Er kann sie gerade noch auffangen, ehe sie ohnmächtig zu Boden sinkt. Der Baron ahnt nicht, dass das Mädchen in seinen Armen sein Leben vollkommen verändern wird …

Im flackernden Schein des Kaminfeuers wirkte Baron von Paraus Gesicht blass und fremd. Spannung schien sich knisternd zwischen ihm und seiner Verlobten auszubreiten. Dennoch saß Sylvia Wehlbach lässig im Ledersessel und lächelte.

„Du hast mir wieder nicht zugehört, Norman“, warf sie ihm seufzend vor. „Interessiert es dich denn gar nicht, welch ein Kleid ich an unserem Hochzeitstag trage?“

Du musst gewisse Rücksichten nehmen, Norman“, fuhr sie fort, als er immer noch schwieg. „Außerdem möchte ich diesen Tag so feiern, wie ich es mir oft ausgemalt habe.“

Endlich schien sich der Baron auf seine Pflichten zu besinnen. Er nahm den Blick vom Feuer und richtete ihn ernst auf seine attraktive Verlobte.

Eine Bitte schwang in seinen Worten mit, während er sagte: „Ich möchte keine große Vermählungsfeier, Sylvia. Es wird viel schöner sein, wenn wir an jenem Tag nur ein paar Verwandte und gute Freunde um uns haben.“

„Nur für die soll ich das Kleid tragen, das im ersten Modeatelier der Stadt nach meinen Angaben angefertigt wird?“, empörte sie sich mit blitzenden Augen.

Norman von Parau zwang sich zu einem Lächeln.

„Anstatt an allem herumzunörgeln, solltest du dich darüber freuen, dass sie an unserem Glück teilnehmen.“

„Willst du mir zumuten, den ganzen Tag die Gesellschaft deiner alten, mürrischen Verwandten zu erdulden?“, fuhr sie ihn wütend an.

Doch im selben Augenblick lächelte sie versöhnlich. Es war ihr gerade noch rechtzeitig eingefallen, wie viel für sie davon abhing, dass dieser gut aussehende, vermögende und dazu noch adlige junge Mann sie heiratete. Noch war sie hübsch, jung und gefragt genug, um sich als Fotomodell durch diese Heirat einen glänzenden Abgang zu schaffen. Normans Liebe sicherte ihr ein warmes Nest und eine sorglose Zukunft.

„Schau, Norman“, lenkte sie darum ein, „es ist doch wie ein Märchen für mich, dass du mich liebst und heiraten willst. Warum gönnst du mir das Vergnügen nicht, auf solch ein Glück stolz zu sein und es allen zu zeigen?“

„Du könntest damit das Schicksal herausfordern, Sylvia“, warnte er sie ernst. „Was du ein Vergnügen nennst, wird zweifellos sehr lästig und unangenehm werden. Ich wünsche hier keine Reporter zu sehen. Ich möchte in Ruhe mit der Frau glücklich sein, die ich liebe.“

„Es kann kaum Liebe sein, wenn du so egoistisch denkst“, stieß sie zornig hervor.

Um seinen Mund zuckte es unmerklich, während er sie betrachtete und kein Wort zu ihrer Anschuldigung sagte. Doch sein Blick hatte nichts Bewunderndes, Zärtliches mehr.

„Wenn wir jetzt schon Differenzen haben …“, begann er und schwieg mit einem beredten Blick zu ihr hin.

„Rede nur weiter. Ich fürchte mich nicht, die Wahrheit rechtzeitig zu hören“, erwiderte sie und hatte doch Angst, dass diese Herausforderung böse Folgen haben könnte.

Aber Norman von Parau äußerte sich nicht. Nachdenklich war sein Blick nun auf ihr schönes, geschickt zurechtgemachtes Gesicht gerichtet.

„Du verstehst mich nicht, Sylvia“, sagte er nach einer Weile.

„Soll ich dich stets begreifen, indes du dir nicht die geringste Mühe machst, für mich Verständnis zu haben?“, griff sie ihn an.

„Merkwürdig“, meinte er mit seltsam belegt klingender Stimme, „wie du es verstehst, die Tatsachen zu verändern und dich ins rechte Licht zu setzen. Anfangs lag dir doch auch sehr viel daran, mit mir allein zu sein, Sylvia.“

Anfangs, dachte sie und lächelte versonnen. Ja, da hatte ich auch allen Grund, eine Rivalin oder einen Feind zu fürchten. Anfangs musste ich dich ganz allein für mich haben – eben um dir klarzumachen, dass dein wahres Glück nur in einer baldigen Ehe mit mir liegt …

„Es stimmt einen doch nachdenklich“, fuhr er leise fort, „dass wir uns neuerdings um Lappalien streiten. Aber du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass letzten Endes ich in den Dingen bestimme, die den Namen Parau betreffen und alles, was damit zusammenhängt.“

Mit flackerndem Blick schaute sie auf ihren Verlobten. Doch dessen undurchdringliche Miene ließ nicht erkennen, was er in diesem Augenblick dachte.

Aber als sie schon erleichtert aufatmete und glaubte, er würde das Thema wechseln, sagte er: „Vielleicht wäre es klüger, noch ein wenig mit der Hochzeit zu warten. Du brauchst mehr Zeit, dich an ein Leben als Baronin von Parau zu gewöhnen.“

Sylvia Wehlbach war blass geworden.

Mühsam entgegnete sie: „Oh, darum ist mir nicht bange. Doch ich habe das Gefühl, als schämtest du dich plötzlich meiner. Nur heraus mit der Wahrheit!“, forderte sie spöttisch und warf den Kopf in den Nacken. „Hast du es dir anders überlegt? Willst du, ein von Parau, feige einen Rückzieher machen?“

„Sylvia!“, rief er und schnellte aus dem Sessel hoch.

Sie sah ihm zornig in die Augen. Obwohl sie wusste, wie viel sie jetzt riskierte, lächelte sie so hochmütig wie möglich und ließ den Blick betont langsam an ihm hinabgleiten. Es war, als löse dies eine Glutwelle aus, die ihm bis in die Stirn stieg und sein kühnes Gesicht sekundenlang mit Flecken zeichnete. Seine Lippen öffneten sich schon zu einer heftigen Erwiderung. Doch dann wandte er sich brüsk um, stürmte auf die Fenstertür zu und öffnete diese so ruckartig, als brauche er schnellstens frische Luft.

Da hörte er ihn – diesen markerschütternden Schrei einer Frau, der durch die stürmische Regennacht gellte. Auch Sylvia hatte ihn vernommen. Sie näherte sich der offenen Tür und fragte verwundert: „Was war denn das?“

Norman gab keine Antwort. Er rannte über die regennasse Terrasse in den Park hinab und weiter in die Richtung, aus der dieser Schrei gekommen war. Immer wieder horchte er, ob nicht ein zweiter Hilferuf ihm die richtige Richtung weisen würde. Schon ließ er den Park hinter sich und trat in den hellen Lichtkegel der vier hohen schmiedeeisernen Laternen, als er von rechts eine Gestalt kommen sah. Er sah sie taumeln, und wie von selbst breiteten sich seine Arme aus, um den Menschen, der zweifellos Hilfe brauchte, rasch aufzufangen. Mit einem Stöhnen sank die taumelnde Gestalt gegen ihn und sackte wie leblos in seinen Armen zusammen. Es war eine Frau – nein, ein junges, zartes Mädchen. Blut quoll aus einer Wunde an der rechten Schläfe; das linke Bein war seltsam verrenkt. Der Baron trug sie auf seinen Armen in das Schloss bis ins Kaminzimmer. Seine fassungslose Verlobte schien dieses Erscheinen wie etwas Geisterhaftes zu empfinden.

Es dauerte eine Weile, ehe sie die Frage hervorbrachte: „Was – was hast du vor?“

„Das Mädchen ist ohnmächtig. Wir müssen schnell etwas tun“, antwortete er.

„Wir?“, wiederholte Sylvia gedehnt und wich kopfschüttelnd zurück. „Wozu gibt es Personal in diesem Haus?“, spöttelte sie, als sie seinem vorwurfsvollen Blick begegnet war.

Sie erhielt keine Antwort und sah unwillig mit an, wie Norman die Fremde durch das Kaminzimmer trug bis hinauf in ein Gästezimmer. Sylvia wurde wütend, als sie feststellte, dass er mit der Ohnmächtigen ausgerechnet den Raum wählte, der bereits für ihre beste Freundin Mona hergerichtet worden war.

„Aber doch nicht hier!“, wehrte sie ärgerlich ab, indes er schon die rotseidene Bettdecke zurückschlug und das Mädchen vorsichtig ins Bett gleiten ließ.

„Warum nicht?“, gab er zurück.

„Selbst wenn du dir nun wie ein Lebensretter vorkommst, Norman“, spöttelte Sylvia weiter, „so solltest du es nun einem Bediensteten überlassen, sich um diese merkwürdige Person zu kümmern.“

„Ich werde den Arzt anrufen und die Polizei informieren“, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr. „Zweifellos ist dieses Mädchen das Opfer eines Autounfalls. Hoffentlich hat sie nicht auch innerliche Verletzugen davongetragen …“ Er kehrte seiner Verlobten den Rücken zu und beugte sich tief über die Bewusstlose.

„Man wird sie ins Krankenhaus schaffen“, prophezeite Sylvia mit hörbarer Schadenfreude. „Also fang gar nicht erst an, dich hier als Samariter aufzuspielen.“

Entschlossen griff sie mit beiden Händen zu und zerrte ihn vom Bett weg. Sie musste einige Kraft anwenden, um ihn aus dem Zimmer zu entfernen. Zorn und Eifersucht regten sich in ihr, aber sie hütete sich, Norman noch einmal durch spöttische Worte oder Blicke herauszufordern.

***

Uwe Withold zögerte, durch das noch immer weit geöffnete Parktor dem Mann zu folgen, der Viktoria fortgetragen hatte. Mit zitternden Händen hatte er sich eine Zigarette angezündet. Während er nun hastig rauchte und in den dunklen Park starrte, schienen vor seinen Augen die Erlebnisse wie ein Film abzurollen.

Sein Wunsch, einmal mit der reizenden Viktoria zusammen zu sein, hatte sich endlich erfüllt. Mit einem liebreizenden Lächeln hatte sie seine Einladung zu einer kleinen Fahrt hinaus aufs Land angenommen.

Trotz des anhaltenden Regens waren sie beide fröhlich gestartet und hatten die Großstadt hinter sich gelassen. Ihn, Uwe, hatte es immer wieder entzückt, wie begeistert Viktoria über etwas sein konnte, das seinem Auge kaum noch auffiel. Und immer mehr hatte er dem Verlangen in sich nachgegeben, dieses Mädchen ganz für sich zu gewinnen.

Jetzt, da er wie ein Verlorener im Regen stand und zum ersten Mal ratlos war, gab er es vor sich selbst zu, dass er zweifellos falsch gehandelt hatte. Seine Zuneigung zu Viktoria Rexner hatte ihn zu einer stürmischen Tat hingerissen. Zu spät sah er ein, dass sie heftig hatte reagieren müssen, als er sie an sich riss und zu küssen versuchte. Aber war das ein Grund, gleich nach ihm zu schlagen und sich derart aufzuregen …?

Kopfschüttelnd sah Uwe wieder in den dunklen Park, wo er es geheimnisvoll rauschen und plätschern hörte. Viktoria war nicht die Erste gewesen, die er zu einer Fahrt aufs Land eingeladen hatte, um irgendwo mit ihr zu übernachten. Aber sie war bisher wohl die Einzige, die ihn so sehr beeindruckt hatte, dass er ihr hatte folgen müssen, obwohl sie an allem schuld war. Schuld daran, dass er nach ihrer Ohrfeige die Gewalt über seinen Wagen verlor, zwei Bäume streifte und sich dann überschlug. Schuld daran, dass er so verzweifelt hatte kämpfen müssen, um in letzter Sekunde aus dem zertrümmerten Wagen zu gelangen.

Ja, in letzter Sekunde! Uwe Withold nickte grimmig zum breiten Parkweg hin. Und wieder glaubte er die Flammen aus dem Wrack lodern zu sehen und sich selbst, wie er zunächst seltsam gelähmt dastand und hörte, dass Viktoria schreiend davonrannte. Und während er die halb gerauchte Zigarette zu Boden schleuderte und die Glut austrat, wurde er sich bewusst, dass es noch etwas gab, das ihn in größte Schwierigkeiten bringen konnte. Er hatte getrunken – nicht viel Alkohol, doch gewiss genug, um als schuldig dazustehen.

Mit zwei Schritten jagte Uwe Withold durch das offene Tor. Er war fest entschlossen, alles abzustreiten und so darzustellen, dass Viktorias Glaubwürdigkeit immer mehr infrage gestellt wurde. Wie von selbst wählte er den richtigen Weg, genau auf die erleuchteten hohen Fenstertüren zu, die über die Terrasse ins Schloss führten.

Er sah einen Mann und eine Frau. Sie schienen miteinander zu zanken. In dem Augenblick, da er sich zurückziehen wollte, um durch den Haupteingang hineinzugelangen, wandte die Frau das Gesicht zu ihm hin, entdeckte ihn und riss die Augen vor Erschrecken weit auf.

Uwe Withold versuchte zu lächeln. Dass es kläglich misslang, ahnte er nicht. Er hatte Mühe, scheinbar gelassen darauf zu warten, dass man ihm öffnete. Als dies geschah, murrte er: „Wo ist Fräulein Rexner?“

Norman von Parau musterte den jungen Mann lange und voller Argwohn.

„Falls Sie die Dame meinen, die bewusstlos oben im Gastzimmer liegt, so wird sie gerade von meinem Hausarzt untersucht.“

„Viktoria braucht keinen Arzt, sondern eine Tracht Prügel!“, stieß Uwe hervor.

„Sie hatten einen Unfall?“, mischte sich Sylvia nun ein. Ihr gefiel der junge Mann.

„Nicht durch meine Schuld“, erklärte Uwe noch immer empört. „Ich nahm sie mit, weil sie mir leidtat. Zum Dank tat sie mir das an. Ich will mit ihr sprechen und sie mit in die Stadt zurücknehmen.“

„Das hängt nicht von uns ab“, erklärte der Baron.

„Sondern?“, fragte Uwe und lächelte herausfordernd.

„Die Dame ist bewusstlos, verletzt und steht offensichtlich unter einem schweren Schock, mein Herr.“

„Erstens ist sie keine Dame“, korrigierte Uwe wütend. „Und zweitens versteht sie es meisterhaft, die Rolle zu spielen. Ich will sofort zu ihr. Wer sind Sie überhaupt, dass Sie es wagen …“ Jäh klappte er den Mund zu, als Baron von Parau ihm mit einer heftigen Handbewegung das Wort abschnitt und einen Schritt zu ihm hin machte.

„Herr“, sagte Norman in hartem Ton, „Sie platzen hier durch die Terrassentür herein, stellen sich nicht vor, sagen nicht einmal guten Abend und benehmen sich sehr rüpelhaft. Wir warten ebenso gespannt auf das Untersuchungsergebnis des Arztes wie auf das Erscheinen des Polizisten. Ihnen müsste doch auch daran gelegen sein, Ihren Wagen so bald wie möglich von der Straße zu bekommen.“

„Po – li – zei?“, murmelte Uwe Withold stockend und fuhr sich mit der Hand an die Kehle. Doch nur kurz zeigte er sich furchtsam; dann hatte er sich gefasst und meinte ein wenig herablassend: „Sie sind in allem sehr voreilig und höchst eigenwillig, mein Herr. Da Sie Fräulein Rexner entführt haben, brauche ich keine Rücksichten zu nehmen. Ich glaube Ihnen nicht, dass ein Arzt sie untersucht. Und das mit dem Polizisten ist auch nur ein Trick, um mich schnell loszuwerden. Also – wo ist sie?“

„Warum tust du ihm nicht den Gefallen, Norman?“, mischte sich Sylvia erneut ein. „Für uns ist sie doch nur eine Last.“

„Sie ist ohnmächtig und blutet“, erinnerte der Baron mit kühler Stimme. „Sie braucht Hilfe – und diese wird ihr hier so lange zuteil, wie es notwendig ist.“

„Du hast die Absicht …“, begann Sylvia empört und musste schlucken, weil ihr Wut und Entrüstung wie ein dicker Kloß in der Kehle zu stecken schienen. „Und unsere Hochzeit?“

„Nun geben Sie es endlich zu, dass die Dame einen Grund hatte, um Hilfe zu rufen!“, sagte der Baron schroff und wehrte heftig Sylvias Hand ab, die sich wie beruhigend auf seine Schulter legen wollte.

„Nichts gebe ich zu!“, schrie Uwe auf. „Sie ist an allem schuld! Mir kann man nichts Gegenteiliges beweisen.“

„Schaff sie sofort aus dem Hause, Norman!“, forderte Sylvia schrill und deutete mit ausgestreckter Hand auf die Tür, die sich im selben Augenblick langsam öffnete.

Dr. Gellmann, der Hausarzt, erschien, sah prüfend von einem zum anderen und meinte dann ganz gelassen: „Zufällig hörte ich Ihre letzten Worte mit an, Fräulein Wehlbach. Leider muss ich widersprechen. Das Mädchen hat, außer anderen Verletzungen und einer Fraktur am Bein, auch eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen. Ich halte es für ratsam, wenn sie vorläufig im Schloss bleibt und wir abwarten, ob sich noch nachhaltige Folgen des Unfallschocks zeigen. Leider ist sie nicht in der Lage, irgendeine Auskunft über das zu geben, was sie in eine solche Verfassung brachte. Doch das interessiert mich weniger und ist Sache des Polizeibeamten, der sicherlich von Ihnen“ – er sah kurz zu Uwe hin, als wäre er sicher, dass nur dieser infrage kam – „einige Auskünfte fordern und diese zu Protokoll nehmen wird.“

Uwe Withold wurde blass. Er schwieg und hörte mit dunklem Blick zu, was Dr. Gellmann zu dem Baron sagte, ehe er sich verabschiedete und für den nächsten Morgen einen Besuch ankündigte.

„Ein Baron also sind Sie“, spottete Uwe dann, als er wieder mit den beiden allein war. „Nun, dann muss Ihnen doch auch sehr daran gelegen sein, jedes Aufsehen zu vermeiden. Immerhin ist es recht merkwürdig, wenn ein blutjunges Ding zu so später Stunde bewusstlos von Ihnen ins Schloss gebracht wird. Darüber wird sich gewiss auch das gnädige Fräulein wundern und mit Recht entrüsten.“

Sylvia nickte spontan, als er schwieg und wie bedauernd zu ihr hinsah. Norman von Parau jedoch lächelte verächtlich.

„Falls Sie ein Taxi wünschen, werde ich es kommen lassen. Lassen Sie mir Ihre Adresse hier. Ich werde sie dem Polizisten geben!“

„Sehr liebenswürdig“, erwiderte Uwe, der jäh eine Möglichkeit sah, sich aus der Affäre zu ziehen. Wenn er mit dem Polizisten allein sein würde, könnte es ihm eher gelingen, die Schuld an dem Unfall Viktoria zuzuschieben. Noch war sie ja nicht vernehmungsfähig. Und war sie wieder bei Bewusstsein, konnte man etwaige Unstimmigkeiten damit erklären, dass der Unfallschock wahrscheinlich eine Gedächtnislücke oder einige Verwirrung in Viktorias Gedankengang ausgelöst hatte.

„Sie können in der Halle auf das Taxi warten“, erwiderte der Baron mit kühler Gelassenheit. „Und Ihre Anschrift brauche ich auch nicht, da ja anhand Ihres Kennzeichens am Wagen festzustellen sein wird, wem das Auto gehört.“

Er wandte sich ab und sah nicht mehr, wie Uwes Gesicht alle Farbe verlor. Nur Sylvia beobachtete es und lächelte zufrieden.

***