Lore-Roman 92 - Birke May - E-Book

Lore-Roman 92 E-Book

Birke May

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Beschreibung

Riccarda von Lisdonn hat die Eltern und das heimatliche Gut in Russland verloren. Alles, was sie nun will und wünscht, ist in Frieden leben und arbeiten. Doch Neid und Eifersucht machen der jungen Frau das Leben schwer, denn der Schwester ihres Chefs ist die verarmte, schöne Adelige ein Dorn im Auge. Riccarda aber fürchtet keine Feinde. Die grausamen Jahre in Russland, die Begegnungen mit Mongolen und Tataren, haben ihr alle Furcht ausgetrieben. Der Wille zu überleben, hat Angst und Feigheit besiegt. Doch Riccarda unterschätzt den Hass einer Frau ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Das Tagebuch der Fürstin

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Kiselev Andrey Valerevich / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0577-6

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Das Tagebuch der Fürstin

Es verriet das Geheimnis einer großen Liebe

Von Birke May

Riccarda von Lisdonn hat die Eltern und das heimatliche Gut in Russland verloren. Alles, was sie nun will und wünscht, ist in Frieden leben und arbeiten. Doch Neid und Eifersucht machen der jungen Frau das Leben schwer, denn der Schwester ihres Chefs ist die verarmte, schöne Adelige ein Dorn im Auge. Riccarda aber fürchtet keine Feinde. Die grausamen Jahre in Russland, die Begegnungen mit Mongolen und Tataren, haben ihr alle Furcht ausgetrieben. Der Wille zu überleben, hat Angst und Feigheit besiegt. Doch Riccarda unterschätzt den Hass einer Frau ...

»Das ist eine einmalige Chance, Olaf. Du darfst sie dir nicht entgehen lassen.«

Astrid Holsten legte die Büttenkarte auf den Tisch zurück und lächelte ihrem Bruder zu.

»Chance«, wiederholte er sehr nachdenklich. »Bei den vielen Gästen, die zur Schiffstaufe eingeladen worden sind, wird der Fürst mich kaum bemerken — und wenn, so müsste ich ehrlich bekennen, dass die meisten Entwürfe von Fräulein von Lisdonn stammen und nicht von mir, wie du dem Senator gegenüber so kühn behauptet hast.«

»Das war eine kleine Notlüge, die ich dir zuliebe gebraucht habe. Und außerdem ist die Lisdonn deine Angestellte. Sie war seinerzeit froh, in deinem Betrieb unterkommen zu können. Und für die Einfälle, die sie hat, wird sie übertariflich bezahlt. Du machst ein Aufhebens von ihr, Olaf. Sie selbst scheint kaum Wert darauf zu legen, dass man sie mit ›von‹ anredet. Du jedoch sprichst von ihr wie von einer ganz besonderen Person.«

»Aber Astrid, was hast du nur gegen sie? Sie ist doch auch zu dir immer sehr höflich und zuvorkommend.«

»Das tut sie nur deinetwegen. Bestimmt macht sie sich Hoffnungen auf dich. Du bist ledig, siehst gut aus, und mit dem Betrieb geht es zusehends bergauf, Olaf.«

»Ja, seitdem sie hier ist. Ich bin froh, dass sie für mich arbeitet. Sie ist zuverlässig, korrekt und nie verdrießlich, wenn sie Überstunden machen muss.«

»Weil sie hofft, dann mit dir allein zu sein. Bist du blind, Olaf, dass du sie nicht durchschaust?«

»Ich bin objektiv, Astrid. Ich lasse mich von niemandem beeinflussen. Nur Taten können mich überzeugen. Du solltest endlich darauf verzichten, gegen eine junge Dame zu kämpfen, die nur ihre Pflicht tut und innerhalb von drei Jahren die Seele meines Betriebes wurde.«

»Ich mag sie nicht. Ihre gleichbleibende Freundlichkeit kann mich nicht täuschen. Ihr herablassendes Lächeln reizt mich zum Zorn. Sie steht ohne jeden Anhang da. Sie hat nur das, was sie sich hier erarbeitet hat. Sie hat alles zurücklassen müssen, was ihre Ahnen im Osten aufbauten, und doch benimmt sie sich sehr hochmütig.«

»Sie ist scheu und zurückhaltend, und ihr Lächeln ist ein wenig traurig.«

Astrid Holsten näherte sich langsam ihrem Bruder. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und fragte voller Misstrauen.

»Sag mal, liebst du sie etwa?«

Olaf lachte auf. »Selbst wenn ich es täte, es wäre hoffnungslos. Fräulein von Lisdonn sieht in mir nur den Chef, mehr nicht.«

»Also hast du es schon versucht. Ich habe es geahnt. Und ich wünsche, dass du dir bei ihr einen Korb holst, der dich für alle Zeiten von ihr kuriert. Sobald du den Auftrag des Fürsten in der Tasche hast, wirst du ihr mit netten, aber unmissverständlichen Worten klarmachen, dass du sie nicht mehr brauchst. Du wirst dir einen Teilhaber nehmen, den Betrieb vergrößern und nicht mehr so mitarbeiten müssen wie jetzt.«

»Ich glaube, darin bist du optimistischer als ich. Dass ich an der Ausstattung des Fahrgastschiffes beteiligt war, habe ich allein Senator Harmsen zu verdanken. Und er wiederum erteilte mir den Auftrag nur deshalb, weil Mama seine Jugendliebe war. Diese Einladung hier«, er griff nach der Büttenkarte, »ist eine freundliche Geste, die zugleich Abschluss einer monatelangen Arbeit ist.«

»Aber sie bietet dir Gelegenheit, neue Geschäftsverbindungen anzuknüpfen. Die Zeitungen berichten, dass der Fürst persönlich anwesend sein wird, weil er hier eine Luxusjacht bauen lassen will, die alle bisherigen übertreffen soll. Und wenn du es geschickt anfängst, erregst du seine Aufmerksamkeit und bist im Nu ein gemachter Mann.«

»Du stellst dir das so leicht vor. Und du vergisst, dass ich gerade dann Fräulein von Lisdonn noch mehr brauche als bisher.«

»Auch sie wird zu ersetzen sein — später. Vorerst kann sie ja noch für dich arbeiten. Ich gebe zu, dass ihre Muster in Farbe und Zeichnung hervorstechen. Aber dennoch sollte sie nicht zu lange für dich tätig sein, Olaf. Eine von Lisdonn passt nicht zu uns Holsten, passt noch viel weniger zu einem Betrieb, der sich mit der Herstellung von Polstermöbeln befasst und zum ersten Mal Kabinen und Aufenthaltsräume eines Schiffes hat einrichten dürfen.«

Olaf Holsten wandte sich ab. Er fuhr mit der Rechten glättend über sein hellblondes Haar und verbiss sich die heftige Antwort, die er auf der Zunge hatte. Seiner Meinung nach war Astrid nicht nur ungerecht, sondern hartherzig. Von Anfang an hatte sie gegen Riccarda von Lisdonn gehetzt, obwohl diese ihr nie Veranlassung gab, sich über sie zu ärgern.

»Du wirst an der Schiffstaufe teilnehmen, nicht wahr?«, fragte Astrid.

»Vielleicht, wenn ich Zeit habe.«

»Du wirst Zeit haben, da die Feier an einem Samstag stattfindet. Und weißt du was?«

»Nein«, erwiderte er, ohne sich nach ihr umzudrehen.

»Du wirst dem Reeder bei der Gelegenheit ein hübsches Geschenk überreichen, eins, das für dich Reklame macht und vielleicht auch den Fürsten aufmerksam werden lässt.«

»Ein Mascera und ein Holsten! Welch eine wundervolle Zusammenstellung«, spottete der Bruder gutmütig. »Hier der Sohn eines Schreiners — und dort der Nachkomme eines stolzen Adelsgeschlechtes, das von Generation zu Generation reicher und mächtiger wurde und mit halb Europa verwandt ist.«

»Ja, und für ihn sollst du arbeiten. Das wird dich mit einem Schlage bekanntmachen. Der Sohn eines Schreiners wird aus der Jacht eines Fürsten ein schwimmendes Schloss machen. Frag die Lisdonn, Olaf. Sie wird wie ich denken und sogleich planen. Ihr wird schon etwas einfallen, etwas ganz Besonderes.«

»Sieh an — plötzlich bist du mit ihr einverstanden?«

»Nur solange wir sie wirklich brauchen. Bist du erst mal aus dem Gröbsten ›raus, werden wir geschulte Kräfte einstellen.«

»Das muss ich mir erst durch den Kopf gehen lassen«, sagte der Bruder. Er schob den Ärmel seiner Jacke zurück und blickte auf die Uhr. »O ja, es wird Zeit. Heute bin ich spät dran. Und das an einem Montag. Tschüss, Astrid, ich muss mich sputen.«

»Kommst du zum Essen?«, rief sie ihm nach.

»Nein, ich bleibe im Betrieb.«

Astrid Holsten nahm die Karte erneut vom Tisch, als sie allein war. Sie drehte sie hin und her und lächelte wie jemand, der sich dem Ziel seines Wunsches nahe ist.

***

»Ich habe die Unterlagen für den Herrn Senator zurechtgelegt«, sagte Riccarda von Lisdonn am Nachmittag.

»Danke.« Olaf Holsten zog den hellgrauen Kittel aus und lächelte ihr zu.

»Sie sollten sich mehr Ruhe gönnen, Herr Holsten«, riet sie, ohne sein Lächeln zu beachten.

»Das sagt meine Schwester auch immer. Und trotzdem liegt sie mir nur damit in den Ohren, dass ich mich um den Auftrag des Fürsten von Mascera bemühen soll.«

»Eine gute Idee«, stimmte Riccarda kühl zu. »Es würde Ihnen sehr helfen. Es würde einige Tausend Reinverdienst bringen, abgesehen von der Reklame für andere Interessenten. Haben Sie schon präzise Vorstellungen?«

»Nein, leider nicht. Dieser Auftrag würde mich reizen, doch um ihn ausführen zu können, brauche ich wieder einmal Ihre Hilfe, Fräulein von Lisdonn.«

»Ich werde am Wochenende darüber nachdenken. Ich glaube, wir werden die besten Vorschläge machen können. Der Fürst ist ein Kunstkenner. Das darf man nicht außer Acht lassen, wenn man für ihn arbeitet.«

»Sie — Sie kennen den Fürsten?«

»Nein, ich hörte und las von ihm. Und wenn ich mich recht erinnere, so hat mein Vater einmal erwähnt, dass sein Vater an der Hochzeit eines Mascera teilgenommen hat. Das Land der ewigen Sonne soll ihn so bezaubert haben, dass er sich dort niederließ. Mehr weiß ich nicht, aber vielleicht genügt es, um hier anzuknüpfen. Irgendeinen Anhaltspunkt müssen wir ja schließlich haben, wenn wir unsere Pläne einem so berühmten Mann unterbreiten.«

»Die Stadt steht jetzt schon Kopf, obwohl der Fürst erst am Tage der Schiffstaufe hier eintrifft. Im Hilton sind die ersten Reporter aufgetaucht, das hat mir Kluse erzählt. Als er die Sessel dorthin lieferte, bekam er zufällig mit, wie man einen der aufdringlichen Leute zur Tür hinausschob. Er hatte sich als Etagenkellner verdingen und auf diese Weise dem Fürsten nahe sein wollen, um die besten Fotos zu schießen.«

»Demnach haben wir es mit einem verwöhnten, interessanten Mann zu tun. Das muss ich bei meinen Überlegungen bedenken.«

Olaf Holsten warf einen bewundernden Blick auf die junge Dame im grauen Kleid, das blütenweiße Manschetten und ein großer weißer Kragen mit roter Schleife zierten. Im schräg einfallenden Licht des sonnigen Apriltages schimmerte ihr volles kastanienfarbenes Haar etwas rötlich. Auch das Leuchten der grünen Augen schien sich zu vertiefen, die dem blassen ovalen Gesicht etwas Exotisches gaben.

»Sie erzählen nie etwas von sich«, platzte er plötzlich heraus. »Etwas Geheimnisvolles umgibt Sie. Und manchmal irritiert es mich, wenn Sie wie jetzt über mich hinwegsehen und so weit entfernt scheinen.«

Riccarda sah den Sprecher aufmerksam an. Nichts in ihren klassisch schönen Zügen bewegte sich, als sie ruhig antwortete.

»Bei mir gibt es nichts Geheimnisvolles, eher etwas Trauriges. Aber das wissen Sie ja schon. Und ich bin nicht die Einzige, die Eltern und Heimat verloren hat und viel später erst in den Westen ausreisen durfte. Warum sollte ich ständig erwähnen, dass ich nicht hierher gehöre, dass ich als Kind bis hinter den Ural verschleppt und später von einer alten Tante gesucht und gefunden wurde? Die Tante ist tot, ich bin hier. Und alles, was ich will und wünsche, ist in Frieden leben und arbeiten.«

»Ist das alles, Fräulein von Lisdonn?«

»Ja, das ist alles. Und mir persönlich würden Sie einen großen Gefallen erweisen, wenn auch Sie mich einfach Fräulein Lisdonn nennen würden. Sie und ihr Fräulein Schwester sind die Einzigen, die von meiner adligen Herkunft wissen. Ich möchte nicht, dass man hier im Betrieb davon erfährt, denn es könnte mir die Arbeit erschweren. Und außerdem — in einem demokratischen Land, in einer modernen Zeit, da Menschen auf dem Mond herumspazieren, ist das kleine Wort ›von‹ mehr eine Erinnerung an glanzvolle Zeiten, deren Geschichte wie ein Märchen klingt, wenn man sie erzählt.«

»Wenn Sie es wünschen, Fräulein vo ... Fräulein Lisdonn ... Ich bin froh, wenn ich Ihnen überhaupt einen Wunsch erfüllen kann. Sie sind immer bescheiden. Sie haben nie um Gehaltserhöhung gebeten und sind doch eine der Fleißigsten.«

»Ich bin zufrieden und komme mit dem aus, was ich verdiene. Ich brauche ja nicht viel, Herr Holsten.«

»Gar mancher möchte Ihnen mehr geben — auch ich«, sagte er und schenkte ihr einen bedeutungsvollen Blick.

Nun lächelte sie, teils wehmütig, teils spöttisch.

»Der Richtige ist mir noch nicht begegnet, Herr Holsten.«

Enttäuschung zeichnete sich auf seinem etwas rundlichen Gesicht ab und auch in seinen hellen blauen Augen.

»Schade«, meinte er und seufzte tief. »Doch was werden Sie tun, wenn Ihnen eines Tages der Mann Ihrer Träume begegnet?«

»Was alle tun, wenn die Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht, heiraten und eine Familie gründen.«

Wieder seufzte er unterdrückt, dann wechselte er rasch das Thema.

»Meine Schwester machte den Vorschlag, dass ich bei der Taufe des Schiffes ein Geschenk überreichen soll, das gleichzeitig für unsere Arbeit wirbt.«

»Dann muss es etwas sein, das mit der Seefahrt in Verbindung steht. Hm, auch das kann ich über Sonntag in aller Ruhe überlegen.«

»Sie — Sie haben nichts vor?«

»Nein.«

»Hätten Sie Lust, mit mir eine kleine Rundfahrt zu machen? Ich bin erst zweimal mit dem neuen Motorboot unterwegs gewesen, weil es zu stürmisch war. Doch heute sieht es ganz so aus, als gäbe der April seine Launen endgültig auf.«

»Nein, vielen Dank«, erwiderte Riccarda freundlich, doch ihre Miene verriet, dass sie ihre Ablehnung nicht begründen wollte.

Olaf Holsten gab es wieder einmal schweren Herzens auf, Kontakt zu einer jungen Dame zu bekommen, deren Höflichkeit oftmals die Wirkung eines eisigen Schauers auf ihn hatte. Er diktierte seiner Sekretärin ein paar Geschäftsbriefe und verließ dann das Büro, um in der riesigen Werkshalle nach dem Rechten zu sehen.

***

»Was der Lisdonn nicht einfällt, hat mich heute beim Baden erleuchtet«, erklärte Astrid in fröhlichem Ton. »Beim Baden habe ich immer die besten Ideen. Hast du nicht vorgestern gesagt, dass ihr kein Einfall gekommen ist wegen des Geschenkes?«

»Ja, aber das macht nichts. Und außerdem fühlt sie sich nicht wohl. Sie ist erkältet und scheint Fieber zu haben. Es ist bewundernswert, dass sie heute Morgen ins Büro kam.«

»Ja, ja«, erwiderte Astrid ungeduldig, »doch willst du nicht lieber hören, was mir eingefallen ist?«

»Nun, sag es schon«, forderte er sie ohne großes Interesse auf, weil er in diesem Augenblick wieder an Riccarda von Lisdonn dachte.

»Was hältst du von einer Miniaturausgabe des Schiffes, das du ausgestattet hast?«

»Nicht viel. Die Idee ist nicht neu. Und ich weiß nicht, ob so etwas dem Reeder gefallen würde.«

»Dann weiß ich noch etwas — eine kleine silberne Schiffsglocke für den Tisch, an dem der Kapitän zu speisen pflegt, in die eine Widmung und dein Name eingraviert sind.«

»Das gefällt mir schon besser. Ich werde mit Fräulein Lisdonn darüber sprechen.«

»Nanu, du hast ja das ›von‹ vergessen.«

»Nicht vergessen, Astrid, sie selbst möchte nicht, dass ich sie so anrede.«

»Ihre Bescheidenheit ist geradezu umwerfend. Und ich sehe, dass du wieder mal sehr beeindruckt bist. Aber musst du jedes Mal sie um Rat fragen, wenn wir zwei etwas besprechen?«

Olaf Holsten blickte seine Schwester nachdenklich an. Immer wieder bestürzte es ihn, dass sie so aggressiv wurde, wenn von Riccarda von Lisdonn die Rede war. Und erneut fragte er sich nach den wahren Gründen ihres ablehnenden Verhaltens. Doch er hütete sich, in der Beziehung eine Frage zu stellen. Es führte zu nichts, wenn sie sich über dieses Thema auseinandersetzten.

»Sie wird bestimmt einverstanden sein«, murmelte er und griff nach der Kompottschüssel, um sich ein zweites Mal aufzufüllen. »Du wirst einmal eine gute Hausfrau«, lobte er, um Astrid friedlich zu stimmen. »Was du zubereitest, schmeckt ausgezeichnet.«

»Ich wollte, nicht nur dich könnte ich von meinen hausfraulichen Fähigkeiten überzeugen. Aber seitdem die Lisdonn wie eine ungekrönte Königin bei uns herrscht, sieht jeder deiner Geschäftsfreunde nur sie. Und selbst wenn wir einen zu uns einladen, schwärmt er nicht von mir, sondern von deiner adligen Angestellten. Was finden die Männer nur an ihr? Sie ist schön, zugegeben, aber sie ist nichts und hat nichts. Ich dagegen ...« Astrid unterbrach sich und warf einen vorwurfsvollen Blick auf ihren Bruder. »Ich weiß, was du denkst«, fuhr sie ärgerlich fort, »aber auch du kannst mich nicht umstimmen. Ich werde erst dann zufrieden sein, wenn sie fort ist, wenn ein anderer ihre Arbeit tut, ohne mir ins Gehege zu kommen.«

Wieder zog Olaf Holsten es vor, keine Antwort zu geben. Seine heimliche Liebe galt Riccarda von Lisdonn. Die Enttäuschung über ihre ablehnende Haltung schmerzte ihn. Dennoch hoffte er, sie eines Tages überzeugen und für sich gewinnen zu können. Es würde ratsam sein, vorher Astrid unter die Haube zu bringen.

»Dein Vorschlag gefällt mir immer mehr«, sagte er ablenkend. »Ich bin schon jetzt entschlossen, eine silberne Schiffsglocke anfertigen zu lassen. Es braucht ja nicht massiv Silber zu sein, nicht wahr?«

»Besser wäre es«, erwiderte Astrid und lächelte versöhnlich.

Sie liebte ihren Bruder und war eifersüchtig auf jede Frau, die in seine Nähe geriet. Solange sie selbst ledig blieb, sollte und durfte auch er sich nicht binden.

»Der Fürst wird dir den Auftrag geben«, prophezeite sie siegesgewiss. »Du wirst die Lisdonn vorschicken. Sie kennt alle Tricks. Sie wird für uns handeln und das mit Erfolg.«

»Hoffentlich wird ihre Erkältung nicht schlimmer. Dann müssen wir ohne ihre Hilfe auskommen.« Olaf seufzte verhalten; sein Gesicht war plötzlich sorgenvoll.

***

»Was willst du bei dem Wetter in Hamburg?«, erkundigte sich Graf Bonden und blickte sein Gegenüber lächelnd an. »Bleib bei uns. Hier scheint die Sonne. Du kannst dich ein wenig ausruhen, Tino, und nebenbei Gundulas blonde Freundin bewundern, die zurzeit bei uns zu Besuch ist und von einem Vergnügen zum anderen eilt, als fürchte sie, etwas zu versäumen.«

Tino Fürst von Mascera lachte, doch es war ein bitteres Lachen, das Lachen eines Mannes, den die Sonnenseite seines Lebens allmählich verdross.

»Ich werde wie geplant morgen weiterreisen. Der Motorschaden wird mich nicht aufhalten. Und Gundulas Freundin ist ebenfalls kein Anlass, die Taufe eines Schiffes zu versäumen, das in seinem Bau und seiner Ausstattung einzigartig sein soll. Zum ersten Mal wurde jungen Leuten die Gelegenheit gegeben, ihre Ideen zu verwirklichen. Da ich die Jacht bauen lassen will und zudem eingeladen wurde, reizt es mich, diesmal persönlich alles zu sehen.«

»Es wurde Sturm angesagt. Es wird regnen. Du bist an ein milderes Klima gewöhnt. Du wirst dich erkälten, dir vielleicht noch Schlimmeres im kalten Norden holen.«

»Aber Claude, du redest wie meine Mutter. Warum bist du so besorgt um mich? Hast du wirklich vor, bei mir den Heiratsvermittler zu spielen?«

»Und wenn ich das hätte?«

»Dann müsste ich dich enttäuschen. Mir geben die Frauen nicht viel — jede ist wie ein hübsches Spielzeug, und alle wollen nur dasselbe. Du willst mir doch nicht einreden, dass mich eine von all den vielen um meiner selbst heiraten würde?«

»O doch, das will ich, denn auch ich wurde nicht um meines Vermögens willen geheiratet, sondern aus Liebe.«

Ein Schatten glitt über das schmale, von der Sonne gebräunte Antlitz des Fürsten. Traurigkeit nistete in den blauen Augen unter den buschigen dunklen Brauen.

»Angela ist die löbliche Ausnahme«, murmelte er. »So eine Frau wie sie gibt es kein zweites Mal. Und hätte sie dich nicht von Anfang an geliebt — ich hätte es darauf ankommen lassen —, ich hätte sie dir ausgespannt, Claude.«

Der Graf lachte. »Deine Ehrlichkeit ist verblüffend«, erwiderte er, »und ich bedaure zuweilen deine Mama, weil sie sich nicht zu Unrecht große Sorgen um ihren Einzigen macht. Was wird geschehen, wenn du Junggeselle bleibst und das stolze Geschlecht der Mascera ohne Nachkommen bleibt?«

Der Fürst zuckte ratlos die Schultern. Er fuhr sich mit der Rechten durch das glänzende schwarze Haar und schien sichtlich ins Nachdenken zu geraten.