Love not Lost - Atemlos - Carly Phillips - E-Book
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Love not Lost - Atemlos E-Book

Carly Phillips

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Beschreibung

Vier starke Frauen—und attraktive Männer, die sie schwach werden lassen: Die neue Reihe der Bestsellerautorin Carly Phillips

Die Malerin Halley Ward lebt zurückgezogen von ihrer reichen Familie und dem Rest der Welt am Strand von Rosewood Bay. Als sie mit dem Auto liegenbleibt, rettet sie der attraktive Mechaniker Kane Harmons. Obwohl die beiden unterschiedlicher nicht sein könnten, interessiert sich Kane nur noch für diese geheimnisvolle Frau mit den tieftraurigen Augen. Nach und nach lässt Halley es zu, dass Kane ihr Leben mit Farbe füllt. Bis die Vergangenheit sie einholt ...

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EPUB
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Seitenzahl: 289

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Das Buch

Sie begegnete seinem Blick, diesen tiefbraunen Augen, die sie ansahen. Dunkle, etwas herausgewachsene Haare fielen ihm über die Augen, was ihm einen kantigen, sexy Look verlieh. Dann war da noch sein Körper. Unter seinem engen schwarzen T-Shirt zeichneten sich Muskeln ab, verwaschene Jeans schmiegten sich an kräftige Schenkel und einen knackigen Hintern, der ihr schon vorhin aufgefallen war.

Sie seufzte. Wenn sie daten würde, dann würde sie definitiv mit ihm ausgehen. Aber das tat sie nicht, weil Dates zu Beziehungen führten. Und Beziehungen führten dazu, dass man sich austauschte und die Männer ihr Fragen über ihre Vergangenheit stellten. Und das wollte sie auf gar keinen Fall.

Die Autorin

Carly Phillips, eine New-York-Times- und USA-Today-Bestsellerautorin, hat über 50 prickelnde Liebesromane geschrieben, mit heißen Männern, starken Frauen und den emotional fesselnden Geschichten, die ihre Leser inzwischen erwarten und lieben. Sie ist glücklich verheiratet mit ihrer Collegeliebe, hat zwei fast erwachsene Töchter und drei verrückte Hunde, die auf ihrer Facebook-Fan-Page und ihrer Website zu bewundern sind. Carly Phillips liebt die sozialen Medien und steht in engem Kontakt mit ihren Lesern.

Lieferbare Titel

Der letzte Kuss

Der Tag der Träume

Mach mich nicht an!

Her mit den Jungs!

Komm schon!

Geht’s noch?

Für eine Nacht

Spiel mit mir!

Mach doch!

Küss mich doch!

Verlieb dich!

Ich will doch nur küssen

Ich will nur dein Glück

Auf ein Neues!

Ich will ja nur dich!

Küss mich später

Liebe auf den ersten Kuss

Ein Kuss zu viel

Summer Nights

Wer nicht wagt, der liebt nicht

Einmal berührt ist fast gar nicht verführt

Gelegenheit macht Sehnsucht

Keine Verpflichtungen, nur Liebe

Lieben und lieben lassen

Im Zweifel für die Liebe

Aller Anfang ist küssen

Einmal und immer wieder

Liebe nicht ausgeschlossen

Sexy Dirty Touch

Sexy Dirty Pleasure

Sexy Dirty Desire

Sexy Dirty Game

Küss mich, Kleiner!

CARLY PHILLIPS

LOVE

not

LOST

Atemlos

Aus dem Amerikanischen von Anu Katariina Lindemann

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Die Originalausgabe Fearless erschien erstmals 2018 bei CP Publishing, West Harrison, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 12/2021

Copyright © 2018 by Carly Phillips

Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Barbara Häusler

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock.com (white snow, Galina Timofeeva)

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-26201-3V001

www.heyne.de

KAPITEL 1

»Kane! Abschleppdienst auf der Route 5! Eine Lady braucht einen Abschleppwagen!«, rief Kane Harmons Vater Joe aus dem Büro in Harmons Kfz-Werkstatt seinem Sohn zu.

Kane wischte sich seine ölverschmierten Hände an einem Lappen ab und schob sich dann unter dem aufgebockten Wagen hervor, an dem er gerade arbeitete. Er stand auf, sah sich in der leeren Werkstatt um und wusste sofort, was er zu tun hatte.

Jackson Traynor, der sich normalerweise ums Abschleppen kümmerte, war gerade außer Haus. Er befand sich auf dem Weg in die Stadt, um ein Ersatzteil zu besorgen, was bedeutete, dass Kane und sein Vater Joe gerade die Einzigen in der Werkstatt waren. Allerdings wollte Kane seinen Vater nicht gerne alleine hier zurücklassen.

Die Versuchung war für Joe einfach immer viel zu groß. Wenn er sich etwas in die eigene Tasche stecken, mit etwas handeln oder verkaufen konnte, um sich etwas dazuzuverdienen, dann würde er es auch tun. Denn Joe war spielsüchtig. Und bedauerlicherweise konnte Kane seinen Vater auch nicht rausschicken, um das Abschleppen zu übernehmen, weil sich der ältere Herr nicht mehr hinters Steuer setzen durfte. Er hatte einfach zu viele Unfälle gebaut, woraufhin ihm der Führerschein entzogen worden war.

Aber Kane würde keine Frau, die mit ihrem Wagen hilflos auf dem Highway liegen geblieben war, ihrem Schicksal überlassen. Deshalb müsste er sich jetzt selbst darum kümmern. Also ging er ins Büro, in dem sein Vater gerade hinter dem Schreibtisch hockte und etwas auf einen Notizblock schrieb. Kane hoffte inständig, dass es sich dabei nicht um irgendwelche Notizen für Pferderennen oder Ballspiele handelte.

»Hey«, sagte Kane, ging um den Schreibtisch herum und trat hinter seinen Vater. »Ich erledige den Job, weil Jackson nicht da ist.« Während er redete, holte er einen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnete die Kasse, um die darin liegenden Geldscheine herauszunehmen.

Flüchtig registrierte er die getrennt gestapelten Hunderter, Fünfziger und kleineren Scheine. Nichts davon ließ er zurück, um seinen Vater nicht einmal das kleinste bisschen in Versuchung zu bringen.

»Du willst mich wohl verarschen.« Joes Augen waren auf das Geld gerichtet, das Kane in die Vordertaschen seiner Hose steckte. »Du vertraust mir nicht!«, beschwerte sich Joe mürrisch.

»Nein, Dad. Tu ich nicht. Warum sollte ich auch?«

Als Kane noch ein Kind gewesen war, hatte sein Vater einmal das komplette Urlaubsgeld verspielt, und wenn die Dinge mal nicht so gut liefen, lautete sein Motto stets: Wenn’s nicht niet- und nagelfest ist, dann kann man sich auch ruhig daran bedienen. Kane hatte keinerlei Schuldgefühle, als er das tat, was er tun musste, um sicherzugehen, dass er für die Familie sorgen konnte, wenn sein Vater dazu nicht in der Lage war. Joe würde nichts stehlen, wenn Kane gerade in der Werkstatt war – das wusste Kane. Das passierte nur, wenn gerade keiner da war, um den Teufel auf Joes Schulter sitzen zu sehen und darauf zu reagieren, dass dieser sich mal wieder als stärker erwies als Joe und ihn in Versuchung führte.

Sein Vater murmelte irgendetwas vor sich hin – undeutlich zwar, aber eindeutig etwas Böses, und Kane entschied sich, ihn einfach zu ignorieren.

»Es sollte nicht allzu lange dauern. Hältst du hier so lange die Stellung?«, fragte Kane.

»O, du traust es mir also zu, dass ich mit Kunden rede?« Die Worte seines Vaters trieften vor Sarkasmus. »Das letzte Mal, als ich nachgeschaut habe, war es noch mein Name, der auf dem Werkstattschild steht«, murrte er.

Und das letzte Mal, als Kane dies getan hatte, war er derjenige gewesen, der die Firma führte. Stimmte schon, das Gebäude lief offiziell auf den Namen seines Vaters, weil dieser nicht dazu zu bewegen war, Kanes Namen oder den seiner älteren Schwester Andrea auf die Urkunde zu setzen. Das einzig Gute war, dass Joe seine Grenzen kannte. Er hatte Kane die Inhaberschaft der Firma übertragen, als dieser zweiundzwanzig wurde – nach einer üblen Pechsträhne mit einigen Kredithaien. Damals war Kane eingesprungen und hatte die Schulden seines Vaters abbezahlt, und dafür lief die Firma seither auf seinen Namen. Nicht jedoch das Anwesen als solches. Kane wollte es zwischen sich und Andi aufteilen, aber der Stolz seines Vaters verlangte von ihm, daran festzuhalten, bis er irgendwann einmal das Zeitliche segnen würde. Was – Gott sei Dank – nicht danach aussah, als ob dies in nächster Zeit der Fall sein würde.

Joe trieb Kane in den Wahnsinn, aber er liebte seinen Vater trotzdem. Joe hatte sie allein großgezogen, nachdem Kanes Mutter an Eierstockkrebs gestorben war. Kane war damals fünfzehn gewesen. Und sein Vater hatte stets sein Bestes gegeben, trotz seiner begrenzten Fähigkeiten. Aber er trug das Herz am rechten Fleck, auch wenn das nicht für seine Laster galt.

Kane ließ die Schlüssel des Abschleppwagens in seiner Hand verschwinden. »Vergiss nicht, dass Nicky nach dem Tagescamp vorbeikommt«, erinnerte er seinen Vater.

Der siebenjährige Sohn seiner Schwester Andrea verbrachte viele Nachmittage bei seinem Onkel und Großvater in der Werkstatt, während seine Mutter arbeitete. Da Nickys Vater in seinem Leben zum Glück nicht mehr präsent war, war es für Nicky wichtig, dafür Zeit mit den Männern seiner Familie zu verbringen. Außerdem hatte Kanes Schwester dadurch die Möglichkeit zu arbeiten, ohne sich Sorgen um ihr Kind machen und einen Babysitter anheuern zu müssen, sobald die Schule oder das Sommercamp aus waren. Und Kane mochte es, seinen Neffen um sich zu haben. Selbst wenn er sich gerade unter einem Fahrzeug befand, erledigte Nicky währenddessen im Büro seine Hausaufgaben oder spielte irgendwelche Handy-Spiele oder unterhielt sich mit seinem Großvater. Alles war gut, so wie es war.

Kane trat in den heißen Sonnenschein des Spätnachmittags, genoss die sommerliche Hitze auf seinem Gesicht. Kaum draußen, vergaß er auch schon den Ärger mit seinem Dad und sog die frische Luft ein, nachdem er den Großteil des Tages unter Fahrzeugen eingepfercht gewesen war.

Er setzte seine Pilotenbrille auf, stieg in den Abschleppwagen und ließ den Motor an. Er fuhr aus der Stadt und auf den Highway, Musik dröhnte aus dem Radio, bis er schließlich den glänzenden knallroten Ford SUV am Straßenrand erblickte.

Der Zustrom der Sommergäste nach Rosewood Bay – seine am Meer gelegene Stadt in New England – bedeutete für gewöhnlich teure ausländische Wagen, die den Rand der Hauptstraße säumten und die besten Parkplätze in der Nähe des Strandes besetzten. Der kleine hübsche Schlitten haute ihn zwar nicht so von den Socken wie diese tollen ausländischen Gefährte, aber er erkannte es auch nicht als eines der Fahrzeuge wieder, die er schon mal in seiner Werkstatt gesehen hatte.

Er fuhr hinter den SUV an den Straßenrand und stellte den Wagen ab. Nachdem er ausgestiegen war, ging er zur Vorderseite des Abschleppers. Er sah eine Frau in einem sexy Kleid, die sich über die Heckklappe ihres Wagens beugte und dort hinten irgendwas mit einer Art Laken abdeckte.

Er schob die Hände in die Vordertaschen seiner Jeans und sah sich an dem süßen Hintern, der vor ihm in die Luft ragte, und an den langen Beinen satt, die gegen den Rand des Hecks lehnten. Bei dem Anblick wurde sein Schwanz sofort munter. Das war eine willkommene Abwechslung, seitdem er nichts mehr mit den Frauen anfing, die den Sommer über nach Rosewood kamen und zwar einem netten, kurzen Techtelmechtel mit einem Mechaniker nicht abgeneigt waren, aber niemals etwas Ernstes mit ihm in Betracht gezogen hätten. Da war er gewissermaßen gebranntes Kind. Eigentlich war es schon verdammt viel zu lange her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war, und sogar noch länger, dass ihn eine ernsthaft interessiert hatte.

Bevor er noch auf sich aufmerksam machen konnte –, auch wenn sie die Ankunft seines Wagens gehört haben musste –, drehte sie sich um und begegnete seinem Blick.

Als er sie wiedererkannte, war er wie vom Donner gerührt. »Halley Ward …«, murmelte er. »Ich werd nicht mehr.« Vor ihm stand das Mädchen, das er zwar überhaupt nicht richtig kannte, das er damals in der Highschool jedoch vor den Hänseleien der anderen Kinder beschützt hatte – sie war erwachsen geworden.

»Hi Kane«, begrüßte sie ihn mit sanfter Stimme und beschattete mit den Händen ihre Augen, von denen er wusste, dass sie hellblau waren.

Damals war sie ein stilles und introvertiertes Mädchen gewesen. Den Kopf hatte sie fast immer in einem Kapuzenpulli versteckt, nur zwei lange Zöpfe hingen aus ihrem schützenden Panzer heraus. Aber er kannte ihre Geschichte.

Jeder kannte sie.

Was Klatsch und Tratsch betraf, blühte diese Stadt förmlich auf, und im Lauf der Jahre lieferten die Wards eine Menge davon. Was Halley anging, wusste jeder, dass sie mit dreizehn von ihrer Tante aus einer Pflegefamilie gerettet worden war, sich allerdings anscheinend nie an das Leben bei ihren wohlhabenden Verwandten gewöhnt hatte. Sie suchte keinen Kontakt zu anderen Mädchen und schloss weder in noch außerhalb der Schule irgendwelche Freundschaften. Vielleicht war sie aber auch nicht wirklich willkommen gewesen, und die anderen hatten sich ihr gegenüber abweisend gezeigt. Er war sich da nie so ganz sicher gewesen.

Er hatte damals gerade erst seine Mutter verloren und sich zurückgezogen. Deshalb hatte er bei Halley auch das gleiche Gefühl von Traurigkeit und Verlust erkannt und war eingeschritten, als ihr die anderen Kinder wegen ihrer Vergangenheit das Leben zur Hölle gemacht hatten. Sie hatten nie ein Wort miteinander gewechselt, waren nie Freunde geworden. Aber er wusste, dass sie seine Bemühungen zu schätzen wusste. An den zögerlichen traurigen, aber dankbaren Blicken, die sie ihm im Korridor zugeworfen hatte, hatte er sehen können, dass ihr sein Handeln etwas bedeutete.

Obwohl sie in derselben Stadt lebten, hatte er sie seit Jahren nicht gesehen. Dem verfluchten Tratsch zufolge war sie extrem zurückgezogen und einzelgängerisch – sogar noch mehr als er. Die Freitag- oder Samstagnächte trieb sie sich jedenfalls nicht im Blue Wall, der beliebtesten Bar in Rosewood, herum – zumindest nicht, wenn er dort gewesen war. Hatte er im Lauf der Jahre immer mal wieder an sie denken müssen? Klar. Aber das Leben ging weiter.

»Also … Kaputter SUV?«, fragte er und wies mit der Hand auf ihr Auto.

»Kaputter SUV«, bestätigte sie und klang sauer. »Was für ein Auto gibt denn einfach so seinen Geist auf? Es ist zwar nicht mehr superneu, aber auch nicht uralt.« Sie stemmte die Hände in ihre schlanken Hüften und blickte stirnrunzelnd auf ihr Fahrzeug.

Er zuckte mit den Achseln. »Das werd ich erst wissen, wenn ich es aufgebockt und es mir genauer angeschaut habe.« Er begegnete ihrem Blick. »Wie ist es dir eigentlich in der Zwischenzeit ergangen?«

»Gut«, antwortete sie und spielte dabei mit einer ihrer Haarsträhnen.

Im gleißenden Sonnenlicht ließ er ihre braunen Locken auf sich wirken, die ihr etwas über die Schultern reichten und an den Spitzen durch die Sonne etwas heller waren. Und ihm fiel sofort auf, dass ihr Gesicht, das sie als Kind immer versteckt hatte, heute sogar noch schöner war.

Ungelogen.

Sie war verdammt schön. Und immer noch zerbrechlich, zumindest was ihr äußeres Erscheinungsbild anging. Die Haut wie Porzellan mit ein paar Sommersprossen auf dem Nasenrücken und feine Gesichtszüge. Auf denen immer noch dieses Flüstern von Traurigkeit lag – ob sie sich dessen nun bewusst war oder nicht.

»Und du?«, fragte sie. »Wie geht’s dir? Du arbeitest also immer noch in der Werkstatt, wie ich sehe?«

Von Kindesbeinen an hatte er dort einen Job gehabt und herumgehangen, so wie Nicky heute.

Kane nickte. »Sie gehört jetzt mir.« Er war sich nicht sicher, warum er das Bedürfnis hatte, ihr das zu erzählen.

»Das ist gut.« Sie fuhr sich mit den Händen die Arme rauf und runter.

»Ich lad mal dein Auto auf den Abschleppwagen, und wir fahren zur Werkstatt. Dort werfe ich einen kurzen Blick darauf, mal schauen, ob ich dir dann sagen kann, womit wir es hier zu tun haben.«

»Danke.«

»Du kannst solange vorne in der Fahrerkabine warten«, bot er ihr an.

Sie lächelte. »Und nochmals danke.« Schnell drehte sie sich auf ihren Sandalen mit den flachen Absätzen um, und ihr Kleid mit dem Blumenmuster, das sich an ihre Kurven schmiegte, schwang dabei um ihre Oberschenkel.

Sexy. Süß. Absolut sexy.

Er erledigte seine Arbeit, und schon bald waren sie auf dem Weg zurück zur Werkstatt. »Also, was hast du denn da hinten in deinem Auto versteckt?«, fragte er sie. Schließlich hatte er ja selbst gesehen, wie sie etwas mit einem Laken abgedeckt hatte.

»Bilder. Ich male. Sie sind in der Stadtgalerie zu sehen. Ich war gerade dabei, einige von ihnen rüberzufahren, als mein Wagen den Geist aufgab. Und ich wollte nicht, dass die Sonne auf sie runterbrennt und sie ausbleicht.«

»Eine Künstlerin? Wow. Ich muss mal einen Zwischenstopp bei der Galerie einlegen, um mir deine Bilder anzuschauen.« Er war schon jetzt beeindruckt von dem wenigen, das er über sie wusste.

Die Hände auf dem Lenkrad schaute er kurz zu ihr hinüber. Ihre Wangen waren gerötet. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie dein Stil sind.«

»Das bedeutet doch nicht, dass ich sie nicht trotzdem sehen will. Und mal davon abgesehen: Woher willst du denn eigentlich wissen, was mein Stil ist?«

»Da hast du recht. Tu ich auch nicht«, murmelte sie. Sie umklammerte die Handtasche auf ihrem Schoß, und er konzentrierte sich wieder auf die Straße.

»Vielleicht könnten wir daran ja etwas ändern.« Wo war das denn jetzt plötzlich hergekommen?

Ihr Blick schwenkte zu ihm herüber, verwundert. »Was sagst du da?«

»Geh doch irgendwann mal mit mir aus.« Nein, er hatte das Ganze nicht geplant, aber Halley Ward machte ihn neugierig. Das war schon immer so gewesen. Und jetzt, da sie beide keine Kinder mehr waren, faszinierte sie ihn sogar noch mehr.

»Ich date nicht.«

Das überraschte ihn … wobei es das bei genauerer Überlegung eigentlich nicht sollte. Schließlich hatte er sie noch nie irgendwo bei einem Date gesehen, außerdem blieb sie auch lieber für sich. Aber nicht mal daten? Was hatte das denn zu bedeuten?

»Dann nenne es stattdessen eine Verabredung von zwei alten Freunden, die etwas nachzuholen haben«, schlug er vor. Jetzt war er sogar noch entschlossener herauszufinden, was dahintersteckte.

Er warf einen Blick zu ihr hinüber und sah, dass ihre Lippen amüsiert zuckten, was sie offensichtlich nicht zu zeigen versuchte. Möglicherweise wollte sie nicht daran interessiert sein, mit ihm auszugehen – aber sie war es.

»Wir waren keine Freunde«, erinnerte sie ihn sanft.

»Setzen sich Freunde füreinander ein?«, entgegnete er.

Sie nickte. »Ja, das tun sie.«

»In dem Fall würde ich uns allerdings als Freunde bezeichnen.« Er schaute sie an und zwinkerte. »Überleg’s dir einfach«, sagte er, als er auf das Werkstattgelände einbog.

Weil er definitiv an ihr interessiert war. Vielleicht war es ja ein Wink des Schicksals, dass ihr Wagen liegen geblieben und dass er derjenige gewesen war, der den Abschleppauftrag übernommen hatte, was sie nach all den Jahren wieder zusammengeführt hatte. Sie waren jetzt erwachsen, und er wollte herausfinden, welche Geheimnisse sich hinter diesen blauen Augen verbargen.

Weil er spürte – sowohl damals als auch heute –, dass die Mauern, die sie um sich errichtet hatte, hoch waren. Und er wollte sie niederreißen und erfahren, was sich dahinter befand.

* * *

Halley sprang aus dem Wagen und ging um das Fahrzeug herum zu Kane. Seit der Highschool hatte sie ihn nicht mehr gesehen, und seine Wirkung auf sie war nicht schwächer geworden, sondern nur noch stärker.

Er war ein Grübler gewesen, genauso wie sie, nur in männlicher Gestalt. Außer dass ihn die anderen Kinder gemocht hatten, sie hingegen nicht. Der Wechsel von der Pflegefamilie zu ihrer Tante in diese kleine Küstenstadt war nicht besonders gut verlaufen. Nichts davon hatte sie gewollt, auch die Kinder hier nicht, und im Gegenzug hatten diese sie auch nicht gerade freundlich aufgenommen. Aber Kane war ihr Beschützer gewesen, ihr stiller Held, und dafür war sie ihm immer dankbar gewesen.

Sie hatte nie gewusst, warum er beschlossen hatte, auf sie aufzupassen, als die anderen sie zur Zielscheibe machten – sie beschimpften oder Müll in ihren Spind stopften. Kane und Halley hatten nie darüber geredet, auch nicht über etwas anderes. Sie waren keine Freunde gewesen, wie sie ihm vorhin bereits gesagt hatte. Komischerweise waren sie aber auch nicht das Gegenteil gewesen. Jeder war einfach nur seiner eigenen Wege gegangen.

Und trotzdem waren sie nun hier. Er arbeitete an ihrem Wagen und hatte sie um ein Date gebeten.

»Hör mal, du kannst auch solange im Büro warten, während ich mir deinen Wagen ansehe. Und dann schauen wir mal, ob ich eine schnelle, einfache Lösung finde oder ob es länger dauern wird«, sagte Kane.

Sie begegnete seinem Blick, diesen tiefbraunen Augen, die sie ansahen. Dunkle, etwas herausgewachsene Haare fielen ihm über die Augen, was ihm einen kantigen, sexy Look verlieh. Dann war da noch sein Körper. Unter seinem engen schwarzen T-Shirt zeichneten sich Muskeln ab, verwaschene Jeans schmiegten sich an kräftige Schenkel und einen knackigen Hintern, der ihr schon vorhin aufgefallen war.

Sie seufzte. Wenn sie daten würde, dann würde sie definitiv mit ihm ausgehen. Aber das tat sie nicht, weil Dates zu Beziehungen führten. Und Beziehungen führten dazu, dass man sich austauschte und die Männer ihr Fragen über ihre Vergangenheit stellten. Und das wollte sie auf gar keinen Fall. Sie wollte nicht über die Pflegefamilien nachdenken oder über die Dinge, die dort vorgefallen waren.

Sie ging in das Büro, das er erwähnt hatte, und blieb abrupt stehen. Ein kleiner Junge hockte am Schreibtisch und spielte mit seinem Handy herum. Mit so etwas hätte sie jetzt allerdings nicht gerechnet.

»Hallo«, begrüßte sie ihn und blickte auf seinen braunen Haarschopf.

»Hey.« Mit einem Stift in der Hand schaute er auf.

»Ich bin Halley«, stellte sie sich vor. »Und wer bist du?«

»Nicky.«

Aha. Das war ja nicht gerade aufschlussreich. Sie setzte sich auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch. »Ich warte auf Kane. Er schaut sich gerade mein Auto an«, erklärte sie.

»Cool. Onkel Kane kennt sich echt gut mit Autos aus.«

»Darauf könnte ich wetten«, murmelte sie. Und sie hätte darauf wetten können, dass Kane sich mit vielerlei auskannte. Zum Beispiel wie man eine Frau richtig heißmachte – mit diesen schwieligen, ölverschmierten Händen. Sie konnte nicht leugnen, dass sie sich bereits vorgestellt hatte, wie er diese Hände über ihren Körper wandern ließ – über ihre Brüste, ihre Hüften und ... Sie schüttelte den Kopf und lenkte ihre Gedanken wieder auf angemessenere Themen.

Sie realisierte, dass ihr Nicky soeben noch eine weitere Information gegeben hatte – eine Andeutung, zu wem er gehörte. Sie erinnerte sich daran, dass Kane noch eine Schwester hatte, altersmäßig waren sie nicht weit auseinander. Wenn er Onkel Kane war, dann war Nicky Andreas Sohn.

»Nicky, deine Mom ist hier!«, hörte sie etwas später eine männliche Stimme rufen. Kurz darauf betrat ein älterer Herr den Raum.

Seinem Aussehen nach zu urteilen war er eindeutig Kanes Vater, die Ähnlichkeit war unverkennbar. Und wenn Kane im Alter einmal so aussehen würde wie sein Dad, dann wäre er auch in Zukunft noch sehr attraktiv, dachte sie. Die Harmons hatten ausgesprochen gute Gene.

»Hallo!«, begrüßte er Halley.

Sie stand auf. »Hi, ich bin Halley Ward«, sagte sie und gab ihm die Hand.

»Joe Harmon«, erwiderte er und schüttelte ihre Hand. »Nett, Sie kennenzulernen. Sie müssen diejenige mit dem Wagen sein, den Kane gerade abgeschleppt hat.«

Sie nickte. »Ja, das bin ich.«

»Nun gut, wir werden Ihren Wagen bald wieder startklar bekommen, damit Sie hier schnell wieder wegkommen. In der Zwischenzeit entspannen Sie sich ruhig ein bisschen. Es gibt übrigens einen Getränkeautomaten in der Werkstatt, falls Sie etwas trinken möchten.«

»Danke.«

»Nicky? Ich bring dich raus zu deiner Mom. Sie hat’s heute eilig und schafft’s nicht reinzukommen.«

»Okay, Grandpa.« Der Junge nahm seine Camp-Tasche und schob sein Handy in einen grauen Rucksack. Dann kam er hinter dem Schreibtisch hervor. Er hatte lange Gliedmaßen und das für die Harmons so typische dunkle Haar.

Joe Harmon brachte seinen Enkel vorne raus. Durch das Fenster beobachtete Halley, wie der Junge in einen SUV stieg. Die Frau auf dem Fahrersitz konnte sie wegen des blendenden Sonnenlichts nicht erkennen. Achselzuckend drehte sie sich wieder um.

Sie hob ihre Tasche vom Boden auf, durchwühlte sie auf der Suche nach ein paar Dollarscheinen und ging dann in die Werkstatt, um sich eine kalte Soda zu holen. Anschließend kehrte sie ins Büro zurück und setzte sich wieder auf den Stuhl, öffnete die Dose und nahm einen großen Schluck.

Sie tippte mit dem Fuß auf den Boden, wartete und hoffte auf gute Neuigkeiten bezüglich ihres Wagens. Den SUV hatte sie von ihrer Tante Joy geschenkt bekommen. Er war gebraucht, weil Joy gewusst hatte, dass Halley nichts Teures annehmen würde. Sie hatte ihr schon das Strandhaus gekauft. Weil Tante Joy versuchte, ihre Nichte zu kaufen. Es war gar nicht böse gemeint, sondern schlicht und ergreifend die einzige Möglichkeit, die jemand mit viel Geld kannte, um sicherzustellen, dass zwischen ihnen alles gut, einfach und normal war. Und was hätte Halley denn anderes tun sollen, als es dankbar anzunehmen und zu versuchen zu sein, was ihre Tante haben wollte?

Doch Halley fühlte sich nicht normal. Sie fühlte sich nicht wie alle anderen. Das Leben hatte ihr übel mitgespielt, und sie klammerte sich an den Schmerz, weil er das Einzige war, was sie je gekannt hatte. Zumindest bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr, als Tante Joy auftauchte und sie aus ihrer letzten Pflegefamilie praktisch gerettet hatte. In der sie nach dem traumatischen Erlebnis mit den Smiths gelandet war. Hier war zwar nicht das Schlimmste passiert, aber dennoch Schlimmes. Und obwohl Halley wusste, dass sie ihrer Tante dankbar sein sollte – was sie auch war –, so wünschte sich doch das Kind in ihr, dass Joy sie und Phoebe schon früher ausfindig gemacht hätte.

Sie wollte nicht, dass Tante Joy für etwas büßen musste, das außerhalb ihrer Kontrolle lag. Sie wusste nur einfach nicht, wie sie eine andere sein konnte. Sie war von Natur aus eine Einzelgängerin, und Tante Joy und Halleys ältere Schwester Phoebe waren das nicht. Aber Halley wollte sich jetzt nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen.

Sie schaute sich um, sah die ramponierten beigen Wände, die Spielzeugautos und -lastwagen im Regal, eine halb tote Zimmerpflanze in einem anderen. Ihr fiel auf, dass Joe noch nicht wiedergekommen war, und fuhr damit fort, mit dem Fuß auf den Boden zu tippen.

Aus ihrer Handtasche erklang das Klingeln ihres Telefons, was ihr etwas zu tun gab. Sie kramte es heraus und sah, dass es sich bei dem Anrufer um Phoebe handelte. Sie nahm den Anruf entgegen, und fragte sich gleichzeitig, was ihre Schwester wohl von ihr wollte. Phoebe, die als Immobilienmaklerin arbeitete, war um diese Uhrzeit normalerweise damit beschäftigt, den Reichen und Gefragten Häuser zu zeigen.

»Hallo?«

»Hi Halley! Weißt du was?«

»Nee, was denn?« Halley hatte absolut keine Ahnung.

»Ich habe das alte Callahan-Anwesen verkauft!«, erklärte ihre Schwester und meinte damit die riesige Villa außerhalb der Stadt, die leer stand, seit deren Besitzerin, eine ältere Frau, vor fünf Jahren verstorben war. Die Erben hatten absurde Preisforderungen gestellt, zumindest laut Phoebe, weshalb das Gebäude bis jetzt verfügbar geblieben war.

»Das ist ja fantastisch!« Halley freute sich für ihre Schwester. »Ein Riesenerfolg!« Nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern Phoebe war auch etwas gelungen, wozu keiner ihrer konkurrierenden Kollegen in der Lage gewesen war.

»Danke! Wir wollen ausgehen, um das zu feiern. Dinner und Drinks im Blue Wall. Tante Joy hat angeboten, solange auf Jamie aufzupassen«, sagte Phoebe über ihren elfjährigen Sohn.

»Warte mal. Was?« Schlagartig kehrten Halleys Gedanken zu dem zurück, was ihre Schwester eben gesagt hatte. Wir gehen aus. »Ich komm nicht mit. Du willst doch bestimmt mit Nate und den Leuten aus deinem Büro feiern.« Sie nannte Phoebes Kumpel und jeden anderen, der ihr gerade einfiel, mit dem ihre Schwester etwas zu tun hatte, damit sie sich nicht an der Sache beteiligen musste.

Sie wollte heute Abend nicht ausgehen. Sie wollte nie ausgehen. Besonders nicht ins Blue Wall, wo sie zwar ein nettes Dinner in dessen Restaurantbereich haben könnten, hinterher aber zwangsläufig im Barbereich landen würden. Und Halley mochte keine großen Menschenmengen und Kerle, die krampfhaft versuchten sie anzubaggern.

»Ich werde nicht …«

»O doch, du wirst! Ich bin um sieben bei dir. Ich fahre«, unterbrach sie ihre Schwester, und Halley erkannte den Tonfall in ihrer Stimme. Sie waren vielleicht nicht zusammen aufgewachsen – da man sie in unterschiedliche Pflegefamilien gesteckt hatte –, doch sie hatten danach genug Zeit miteinander verbracht, um Halley klarzumachen, dass Phoebe jetzt kein Nein akzeptieren würde.

Halley unterdrückte die in ihr aufkeimende Unruhe und gab nach. »Okay. Aber nur, weil du dir wirklich eine Feier verdient hast.« Sie würde sich einen Ruck geben und es einfach versuchen. Und später würde ihr auch schon noch ein Vorwand einfallen, um sich direkt nach dem Dinner wieder aus dem Staub zu machen.

»Prima. Zieh dir was Schickes an«, sagte ihre Schwester. »Muss jetzt los. Hab dich lieb, tschüss!«

»Hab dich auch lieb«, murmelte Halley, hörte jedoch nur noch den Ton des Freizeichens.

Obwohl sie zu etwas gedrängt wurde, das sie nicht wollte, lächelte sie, denn sie freute sich wirklich für ihre Schwester.

»Gute Neuigkeiten?«, fragte Kane genau in dem Augenblick, als sie merkte, dass er ins Büro gekommen war und anscheinend auf das Ende ihres Telefonats gewartet hatte.

»Meine Schwester hat ein Haus verkauft und ist deshalb völlig aus dem Häuschen.«

Er grinste, was ihm gut stand. »Toll!«, sagte er, während er sich die Hände an einem Lappen abwischte.

Wie konnte ein Mann eigentlich dermaßen sexy aussehen, der etwas dermaßen Simples tat? Diese Frage schoss ihr durch den Kopf, als sie den Anblick seiner starken Unterarme und maskulinen Hände auf sich wirken ließ. Sie sog den Anblick förmlich in sich auf und hoffte, dass er nicht merkte, dass sie ihn regelrecht angaffte.

»Was ist mit meinem Wagen?«, erkundigte sie sich mit ein bisschen rauer Stimme. Sie hoffte auf gute Neuigkeiten für sich.

»Die Benzinpumpe ist kaputt. Ich muss eine neue bestellen. Ich hab da angerufen, aber leider wird das ein paar Tage dauern, vermutlich kriegen wir sie erst nach dem Wochenende.« Er warf ihr einen bedauernden Blick zu.

Sie seufzte. »Okay, na gut. Danke, dass du dich darum kümmerst. Ich werd meine Schwester anrufen, damit sie mich abholt und nach Hause fährt.«

»Ich kann dich auch fahren«, meinte er, womit er sie völlig überrumpelte.

Sie schüttelte den Kopf. »Du musst dir wirklich nicht mehr Arbeit machen.«

Lässig zuckte er mit der Schulter. »Das macht mir wirklich nichts aus. Lass mich nur noch kurz raufgehen und mir Gesicht und Hände waschen, dann können wir auch schon los.«

»Rauf?«

»Ich lebe in der Wohnung über der Werkstatt«, erklärte er. »Bin sofort wieder zurück.«

»Hmm, okay.« Sie stimmte gerade wieder etwas zu, von dem sie nicht glaubte, dass sie es wollte – schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten.

Doch das war eine Lüge. Denn als sie Kane dabei zusah, wie er mit großen Schritten das Büro verließ – sein muskulöser und trotzdem schlanker Körper war ein Anblick, den sie einfach nicht ignorieren konnte –, stellte sie etwas fest: Zum allerersten Mal in ihrem Leben gab es etwas, das sie begehrte.

Sie begehrte Kane Harmon.

KAPITEL 2

Kane fuhr Halley zu ihrem Cottage am Strand. Als sie in der Nähe ihres Hauses waren, brauchte er dann allerdings eine Wegbeschreibung, weil er nicht genau wusste, wo sie wohnte. Während der Fahrt war sie still, und er ließ sie in Ruhe, hauptsächlich weil er nicht vorhatte, sie einfach nur abzusetzen und sich danach sofort wieder aus dem Staub zu machen. Er hatte, während er sich im Obergeschoss frisch gemacht hatte, ziemlich viel über diese rätselhafte Frau nachgedacht und ob er sich wirklich die Mühe machen wollte, ihr hinterherzulaufen.

Normalerweise musste er sich nicht besonders anstrengen, um eine Frau ins Bett zu bekommen. Er war kein Angeber, aber seitdem er sein Interesse für das andere Geschlecht entdeckt hatte, waren die Frauen stets bereitwillig und freiwillig mit ihm mitgegangen. Er hatte noch nicht viele lange Beziehungen geführt – vor allem, weil ihn keine Frau lange interessiert hatte –, aber jetzt war er bereit dafür. Seine Eltern hatten eine gute Ehe geführt, trotz der Schwächen seines Vaters. Seine Mutter hatte das Spielen hingenommen, vermutlich weil es zu ihren Lebzeiten noch nicht ganz so schlimm gewesen war und sie seine Sucht in Schach halten konnte. Und auch wenn Kane die Richtige noch nicht gefunden hatte, so hätte er das doch gerne gewollt.

Natürlich hatte er mit seiner eigenen Familie schon genug zu tun. Seinen Vater musste er ständig auf Kurs halten, und auf das Kind seiner Schwester musste er ebenfalls so weit wie möglich ein Auge haben.

Als er an Halleys Cottage ankam – eine Bezeichnung, die für viele Häuser in der Gegend galt –, erkannte er, dass sie eigentlich unzutreffend war. Er ließ das großartige Gebäude auf sich wirken. Im Hintergrund plätscherte das Wasser, und eine umlaufende Veranda verband deren traumhaften Eingangsbereich mit der auf der Rückseite des Hauses sichtbaren hinteren Veranda. Das ungeheure Ausmaß des Reichtums von Halleys Familie beeindruckte ihn.

Es kümmerte ihn aber auch nicht weiter, jedenfalls nicht in der Art, dass sie deshalb vielleicht eine Nummer zu groß für ihn sein könnte. Was eigentlich merkwürdig war, wenn man bedachte, was damals mit Liza passiert war. Sie hatten sich im Sommer kennengelernt und auch Sex miteinander gehabt. Er hatte geglaubt, sie wäre an etwas Ernstem interessiert, letztendlich hatte sie ihn jedoch fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, als ihr Strandurlaub zu Ende ging. Amüsiert hatte sie dann auch noch gemeint, er habe doch wohl nicht ernsthaft geglaubt, sie würde ausgerechnet mit einem Autoschrauber zusammenbleiben. Seitdem machte er einen großen Bogen um die Saisonurlauberinnen. Frauen, die genau die Art von Haus mieteten, wie Halley es in den heißen Monaten Juli und August bewohnte. Sie dagegen war nicht im Mindesten hochnäsig, weder aufgrund ihres Geldes noch ihres familiären Status, deshalb verbannte er diese Gedanken ganz schnell wieder aus seinem Kopf.

Nichts war wirklich wichtig außer, dass die Chemie stimmte und dass ein Mensch aufrichtig war. Zumindest war das seine Meinung. Allerdings hatte er das noch nie bei einer der Sommerurlauberinnen gefunden. Halleys Verhalten dagegen war kein bisschen aufgesetzt, trotz ihrer Skepsis gegenüber anderen Menschen. Sie hatte keinerlei Allüren. Deshalb lautete seine Antwort Ja – auch wenn er sie nicht gut kannte, wollte er sich dennoch um sie bemühen.

Er parkte seinen Wagen – einen klassischen königsblauen Camaro – und stieg aus. Er wollte ihr zuvorkommen und ihr die Wagentür öffnen oder sie zumindest auf ihrer Seite abholen.

Ihre Beine hatte sie bereits aus dem Auto geschwungen, richtete sich gerade auf, wobei sie ihn mit einem verwirrten Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht ansah. »Was machst du da?«

»Ich begleite dich bis zu deiner Haustür«, erwiderte er mit seinem charmantesten Lächeln.

»Aber … das hier ist kein Date. Du setzt mich nur zu Hause ab, nachdem du mir einen Gefallen getan hast.«

»Klar, aber mein Vater hat mich eben zu einem Gentleman erzogen. Und ein Gentleman begleitet eine Lady immer bis zu ihrer Haustür.«

Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. Sie war auf der Hut, und das sollte sie auch, weil er nämlich nicht vorhatte, sie einfach auf ihrer Eingangsveranda zurückzulassen und dann wieder zu gehen. Zumindest nicht, wenn sich das irgendwie vermeiden ließe.

»Dein Haus ist toll. Wohnst du schon lange hier?«, fragte er, während sie die Kiesauffahrt und den von Pflanzen gesäumten gepflegten Pfad hinaufgingen, der zur Haustür führte.

»Ja. Und nein.« Sie zögerte einen Moment, aber dann begann sie zu erzählen. »Meine Tante hat das Haus vor fünf Jahren gekauft. Damals wohnte ich noch mit meiner Schwester im Gäste-Cottage auf dem Anwesen, auf dem auch das Haupthaus der Familie steht.«

Sie ging nicht näher darauf ein, wo genau das war. Aber in Rosewood kannten ohnehin alle das Ward-Anwesen, und offensichtlich war ihr das auch bewusst.

»Also bist du dann hier eingezogen?«, fragte er weiter.