Love not Lost - Grenzenlos - Carly Phillips - E-Book

Love not Lost - Grenzenlos E-Book

Carly Phillips

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Beschreibung

Vier starke Frauen – und attraktive Männer, die sie schwach werden lassen: Die neue Reihe der Bestsellerautorin Carly Phillips

Die Immobilienmaklerin Phoebe Ward ist früh Mutter geworden und zieht ihren Sohn mithilfe ihrer Tante groß. Aufgewachsen in Pflegeheimen musste sich Phoebe damals von dem Vater ihres Kindes trennen. Jahrelang hat sie versucht, Jack Nichols wiederzufinden, aber ohne Erfolg ... bis sie ihm eines Tages in Rosewood Bay gegenübersteht. Der Bauunternehmer arbeitet an demselben Projekt wie Phoebe und ist ein äußerst attraktiver Mann geworden. Und auch Phoebe ist noch anziehender als Jack sie in Erinnerung hat. Bekommen die beiden nach all den Jahren die Chance auf ein Happy End?

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Seitenzahl: 261

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Das Buch

Phoebe griff in ihre Strandtasche und holte Sonnencreme heraus. Dann begann sie sich einzucremen und war sich dabei Jakes Blick bewusst, während sie sich über ihre Arme und Beine fuhr und die weiße Lotion einrieb.

»Brauchst du Hilfe?«, fragte er.

»Klar. Kannst du mir den Rücken eincremen?« Sie reichte ihm die Flasche, drehte sich um und strich sich das Haar aus dem Nacken.

Mit seinen großen Händen trug er die kühle Lotion auf ihren Nacken auf, verrieb sie auf ihrer Haut, bevor er mit ihren Schultern weitermachte. Die Berührung seiner Finger fühlte sich gut an, und sie unterdrückte ein Stöhnen angesichts der Gefühle, die sie dabei durchströmten. Seine Hände glitten hinunter zu den seitlichen Durchbrüchen ihres Badeanzugs, sanft strichen seine Finger über ihre nackte Haut und bewegten sich dann weiter.

Die Autorin

Carly Phillips, eine New-York-Times- und USA-Today-Bestsellerautorin, hat über 50 prickelnde Liebesromane geschrieben, mit heißen Männern, starken Frauen und den emotional fesselnden Geschichten, die ihre Leser*innen inzwischen erwarten und lieben. Sie ist glücklich verheiratet mit ihrer Collegeliebe, hat zwei fast erwachsene Töchter und drei verrückte Hunde, die auf ihrer Facebook-Fan-Page und ihrer Website zu bewundern sind. Carly Phillips liebt die sozialen Medien und steht in engem Kontakt mit ihren Leser*innen.

Lieferbare Titel

978-3-453-87765-8 – Der Tag der Träume

978-3-453-58021-3 – Mach mich nicht an!

978-3-453-58045-9 – Geht’s noch?

978-3-453-49108-3 – Für eine Nacht

978-3-453-40939-2 – Ich will doch nur küssen

978-3-453-40957-6 – Ich will nur dein Glück

978-3-453-40958-3 – Ich will ja nur dich!

978-3-453-41066-4 – Küss mich später

978-3-453-41068-8 – Liebe auf den ersten Kuss

978-3-453-41069-5 – Ein Kuss zu viel

978-3-453-41838-7 – Summer Nights

978-3-453-41842-4 – Wer nicht wagt, der liebt nicht

978-3-453-41857-8 – Einmal berührt ist fast gar nicht verführt

978-3-453-41856-1 – Gelegenheit macht Sehnsucht

978-3-453-41976-6 – Keine Verpflichtungen, nur Liebe

978-3-453-41977-3 – Lieben und lieben lassen

978-3-453-41985-8 – Im Zweifel für die Liebe

978-3-453-41986-5 – Aller Anfang ist küssen

978-3-453-41988-9 – Einmal und immer wieder

978-3-453-41989-6 – Liebe nicht ausgeschlossen

978-3-453-58052-7 – Sexy Dirty Touch

978-3-453-58053-4 – Sexy Dirty Pleasure

978-3-453-58054-1 – Sexy Dirty Desire

978-3-453-58063-3 – Sexy Dirty Game

978-3-453-41814-1 – Küss mich, Kleiner!

CARLY PHILLIPS

LOVE

not

LOST

Grenzenlos

Aus dem Amerikanischen von Anu Katariina Lindemann

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Die Originalausgabe Breathe (Rosewood Bay 2) erschien erstmals 2018 bei CP Publishing, West Harrison, New York

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 07/2022

Copyright © 2018 by Karen Drogin, CP Publishing

Copyright © 2022 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Barbara Häusler

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (white snow, Galina Timofeeva)

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-26239-6V002

www.heyne.de

KAPITEL 1

Phoebe Ward flitzte in der Küche herum und machte sich für den Tag fertig. Wie üblich wurde sie von Terminen geradezu überschwemmt, die zwischen das Zur-Schule-Bringen-und-Abholen ihres Sohnes gequetscht wurden. Da es Ende Juni war, standen die Sommerferien kurz bevor. Dann würde sie einen Schalter umlegen und ihn morgens immer fürs Tagescamp fertig machen.

»Jamie, komm endlich nach unten zum Frühstücken oder du verspätest dich noch!«, rief sie, damit er einen Zahn zulegte. Nach ihrer Berechnung hatten sie fünfzehn Minuten, um zu frühstücken, dann mussten sie sich auch schon auf den Weg zur Schule machen.

»Bin schon da!«, rief er, während er in die Küche geschlittert kam. Er trug einen marineblauen Kapuzenpulli, eine schwarze Trainingshose und Sneakers. Und roch, als hätte er in Axe gebadet. Der Geruch – eine Mischung aus Zitrus und Pfefferminze – war beißend penetrant, blockierte augenblicklich ihre Nasengänge und verdarb ihr jeglichen Appetit.

Sie atmete durch den Mund ein. »Was habe ich dir über das Vollsprühen mit Axe vor der Schule gesagt?«

Mit Unschuldsmiene schaute er sie an. »Hab ich doch gar nicht. Du hast gesagt, dass ich duschen soll, und das hab ich gemacht.«

Also in dem Duschgel gebadet und das Ganze anschließend mit dem dazugehörigen Deo gekrönt. Na toll. Seine Lehrerin würde jedenfalls höllische Kopfschmerzen bekommen, wenn alle Kinder im Klassenzimmer so stanken.

»Ich rieche wie ein Mann!«, verkündete Jamie frech grinsend.

Sie verkniff sich ein Lachen. »Du riechst wie irgendwas«, murmelte sie. »Iss jetzt deine Eier. Wir müssen uns beeilen. Ich habe heute früh noch einen Termin.«

Er setzte sich auf einen Stuhl und begann sich das Essen in den Mund zu schaufeln. »Verkaufst du heute ein Haus?«, fragte er und warf einen Blick auf ihr Businesskostüm, das sie an Tagen trug, an denen sie Termine mit Kunden hatte.

»Kauen und runterschlucken, bevor du redest«, ermahnte sie ihn. »Zuerst treffe ich mich mit einem neuen Bauunternehmer bei Celestes Haus«, berichtete sie über ihre gute Freundin Celeste Renault, die nach New York City gezogen war. »Sie will ihr altes Haus verkaufen, und ich soll die Renovierungsarbeiten beaufsichtigen. Und heute Nachmittag habe ich noch eine Hausbesichtigung, bevor ich dich von der Schule abhole.

»Cool!« Er nahm zwei große Bissen Toast und trank in riesigen Schlucken seinen Orangensaft aus. »Fertig!« Mit dem Ärmel wischte er sich den Mund ab. Sie seufzte.

»Du hast aufgegessen. Hühnchen aus dem Ofen sind fertig«, korrigierte sie seine Wortwahl. »Pack jetzt deinen Rucksack und dann nichts wie los!«

Er nahm seinen Teller, brachte ihn zum Spülbecken, ließ Wasser darüber laufen und stellte ihn dann in die Geschirrspülmaschine. Er war ein Junge mit all den für Jungs in seinem Alter typischen skurrilen Angewohnheiten, aber er war ein gutes Kind. Und in Anbetracht der Tatsache, dass sie ihn bereits mit sechzehn bekommen und danach praktisch allein großgezogen hatte – mit ihrer Tante Joy und ihrer Schwester Halley als einziger Unterstützung –, konnte sie sich glücklich schätzen, dass sie beide es eigentlich ganz gut hinbekommen hatten.

Sie lächelte, während er herumwuselte und seine Tasche packte, was er eigentlich schon gestern Abend hätte erledigen sollen. »Immer mit der Ruhe und geh auf Nummer sicher, dass du nichts vergisst.«

»Mach ich. Bin fertig.«

Sie schnappte sich ihre Schlüssel und beschloss, sich später unterwegs einen Kaffee zu holen. Dann gingen sie aus der Tür.

Sie setzte Jamie bei der Schule ab, winkte zum Abschied und schaute ihm nach, bis er sicher im Gebäude verschwunden war. Danach hielt sie kurz bei Grace’s Coffee Shop, um sich einen Vanilla Latte zu besorgen, den sie auf dem Weg zu Celestes Haus trank. Es handelte sich um ein großes Anwesen, das sich nach seiner Renovierung für einen stolzen Preis verkaufen ließe. Phoebe fuhr in die Einfahrt, in der bereits ein Ford F-150 parkte. Der Fahrer war nirgends zu sehen, und sie stieg aus ihrem Wagen.

Später am Tag hätte sie mit mehr Trucks und arbeitenden Männern gerechnet. Vorne an der Einfahrt stand schon der Müllcontainer für alles, was man herausreißen würde, bereit. Celeste hatte sowohl dem Bauunternehmer als auch Phoebe einen Schlüsselbund gegeben, doch diese brauchte ihn gar nicht, weil die Tür einen Spaltbreit offen stand. Sie schob sie mit dem Fuß weiter auf, ging ins Haus und schloss dann die Tür hinter sich.

Mit Master’s Construction hatte sie zuvor noch nie zusammengearbeitet, da die Firma außerhalb ihrer Heimatstadt Rosewood Bay ansässig war. Laut Celeste hatten sie solide Referenzen und deshalb den Zuschlag erhalten. Heute würde Phoebe zum ersten Mal den zuständigen Bauunternehmer treffen. Celeste wollte ein weiteres Augenpaar vor Ort haben, wenn sie selbst schon nicht da sein konnte.

»Hallo?«, rief Phoebe.

»Hier drin!«, hörte sie eine männliche Stimme antworten, die aus dem hinteren Teil des Hauses zu kommen schien.

Sie folgte dem Klang und bemerkte schließlich einen Mann, der gerade telefonierte und ihr den Rücken zuwandte. Er war groß, gut gebaut, mit definierten Muskeln, und sie ließ den Anblick auf sich wirken. Was für einen Hintern er hatte! Einen knackigen Arsch in ausgewaschenen Jeans.

Ungeniert gaffte sie ihn an, ihr Blick wanderte seine schlanke Taille hinauf und über seine breiten Schultern. Sein dunkles Haar war kurz und pechschwarz, genau die Farbe, die sie bei Männern so gerne mochte. Er trug ein hellblaues, durchgeknöpftes Hemd, die Ärmel waren hochgekrempelt, was seine sexy Unterarme zum Vorschein brachte.

Und dann drehte er sich zu ihr um, hob einen Finger, um ihr damit zu verstehen zu geben, dass er noch einen Moment zum Telefonieren bräuchte. Allerdings achtete sie gar nicht darauf, denn ein einziger Blick auf sein attraktives Gesicht genügte, um sie erstarren zu lassen. Er war erwachsener, als sie ihn in Erinnerung hatte, sah aber genauso gut aus wie damals.

Im Gegenzug riss er bei ihrem Anblick die strahlend blauen Augen auf.

Sie sah nicht einfach einen Fremden an, sondern starrte in die verblüfften Augen des Vaters ihres Sohnes – einen Mann, den sie schon, bevor sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr, nicht mehr gesehen hatte.

»Jake?«, flüsterte sie und konnte nicht fassen, dass sie gerade im selben Raum mit ihrer ersten großen Liebe stand. Ihrem ersten Ein und Alles.

»Ich ruf dich zurück«, sagte er ins Telefon und unterbrach die Verbindung. »Phoebe? Verdammt, bist du das wirklich?«, fragte er und klang dabei genauso verblüfft, wie sie es war. Seine Stimme war noch die gleiche, wenn auch etwas tiefer und unendlich sexyer.

»Du bist Master’s Construction?« Sein Nachname war Nichols. Wahrscheinlich arbeitete er für die Firma, aber bei seinem Anblick war sie wie betäubt, weshalb ihr diese dämliche Bemerkung herausrutschte.

»Ich bin für das Projekt hier verantwortlich«, erwiderte er und wies mit der Hand um sich.

»Aber Master’s Construction hat seinen Sitz doch in Thornton.« Phoebe meinte damit die Nachbarstadt von Rosewood Bay. »Das heißt, dass du die ganze Zeit in der Nähe warst?« Sie konnte es immer noch nicht fassen.

»Sieht ganz so aus«, erwiderte er und verschlang sie förmlich mit seinen Blicken.

»Wow.« Nach Jamies Geburt hatte sie ihn unbedingt finden wollen. Ihre Tante hatte versucht, ihn ausfindig zu machen, aber ohne Erfolg. Ihr Privatdetektiv war in eine Sackgasse geraten, nachdem er herausfand, dass Jake das Heim verlassen hatte, in das er zur Strafe gesteckt worden war, nachdem man ihn mit Phoebe im Bett erwischt hatte.

»Setzen wir uns doch«, schlug sie vor. Er griff nach ihrem Ellenbogen und führte sie zum nächsten Sofa, seine Berührung brannte sich förmlich durch ihre Kostümjacke.

Sie ließ sich nieder, und er nahm neben ihr Platz, viel zu nah und doch viel zu weit entfernt.

»Phoebe, o mein Gott, du siehst großartig aus«, stellte er fest, sein Gesichtsausdruck war freundlich, seine Stimme klang heiser, was sie daran erinnerte, dass er heute kein Junge mehr war, sondern ein Mann. Er wandte den Blick nicht von ihren Augen, als fürchtete er, sie würde sich in Luft auflösen, sobald er blinzelte.

Bei dem Kompliment brannten ihre Wangen, was bei ihr als blasser Blondine natürlich immer besonders auffiel. »Danke. Du siehst aber auch ziemlich gut aus.«

Ein Lächeln brachte seinen Mundwinkel zum Zucken und das Grübchen zum Vorschein, an das sie sich noch gut erinnern konnte.

Er war reifer geworden, seine kantigen Gesichtszüge waren definierter, seine Lippen voll. Ihr war, als würde sie geradewegs in die Augen ihres Sohnes blicken, als sähe sie sein zukünftiges, erwachsenes Ich. Bei dem Gedanken machte sich Panik in ihr breit.

»Was hast du all die Jahre gemacht, in denen wir uns nicht gesehen haben?«, fragte er und lehnte sich vor. Offensichtlich wollte er Versäumtes nachholen.

Ich habe dein Kind großgezogen, schoss es ihr durch den Kopf, und sie kämpfte gegen aufkommende Hysterie an. Sie musste ihm auf jeden Fall erzählen, dass er einen Sohn hatte, konnte aber auch nicht einfach so mit der Tür ins Haus fallen. Schließlich wusste sie rein gar nichts über sein Leben.

War er verheiratet? Ihr Blick wanderte zu seinem Ringfinger, aber keine Spur von einem Ring. Was allerdings nichts zu bedeuten hatte. Er könnte sich schließlich entschieden haben, keinen zu tragen. Oder er war unverheiratet, hatte aber eine feste Freundin. Oder Kinder.

Ihre Gedanken rasten. Sie brauchte definitiv mehr Zeit, um in Ruhe über alles nachdenken zu können. Um sich zu überlegen, wie sie es ihm schonend beibringen und ihm erklären könnte, dass sie ihn nicht absichtlich ausgeschlossen hatte.

»Phoebe?« Er stupste sie an, weil sie schon seit geraumer Zeit nichts mehr gesagt hatte.

»Ich arbeite als Immobilienmaklerin«, erzählte sie. »Deshalb hat mich Celeste auch damit betraut, ein Auge auf die Arbeiten an ihrem Haus zu haben.«

Er nickte verstehend.

»Und was ist mit dir? Was hast du die ganze Zeit so getrieben?«, fragte sie.

»Ich bin im Baugewerbe gelandet, nachdem … na ja, ich bin einem Typen begegnet, der mich unter seine Fittiche genommen und mir alles beigebracht hat, was er weiß.« Er rollte seine breiten Schultern nach hinten, und in seiner Stimme schwang Stolz mit.

»Das ist gut«, murmelte sie, unsicher, was sie sonst sagen sollte.

Sie schwiegen. Small Talk fühlte sich irgendwie unangebracht an, angesichts der Bedeutung des Geheimnisses, das ihr auf dem Herzen lag. »Hmm … hör mal, ich muss jetzt los. Ich habe etwas Papierkram vergessen, den ich für einen Termin heute Nachmittag noch erledigen muss. Soll ich mit dir einen Rundgang durchs Haus machen, bevor ich gehe?«

Er kniff die Augen zusammen, offenbar verwirrt über ihre plötzliche Eile aufzubrechen, schüttelte jedoch den Kopf. »Ich bin startklar. Ich warte heute Morgen nur auf die Jungs, die die Küche renovieren sollen, und am Nachmittag auf die Leute, die fürs Bad zuständig sind.«

»Okay, gut. Dann lass ich dich jetzt mal.« Sie erhob sich, begierig nach frischer Luft. »Ich komm in ein paar Tagen wieder vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.«

Damit ging sie in Richtung Eingangstür, bereit, sich schnell aus dem Staub zu machen.

»Phoebe?«, rief er, seine Stimme klang zu nah.

Sie drehte den Kopf und warf einen Blick über ihre Schulter. Er war aufgestanden und kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu, als wollte er sie daran hindern zu gehen. Groß und beeindruckend, einfach umwerfend, dachte sie. Sie hatte das Gefühl, diese hellblauen Augen könnten geradewegs in ihre Seele blicken.

»Ja?«, fragte sie.

Er schenkte ihr ein herzliches, bezauberndes Lächeln. »Es ist schön, dich wiederzusehen«, sagte er, und es klang aufrichtig.

Sein tiefer Tonfall durchrieselte sie auf eine Weise, die etwas absolut Sexuelles hatte. O Gott. Also hatte sich auch daran nichts geändert. Sie war immer noch empfänglich für ihn.

»Gleichfalls«, flüsterte sie. Dann drehte sie sich wieder um, um zu gehen. Allerdings spürte sie seine Blicke in ihrem Rücken, als sie aus dem Haus hastete, als stünde es in Flammen.

***

»Was zur Hölle ist da eigentlich gerade passiert?« Jake Nichols rieb sich den Kiefer, während er der davoneilenden Phoebe hinterherstarrte. Ihre Hüften schwangen in ihrem taillierten, cremefarbenen Rock und der Anzugjacke, genau wie ihr seidig glänzender, hellblonder Pferdeschwanz hinter ihr her tanzte.

Als er ihr gegenübersaß, hatte er festgestellt, dass sie erwachsener geworden war. Und immer noch wunderschön. Aber die Frau, die er einst so gut gekannt hatte, war heute eine Fremde für ihn. Und sie war vor ihm weggerannt, als hätte er die Pest.

Sie wiederzusehen war eine absolute Überraschung gewesen. Er hatte geglaubt zu träumen. In den Jahren, in denen er sich alle möglichen Wiedersehens-Szenarien ausgemalt hatte, war ihm dabei nie in den Sinn gekommen, dass sie Angst vor ihm haben könnte. Und doch war es offensichtlich gewesen, dass sie so schnell wie möglich wegwollte.

Er fuhr sich durchs Haar, ihm war ganz flau im Magen. Phoebe war für ihn immer die Eine gewesen. Ja, sie waren jung und ganz schön blöd gewesen, aber selbst damals hatte er gewusst, dass er nie wieder so eine wie sie finden würde.

Das war ihm klar geworden, als man sie zusammen erwischt hatte und er den Kopf für sie beide hinhielt – das Problemkind verführt das unschuldige Mädchen und bringt es in Schwierigkeiten. Er hatte ihr keine Vorwürfe gemacht, obwohl nur er daraufhin in ein Heim gesteckt worden war. Die Dawsons waren seine letzte Chance auf eine gute Familie gewesen, und diese Chance hatte er vermasselt, genauso wie bei allen anderen Familien auch, bei denen er vorher gewesen war. Und genauso bei seiner alleinerziehenden Mutter, die nicht mit ihm fertiggeworden war. Keiner wollte ihn mehr, nachdem er es auch dieses Mal verbockt hatte, und dafür hatte er bezahlt.

Als er zu den Dawsons kam, war Phoebe schon eine ganze Weile dort gewesen. Die Pflegefamilie war eine der besseren, aber er war ein zu großer Scheißkerl gewesen, um das zu kapieren.

Nur Phoebe war in der Lage, die Wut zu besänftigen, die damals in ihm loderte. Sie war sein einziger Lichtblick in der Zeit, in der das Jugendamt die Vormundschaft über ihn hatte. Phoebe war klug, fleißig und witzig, und sie hatte versucht, ihn im Zaum zu halten, aber nicht einmal für sie war er in der Lage gewesen, sich zusammenzureißen. Nachts hatten sie nebeneinander im Bett gelegen und geredet, nachdem alle anderen im Haus bereits schlafen gegangen waren. Sie hatte über eine gemeinsame Zukunft fantasiert; hätte er sich doch bloß verdammt noch mal nie dazu hinreißen lassen, ihr zu glauben.

Sie zu verlieren hatte unheimlich wehgetan. Anschließend war er völlig außer Kontrolle geraten und hatte sich nach dem letzten Heimaufenthalt sogar in noch größere Schwierigkeiten gebracht. Er dachte nicht gerne an diese Zeit zurück. Stattdessen konzentrierte er sich lieber auf das Hier und Jetzt. Und die Gegenwart war ja auch ziemlich gut.

Er ließ den Blick über das große Anwesen schweifen. Als er den Job annahm, hatte er nicht geahnt, dass das Phoebe wieder zurück in sein Leben bringen würde. Aber so war es.

Vielleicht war sie ja vor ihm weggelaufen, aber dieses Mal wusste er, dass er sie wiedersehen würde. Er könnte herausfinden, was ihr widerfahren war und was sie erlebt hatte, seitdem sie getrennt worden waren. Und hoffentlich mehr darüber erfahren, was für eine Frau sie geworden war.

***

Phoebe raste aus Celestes Einfahrt und fuhr nach Hause. Ihr war flau im Magen, Panik erfüllte sie. Sie steuerte in die kreisförmige Einfahrt des Anwesens, wo sie mit Jamie das Gästehaus bewohnte, und hielt vor dem Haupthaus, in dem ihre Tante Joy wohnte. Ihre Hände zitterten immer noch. Sie musste sich erst wieder beruhigen, bevor sie reinging und Joy die Neuigkeiten mitteilte. Dass sie Jake damals nicht hatte ausfindig machen können, er ihr heute aber wie aus heiterem Himmel über den Weg gelaufen war.

Doch so sehr sie selbst ihn damals auch hatte finden und ihm von seinem Sohn erzählen wollen, so sehr fürchtete sie sich jetzt davor. Jamie war jetzt elf, fast zwölf. So viele Jahre waren in der Zwischenzeit vergangen. Mit welchem Recht könnte sie sein Leben jetzt einfach dermaßen auf den Kopf stellen? Andererseits: Wieso nicht?

Sie erinnerte sich noch an ihre erste Begegnung mit Jake, als wäre es gestern gewesen. Trotz der vielen Jahre, die Phoebe in Pflegefamilien verbracht hatte, weit weg von ihrer eigenen, hatte sie ihre positive Einstellung zum Leben nie verloren, auch dank der Familien, die sie bei sich aufgenommen hatten. Ein einziger Blick auf den Bad Boy, der zu den Dawsons gekommen war, hatte genügt, und sie hatte sich Hals über Kopf in ihn verknallt. Sie hatte geglaubt – so wie nur ein junges Mädchen glauben konnte –, ihm helfen zu können, und sich schrecklich schuldig gefühlt, als nur er bestraft wurde und die Dawsons verlassen musste. Heute machte er allerdings den Eindruck, in seinem Leben danach alles richtig gemacht zu haben, auch wenn sie keine Einzelheiten über die letzten Jahre kannte.

Ein plötzliches Klopfen an ihrem Wagenfenster ließ sie zusammenzucken, und ihr entfuhr ein Schrei. Als sie aufschaute, sah sie ihre Tante, die neben dem Wagen stand und sie merkwürdig anschaute.

»Alles okay bei dir?«, fragte Joy.

Phoebe blickte in die grünen Augen ihrer Tante und nickte.

Sie stieß die Luft aus und schaltete den Motor ab, dann stieg sie aus dem Wagen. »Tut mir leid. Ich brauchte noch eine Minute, bevor ich reinkomme.« Sie sah ihre Tante an, die einen Hosenanzug trug, ihr blonder Bob glänzte seidig, und sie war wie immer top frisiert, in der Hand hielt sie ihre Tasche.

»Bist du gekommen, um mich zu sehen? Ich wollte nämlich mit einer Freundin Mittag essen gehen, bin aber früh dran und hab noch Zeit.«

Phoebe nickte. »Hast du auch genug Zeit, um noch mal reinzugehen und zu reden?«

Joys Gesichtsausdruck wurde sanfter. »Aber natürlich! Ich ruf nur schnell meine Freundin an, dass wir uns ein bisschen später treffen.«

Das war typisch für sie, sie nahm sich immer Zeit für ihre Nichte. Genauso wie sie auch ihr ganzes Leben umgekrempelt und sich der Herausforderung gestellt hatte, Phoebe dabei zu helfen, sich um ihr kolikengeplagtes Baby zu kümmern. Diese ersten langen Jahre hatten sie gemeinsam durchgestanden, und Phoebe hatte es geschafft, die Highschool abzuschließen und gleichzeitig ihren Sohn zu haben.

»Bist du sicher, dass es dir auch wirklich nichts ausmacht?«, fragte Phoebe, die nicht so egoistisch sein wollte, andererseits aber gerade jetzt wirklich jemanden zum Reden brauchte.

»Natürlich«, erwiderte ihre Tante lächelnd.

Phoebe folgte ihr in das riesige Haus, in dem Joy aufgewachsen war.

Sie verschwand, um ihre Freundin anzurufen, und ließ Phoebe im marmorverkleideten Eingangsbereich zurück. Joy hatte ihr über diesen viel zu großen Raum erzählt, dass er früher, als Phoebes Großeltern noch lebten, kalt und abweisend gewesen war. Heute strahlte er dank Joys Persönlichkeit und der Auswahl seiner Ausstattung jedoch Wärme aus. Mit überdimensionierten Einrichtungsgegenständen hatte sie ihrem Zuhause Gemütlichkeit verliehen, und es gab auch keinerlei zerbrechliche Sachen, die so aussahen, als würden sie bereits vom bloßen Ansehen kaputtgehen.

Stattdessen gab es Familienfotos von Phoebe und Halley als Teenager und von Jamie in verschiedenen Altersstufen. Ihr Sohn war in diesen langen Gängen aufgewachsen und darin herumgetapst. Und kein einziges Mal hatte sie sich Gedanken gemacht, dass dabei irgendetwas zu Bruch gehen könnte.

»Okay. Jetzt gehöre ich ganz dir. Meine Freundin wollte den Lunch ohnehin verschieben. Sie ist erkältet und fühlt sich nicht besonders gut. Also hab ich so viel Zeit für dich, wie du willst.«

»Super! Können wir uns setzen?«, fragte Phoebe.

Joy nickte. Die beiden Frauen gingen in die große Küche, die ebenfalls von ihrer Tante verändert worden war. Aus einem Raum, der einst nur vom Personal zum Kochen genutzt worden war, war ein gemütlicher Aufenthaltsort für die ganze Familie geworden.

Phoebe legte ihre Tasche auf den Tisch und nahm Platz, bevor sie sich ihrer Tante zuwandte. »Du wirst nicht glauben, was mir heute passiert ist!«

»Schieß los.«

Phoebe schluckte. »Weißt du noch, wie du damals einen Detektiv engagiert hast, um Jake ausfindig zu machen? Jamies Vater?«

»Ja …«, erwiderte ihre Tante ein wenig misstrauisch.

»Na ja, heute war ich in Celestes Haus, um mich mit dem Bauunternehmer zu treffen, und da war er! Stand einfach da. Direkt vor mir.« Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie ihm einfach so, ganz zufällig, über den Weg gelaufen war. Völlig unerwartet. »Ich meine, wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass so was passiert?«

Ihre Tante wurde blass. »Du lieber Gott.«

»Ich weiß. Und die ganze Zeit hat er in Thornton gelebt«, erzählte Phoebe.

Joy rang die Hände und wirkte ebenso aufgewühlt, wie Phoebe war. »Was ist genau passiert? Worüber habt ihr geredet?«

Phoebe schämte sich, als sie flüsternd zugab: »Ich hab mich aus dem Staub gemacht. Er sieht Jamie so verdammt ähnlich, das hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Und er hat mich gefragt, was ich in der Zwischenzeit gemacht habe, und ich dachte: Ich hab deinen Sohn großgezogen. Deshalb hab ich dann Panik gekriegt und bin abgehauen.«

»Oh, Liebling.« Tröstend tätschelte Joy Phoebes Arm.

»Ich werde ihm von Jamie erzählen müssen. Ich brauche nur Zeit, um mir zu überlegen, wie ich das am besten anstelle. Was genau ich ihm sagen soll.« Sie verknotete ihre Hände ineinander und war mit den Nerven völlig am Ende.

Joy lehnte sich vor und seufzte. »Phoebe, erinnerst du dich noch, wie jung du damals warst, als du zu mir gezogen bist? Du warst praktisch selbst noch ein Baby, das ein Baby bekommt.«

»Ja, ich weiß.« Ihre Tante hatte sie aus der Pflegefamilie zu sich geholt, nachdem Joy von ihrer Schwester Meg – Phoebes und Halleys drogenabhängiger Mutter – von den Mädchen erfahren hatte. Zuvor hatte Joy jahrelang nichts von Meg gehört. Kurz darauf hatte Phoebe dann festgestellt, dass sie schwanger war. Sie wusste, welches Glück sie hatte, dass ihre Tante sie nicht dazu zwang, ihr Baby zur Adoption freizugeben … oder noch Schlimmeres.

Stattdessen hatte ihr Joy ermöglicht, weiterhin die Schule zu besuchen und dennoch das Baby zu behalten, das sich Phoebe sehnlichst gewünscht hatte. Man musste kein Psychologe sein, um sich zusammenreimen zu können, dass ein Kind, das in der Obhut des Jugendamtes aufgewachsen war, sich nach Liebe und Akzeptanz sehnte, selbst wenn es Glück mit seinen Pflegefamilien gehabt hatte. Sie hatte Jake verloren, erhielt aber die Chance, sein Baby zu bekommen und zu behalten. Ihr Baby, das sie bedingungslos lieben würde.

Dafür würde sie ihrer Tante für immer etwas schulden, und sie griff nach ihrer Hand. »Bei jedem Schritt dieses Wegs warst du für mich da. Du warst mein Fels in der Brandung, und dafür werde ich dir immer dankbar sein.«

»Du weißt, dass ich für dich und Jamie immer nur das Beste wollte, oder?«

Phoebe nickte. »Natürlich. Aber was ist denn?«

Joy schloss die Augen, Tränen traten ihr in die Augen.

»Was ist denn los?«, fragte Phoebe noch einmal, diesmal nachdrücklicher.

»Als ich dir damals erzählte, dass der Detektiv Jake nicht finden konnte, war das nicht die Wahrheit.«

»Was?«, fragte Phoebe mit erhobener Stimme. Sie konnte ihren Ohren nicht trauen. Sie musste sich verhört haben. Ihre Tante würde sie bei so etwas doch nicht anlügen!

»Mein Privatdetektiv fand Jake, aber ich hatte gute Gründe, warum ich dir das nicht erzählt habe.«

Phoebe fiel kein einziger Grund ein. »Rede weiter«, verlangte sie mit zusammengebissenen Zähnen und versuchte gleichzeitig, sich zusammenzureißen. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass das hier immerhin die Frau war, der sie alles zu verdanken hatte.

Ihre Tante seufzte. »Wir begannen uns damals sofort nach Jamies Geburt auf die Suche nach Jake zu machen, weißt du noch?«

Phoebe nickte. Die ersten Monate, nachdem sie zu Joy gezogen war, waren voller Angst gewesen. Sie hatte erst herausfinden müssen, ob sie dieser neuen Verwandten, die so plötzlich in ihrem Leben aufgetaucht war, überhaupt vertrauen könnte. Kurz nach dieser Veränderung ihres Umfelds und der Wiedervereinigung mit ihrer Schwester, hatte Phoebe gemerkt, dass sie schwanger war. All diese Veränderungen – klarzukommen mit der neuen Schule, mit der neuen Realität und dem Wissen, dass sie das Baby behalten würde – hatten sie völlig überfordert. Erst nachdem sie Jamie zur Welt gebracht hatte, hatte sie sich auf die Suche nach Jake konzentrieren können.

»Als ich ihn schließlich ausfindig machte«, fuhr ihre Tante fort, »befand er sich nicht gerade an einem Ort, der für dich oder dein Baby angemessen gewesen wäre.«

Phoebe sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Was soll das heißen? Und warum warst du der Meinung, du hättest das Recht, das zu entscheiden?«

»Weil er im Gefängnis saß!«

Erschrocken schnappte Phoebe nach Luft. »Er war wo?«

»Im Gefängnis. Und du hattest gerade erst ein Baby bekommen. Ich fand es nicht richtig, einen verurteilten Straftäter in dein Leben zu lassen.«

»Großer Gott!« Phoebe stützte ihren Kopf in die Hände und versuchte die Worte ihrer Tante sowie deren Beweggründe zu verdauen. Einerseits konnte sie sie verstehen … und dann wiederum auch nicht. »Weshalb hatte man ihn eingesperrt?«, fragte sie mit bebender Stimme.

»Die Antwort auf diese Frage spielte letztendlich auch eine Rolle bei meiner Entscheidung«, erwiderte Joy, ihre Traurigkeit und ihr Bedauern waren offensichtlich. »Körperverletzung.«

»O Gott!« Phoebe versuchte sich in die damalige Zeit zurückzuversetzen und sich an den wütenden Jugendlichen zu erinnern, der Jake damals gewesen war.

Zu ihr war er immer total lieb gewesen, bei Leuten, denen er nicht vertraute, ging er aber schnell in die Luft. Er war jähzornig und hatte sich mit den Jungs in seiner vorherigen Pflegefamilie oft geprügelt und machte auch dem biologischen Sohn der Dawsons, Eric, oft das Leben schwer, war ihm gegenüber jedoch nie handgreiflich geworden.

Phoebe hatte ihn immer mit einem besänftigenden Wort oder einer Berührung beruhigen können. Er hatte also jemanden so schlimm verprügelt, dass er dafür im Gefängnis gelandet war? Sie wollte es einfach nicht glauben, aber diesbezüglich würde ihre Tante sie nicht belügen.

Verwirrt und verletzt rieb sie sich ihre schmerzenden Schläfen.

»Ich wollte niemanden, der gefährlich ist, in deine oder in Jamies Nähe lassen. Ich habe eine Ermessensentscheidung getroffen und kann mich nicht dafür entschuldigen, dass ich wollte, dass du in Sicherheit bist.«

Phoebe schüttelte den Kopf. »Ich wünschte nur, du hättest die Entscheidung mir überlassen.«

»Du warst jung und hättest dich von der Liebe blenden lassen. Ich tat, was ich tun musste«, erwiderte ihre Tante, die zu ihrer Entscheidung stand.

Phoebe schluckte schwer und stand auf. »Ich muss nachdenken. Über alles.«

»Wirst du ihm von Jamie erzählen? Was, wenn er immer noch gefährlich ist?«

»Und was, wenn er es nicht ist?«, fragte Phoebe zurück. Automatisch verteidigte sie Jake. Das war schon immer so gewesen, und offensichtlich hatte sich daran auch nichts geändert, obwohl sie ihn über zehn Jahre nicht gesehen hatte.

Sie hauchte in ihre Hände. »Ich muss Zeit mit ihm verbringen, solange er an Celestes Haus arbeitet. Ich werde herausfinden, was für ein Mensch er heute ist, und dann entscheiden, was ich tue.« Wobei sie zugleich tief in ihrem Inneren überzeugt war, dass er es verdiente, von seinem Kind zu erfahren.

Er hatte schon jetzt so viel verpasst. War es wirklich richtig von ihr, ihm noch mehr vorzuenthalten? Selbst wenn er wegen eines Gewaltverbrechens im Gefängnis gewesen war, gab es doch vielleicht eine Erklärung dafür, die einen Sinn ergab.

Außerdem veränderten sich Menschen im Laufe der Zeit und wurden erwachsen. Heute hatte er einen wichtigen Job, und sein Boss vertraute ihm so sehr, dass er ihm die Leitung für dieses große Projekt gab. All das sprach doch eindeutig für seinen Charakter.

»Ich muss jetzt wirklich los.«

»Geh nicht, wenn du noch wütend bist«, bat ihre Tante.

»Ich bin nicht wütend, sondern traurig. Und ich brauche einfach Zeit, um das alles zu verkraften.« Zeit, um alles zu verarbeiten, bevor sie wieder eine fröhliche Miene aufsetzen musste, wenn ihr Sohn aus der Schule kam.

Jamie kannte so viel von der Wahrheit, wie er in seinem Alter verstehen konnte. Er wusste, dass Phoebe seinen Daddy geliebt hatte, sie aber noch vor seiner Geburt voneinander getrennt wurden und es ihr danach nicht gelungen war, ihn ausfindig zu machen.

Es tat ihr weh, dass ihr Sohn keinen Vater hatte, besonders weil Jamie keine männliche Bezugsperson in seinem Leben gehabt hatte, bis Halley Kane traf. Jamie war stets von liebevollen, fürsorglichen Frauen umgeben gewesen. Seit Kane mit Halley zusammen war – mittlerweile schon fast ein Jahr –, war er vorbeigekommen, um mit Jamie typische Jungs-Sachen zu unternehmen. Sie hatten Baseball gespielt, und Kane hatte Werfen und Fangen mit ihm geübt, dennoch war es nun mal Tatsache, dass Jamie keinen Vater hatte.

Außer dass er doch einen hatte.

Jake war zurück, und Phoebe musste sich entscheiden, was sie jetzt tun sollte.

KAPITEL 2