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"Wenn Dean Rockwell erfährt, dass einer seiner Jungs tot und der andere schwerverletzt ist, wird er nach Arivaca kommen und den Mann suchen, der das getan hat", sagt Bürgermeister Jim Cornelsen. Dabei blickt er Val Johnson tief in die Augen. Denn Val kam vor wenigen Minuten mit einem Toten und einem Schwerverletzten in die Town geritten. Val seufzt. Der Verdruss scheint nicht abzureißen. Er weiß auch, dass er jetzt eine Entscheidung treffen muss. Eine Entscheidung, wie es in seinem Leben weitergehen soll. Wird er vor Dean Rockwell davonlaufen? Vor der Rache eines Desperados, der den Landstrich im Würgegriff hält? Er schnauft tief ein. Dann sagt er ruhig: "Glauben Sie, dass ich kneife? Glauben Sie, dass ich den Schwanz einziehe und fortlaufe wie ein geprügelter Hund?"
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Seitenzahl: 154
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Marshal der gebrochenen Stadt
Westernroman
von Logan Kenison
(Eine Hommage)
Das Buch
»Wenn Dean Rockwell erfährt, dass einer seiner Jungs tot und der andere schwerverletzt ist, wird er nach Arivaca kommen und den Mann suchen, der das getan hat«, sagt Bürgermeister Jim Cornelsen. Dabei blickt er Val Johnson tief in die Augen. Denn Val kam vor wenigen Minuten mit einem Toten und einem Schwerverletzten in die Town geritten.
Val seufzt. Der Verdruss scheint nicht abzureißen. Er weiß auch, dass er jetzt eine Entscheidung treffen muss. Eine Entscheidung, wie es in seinem Leben weitergehen soll. Wird er vor Dean Rockwell davonlaufen? Vor der Rache eines Desperados, der den Landstrich im Würgegriff hält?
Er schnauft tief ein. Dann sagt er ruhig:
»Glauben Sie, dass ich kneife? Glauben Sie, dass ich den Schwanz einziehe und fortlaufe wie ein geprügelter Hund?«
Der Autor
Logan Kenison (vormals Joe Tyler) ist Autor von Western-, Abenteuer- und Spacegeschichten. Neben seinen Western, die er mit Leidenschaft verfasst, schreibt er seit 2018 die Reihe Spacewestern.
Inhalt
Impressum
Marshal der gebrochenen Stadt (Roman)
Wüstenskorpion (Bonusgeschichte)
Weitere Titel von Logan Kenison
Ungekürzte Erstausgabe 08/2018
Copyright © 2018 by Logan Kenison
Lektorat: Carola Lee-Altrichter
Das Cover wurde gestaltet nach Motiven der Episode »Der Kampf des alten Butler« (Orig.: »The Running Man«, USA, 1969) der Bonanza-Komplettbox. Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.filmjuwelen.de
Abdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Verlags oder Autors.
Marshal der gebrochenen Stadt
Westernroman von Logan Kenison
Sein Name ist Val Johnson, man nennt ihn auch Black Val Johnson oder einfach Black Johnson.
Er ist dreißig und ein Revolvermann, aber er ist des Kämpfens müde. Alles, was ihm geblieben ist, sind sein grauschwarzer Wallach, ein abgenutzter Sattel und vier Dollar. Er reitet nach Westen und hofft, dort einen Platz zu finden, wo noch niemand von ihm gehört hat; einen Ort, an dem er unerkannt untertauchen kann und nie mehr gefunden wird.
Denn zahlreiche Männer, die der »Gilde« der Revolvermänner angehören, suchen ihn. Sie wollen sich mit ihm messen, und wo immer sie auf ihn treffen, werden sie ihn herausfordern.
Für ihn jedoch geht es ums pure Überleben.
Denn Black Val Johnson besitzt bereits einen großen Namen, und er weiß, er wird keine Ruhe vor ihnen haben, bis er seinen letzten Kampf ausgefochten hat.
Denn irgendwann wird er an den Einen geraten, der schneller und besser oder auch nur ausgeschlafener ist als er, oder der die Sonne im Rücken hat. Es ist nur eine Frage der Zeit.
Diesem Einen möchte er entrinnen.
Denn das Töten bereitet ihm keine Freude.
Das Getötet-werden genauso wenig.
Und so ist er aufgebrochen und hat versucht, seine Spuren zu verwischen. Er ist eine gewaltige Zickzackfährte durch den Westen geritten und hat schließlich die Route nach Santa Fe eingeschlagen. Danach ist er nach Nordwesten weitergeritten.
So kommt er nach wochenlangem Ritt in ein Gebiet im Süden Arizonas, das sehr dünn besiedelt ist. Wüste herrscht hier vor, die Hitze steigt am Tag auf vierzig bis fünfzig Grad, die Luft flimmert. Hier gibt es viel Sand und Staub und Steine. Die Kleidung klebt einem am Leib und man schwitzt ständig. Der Wind bläst unablässig von Osten über die Ebenen heran, aber es ist ein heißer Wind, der keine Kühlung bringt, sondern Mensch und Tier austrocknet.
Val Johnson ist sich sicher: Hierher verirrt sich nur selten jemand. Und als er die kleine Stadt in der Senke vor sich auftauchen sieht, kann er es kaum fassen. Doch da liegt sie vor ihm, und er kann vom Hügel auf sie hinabblicken. Es mögen noch drei oder vier Meilen sein, dann kann er sie erreichen und durchatmen.
Er hofft, dass er dann all jene Revolverschwinger abgehängt haben wird, denen es nur darum geht, gegen einen bekannten Namen anzutreten. Er hofft, dass sie dann seine Spur verloren haben. Val Johnson soll verschwinden. An seine Stelle soll ein anderer Mann treten; einer, der nicht seinen Revolver vermietet oder aus Stolz und Ruhmsucht kämpfen muss.
Es war einer dieser dummen Zufälle gewesen – damals vor neun Jahren – als er in sein erstes Revolverduell geriet. Er hatte es nicht kommen sehen, doch plötzlich befand er sich inmitten einer Auseinandersetzung, die er niemals gewollt hatte.
Val Johnson arbeitete damals als Cowboy. Gemeinsam mit seinem Freund Vier Finger Jack war er am Abend in die Stadt geritten, um ein Bier zu trinken. Sie standen in einer vollen Bar namens Rusty Nail am Tresen und wollten gerade das Glas erheben, als Jack mit dem Ellbogen gegen einen Fremden stieß.
Später, als Val darüber nachdachte – und er hatte auf seinen einsamen Wegen sehr viele Stunden Zeit zum Nachdenken – war ihm aufgegangen, dass genauso gut der Fremde Jack angestoßen haben konnte. Vielleicht sogar mit Absicht, um den Streit zu provozieren.
Etwas von dem Bier schwappte aus Jacks Glas, lief ihm übers Hemd oder spritzte auf den Tresen, und der Fremde bekam ein paar Tröpfchen ab. Ein paar Tröpfchen nur, während Jack selbst das meiste abbekommen hatte. Doch Jack entschuldigte sich sofort, weil er ein friedliebender Mensch war und einem Streit stets aus dem Wege ging.
Aber der Mann markierte den Wütenden, fauchte und zischte und schließlich flog seine flache Hand in Jacks Gesicht.
Die Herausforderung war deutlich, und jeder im Raum hatte sie vernommen. Schließlich hatte es laut genug geklatscht.
Alles verstummte, und sofort bildete sich eine kreisrunde freie Stelle um Val, Jack und den Fremden.
Jetzt stellte sich heraus, dass der Fremde auch einen Freund bei sich hatte, einen aalglatten Burschen, einen halben Kopf kleiner als er, der seine flinken Augen überall und die Hände in der Nähe seiner Revolverkolben hatte und sich stets hinter ihm hielt, um ihm den Rücken zu decken.
Val hatte keinen Zweifel daran, dass dieser schmierige Bursche eingreifen würde, wenn es für seinen Kumpan eng werden würde. Und er gedachte nicht, Jack allein gegen diese Burschen antreten zu lassen.
Denn um den Mund des Fremden lag ein grausamer Zug, und in seinen Augen las Val etwas, das er nur als blanke Mordlust deuten konnte.
Schlagartig wurde ihm klar, dass dieser Mann keine Entschuldigung akzeptieren würde. Er würde keine Ruhe geben, bevor er dieser Stadt seinen Stempel aufgedrückt hatte.
Er war einer dieser Revolverschwinger, die sich nur durch wildes Gehabe behaupten konnten, sich wichtigmachten und ihre Umgebung einschüchtern wollte.
Und gewiss hatte er sein Opfer unter diesen Gesichtspunkten herausgepickt unter all den Gästen hier im Raum; hatte Vier Finger Jack zunächst genau beobachtet, dessen Handicap erkannt und ihn als ideales Opfer ausgemacht für den Paukenschlag, den er zu starten gedachte.
Diese Erkenntnis zog Val den Boden unter den Füßen weg. Er hatte mit Jack in der Stadt auf ein Bier einkehren wollen, und nun lief es darauf hinaus, dass einer von ihnen nicht mehr zur Ranch zurückkehrte.
Sein Herz pochte bei diesem Gedanken bis zum Hals hinauf, vor Angst und vor Wut.
Vier Finger Jack war der beste Freund, den Val bis dahin gehabt hatte. Jack war schon über fünfzig und hatte Val alles beigebracht, was ein Cowboy wissen musste. Sie ritten seit acht Jahren zusammen für den Rancher, denn Val hatte mit dreizehn zu arbeiten begonnen.
Jack hatte Val auch den Gebrauch des Schießeisens gelehrt, denn in der Wildnis kam es ebenso darauf an, dass man einen guten Schuss lieferte, sei es gegen Klapperschlangen, Korallenottern, Krustenechsen, Berglöwen, Wolfshunde, Jaguare, Kojoten oder Luchse. Ein Cowboy war verantwortlich für seine Tiere, nicht nur für die Rinder, sondern auch für das Pferd, das er ritt, und er musste sie vor Schaden bewahren. Und nicht zuletzt galt es, sich der Viehdiebe zu erwehren, die den Rinderherden immer wieder zu Leibe rückten, und die mit Cowboys nicht viel Federlesens machten.
Jack hatte eine Behinderung. Er besaß an der rechten Hand nur vier Finger, was ihm seinen Spitznamen eingebracht hatte. Er hatte den Mittelfinger durch einen Schlangenbiss verloren. Er war noch ein junger Bursche gewesen, als sich in der Wildnis eine Mokassinschlange von ihm bedroht fühlte. Jack wusste nicht genau, wie es geschehen war, jedenfalls sah er plötzlich, wie die Schlange an seinem Finger hing und ein beißender Schmerz sich ausbreitete.
Er reagierte im selben Sekundenbruchteil.
Er wusste, dass er verloren war. Er würde es nie zurück in die Zivilisation schaffen, nicht auf die Ranch, nicht in die Stadt. Das Gift würde ihn längst erledigt haben, wenn er nicht sofort handelte.
Er riss mit der Linken das Bowiemesser aus der Scheide, legte den Finger auf den nächstliegenden Stein und schnitt unbarmherzig zu. Er musste grausam gegen sich selbst sein, um dein Leben zu retten.
Den abgetrennten Finger samt der Schlange ließ er einfach auf dem Stein liegen. Nicht einmal die Schlange tötete er, er verschwendete keine weitere Zeit an sie.
Die stark blutende Wunde umwickelte er mit Stofffetzen, die er aus seinem Ärmel riss. Er hielt die Hand hoch und sah, wie sich dieser provisorische Verband mehr und mehr rot färbte. Inzwischen saß er bereits auf seinem Pferd und jagte über die Prärie in Richtung Stadt.
Etwas von dem Gift war allerdings schon in die Blutbahn eingedrungen. So schnell hatte Jack dann doch nicht reagieren können. Ihm wurde schwindelig und übel, und er kämpfte gegen eine Ohnmacht an.
Er war sicher, dass er das Schlimmste durch den brutalen Schnitt verhindert hatte, er musste einfach daran glauben, sonst hätte er die Mühe nicht auf sich nehmen brauchen; hätte sich zum Sterben in die Wüste legen können. Doch er war der Meinung, dass er das Richtige getan hatte und noch eine Chance besaß.
Zwei Meilen vor der Stadt fiel er bewusstlos aus dem Sattel, doch da hatte er schon den Wagenweg erreicht und ein Farmer, der mit seinem Pritschenwagen unterwegs war, lud ihn auf und brachte ihn zum Doc.
Als Jack fünf Stunden später zu sich kam, war die Wunde genäht, mit Salbe eingeschmiert und fachgerecht verbunden, und er bekam eine Rechnung von zwei Dollar ausgehändigt. Später beglich der Rancher die Kosten für die Behandlung, denn Jack musste noch mehrmals zum Doc, zum einen um den Verband zu wechseln, und auch nach zehn Tagen, um die Fäden zu ziehen.
Der fehlende Finger behinderte Jack zunächst mehr, später dann nur noch geringfügig. Er spürte zwar, dass es sich nun anders anfühlte, wenn er ein Lasso schwang oder Dinge festhielt, doch er gewöhnte sich daran und entwickelte seine eigenen Techniken, um die Anforderungen zu meistern.
Nur eine Sache bereitete ihm nach wie vor Schwierigkeiten.
Die Sache mit dem Colt.
Der Kolben wurde von ihm nur mit zwei Fingern und dem Daumen gehalten, während der Zeigefinger am Abzug war. Es war ein wackeliges Geschäft, und wenn der Schuss knallte, war es schon hin und wieder vorgekommen, dass der Rückstoß ihm die Waffe aus der Hand geschlagen hatte.
Die Jungs schlugen vor, er solle auf ein kleineres Kaliber umsteigen, das nicht mit solcher Wucht in die Hand fuhr, doch Jack war stur und blieb bei dem 45er, denn so hatte er es gelernt, und so wollte er es haben.
Val Johnson wusste über das Handicap seines Freundes bestens Bescheid. Er wusste auch, dass ein Revolverduell gegen den Fremden Jacks sicherer Tod wäre, denn er war nicht schnell genug, konnte den Kolben nicht gut und sauber umfassen, um die Waffe glatt zu ziehen und einen raschen Schuss abzugeben.
So fiel er Jack in den Arm, als dieser die Hand in Nähe des Coltgriffs bewegte.
»Lass das!«, zischte er. »Verstehst du nicht, das will der Kerl ja gerade. Dass du zur Waffe greifst, und er einen Grund hat, dich umzulegen.«
»Das siehst du richtig, Jungchen«, höhnte der Fremde, »wenn das kein Grund ist, dann weiß ich auch nicht. Ihr faulen, stinkenden Kuhboxer seid ja doch zu feige für einen fairen Kampf. Dann geh auf die Knie, du alter Sack, und leck mir die Stiefel!«
»Es ist kein fairer Kampf, Mister«, fauchte Val ihn an. »Dieser Mann könnte fast Ihr Vater sein. Haben Sie keinen Respekt vor älteren Menschen?«
Der Fremde lachte laut.
»Respekt! Hast du das gehört, Howie? Der Junge fordert Respekt für den alten Trottel, der nicht mal sein Bierglas halten kann.«
Val begann Rot zu sehen. Der Fremde war vielleicht zehn, zwölf Jahre älter als er, und er wusste seine Worte so zu platzieren, dass jeder im Raum sie hören konnte und die Demütigung für Val und Jack doppelt so groß war.
Val, der sich mit den üblen Dingen der Welt noch nicht auskannte, rannte ihm symbolisch voll ins Messer. Sein Kopf lief rot an und er schnaubte wie ein Stier, und der Fremde wusste, er hatte ihn dort, wo er ihn haben wollte. Gleich würde der Junge ziehen, und dann würde er es ihm geben.
Er würde ihn gnadenlos zusammenschießen, das gehörte zu seinem Plan, sich in der Gegend als gefürchteter Revolverkämpfer einzuführen, bis der mächtigste Mann des Valleys auf ihn aufmerksam wurde und ihm einen gutbezahlten Job anbot.
Doch dann tat Val Johnson doch etwas, das den Fremden überraschte.
Er machte einen Schritt nach vorn, trat an Jack vorbei und schlug seinerseits dem Mann die flache Hand ins Gesicht.
»Wenden Sie sich an mich, Mister, wenn Sie Verdruss wollen!«, herrschte er ihn an, und zwar auf eine Weise, die dem Mann keine andere Wahl ließ, als sich nur noch auf Val zu konzentrieren.
Schlagartig verschwand das gemeine Grinsen aus seinem Gesicht. In den Augen des Mannes funkelte nun ein böser Zorn. Verletzter Stolz und der unerbittliche Wunsch nach Rache wallten in ihm auf.
Er mochte Jack zunächst als leichtes Opfer erkoren haben, doch damit hatte er nicht gerechnet. Die Ohrfeige dieses grünen Jungen machte ihn rasend, und er verlor sein ursprüngliches Ziel aus den Augen.
Er machte in einer gleitenden Bewegung einen Schritt zurück, im selben Moment zog er mit der Rechten.
Die ganze Sache ging so schnell, dass die Umstehenden sie gar nicht beobachten konnten. Zumal die Rechte des Fremden auf der einen Seite von seinem Körper, auf der anderen Seite vom Tresen verdeckt wurde, sodass sie kaum zu sehen war.
Plötzlich knallte es, schwefelgelbes Mündungsfeuer blitzte auf und eine Pulverdampfwolke breitete sich aus.
Erst in diesem Moment ging den Leuten auf, dass sie sich vielleicht besser in Deckung werfen sollten. In einem allgemeinen Aufschrei stürzte alles auseinander, Panik brach aus, man sprang zur Seite, rollte sich über den Boden, warf sich hinter Stühle und unter Tische.
Dann donnerten in kurzer Reihenfolge sechs Schüsse durch den Raum. Es waren sechs andere Schüsse; sie klangen tiefer und voller, und es wurde klar, dass sie nicht von demselben Schützen abgegeben wurden.
Niemand sah, was geschehen war.
Eine gewaltige Pulverdampfwolke vernebelte den ganzen Raum.
Und dann, nach den sechs Schüssen, wurde es unheimlich still.
Man hörte das ächzende Atmen der Männer, Stoff raschelte, Stiefel scharrten über den Boden.
Jemand trampelte zur Tür hinaus, und das erzeugte einen Luftzug, der die Qualmwolke fortblies.
Und da sahen sie es.
Der Junge – er stand noch!
Dieser junge Cowboy, der seinem väterlichen Freund zur Seite gestanden hat – er stand noch!
Wie war gleich sein Name? Val Johnson. Den Namen müssen wir uns merken, heiliger Rauch! Von dem werden wir gewiss noch hören. So schnell wie der geschossen hat …
Und dann entdeckten sie den Fremden und seinen schmierigen Kumpan – sie lagen mit blutgetränkten Hemden am Boden und rührten sich nicht mehr
Jeder war durchlöchert von drei Kugeln.
Der schmierige Kumpan hielt ebenfalls seine beiden Waffen in Händen, doch er hatte es nicht mehr geschafft, auch nur einen einzigen Schuss abzugeben.
Der junge Johnson hatte aufgeräumt mit dem Gesindel!
Der Männer sprangen auf und verfielen in lautes Geschnatter. Sie schrien und diskutierten wild. Sie machten weder Val noch Vier Finger Jack einen Vorwurf, denn sie hatten alle mitbekommen, dass die beiden Fremden sie herausgefordert hatten.
Doch damit war es vorbei.
Stattdessen war es der Name Valentine Johnson, den die Leute sich merkten, und der sich zusammen mit der Geschichte in Windeseile im Valley verbreitete.
Val Johnson indes stand wie betäubt im Saloon und hielt den leergeschossenen Colt in der Hand. Er wusste nicht, was er angerichtet hatte, hatte keine Ahnung von den Konsequenzen, die das nach sich ziehen würde. Er spürte eine Übelkeit in sich aufsteigen, und auf einmal fühlte er, wie ihn eine Hand am Oberarm packte und in Richtung Ausgang zog.
Es war Vier Finger Jack. Er schob Val aus dem Rusty Nail und bugsierte ihn zu ihren Pferden. Er drängte zum Aufbruch, und Val gehorchte, steckte den Colt ins Holster zurück und ritt an. Eine Minute später hatten sie die Stadt im Rücken und jagten bereits über Prärieboden.
»Der Teufel soll mich holen«, murmelte Jack die ganze Zeit, »der Teufel soll mich holen …«
Sie ritten eine Stunde lang auf abgelegenen Pfaden, ohne dass ihnen jemand begegnet wäre. Nur einmal hielten sie unter einer Sycomore kurz an, weil Val sich übergeben musste.
Die Arbeit schien gar nicht mehr wichtig zu sein. Sie verbrachten die Nacht in der Wildnis. Vier Finger Jack suchte Holz für ein Lagerfeuer zusammen und dann hockten sie da, starrten in die Flammen und versuchten das Geschehene zu verarbeiten.
»Es fühlt sich verdammt Scheiße an, einen Menschen zu töten, stimmt’s?«, sagte Jack. Er holte einen Flachmann aus der Tasche, doch das Teil war leider leer. So warf er nur einen sehnsüchtigen Blick darauf und steckte es wieder weg.
»Ich sah ihm an den Augen an, dass er ziehen würde«, murmelte Val. »Ich sah es in seinem Gesicht. Seine Augen weiteten sich, und dann ging eine katzenhafte Bewegung durch den Kerl. Es war, als würde sein Körper mir sagen, dass er mich jetzt umbringen wollte. Und dann spuckte auch schon das Feuer. Zum Teufel, ich dachte, ich sterbe jetzt. Ich dachte: Jetzt hat er dich. Jetzt trittst du vor deinen Schöpfer. Und dann ging alles wie in einem großen Reflex. Es war, als hätte ich keine Kontrolle über meine Hand. Sie zuckte, und plötzlich hielt ich den Colt in der Hand, und dann schoss ich auch schon, und schoss und schoss. Alles lief völlig automatisch ab. Ich las in den Augen des kleinen schmierigen Kerls dieselbe Botschaft, nämlich, dass er mich erledigen wollte, und da schoss ich auch auf ihn. Teufel, Jack, ich weiß nicht, was da passiert ist. Ich will verdammt sein, aber ich weiß es nicht.«
»Beruhige dich, Val«, sagte Jack. »Es ist nicht deine Schuld. Diese Pilger haben es so gewollt. Ich hatte mich für das Bier entschuldigt, das ich …«
»Das verdammte Bier!«, schrie Val. »Wir hätten nie in die Stadt reiten dürfen, um ein Bier zu trinken.«
Jack zuckte mit den Achseln. »Es ist nichts Verkehrtes daran, nach einem harten Arbeitstag ein kühles Bier zu trinken. Es war nicht unsere Schuld. Und nicht deine. Je schneller du das merkst, desto eher kommst du über die Sache hinweg.«