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Dolce Vita für zu Hause
Sonnenschirme, Wassereis und gute Laune: Stefan Maiwald erzählt humorvoll und unterhaltsam vom Leben, das sich im adriatischen Feinsand abspielt. Er nimmt uns mit an die italienische Küste und lässt uns eintauchen in eine Welt, nach der wir uns regelmäßig sehnen. Denn der Strand ist immer der Ort, an dem wir gerade lieber wären.
Dieses Lebensgefühl kann man sich nun nach Hause holen durch die Geschichten und die Lebensphilosophie der Menschen, die den Strand bevölkern. In diesem ganz eigenen Mikrokosmos lernen wir die besonderen Rituale und Regeln kennen, die kleinen Strandgeheimnisse und das Treiben am Meeresufer auch jenseits der Hauptsaison. Und wir erfahren fast nebenbei, wie man die Leichtigkeit des Südens in den eigenen Alltag bringt.
Leicht, beschwingt und inspirierend – das perfekte Buch für den Sommerurlaub. Oder um die Zeit bis dahin mit viel Vorfreude zu überbrücken.
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Seitenzahl: 220
Veröffentlichungsjahr: 2025
Buch
Sonnenschirme, Wassereis und gute Laune: Stefan Maiwald erzählt humorvoll und unterhaltsam vom Leben, das sich im adriatischen Feinsand abspielt. Er nimmt uns mit an die italienische Küste und lässt uns eintauchen in eine Welt, nach der wir uns sehnen. Denn der Strand ist immer der Ort, an dem wir gerade lieber wären. Dieses Lebensgefühl können wir uns nun nach Hause holen durch die Geschichten und die Lebensphilosophie der Menschen, die den Strand bevölkern. In diesem ganz eigenen Mikrokosmos lernen wir die besonderen Rituale und Regeln kennen, die kleinen Strandgeheimnisse und das Treiben am Meeresufer auch jenseits der Hauptsaison. Und wir erfahren fast nebenbei, wie wir die Leichtigkeit des Südens in den eigenen Alltag bringen. Das perfekte Buch für den Sommerurlaub oder um die Zeit bis dahin mit viel Vorfreude zu überbrücken!
Autor
Stefan Maiwald, geboren 1971, ist deutscher Autor und Journalist. Seine Bücher Laura, Leo, Luca und ich und Wir sind Papa waren große Erfolge, Das Italien Prinzip: So geht Glück! war Bild-Bestseller Nummer 1, Meine Bar in Italien und Die Spaghetti-vongole-Tagebücher schafften es bis auf Platz 2 der österreichischen Sachbuch-Bestsellerliste. Er schreibt regelmäßig für den Feinschmecker, Merian, Robb Report und das Alpe Adria Magazin. Seine Kolumnen erscheinen in der Kleinen Zeitung und im Golf Magazin. Seit mehr als zwanzig Jahren lebt Stefan Maiwald mit seiner Familie am Strand; auf Grado gibt es davon sieben feinsandige Kilometer.
Stefan Maiwald
MEIN LEBEN AM
STRAND
Warum zwischen Sonne und Meer die Leichtigkeit liegt
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Originalausgabe April 2025
Copyright © 2025: Mosaik Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)
Redaktion: Birthe Vogelmann
Umschlag: Sabine Kwauka
Umschlagmotiv und Illustrationen Innenteil: Shutterstock/Kostenko Maxim (Himmel), Shutterstock/WinWin artlab (Sonnenschirm), Shutterstock/Vips_s (Zitronen), Shutterstock/Johnny Dream (Glas), Sabine Kwauka (Strohhalm, Boote, Berge), Shutterstock/Volushka (Vögel), Shutterstock/Belozersky (Sonnenbrille), Shutterstock/summer studio (Badetuch), Katja Gluch (Seestern, Muschel)
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
KWCB
ISBN 978-3-641-32607-4V001
www.mosaik-verlag.de
Inhalt
Vorwort
Meine Insel
I Die Bühne wird bereitet
Erste Arbeiten: Seegras am Spülsaum
Gegen den Dieb in der Nacht: Das große Graben
Recruiting Day: Hoffnung auf den Traumjob
Die geheimen Stärken des Frühlings
Mit dem Käfer gen Süden: Wie wir das Meer entdeckten
Die betörende Erahnung
IIDer verführerische Charme der Vorsaison
Im und am Wasser: Der ewige Traum
Ivano sperrt auf
Flagge zeigen: Feierliche Stranderöffnung und italienischer Rekord
Von Rampensäuen und letzten Reihen
Nino macht den Strand zu seinem Strand
Woher kommt der ganze Sand?
Das erste Mal vergisst du nie
Bademeistermangel!
Edo bezieht sein Büro
Die horizontale Lebensart
Valentinas Rauchzeichen
Wie Baywatch den Strand zu uns brachte
Das Streben nach dem gefüllten Kühlschrank: Arbeiten am Strand
»Wann sind wir endlich da?«
Bronzage, Blässe, Blaues Blut
Lara schließt eine ungewöhnliche Freundschaft
IIIDer pralle Hochsommer
Patrizias Clan rollt an
Der kleine Diktator
Die Ballade der »Mailänder Bräune«
Paparazzi, Poser, der Strand und wir
Lara und das Lebendvieh
Der große Entschleuniger: Wie wir alle zu Flaneuren werden
Der Muschelphilosoph
Früher war alles besser – vom beliebtesten Gesprächsthema am Strand
Wer zahlt überhaupt?
Das Problem der Überleistung oder Meine gute Tat
Späte Geschäftsidee: Schwebende Stunden
Der einsame Rufer
Am Strand gibt es keinen Krieg
Der Mann mit dem Ein-Aus-Schalter
Kabine hundertfünfzig: Beim wahren Traumjob
Lara und Edo: Die Annäherung
Rituale: Mein Siebzehn-Uhr-Tee
Ausweitung der Kampfzone: Nino lädt uns ein
Weniger reisen, mehr liegen: Mein Strandmanifest
Mauro: Die andere Bar
Es geht auch anders: Der Danebenbenehmer
Bestnoten dank Midori
Vom Schwimmen
Von perfekten und weniger perfekten Wellen
»Was ist denn jetzt mit dir und Edo?«
Lesend unterwegs
Settimana Enigmistica: Das Rätsel, das ganz Italien beschäftigt
Valentinas Männer
»Können Sie das groß machen, bitte?«
Ferragosto: Eine Frage der Ehre
IVDie träge Eleganz der Nachsaison
Ivano wird hopsgenommen
Ode an den Plastikstuhl
Saisonende
Warum das Leben am Meer guttut
Mauros Resilienz
Der Vorhang fällt
Anhang
Zwölf Tricks, die euer Strandleben auf eine neue Ebene hieven
Bücherliste für euren Strandurlaub
Eine wunderbare, komplette Bibliographie
Bleibt auf dem Laufenden
Vorwort
Durch vielerlei Umstände, die zusammenfassend nur als unverschämtes Glück bezeichnet werden können, lebe ich auf einer Insel im Mittelmeer. Sie ist an ihrer Südseite von einem sieben Kilometer langen und etwa hundert Meter breiten Sandstrand gesäumt und verfügt in der Lagunenlandschaft auf ihrer Nordseite über größere Sandbänke, die in der Hochsaison ebenfalls als Strand genutzt werden.
Die gute Erreichbarkeit dieser Insel – sie heißt Grado, befindet sich an der oberen Adria zwischen Venedig und Triest, und ist dank eines künstlich aufgeschütteten Damms, dessen Bau Benito Mussolini anordnete, mit dem Festland verbunden – macht sie zu einem beliebten Urlaubsziel. (Hitler war der mit den Autobahnen, Mussolini der mit der Erreichbarkeit von Inseln, er ließ ja auch den Autodamm nach Venedig bauen. Diktatoren haben es gern, wenn es in ihren Imperien keine schwer zu bereisenden Gebiete gibt.)
Meine Wohnung bietet mir Strandblick. Der Strand ist bei mir, wenn ich aufwache, und er ist bei mir, wenn ich schlafe. Und er ist auch bei mir, wenn ich nachts pinkeln muss und aus dem Badezimmerfenster blicke.
Ich lebe etwa zweihundert Tage im Jahr mit den Füßen aktiv im Sand, weitere hundert Tage gehe ich zumindest aufgrund irgendwelcher Besorgungen oder mit unserer Hündin Luna am Spülsaum entlang. (Zauberhaftes Wort übrigens: Spülsaum. Ich werde versuchen, es so oft wie möglich in diesem Buch unterzubringen.) Fünfzig Tage ist das Wetter schlecht, fünfzehn Tage bin ich verreist, an Orte mit anderen Stränden. Für mich kann es kein Leben ohne Strand geben.
Dieses Buch erzählt davon, wie es mir und allen, die mit mir dort sind, dabei so ergeht. Und es handelt auch davon, wie wir ein bisschen was vom Strandgefühl mit in unseren Alltag nehmen können. Aber ich will euch nicht missionieren oder gar einen Glücksratgeber schreiben. Denn das würde ja überhaupt nicht zum entspannten Dasein am Strand passen.
Ich denke, die Arbeiter am Strand von Grado können bestätigen, dass ich derjenige bin, den sie vor allem in der Nebensaison am häufigsten sehen. Sie winken mir täglich zu, und dann fragen sie sich bestimmt: Was macht dieser Typ bloß beruflich?
Meine Insel
Reden wir kurz über Grado, einen Ort, der in Österreich sehr bekannt, in Deutschland aber noch fast unbekannt ist. Was Grado – neben der Insellage und dem Strand und den Laguneninseln mit ihren Sandstrandbänken drumherum – von den meisten Urlaubsorten an der Adria unterscheidet, ist die Fischereiflotte. Etwa vierzig Familien leben noch vom Fischfang und haben ihr eigenes Boot; im Jahr 2023 gaben immerhin hundertdrei Gradeser an, hauptberuflich als Fischer zu arbeiten, eine stattliche Zahl bei siebentausendsechshundert Einwohnern. Ja, es werden weniger, die nächste Generation hat meist vermeintlich Besseres zu tun. Aber noch gehört das Netzeflicken zum Alltag vieler Insulaner. Es ist besonders rührend, am frühen Morgen mitanzusehen, wie die Ruheständler in den Hafen geradelt kommen, um ihren Kindern dabei zu helfen. Das jahrzehntelange Bootfahren geht mit den beständigen Wellenschlägen unglaublich auf den Rücken, deswegen haben sich die Alten die Rente verdient. Aber beim Netzeflicken, auf einem Hocker am Ufer, machen sie sich nützlich.
Gefischt wird sowohl in der Lagune als auch auf dem offenen Meer. Den Beruf kann nur romantisch finden, wer am Sommer am Hafen entlangflaniert. Im November, wenn die Bora an den Planken rüttelt und die klammen Hände bei Minusgraden an den Steuerknüppeln festfrieren, hat es sich gründlich ausgeromantikt. Vor allem, weil es ein Nachtjob ist. Ja, tatsächlich: Die Boote legen am späten Abend ab und kommen gegen acht Uhr in der Früh zurück, denn nahezu alle Fische sind nachtaktiv und im Dunkeln nicht so scheu und schnell verschreckt wie bei Tageslicht. Hobbyangler wie Profifischer wissen: Nachts beißen die Tiere einfach besser an. Das ist auch die Erklärung, warum ihr in Grado so viele wettergegerbte Gesichter am Morgen bei einem Glas Bier oder Wein seht. Das sind keine Alkoholiker, sondern Fischer, die ihren Feierabendtrunk genießen.
Dafür, immerhin, können sie aus dem Vollen fischen: Goldbrassen, Seebarsche, Meeräschen, Seezungen und sonstige Plattfische. Aber auch Venusmuscheln, Miesmuscheln, Jakobsmuscheln und Messermuscheln.
Wochentags um acht Uhr und um elf Uhr gibt es in der Auktionshalle in der Riva Dandolo direkt am Hafen eine öffentliche Versteigerung des Fangs. Die Auktion läuft nach dem Stoppuhrprinzip: Pro Kasten Fisch wird ein Preis aufgerufen, der sich langsam reduziert. Die interessierten Käufer müssen einfach rechtzeitig auf den Knopf drücken. Es ist ein Pokerspiel: Wer die besseren Nerven hat, gewinnt.
Die allseits präsente Fischerei macht es schwierig, auf der Insel schlecht zu essen. Wer seit Jahrhunderten vom Meer geprägt ist, der weigert sich einfach, Fisch und Meeresfrüchte zu einer minderwertigen Melange zu verrühren. Die Adligen aus Wien hatten allerdings einen ganz anderen Geschmack, wie historische Speisekarten der Grandhotels zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts belegen: Die feinen Damen und Herren wollten keinen Fisch essen, denn der galt damals dezidiert als Arme-Leute-Spezialität. Sie verlangten stattdessen Wild, was ihnen auch gereicht wurde. Gut, dass die Lagune von Grado nicht nur fischreich ist, sondern auch mit Gänsen, Enten und sogar Wildschweinen, Rehen und Hirschen besiedelt, die von Insel zu Insel schwimmen.
Im letzten Jahr angelte ein inselbekannter Wirt, ein Mann so groß wie breit (und er ist sehr groß), in der Nacht in der Lagune, sein Boot dümpelte lautlos im flachen Wasser. Da schwamm ein Rehbock vorbei, direkt an der Steuerbordseite. Der Wirt fackelte nicht lange, packte den Bock bei den Hörnern, zog ihn mit der linken Hand aus dem Wasser, in der rechten hielt er das Messer … Nun ja, ein paar Tage lang gab es in der Bar Wildragout für alle.
Als wären Gourmetkultur und Historie nicht genug, gibt es auch noch einen florierenden Kurbetrieb, dessen Traditionen bis ins neunzehnte Jahrhundert reichen. Zunächst, ab 1872, sollten kranke Kinder kuriert werden, doch bald ließen sich reiche Österreicher mit Zipperlein in heißem Sand eingraben. Bereits 1883 wurde eine Badeheilanstalt errichtet. Ein Reiseführer aus dem Jahr 1892, über dessen antiquarischen Fund ich sehr glücklich bin, gibt folgende Ratschläge fürs richtige Leben am Strand und ist damit ein hundertdreißig Jahre alter Vorläufer dieses Buches:
»Grado ist das Heilbad für das moderne Kind der Großstadt; aber die genannten Vorzüge verleiten die meisten Eltern, in der Anwendung der Seekur für ihre Kinder nicht wenig zu sündigen. Es genügt nicht, die Kinder einfach an Grados Gestade gebracht zu haben, um ihnen Kraft, wenn sie schwach, und Gesundheit, wenn sie krank sind, zu geben; zur Erreichung dieses Zieles müssen bei den kleinen Kurgästen einige hygienische Vorschriften beachtet werden.«
»Es ist nicht ratsam, die Kinder sofort nach ihrer Ankunft in Grado baden oder sie gleich halbnackt am Strande herumlaufen zu lassen. Sie müssen sich vorerst von den Reisestrapazen erholen, an die Seeatmosphäre gewöhnen, sich akklimatisieren; zu diesem Zwecke lasse man sie 2 – 3 Tage lang am Strande spielen. Das Bad soll wenn möglich in den Vormittagsstunden genommen werden.«
»Unter keiner Bedingung dürfen Kinder nach dem Bade weder ins Bett noch mit warmem Sand zugedeckt, noch ruhig und bewegungslos am Strande gehalten, noch im nassen Anzuge auf dem Sande der Sonne ausgesetzt werden. Auch das Vorgehen mancher Eltern, welche ihre Kinder im nassen Anzuge in den Sand eingraben, muß entschieden getadelt werden.«
»Es ist darauf zu achten, daß die Kinder nicht hungrig, aber auch nicht mit vollem Magen ins Wasser gehen. Nach Sonnenuntergang darf überhaupt nicht mehr gebadet werden. Es ist ratsam, die Kinder nur einmal am Tage baden zu lassen, ein mehrmaliges Baden ist ihnen meistens schädlich, weil unter anderem der notwendigen Reaktion keine Zeit gelassen wird, ihre volle Wirkung zu entfalten. Die Badekleidung sei aus leichtem Wollstoffe, vorne zuknöpfbar, den ganzen Körper, die Arme bis zum Ellbogen, die Beine bis zum Knie bedeckend. In dieser Toilette soll das Kind einige Momente am Strande herumgehen, um seine Hauttemperatur mit jener der Luft annähernd in Einklang zu bringen; dann aber soll es schnell ins Wasser springen, um sich ganz anzuspritzen, hierauf drei- bis viermal nacheinander den ganzen Leib unters Wasser tauchen und wieder emporschnellen, dabei aber mit den Händen Arme und Brust kräftig reiben, um des Beklemmungsgefühles baldigst Herr zu werden. Wenn das Kind schwimmen kann, so soll es gleich damit beginnen. Kinder, welche sich vor dem Eintauchen sträuben oder fürchten, dürfen niemals gewaltsam dazu gezwungen werden, denn ein forciertes Bad zieht immer unangenehme Folgen nach sich.«
»Im Wasser sollen sich die Kinder niemals ruhig verhalten, sondern sich fortwährend bewegen, dabei aber achten, dass ihr Leib ständig vom Wasser bedeckt bleibe. Die beste Badeweise ist unstreitbar das Schwimmen: dieses ist eines der geeignetsten Kräftigungsmittel, mit der besten Heilgymnastik vergleichbar.«
Ich war überrascht, wie serviceorientiert die Verlage schon damals arbeiteten: Das Buch enthält eine ausklappbare Karte von Triest, eine Karte von Grado, jede Menge Bilder, ein Register und vieles mehr. Da ich weiß, wie aufwendig so etwas selbst im Jahr 2025 ist, kann ich mir kaum vorstellen, wie knifflig eine beigefügte Faltkarte im Jahr 1892 war. Außerdem sind diverse Werbeanzeigen abgedruckt, das ist also kein modernes Übel.
Nach den kranken Kindern (und den beiden Weltkriegen) kamen die Fußballer. Sie legten sich in den heißen Sand, was die Muskulatur entspannte, und der große Gigi Riva, der Franz Beckenbauer Italiens, hatte eine heiße Sommeraffäre mit einer Inselschönheit, über die heute noch getuschelt wird. Auch Grado hatte seine goldene Ära, nämlich in den Sechziger- und Siebzigerjahren. In dem kleinen Ort gab es ein renommiertes Filmfestival, Pier Paolo Pasolini, Sergio Leone und Maria Callas kamen, zudem die Familien Missoni, Etro und Gucci. »Guccis Pudel hat von mir immer eine Kugel Eis bekommen«, erzählt mir der Barista meines Stammcafés. »Aber nur, wenn er mit Herrn Gucci unterwegs war. Frau Gucci hat mich dafür ausgeschimpft.«
Irgendwann wurden die Flüge billiger, exotischere Ziele lockten, Grado verlor ein bisschen den Sexappeal. Bald besuchten die Fußballer und Filmsternchen lieber die Nobeldiskotheken Sardiniens, urlaubten in der Karibik oder auf den Seychellen. Und wer sich die Kuranlagen Grados heute anschaut, der kann es ihnen nicht verdenken: Bei ihrem Anblick wird auch völlig Gesunden sofort etwas blümerant. Es sind flache Zementklötze mit abplatzender brauner Farbe und blind gewordenen Fensterscheiben; die Gebäude versprühen den Charme eines Gefängnisses für besonders resozialisierungsresistente Spitzbuben. Der Minigolfplatz und der Trimm-dich-Pfad reißen es auch nicht gerade raus. Die Thermenlandschaft von Grado verfällt vor sich hin. Die Bauten sind so hässlich, dass wir nur noch ein paar Jahre warten müssen, und sie werden zum Kulturdenkmal erklärt. Angeblich soll eine neue Thermenlandschaft entstehen, das Geld – fünfundzwanzig Millionen Euro – stünde schon bereit, und das Rendering sieht spektakulär aus. Aber wie immer in Italien kommen die Arbeiten nicht in Gang.
Warum verzögern sich Bauprojekte hier immer so ewig? Das kann viele Gründe haben, nicht zuletzt archäologische: Praktisch überall, wo hierzulande gebuddelt wird, kommt irgendwas Antikes zum Vorschein. Und keine Institution ist mächtiger und unangreifbarer als der Denkmalschutz. Mit einem einzigen Wort kann einer der dortigen Beamten jedes Großprojekt auf Jahre stoppen. Alles ist Auslegungssache, daher sind juristische Schritte so gut wie unmöglich – und wenn doch: Prozesse ziehen sich Jahrzehnte hin. Und wer gegen den Denkmalschutz klagt, ist in der öffentlichen Wahrnehmung ohnehin der Bösewicht. In Grado gibt es etwa die Vorschrift, vor jedem Bauvorhaben, vom Fahrradweg bis zum Tennisplatz, punktuell dreißig Zentimeter tief zu graben, falls sich doch etwas Antikes darunter befindet.
Der viel wichtigere Grund ist aber: Ausschreibungen für nahezu alle Arbeiten sind öffentlich, was ja erst einmal eine gute Sache ist. Jede qualifizierte Firma kann sich bewerben. Und die Unternehmen, die nicht gewählt werden, können gegen ihren Ausschluss juristisch vorgehen. Was sie auch fast immer tun. Bis das nicht geklärt ist, müssen die Bauarbeiten ruhen. Und in Italien können Prozesse, wie gesagt, ewig dauern.1
Und so ist Grado eben kein hypermodernes Seebad mit schicker Architektur und elegantem Yachthafen, sondern bietet in vielen Ecken all das, was man als »malerischen Verfall« bezeichnen könnte: Hotels aus der Zeit gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts mit abblätterndem Putz, Sechzigerjahre-Apartmentkomplexe mit niedriger Raumhöhe und kleinen Fenstern, von Pinienwurzeln aufgeworfene Asphaltdecken, generell wenig Design. Ich finde das eigentlich ganz charmant. Bis ich dann mal wieder mit dem Rad über eine Baumwurzel fahre und meine Zähne so heftig aufeinanderschlagen, dass sich die Plomben lösen.
Aber mit Grado ist es wie mit der Speisekarte in einem italienischen Restaurant: Ein paar kleinere Rechtschreibfehler in der Übersetzung der Gerichte gehören einfach dazu – eine perfekte Karte wäre doch schon fast verdächtig.
1 Der längste Prozess der italienischen Geschichte begann im Jahr 1816 und war erst im Jahr 2014 beendet, nach hundertachtundneunzig Jahren und neun Generationen von Klägern und Beklagten. Es ging um ein dreihunderttausend Quadrat-meter großes Grundstück, welches die Gemeinde von San Giovanni Gemini in Agrigento auf Sizilien an einige seiner Bürger verkauft hatte. Der Vertrag wurde von einem Notar beglaubigt, doch dann kam es zur ersten Klage gegen einen der Käufer, denn möglicherweise hatte die Gemeinde den Kaufpreis viel zu niedrig angesetzt, um dem Käufer einen Gefallen zu tun. Oder war gar Bestechung im Spiel? Jedenfalls fühlten sich andere Interessenten übervorteilt und zogen vor Gericht.
I
Die Bühne wird bereitet
Erste Arbeiten: Seegras am Spülsaum
Die Saisonvorbereitungen am Strand beginnen im Januar. Wenn im November oder Dezember Hochwasser war, den Sand fort- und Seegras angespült hat, dann gehört der Strand ein paar Wochen lang den Bulldozern. Das Seegras wird fortgeräumt, neuer Sand erst mit Kipplastern herangeschafft, dann von den Bulldozern verteilt. Über die Qualität des herbeigeschafften Sandes können die Gradeser stundenlang reden, doch eine echte Debatte kommt dabei nicht auf. Denn früher, finden alle, war alles besser. Der Sand weißer und feinkörniger, irgendwie karibischer. Das sind eben Luxusprobleme, die nur Inselbewohner mit sieben Kilometern Sandstrand vor der Haustür ausdiskutieren können.
Die ersten echten handwerklichen Arbeiten beginnen im März. Ivano streicht die Holzverkleidung seiner Strandbar in einem leuchtenden Blau und spannt auch schon die Schnüre von Baum zu Baum, die gegen die Möwen schützen sollen, denn die sind in den letzten Jahren immer dreister geworden; und warum das so ist (und ob das überhaupt stimmt), wird tatsächlich debattiert. Mein Kumpel Christian, begnadeter Koch der Beach-Bar Al Faro am Alten Strand – ja, es gibt einen Hauptstrand und einen sogenannten Alten Strand, dazu kommen wir später noch –, bietet die ungewöhnlichste Erklärung: Früher, sagt er, gab es in Grado knapp hundert Fischerboote, die immer von gewaltigen Möwenschwärmen begleitet wurden. Nun, wo es nur noch knapp vierzig Fischerboote gibt, müssen die Möwen eben andere Nahrungsquellen anzapfen, darunter schlecht geschlossene Mülleimer, Eiswaffeln unbedarfter Vorschulkinder, Ivanos Toasts, Christians Panini.
Die Strandangestellten kehren aus ihrer Winterpause zurück, es sind noch keine Touristen da, und wenn ich am Strand spazieren gehe, bleibe ich alle zwanzig Meter stehen, um eine Bekannte oder einen Freund zu grüßen. Im Sommer verliert es sich etwas, die Touristenmassen machen den Strand gewissermaßen unpersönlich, außerdem haben die Gradeser in der Hochsaison alle Hände voll zu tun und keine Zeit fürs Flanieren oder längere Unterhaltungen.
Das Gesprächsthema bei meinen Begegnungen ist fast immer das Wetter, denn darum dreht sich nun einmal alles an einem touristischen Ort. Meist wird im Frühjahr darüber geklagt, dass es kein Frühjahr mehr gebe. Damit meinen die Gradeser, dass aus dem Winter mit bitterkaltem Borawind aus dem Osten, bei dem selbst die Möwen lieber zu Fuß gehen, praktisch von einem Tag auf den anderen ein Sommer mit Temperaturen über zwanzig Grad und T-Shirt-Wetter wird. Es gebe, sagen sie, keine Übergangszeit mehr, keine trasformazione. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen, aber der Frühling ist ohnehin nur meine viertliebste Jahreszeit. Der Winter ist toll (Kamin, Kuscheln, Rotwein), der Herbst auch (Kastanien, Trüffeln, auch Kamin, auch Rotwein), und auf den Sommer freue ich mich sowieso – den werden wir ja auf den nächsten Seiten weitgehend gemeinsam am Strand verbringen. Das Frühjahr ist für meine Begriffe dagegen einfach nur ein Wartesaal, zu kühl für den Sprung ins Meer, zu warm für gemütliches Faulenzen auf dem Sofa. Auch das Essen wird einem verleidet, denn Italienerinnen und Italiener legen Wert auf ihre Strandfigur. Ist ja auch kein Wunder, wenn einem drei, vier Monate in Badebekleidung bevorstehen, aber auch dazu kommen wir später.
Immerhin: Das frühe Frühjahr ist die letzte Atempause, bevor es, manchmal zu Ostern, manchmal an den zahlreichen Maifeiertagen, richtig losgeht mit dem Tourismus. Daran erinnert mich Emanuele, den ich regelmäßig auf meinen Spaziergängen treffe. Er ist deutlich älter als ich, aber enorm in Form. Er war Fallschirmjäger, danach arbeitete er als Tischler, gründete seine eigene Firma und spezialisierte sich auf Parkettböden. Sie sind nicht so populär, wie man denken mag – Italiener mögen ihre Böden aus Terrakottafliesen mit schicken Teppichen darüber oder, wenn es ganz nobel sein soll, ihren Terrazzo, eine seit der Antike bekannte Technik, die nichts mit den industriellen »Terrazzo-Platten« der deutschen Nachkriegszeit zu tun hat. Terrazzo-Boden wird mit sogenannten Zuschlagstoffen (schönes Wort) wie Marmor, Kalkstein und Granit vermengt, aufgetragen und sorgsam abgeschliffen, so dass nicht nur wunderschöne und spiegelglatte Farbmuster entstehen, sondern auch Böden, die seit Kaiser Augustus’ Zeiten halten. Bei modernen Zementplatten wird einfach zusammengerührt, was da ist – und entweder holprig gelassen oder industriell geplättet.
All das weiß ich, weil mein Schwager Architekt ist und aus der Wohnung, die ihm meine Schwiegereltern überließen, den Terrazzo mit Parkett überdecken wollte, was für erbitterte innerfamiliäre Diskussionen sorgte.
Zurück zu Emanuele: Trotz der italienischen Parkettmuffligkeit reichte es also für eine eigene Firma und den Verkauf derselben pünktlich zum Rentenalter. Er ließ sich in Grado nieder und hält sich durch lange Spaziergänge fit. So wie ich. Bloß, dass es bei ihm irgendwie besser wirkt. Er ist zwanzig Jahre älter als ich, aber ich glaube, er würde mich in einem Marathon locker besiegen.
Jedenfalls ist er kein Gradeser, sondern zugezogener Ruheständler. Und vor ein paar Tagen – an einem dieser Frühjahrstage, die schon richtig sommerlich waren –, begegneten wir uns, und er zog mich zur Seite.
»So schön leer«, begrüßte er mich.
»Ja.«
»Bald kommen die Touristen«, raunte er mir zu.
Ich nickte, weil ich nicht wusste, worauf er hinauswollte.
»Manche Gradeser mögen es nicht, wenn die Touristen kommen.«
Ich blieb auf der Hut.
Er blickte sich verschwörerisch um. »Und inzwischen kann ich sie verstehen.«
Dieser Perspektivenwechsel ist sehr interessant und begegnet mir öfter; manchmal zuckt es auch in mir selbst. Denn Emanuele ist von einem Touristen zu einem Einheimischen geworden – so empfindet er es jedenfalls. Und da fällt mir die erste der drei Lebensweisheiten ein, die mir mein Vater mitgab: »Konvertiten sind die Schlimmsten.« (Die anderen beiden: »Ohne Fleisch ist es keine Mahlzeit« – er war in Grado immer sehr unglücklich – und: »Erst das Hemd, dann die Hose« – ein wertvoller Rat, ob am Strand, beim Arzt oder vorm Sex, denn ein Mann, der obenrum angezogen ist und untenrum nicht, wirkt lächerlich.)
Jedenfalls: Sprüche wie von Emanuele höre ich immer wieder auch von anderen ehemaligen Touristen, die inzwischen in Grado ansässig geworden sind. Mit dem Erwerb eines Wohnsitzes in einem Urlaubsort wird man automatisch von einem, der reist, zu einem, der bereist wird. Und dieser Umstand stört Konvertiten mehr als Einheimische, was sich gut in Grado beobachten lässt. Noch besser aber in Venedig, wo es häufig die Zugereisten aus dem Ausland sind, die am lautesten über die Touristen schimpfen; dabei waren sie ja vor wenigen Jahren selbst noch welche. Apropos welche: »Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche«, wusste schon F. W. Bernstein. Das würde ich gern Emanuele sagen, aber erstens wäre es sehr unhöflich, und zweitens reimt es sich auf Italienisch überhaupt nicht.
Gegen den Dieb in der Nacht: Das große Graben
Vor Saisonbeginn reden alle über den Strand. Er wirkt wie ein lebendiges Wesen, das mit seinen warmen, körnigen Armen die Insel liebkost, aber auch Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten einfordert. Und es ist ja verständlich, denn was wäre das Leben hier ohne ihn? Also wird er begutachtet, bemuttert, gepflegt, geharkt, gesäubert. Und verteidigt, so gut es geht.
Deswegen ist das Hochwasser, das etwa jeden dritten, vierten November kommt wie ein Dieb in der Nacht, unser aller Feind. Denn es raubt uns den Sand, und zwar ausgerechnet am Hauptstrand. Zuletzt, im November 2023, waren es dreißigtausend Kubikmeter. Kann sich diese Menge jemand vorstellen? Natürlich nicht. Also fragte ich nach: Ein normaler Lastwagen kann elf Kubikmeter Sand transportieren. Das Hochwasser hatte also etwa die Wucht und Wirkung von zweitausendsiebenhundert nächtlich angerückten Lastwagen.
Aber Grado hat auch Glück. Denn der Alte Strand liegt im Gegensatz zum Hauptstrand günstig und wächst seit Jahrzehnten beinahe ungezügelt. Noch in den Fünfzigerjahren schlugen die Wellen direkt an die Uferbefestigung, inzwischen ist der Strand mehr als hundert Meter breit. Warum? Weil Wind und Wellen beständig für ein Aufschichten des Sandes sorgen. Für ein heftiges Wachstum der Sandstrände an der Adria sorgt vor allem der Po. Der Ort Adria, nach dem unser Lieblingsmeer benannt ist, einst ein wichtiger griechischer Handelshafen, liegt nach nur zweieinhalb Jahrtausenden fünfundzwanzig Kilometer landeinwärts, weil der Po so fleißig Sedimente ins Mittelmeer leitet.
Was also passiert im Frühjahr, ganz einfach und unbürokratisch? Der Sand, den das Hochwasser im Herbst am Hauptstrand geraubt hat, wird nun einfach vom Alten Strand, wo sich in den letzten Jahrzehnten abertausende Kubikmeter angesammelt haben, abgebaggert und am Hauptstrand aufgeschüttet. Also keine Panik: Sand wird es in Grado immer geben, ganz egal, was die Medien schreiben. Auch wenn manchmal ordentlich umgetopft werden muss.
Recruiting Day: Hoffnung auf den Traumjob
Die Strandverwaltung lud vor Saisonbeginn zum Recruiting Day. Ja, so nannten sie das tatsächlich, als wären wir bei Apple in Cupertino. Immerhin: Vierhundertsechsundfünfzig Menschen kamen, um sich auf die fünfzig freien Stellen zu bewerben; insgesamt arbeiten in der Saison knapp zweihundert Personen für die Strandverwaltung. Der day musste auf two days ausgeweitet werden. Als Bagnino und Schwimmmeister2 bewarben sich zweihunderteinundneunzig Personen, als Kontrolleure am Eingang ebenfalls zweihunderteinundneunzig Personen, für das Strandrestaurant hundertneunundachtzig, für Büro und Verwaltung zweihunderteinundachtzig, für die Animation hundertsechs, für Thermen und Beauty sechsundfünfzig Personen. Für Mathegenies wie mich, die erst ein bisschen überlegen mussten: Mehrfachbewerbungen waren ganz offensichtlich möglich.
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