Menschen(s)kinder - Angie Pfeiffer - E-Book

Menschen(s)kinder E-Book

Angie Pfeiffer

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Beschreibung

Familie, Kinderglück, das ist ein Quell steter Freude. Kinder sind niedlich, immer ehrlich und quicklebendig. Sicherlich stimmt das alles, aber gleichzeitig ist das Leben mit Kindern chaotisch, komisch und nicht immer ganz einfach. Mit Herz, Humor und einem Schuss Selbstironie erzählt Angie Pfeiffer Geschichten über große und kleine Kindern. Von großer Freude und kleinen Kümmernissen. Von mittleren Katastrophen und bewegenden Momenten. Geschichten von früher und heute, denn auch die Eltern und Großeltern sind einmal Kinder gewesen.

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Menschen(s)kinder

Menschen(s)kinderImpressum

Menschen(s)kinder

Die Protestierten

„Sind wir bald da?“, ungeduldig zappelte Luca auf seinem Sitz hin und her.

Sein Bruder Stefan, kicherte. „Das hat der Esel neulich bei Shrek auch immerzu gesagt. Aber er hat noch so gemacht.“ Stefan steckte einen Finger in den Mund und erzeugte so ein schmatzend-knallendes Geräusch. Sein Bruder tat es ihm gleich.

Nach einer Weile drehte sich Maria entnervt um. „Das klingt toll, aber nur im Film. Könnt ihr jetzt damit aufhören, Jungens? Schaut euch doch mal die Gegend an.“

„Die Gegend ist langweilig, Mama. Wann sind wir denn am Meer? Ich will schwimmen.“

„Bald, nur noch eine kleine Weile.“

Etwas später:

„Guck mal, da stehen lauter Frauen rum. Jetzt sind wir bald am Meer, die wollen bestimmt auch schwimmen gehen.“ Luca wies auf ein paar leicht bekleidete Damen, die am Straßenrand standen.

„Ein paar Kilometer müssen wir noch fahren“, klärte der Vater auf. „Die Mädel sind aus anderen Gründen so dünn angezogen.“

„Warum denn, Papa?“

„Ja, also ... gute Frage.“

Maria musterte ihren Mann amüsiert. „Aus der Nummer musst du jetzt mal rauskommen, mein Lieber.“

„Warum, Papa? Ist denen so warm?“

„Genau, die schwitzen so leicht“, erleichtert gab der Vater seinem jüngsten Sohn Recht. Stefan runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich glaube, das sind Protestierte.“

„WAS?“

„Kevin hat da neulich in der großen Pause von erzählt. Er ist mit seinen Eltern wo hin gefahren, und da stand so eine. Sein Papa hat gesagt, dass sie viel Geld verdient, weil sie toll aussieht, und seine Mama hat gemeckert und gefragt, woher er das denn weiß. Da hat Kevins Papa gestottert und die Mama hat ganz viel mehr gesagt und dann nix mehr. Das war jedenfalls eine Protestierte, sagt Kevin.“ Stefan nickte energisch.

„Also wirklich, und so etwas in der ersten Klasse. Wir früher...“

Du, Mama“, Stefan stoppte die Ausführungen seiner Mutter. „Was arbeiten die Protestierten denn, wenn sie so viel Geld verdienen?“

„Es heißt Prostituierte und die Frauen verdienen so viel auch nicht.“

„Aber was arbeiten die denn?“, meldete sich Luca zu Wort.

Maria warf ihrem Mann einen hilflosen Blick zu. „Sag du doch auch mal was!“

Der gab einen erstickten Laut von sich, der einem krampfhaften unterdrückten Lachen ziemlich ähnlich klang. „Erklär du das mal lieber. Das machst du ganz fantastisch, Schatz.“

„Feigling! Ja, also, diese Frauen, die stehen dort und warten auf Männer.“

„So wie du immer mit dem Essen auf Papa wartest, wenn er mal länger arbeiten muss?“

„Nicht so“, Maria überlegte einen Augenblick. „Es gibt Männer, die wollen Liebe haben und dann gehen sie zu diesen Frauen und geben ihnen Geld dafür.“

„Haben die Männer denn keine Mama die sie lieb hat?“, fragte Luca nachdenklich.

Sein Bruder stieß ihm in die Rippen. „Mensch, Luc, du bist ja doof. Die Männer wollen bestimmt so knutschen, wie Papa und Mama das manchmal machen, wenn sie meinen, dass wir es nicht merken.“

Maria wechselte einen Blick mit ihrem Mann, der sie breit angrinste. „So, so, wir knutschen also heimlich“, flüsterte er, fasste ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken. Maria lächelte ihn an.

„Jetzt sag schon, Mama, wie viel Geld kriegt denn so ne Protestierte von den Männern.“ Stefan interessierte immer noch die finanzielle Seite.

Seine Mutter zuckte die Schultern. „Ach ich weiß nicht, vielleicht 50 Euro.“

„Oder vielleicht auch 100?“, fragte Stefan.

„Ja, vielleicht auch 100, das wäre auch möglich.“

Schweigen.

„Sag mal, Mama“, fragte Luca nach einer Weile. „Würdest du gerne eine Protestierte sein und auch so viel Geld verdienen?“

„Aber nein, das möchte ich ganz bestimmt nicht.“

„Auch nicht, wenn du immer 100 Euro kriegen würdest?“

„Nein, auch dann nicht!“

„Und 200 Euro?“

„Nei-hein, und überhaupt bin ich ja mit Papa verheiratet!“

„Und wenn du jetzt nicht mit Papa verheiratet wärst, und nicht heimlich mit Papa knutschen könntest?“

„Auch dann nicht, ich will so etwas überhaupt nicht machen!“

„Aber wenn du das jetzt doch mal machen würdest, wie viele Euro würdest du nehmen?“

„Na gut, also dann würde ich mindestens tausend Euro nehmen.“

Wieder runzelte Stefan die Stirn, ein Zeichen für intensives Nachdenken. „Weißt du, Mama. du bist ja schon ziemlich alt. Ich glaube nicht, dass du so viele Euro kriegen könntest.“

„Schaut mal, da hinten ist das Meer. Wir sind fast da.“

3 Wochen später:

Meine Urlaubsgeschichte, Aufsatz von Stefan

Wir wollten im Urlaub zum Meer fahren. Auf der Fahrt dort hin haben wir viele Protestierte gesehen. Die haben herum gestanden und auf Männer zum Knutschen gewartet. Mama hat gesagt, dass sie auch mal knutschen möchte, aber eigentlich nur mit Papa. Aber wenn sie Papa nicht hätte, dann würde sie bestimmt viel Geld verdienen. Mindestens tausend Euro. Das glaube ich nicht, weil Mama schon ziemlich alt ist. Papa hat gar nichts gesagt, aber komisch gekichert.

Kaperfahrt

„Das ist aber ein kleines Boot“, sagte Tim, während er die Badewanne skeptisch musterte. „Na ja, eigentlich badet meine Mutter meinen kleinen Bruder darin“, antwortete Tomte. „Aber sie ist gut geeignet. Du wist schon sehen. Die Ränder sind so hoch, dass garantiert kein Wasser rüberkommt. Paddel habe ich uns auch mitgebracht.“ Stolz wies er auf zwei Zaunlatten.

Die Freunde hatten letztens zusammen einen Piratenfilm angeschaut und wollten jetzt eine Kaperfahrt auf dem Nonnenbach, einem kleinen und seichten Gewässer am Dorfrand unternehmen. Dazu hatte Tomte sich die Badewanne seines kleinen Bruders ausgeliehen.

„Wir können es ja mal probieren. Wenn wir uns beide hinstellen, dann passen wir bestimmt rein“, stellte Tim fest.

So ließen die Jungen ihre Piratenwanne zu Wasser, wobei sie feststellten, dass der Stöpsel fehlte. Schnell zogen sie die Wanne wieder an Land.

„Das macht nichts. Ich setzte mich einfach auf das Loch, dann bin ich der Stöpsel und halte das Wasser ab“, wusste Tomte sich zu helfen, setzte sich kurzerhand hin und hielt die Zaunlatten griffbereit. „Du musst das Boot jetzt nur noch in den Bach schieben und schnell reinspringen.“

„Meinst du?“, fragte Tim und kratzte sich den Kopf. „Was ist, wenn du nicht dicht hältst? Oder wenn ich nicht schnell genug springe?“

„Jetzt komm schon, wir sind Piraten und gehen auf große Fahrt“, munterte Tomte seinen Freund auf. „Und unser Boot ist garantiert unkaputtbar.“

Also nahm Tim Anlauf und gab der Wanne einen beherzten Schubs. Die machte einen gewaltigen Hopser und landete ein Stück weit im Bach. Wieder kratzte sich Tim den Kopf. Wie sollte er jetzt in das Boot kommen, ohne nasse Füße zu kriegen? Das Wasser war bestimmt so tief, dass es ihm in die Gummistiefel laufen würde, wenn er zum Boot hinaus watete. Hilflos schaute er zu seinem Freund hinüber, der damit beschäftigt war, das schwankende Schiff auf Kurs zu bekommen.

„Warte, ich hole dich. Du kannst mir ja schon entgegenkommen.“ Tomte paddelte eifrig mit einer Zaunlatte. Mit einiger Mühe gelang es ihm tatsächlich das Boot etwas näher ans Ufer zu manövrieren. Tim, der vorsichtig ins Wasser gestiefelt war, bekam es zu packen und hielt sich am Rand fest. Jetzt musste er nur noch ins Boot hineingelangen. Er hob das Bein und versuchte es über den Rand zu bekommen, was den Kahn gefährlich ins Schlingern brachte.

„Vorsicht, sonst kentern wir“, schrie Tomte, dann hatte er eine Idee. „Mann über Bord! Es wimmelt vor Haien, wir müssen ihn retten bevor er aufgefressen wird. Werft ihm den Rettungsring zu“, mit diesen Worten hielt er seinem Freund eine Zaunlatte hin, die Tim mit beiden Händen ergriff. Er schaute um sich. Tatsächlich schäumte das Wasser um ihn herum verdächtig weiß. Es schien von Haifischen nur so zu wimmeln. „Hilfe, sie kreisen mich ein und Piranhas sind auch dabei“, rief er. „Schnell, zieh mich aufs Boot.“ Wieder versuchte er über den Rand zu gelangen, was das Boot gewaltig schlingern ließ. „Vorsicht, sie greifen uns an. Sie wollen unser Schiff versenken und uns alle fressen.“

„Ja genau, wir müssen sie verjagen.“ Tomte schlug mit einem Zaunlattenpaddel aufs Wasser. Tim ergriff mutig das andere Paddel uns tat es ihm gleich. Damit schienen die schrecklichen Ungeheuer nicht gerechnet zu haben, denn nach einiger Zeit war kein einziges mehr zu sehen. Tomte ließ das Paddel sinken.„Wir haben sie besiegt“, strahlte er.

Tim nickte. „Dann kann ich jetzt in Ruhe einsteigen. Ich ziehe das Schiff nur noch etwas näher ans Ufer, damit das leichter geht.“ Er machte sich gleich daran und hatte das Boot bald ganz nah am Ufer. Von hier aus war alles einfach. Er brauchte nur einen großen Schritt zu machen und schon stand er mitten im Boot. „Das ist aber wackelig“, stellte er fest, während er versuchte das Gleichgewicht zu halten. „Stimmt“, bekräftigte sein Freund diese Feststellung. „Und übrigens bin ich untenrum ganz nass. Ich tauge doch wohl nicht so gut als Stöpsel.“ Er wies auf seine nasse Hose.

„Macht nix, obenrum bist du auch nass, weil wir die Monsterfische bekämpft hast“, stellte Tim fest. „Vielleicht sollten wir die Plätze tauschen. Ich setzte mich auf das Loch und du stellst dich hin und hältst Ausschau nach feindlichen Schiffen, die wir kapern können.“

Tomte nickte zustimmen. „Oder nach noch anderen Monstern. Es gibt auch noch Seeschlagen. Die sind riesengroß. Das habe ich neulich in einem Buch gesehen.“ Er versuchte vorsichtig sich hochzustemmen, ließ sich aber schnell wieder auf den Allerwertesten plumpsen, denn das Boot geriet gefährlich ins Schwanken, was Tim um ein Haar über Bord gehen ließ.

„Ich habe eine Idee“, schlug Tim vor. „Ich setzte mich erst mal hin, dann stehst du auf. Kannst du deine Beine noch mehr einziehen? Sonst habe ich keinen Platz.“ Er setzte seinen Gedanken gleich in die Tat um, fasste rechts und links fest an den Rand des Bootes und ließ sich vorsichtig in die Hocke sinken. Tomte zog die Beine an, so gut es ging. „Mehr kann ich nicht“, japste er. „Setz dich jetzt hin. Auf ‚drei’ stehe ich auf und du rutscht ganz schnell auf das Loch.“ Er holte tief Atem. „Fertig? Eins – zwei – drei ...“

Nun geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Tomte stand mit einem Ruck auf, Tim versuchte gleichzeitig auf das Loch zu rutschen. Das Boot geriet in Schieflage und kippte um. Mit einem gewaltigen Platsch landeten die beiden Jungen im Wasser. Sie prusteten. Zum Glück war der Nonnenbach nicht breit und sie sowieso nicht weit vom Ufer entfernt. So waren sie ruck- zuck auf allen Vieren aus dem Wasser gekrabbelt.

„Mist, jetzt ist unser Boot wohl gekentert“, stellte Tomte fest.

„Ich hab es dir ja gleich gesagt, es ist zu klein für uns beide“, sagte Tim, zog sich die Gummstiefel aus und kippte sie um, damit das Wasser aus ihnen herauslief. „Ich glaube wir sollten jetzt lieber nach Hause gehen, wir sind ganz schön nass geworden.“

„Stimmt.“ Tomte stiefelte noch einmal in den Nonnenbach und rettete das Badwannenboot. „Ich glaube wir gehen erst einmal in unsere Garage. Da können wir die Heizung anmachen und unsere Sachen trocknen. Die Wanne müssen wir auch noch sauber machen.“

Tim nickte ihm aufmunternd zu. „Klar, das machen wir. Nachher kriegst du noch Ärger, wenn deine Mutter deinen kleinen Bruder baden will. Das nächste Mal probieren wir es mit einem größeren Boot, einem ohne Loch.“

„Ja, ein größeres Boot muss es schon sein“, stimmte ihm Tomte nachdenklich zu. „Aber wenn das doch ein Loch haben sollte, dann bringe ich meinen kleinen Bruder mit, damit er sich draufsetzt. Ich glaube, der ist als Stöpsel besser geeignet als wir.“

Das schönste Geschenk

„Die alte Hexe sitzt schon wieder vor ihrem Haus. Sicher wartet sie auf uns, damit sie schlimme Sachen sagen kann.“ Verzagt nahm Kathi Tims Hand. Bevor ihr Zwillingsbruder sich aus dem Griff befreite, drückte er ihr beruhigend die Finger. Er war zwar nur fünfeinhalb Minuten älter als Kathi, hatte aber einen ausgeprägten Hang dazu, seine Schwester zu beschützen. „Wir rennen einfach schnell vorbei. Ehe sie den Mund aufgemacht hat, sind wir schon weg“, entschied er und machte sich startklar.