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Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Es dunkelte bereits, als Parker nach Shepherd's Market zurückkehrte und sein hochbeiniges Monstrum auf dem Vorplatz von Myladys Fachwerkhaus abstellte, das seiner wohlhabenden Herrin als Stadtresidenz diente. Zwei Einkaufstüten in der Linken, den Schlüssel in der Rechten, schritt der Butler würdevoll und gemessen zum Eingang. Das repräsentative Anwesen wirkte noch genauso wie vor zwei Stunden, als er es verlassen hatte. Dennoch schien sich etwas Entscheidendes verändert zu haben. Ebenso aufmerksam wie unauffällig ließ Josuah Parker seine Blicke schweifen, bevor er die Haustür aufschloß. Dabei registrierte er, daß nirgendwo Licht brannte, obwohl Lady Agatha zu Hause sein mußte. Sie wartete vermutlich schon ungeduldig darauf, daß er ihr den Fünfuhrtee servierte. Geräuschlos trat der Butler ein und blieb lauschend im verglasten Vorflur stehen. Das komplizierte Sicherheitsschloß der Haustür hatte er unbeschädigt gefunden. Damit schied die Möglichkeit, daß Unbekannte während seiner Abwesenheit gewaltsam ins Haus eingedrungen waren, praktisch aus. Dennoch wollten die dunklen Ahnungen, die Parker schon beim Verlassen des Fahrzeugs beschlichen hatten, nicht weichen. In der Tür zur weitläufigen Wohnhalle, die in tiefer Dämmerung lag, räusperte sich der Butler – zuerst diskret, dann vernehmlicher. Vergebens wartete er darauf, seine Herrin mit ihrem baritonal gefärbten Organ »Mister Parker?« rufen zu hören. Nicht mal sägende Geräusche, die mitunter das einzige Lebenszeichen darstellten, wenn Mylady im Studio meditierte, waren zu vernehmen. Auch der Fernseher im Obergeschoß hatte Pause. Nur das Ticken der Standuhr drang an Parkers Ohr. Ohne Licht einzuschalten, lenkte der Butler seine Schritte zu der geschwungenen Freitreppe, die nach oben führte, wo Agatha Simpsons private Gemächer lagen. »Mylady?« machte Parker sich bemerkbar und pochte der Reihe nach an die Türen.
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Es dunkelte bereits, als Parker nach Shepherd’s Market zurückkehrte und sein hochbeiniges Monstrum auf dem Vorplatz von Myladys Fachwerkhaus abstellte, das seiner wohlhabenden Herrin als Stadtresidenz diente.
Zwei Einkaufstüten in der Linken, den Schlüssel in der Rechten, schritt der Butler würdevoll und gemessen zum Eingang. Das repräsentative Anwesen wirkte noch genauso wie vor zwei Stunden, als er es verlassen hatte. Dennoch schien sich etwas Entscheidendes verändert zu haben.
Ebenso aufmerksam wie unauffällig ließ Josuah Parker seine Blicke schweifen, bevor er die Haustür aufschloß. Dabei registrierte er, daß nirgendwo Licht brannte, obwohl Lady Agatha zu Hause sein mußte. Sie wartete vermutlich schon ungeduldig darauf, daß er ihr den Fünfuhrtee servierte.
Geräuschlos trat der Butler ein und blieb lauschend im verglasten Vorflur stehen. Das komplizierte Sicherheitsschloß der Haustür hatte er unbeschädigt gefunden. Damit schied die Möglichkeit, daß Unbekannte während seiner Abwesenheit gewaltsam ins Haus eingedrungen waren, praktisch aus.
Dennoch wollten die dunklen Ahnungen, die Parker schon beim Verlassen des Fahrzeugs beschlichen hatten, nicht weichen.
In der Tür zur weitläufigen Wohnhalle, die in tiefer Dämmerung lag, räusperte sich der Butler – zuerst diskret, dann vernehmlicher. Vergebens wartete er darauf, seine Herrin mit ihrem baritonal gefärbten Organ »Mister Parker?« rufen zu hören.
Nicht mal sägende Geräusche, die mitunter das einzige Lebenszeichen darstellten, wenn Mylady im Studio meditierte, waren zu vernehmen. Auch der Fernseher im Obergeschoß hatte Pause.
Nur das Ticken der Standuhr drang an Parkers Ohr.
Ohne Licht einzuschalten, lenkte der Butler seine Schritte zu der geschwungenen Freitreppe, die nach oben führte, wo Agatha Simpsons private Gemächer lagen.
»Mylady?« machte Parker sich bemerkbar und pochte der Reihe nach an die Türen. Doch nirgends gab es eine Antwort. Nur hinter der Tür zum Studio war gedämpftes Rauschen zu vernehmen.
Urheber war das eingeschaltete Fernsehgerät, obwohl die Videokassette, der Lady Simpson sich gewidmet hatte, längst durchgelaufen war.
Die Hausherrin war und blieb verschwunden. Außer dem Fernseher verriet nur die halbleere Cognac-Flasche mit ihrem Kreislaufbeschleuniger, daß Mylady sich noch vor kurzem hier aufgehalten hatte.
Langsam ging Joshua Parker den Weg zur Haustür zurück und schaltete dabei das Licht in der Wohnhalle ein. Seine Nerven und Sinne befanden sich in Alarmbereitschaft. Doch nirgends fand sich etwas Verdächtiges, nicht der kleinste Hinweis darauf, daß Lady Simpson etwas zugestoßen sein könnte.
Erst in der Diele wurde der Verdacht zur Gewißheit.
In der Ecke links neben der Tür lag der lederne Handbeutel, der mit bunten Perlen aus lackiertem Gußeisen besetzt war. Der Butler bückte sich und hob ihn auf. Kein Zweifel! Es handelte sich um Lady Agathas Pompadour, ohne den sie noch nie das Haus verlassen hatte.
Mit den Damenhandtäschchen gleichen Namens, die zur Jahrhundertwende in Mode waren, hatte der Pompadour allerdings kaum mehr als den Namen gemeinsam. Das geräumige Behältnis, das eher an einen zu heiß gewaschenen Seesack erinnerte, enthielt auch keine Kosmetik-Utensilien, sondern Myladys geliebten Glücksbringer, ein massives Hufeisen, das von einem stämmigen Brauereipferd stammte.
Diesen sogenannten Glücksbringer wußte die resolute Dame bei Begegnungen mit Vertretern der Londoner Unterwelt ungemein wirkungsvoll einzusetzen. Daß er einem der Adressaten Glück gebracht hätte, konnte man jedoch nicht behaupten.
Parkers glattes, alterslos erscheinendes Gesicht blieb unbewegt wie immer. Doch sein Gehirn arbeitete fieberhaft und spielte mit der Rasanz eines Großrechners alle denkbaren Möglichkeiten durch.
Trotzdem wurde der Butler sofort aufmerksam, als draußen in der Einfahrt ein Auto hielt. Obwohl das Motorengeräusch ihm bekannt vorkam, schaltete Parker vorsichtshalber die hauseigene Video-Überwachungsanlage ein, deren Steuerzentrale in einem Wandschrank im verglasten Vorflur untergebracht war.
Sekunden später leuchtete auf dem quadratischen Monitor ein kristallklares Bild auf. Mühelos durchdrang das Auge der elektronischen Kamera die tiefe Dämmerung des frühen Novemberabends.
Inzwischen hatte Schneeregen eingesetzt. Dem dunkelblauen Austin, der am Straßenrand parkte, entstiegen Mike Rander, eine sportliche Erscheinung von schätzungsweise vierzig Jahren, und dessen – fast – ständige Begleiterin, die attraktive Kathy Porter.
An der Eile, mit der sie zum Haus schritten, schien nicht nur der nasse Flockenwirbel schuld zu sein.
»Man erlaubt sich, einen möglichst angenehmen Abend zu wünschen«, sagte der Butler in seiner stets höflichen Art und verneigte sich andeutungsweise, als er dem jungen Paar die Tür öffnete.
Doch Rander erwiderte nicht mal den Gruß.
*
»Wo ist Mylady?« wollte der Anwalt atemlos wissen und stürmte an Parker vorbei in die Diele.
»Ist es wahr, Mister Parker?« erkundigte sich die hübsche Kathy.
»Sofern Sie auf den Umstand anspielen, daß Mylady vermutlich entführt worden ist«, erwiderte der Butler, »sieht man sich bedauerlicherweise genötigt, Ihre Frage mit ja zu beantworten, Miß Porter.«
»Also doch.« Randers sonnengebräunter Teint wirkte ungewöhnlich blaß. »Und wir glaubten beide an einen schlechten Scherz.«
»Darf man um Auskunft bitten, worauf Sie mit dieser Äußerung anzuspielen geruhen, Sir?« erkundigte sich Parker, während er den leicht verstört wirkenden Besuchern aus den Mänteln half.
»Vor einer Viertelstunde erhielt ich einen Anruf« berichtete der Anwalt und ließ sich in das aufwendig gearbeitete Ledersofa neben dem Kamin fallen. »Ein Unbekannter behauptete, er hätte Mylady entführen lassen. Er nannte auch gleich seine Lösegeldforderung: zehn Millionen Pfund!«
»Vermutet man recht, daß der Anrufer Ihnen von der Stimme her nicht bekannt war, Sir?« vergewisserte sich der Butler und schenkte Rander einen doppelten Cognac ein, was der Anwalt mit dankbarem Lächeln quittierte.
»Keine Ahnung, wer es war, Parker«, antwortete Rander resigniert. »Ich bin sicher, die Stimme noch nie gehört zu haben.«
»Aber er schien recht gut informiert zu sein, Mike«, warf Kathy Porter ein, die ebenfalls auf dem Ledersofa Platz genommen hatte und ausnahmsweise auch einen Schluck trank.
»Stimmt«, nickte der Anwalt. »Jedenfalls wußte er genau, daß ich als Myladys Vermögensberater ausreichende Vollmachten besitze, um die zehn Millionen lockerzumachen.«
»Wir dachten wirklich, uns wollte jemand auf den Arm nehmen, Mister Parker«, erzählte die zierliche, knapp dreißigjährige Kathy. »Vorsichtshalber haben wir dann aber doch hier angerufen, um uns zu vergewissern.«
»Als sich aber niemand meldete, wurde uns leicht mulmig, Parker«, übernahm Rander wieder den Faden. »Trotzdem glaubten wir nicht dran, bis wir hier eintrafen.«
»Wie konnte das nur passieren?« stieß Kathy Porter verzweifelt hervor. »Waren Sie denn nicht hier, Mister Parker?«
»In der Tat, Miß Porter«, bestätigte der Butler. »Meine bescheidene Wenigkeit hielt sich knapp zwei Stunden zu Einkäufen und anderen Besorgungen in der City auf.«
»Haben Sie denn schon rausbekommen, wie die Gangster ins Haus gekommen sind, Parker?« wollte der Anwalt wissen.
»Man fand bisher keinerlei Spuren, die auf ein gewaltsames Eindringen hindeuten, Sir«, gab der Butler Auskunft. »Man sollte der Annahme zuneigen, daß Mylady den Entführern die Haustür öffnete und auf der Schwelle überwältigt wurde.« Zur Erläuterung erwähnte er den Pompadour, der in einer Ecke lag und seiner Herrin offensichtlich entfallen war.
»Ich kann einfach nicht glauben, daß Mylady sich derart überrumpeln läßt«, warf die attraktive Kathy ein und schüttelte den Kopf.
»Du meinst, weil sie sich für die Detektivin des Jahrhunderts hält?« fragte Rander. »Jeder macht irgendwann mal Fehler.«
»Eine Feststellung, die man nur mit dem allergrößten Nachdruck unterstreichen kann, Sir«, pflichtete der Butler ihm bei. »Selbst Mylady dürfte von dieser ausgesprochen menschlichen Eigenschaft nicht völlig freizusprechen sein, falls man sich die Anmerkung erlauben darf.«
»Und jetzt?« Kathy Porter sah die Männer abwechselnd an. Ihr Blick drückte Sorge und Hoffnung zugleich aus.
»Das ist die Frage.« Der Anwalt stützte den Kopf in die Hände und schien angestrengt nachzudenken.
»Wir müssen die Polizei einschalten, Mike«, tat die junge Dame ihre Einschätzung kund. »Für mich ist das jedenfalls keine Frage.«
»Du weißt genau, was Mylady von der Polizei hält, Kathy«, gab Rander zu bedenken. »Sie könnte es nicht ertragen, von Polizisten befreit zu werden. Und auf uns wäre sie garantiert sauer.«
»Was meinen Sie denn, Mister Parker?« wandte sich Kathy Porter erwartungsvoll an den Butler.
»Meine Wenigkeit kommt nicht umhin, Mister Randers Äußerungen in vollem Umfang beizupflichten, Miß Porter«, antwortete Parker.
»Sie und Mike wollen also auf eigene Faust versuchen, Mylady zu finden und zu befreien?« vergewisserte sich die Besucherin.
»Nichts anderes gedachte man anzudeuten, Miß Porter«, bestätigte der Butler und verneigte sich andeutungsweise.
»Genau«, nickte der Anwalt. »Und mit deiner Hilfe können wir doch bestimmt rechnen, Kathy.«
»Das ist keine Frage, Mike«, erwiderte Kathy Porter. »Ich übernehme jede Aufgabe, die mir zugewiesen wird.«
»Ein Angebot, daß man mit Freude und Dankbarkeit zur Kenntnis nimmt, Miß Porter«, ließ der Butler sich vernehmen. »Ihre tatkräftige Mithilfe dürfte sich schon bald als unentbehrlich erweisen.«
Josuah Parker schätzte die ungewöhnlichen Fähigkeiten der jungen Dame, die sich schon bei mancher Verbrecherjagd bewährt hatte. Kathy Porter war nicht nur hübsch und intelligent, sondern auch wachsam und überdies erfahren in der Kunst fernöstlicher Selbstverteidigung.
Wer die zierliche Person mit den leicht mandelförmig geschnittenen Augen und dem dunklen Haar noch nie in Aktion erlebt hatte, traute ihr nur geringe Körperkräfte zu. Trotzdem hatte Kathy schon manchen Zweizentnermann nach elegantem Schulterwurf auf die Bretter gelegt.
»Darf man gegebenenfalls erfahren, ob der schon mehrfach genannte Anrufer Ort und Zeitpunkt für die Übergabe des Lösegeldes bekanntgab, Sir?« wandte sich der Butler an Mike Rander.
»Dazu wollte er sich später noch mal melden«, teilte der Anwalt mit. »Auch hat er mir ein Lebenszeichen von Mylady versprochen, das eindeutig beweist, daß sie sich in seiner Gewalt befindet.«
»Somit scheint es sich als notwendig zu erweisen, den nächsten Kontakt mit den Entführern abzuwarten«, äußerte Parker mit unbewegter Miene. »Frühestens in dem Augenblick, dürfte sich die Gelegenheit zu aktivem Eingreifen ergeben.«
»Leider haben Sie recht, Mister Parker«, stimmte Kathy Porter zu. »Aber gibt es denn überhaupt nichts, was wir tun können?«
»Meine Wenigkeit wird den ehrenwerten Mister Pickett um seine freundliche Unterstützung bitten, sofern keine Einwände erhoben werden«, ließ der Butler verlauten.
»Gute Idee, Parker«, ermunterte Rander ihn. »Meistens sickert in der Szene ja doch etwas durch.«
»Zumindest sollte man eine solche Möglichkeit unter keinen Umständen ausschließen, Sir«, erwiderte Parker, drehte sich nach einer knappen Verbeugung um und lenkte seine Schritte in Richtung Diele, wo das Telefon stand.
Der ehrenwerte Mister Pickett, wie Parker ihn gewöhnlich nannte, war ein schlanker, hoch aufgeschossener Mann von etwa sechzig Jahren. Das Travellerhütchen, der akkurat gestutzte Schnauzer und der stets gepflegte Trenchcoat ließen den Eindruck entstehen, man habe einen pensionierten Offizier der königlich-britischen Kolonialtruppen vor sich. Dabei war Picketts Karriere ganz anders verlaufen.
Vor Jahren hatte Horace Pickett, wie sein vollständiger Name lautete, als »König der Londoner Taschendiebe« eine besondere Rolle in der Unterwelt gespielt. Allerdings hatte er grundsätzlich nur nach Brieftaschen gegriffen, die ohnehin an Überfüllung litten. Deshalb gab der Mann seine damalige Tätigkeit manchmal schmunzelnd als Eigentumsumverteilung an.
Bei dieser Tätigkeit war er jedoch einmal ahnungslos an einen hochkarätigen Mafiaboß geraten, was ihn um ein Haar das Leben gekostet hätte. Mehr oder weniger zufällig war Butler Parker in der Nähe gewesen und hatte für die entscheidende Wende gesorgt.
Seitdem war Horace Pickett auf die Seite des Gesetzes übergewechselt und zeigte seine Dankbarkeit, indem er das Paar aus Shepherd’s Market mit Informationen aus der Szene versorgte. Seine Verbindungen waren noch immer hervorragend und hatten sich schon oft als hilfreich erwiesen. Überdies galt der einstige Eigentumsumschichter nicht ohne Grund als Meister der diskreten Observation.
*
»Schön, daß Sie anrufen, Mister Parker«, sagte Pickett erfreut, nachdem der Butler sich gemeldet hatte. »Gibt es wieder was zu tun für mich?«
»In der Tat, Mister Pickett«, bestätigte Parker. »Man wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Ihre bewährten Fähigkeiten in den Dienst einer Sache von exorbitanter Dringlichkeit stellen würden.«
»Nichts lieber als das, Mister Parker«, erwiderte der ehemalige Eigentumsumverteiler. »Ist Mylady wieder einem brisanten Fall auf der Spur?«
»Keineswegs und mitnichten, Mister Pickett«, entgegnete der Butler. »Vielmehr sieht man sich genötigt, Ihnen mitzuteilen, daß Mylady am heutigen Nachmittag Opfer einer Entführung wurde.«
Der Teilnehmer am anderen Ende der Strippe schnappte hörbar nach Luft.
»Mylady entführt?« fragte er ungläubig. »Sie wollen mich doch nicht etwa auf den Arm nehmen, Mister Parker?«
»Nichts liegt meiner bescheidenen Wenigkeit ferner, Mister Pickett«, antwortete Parker. Anschließend schilderte er die bisher bekanntgewordenen Einzelheiten des Falles.
»Nicht zu fassen«, kommentierte Pickett den Bericht. »Ich werde sofort alle Informationskanäle anzapfen, über die ich verfüge. Falls etwas zu erfahren ist, melde ich mich sofort wieder bei Ihnen, Mister Parker.«
»Ein Angebot, das man mit dem Ausdruck aufrichtigen Dankes entgegennimmt, Mister Pickett«, sagte der Butler, ehe er sich kurz verabschiedete und den Hörer auflegte. »Meine Wenigkeit wird auch während der Nachtstunden ständig erreichbar sein, sofern keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten.«
Als Parker Sekunden später in die weitläufige Wohnhalle zurückkehrte, hatten sich Mike Rander und Kathy Porter schon erhoben.
»Am besten fahren wir wieder in die Curzon Street, um telefonisch erreichbar zu sein, wenn der Erpresser sich erneut meldet«, schlug der Anwalt vor. »Oder haben Sie andere Pläne, Parker?«
»Keineswegs, Sir«, antwortete der Butler. »Sie kommen einer Anregung zuvor, die meine Wenigkeit ohnehin zu äußern beabsichtigte.«
Bevor er das junge Paar hinausließ, schaltete Parker erneut die Video-Überwachungsanlage ein.
»Sie rechnen mit einem Hinterhalt, Parker?« vergewisserte sich Rander und musterte aufmerksam die Bilder, die die versteckt installierten Kameras im Wechsel auf den Monitor lieferten.
»Zumindest sollte man eine solche Möglichkeit nicht grundsätzlich ausschließen, Sir«, ließ der Butler verlauten. Doch keines der elektronischen Augen lieferte Hinweise, die den Verdacht erhärtet hätten.
Parker öffnete deshalb die Haustür und ließ die Besucher hinaus.
»Wir bleiben telefonisch in Verbindung«, versicherte der Anwalt, bevor er seiner Begleiterin den Arm um die Schulter legte und mit ihr über den Vorplatz schritt.
Der nasse Flockenwirbel hatte inzwischen aufgehört. Mit unbewegter Miene blieb der Butler auf der Schwelle stehen und sah auf die dunkle, stille Straße hinaus, bis die Rücklichter von Randers Austin verschwunden waren.
Anschließend kehrte er in würdevoller Haltung in die Wohnhalle zurück. Trotz der verschwenderischen Ausstattung wirkte der weitläufige Raum leer und verlassen. Nur das leise Knistern der Scheite im Kamin und das Ticken der Standuhr drangen an Parkers Ohr.
Inzwischen war es fast acht Uhr geworden. Langsam schritt der Butler noch mal den Weg von Myladys Studio zur Haustür ab – in der Hoffnung, doch noch einen Hinweis auf die Unbekannten zu entdecken, die seine verehrte Herrin entführt hatten.