Parker setzt zum Zielflug an - Günter Dönges - E-Book

Parker setzt zum Zielflug an E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Ich bin sittlich zutiefst entrüstet, Mister Parker«, sagte Lady Agatha, ihr bemerkenswerter Busen wogte vor Erregung, ihre Augen blitzten. Sie stand am Geländer der Galerie und blickte in die große Halle ihres Wohnhauses in Shepherd's Market. »Meine bescheidene Wenigkeit erlaubt sich davon auszugehen, daß Mylady akute Gründe dafür haben«, antwortete Josuah Parker. »Ich habe mir, wie Sie wissen, einige Video-Filme geholt«, fuhr die ältere Dame fort, »und zwar als Studienmaterial.« »Mylady planen das Schreiben eines Drehbuches«, bestätigte Parker, der sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. »Man hat mir da einen Film mitgegeben, Mister Parker, der mein Schamgefühl verletzt.« »Mylady sehen meine Wenigkeit zutiefst bestürzt.« »Es handelt sich um einen Pornostreifen, Mister Parker!« »Den Mylady sicher nach den ersten Minuten abgeschaltet haben dürften.« »Natürlich nicht«, lautete ihre Antwort. »Erstens habe ich den Film bezahlt, und zweitens muß ich natürlich wissen, warum und worüber ich mich ärgere.« »Erlauben Mylady einen kurzen, informatorischen Blick auf den erwähnten Streifen?« »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen so etwas überhaupt zumuten darf, Mister Parker«, dröhnte ihre sonore Stimme nach unten. »Sie könnten moralischen Schaden nehmen.«

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Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Butler Parker – 247 –

Parker setzt zum Zielflug an

Günter Dönges

»Ich bin sittlich zutiefst entrüstet, Mister Parker«, sagte Lady Agatha, ihr bemerkenswerter Busen wogte vor Erregung, ihre Augen blitzten. Sie stand am Geländer der Galerie und blickte in die große Halle ihres Wohnhauses in Shepherd’s Market.

»Meine bescheidene Wenigkeit erlaubt sich davon auszugehen, daß Mylady akute Gründe dafür haben«, antwortete Josuah Parker.

»Ich habe mir, wie Sie wissen, einige Video-Filme geholt«, fuhr die ältere Dame fort, »und zwar als Studienmaterial.«

»Mylady planen das Schreiben eines Drehbuches«, bestätigte Parker, der sich nicht aus der Ruhe bringen ließ.

»Man hat mir da einen Film mitgegeben, Mister Parker, der mein Schamgefühl verletzt.«

»Mylady sehen meine Wenigkeit zutiefst bestürzt.«

»Es handelt sich um einen Pornostreifen, Mister Parker!«

»Den Mylady sicher nach den ersten Minuten abgeschaltet haben dürften.« »Natürlich nicht«, lautete ihre Antwort. »Erstens habe ich den Film bezahlt, und zweitens muß ich natürlich wissen, warum und worüber ich mich ärgere.«

»Erlauben Mylady einen kurzen, informatorischen Blick auf den erwähnten Streifen?«

»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen so etwas überhaupt zumuten darf, Mister Parker«, dröhnte ihre sonore Stimme nach unten. »Sie könnten moralischen Schaden nehmen.«

»Meine Wenigkeit wird dieser Gefahr zu begegnen wissen, Mylady«, versprach Parker. Er war ein alterslos wirkender Mann, dessen glattes Gesicht selbst in extremen Situationen kaum eine Regung zeigte.

Seine Höflichkeit war nicht zu überbieten. Er trug an diesem Nachmittag eine dunkle Hose, eine gestreifte Weste, einen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Ein Film- oder Bühnenbutler hätte nicht perfekter aussehen können.

Josuah Parker begab sich würdevoll hinauf zur Galerie und folgte Mylady in das Studio, das er seiner Herrin eingerichtet hatte. Lady Agatha war eine majestätische Erscheinung, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Sie war groß, füllig und erinnerte an eine Bühnen-Heroine.

Ihr Studio hätte einem modernen Büro alle Ehre gemacht. Mylady verfügte über moderne elektronische Schreibmaschinen, über einen Personal-Computer, Tonband-Aufzeichnungsmaschinen und über eine umfangreiche Bibliothek an Nachschlagwerken. Sie war seit einigen Jahren dabei, ihren ersten Bestseller zu schreiben, von Bühnenstücken und Drehbüchern mal ganz zu schweigen.

Bisher hatte sie nur noch nicht das richtige Thema gefunden, wie sie stets erklärte. Mittelpunkt in ihrem Studio war das Fernsehgerät mit dem übergroßen Bildschirm.

Sie konsumierte pro Woche eine Fülle von Video-Filmen, um Dialog- und Bildtechniken zu studieren, wie sie behauptete. Tatsächlich jedoch ließ sie sich nur unterhalten, wie Parker sehr genau wußte.

Mit geübten Händen schaltete sie den Video-Recorder ein und deutete dann auf den Bildschirm. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis eine dümmliche Szenenfolge abspulte, die an Eindeutigkeit nichts vermissen ließ.

»Ist das nicht scheußlich, Mister Parker?« fragte sie. »Primitiver kann solch eine Handlung nicht sein.«

Parker enthielt sich erst mal jeden Kommentars. Auf dem Bildschirm tummelten sich einige kaum bekleidete weibliche Personen, die sich beeilten, auch noch die letzten Reste der Kleidung abzulegen.

Danach befaßten sie sich mit einem schüchternen Jüngling und zerrten ihn auf ein mächtiges Baldachin-Bett. Es dauerte nicht lange, bis dieser Jüngling eindeutigen Gefallen an diesem gar nicht neckischen Spiel zeigte und seinerseits tätig wurde.

»Das sollte reichen, Mister Parker«, ließ die passionierte Detektivin sich vernehmen. »Aber das dort ist erst der Anfang. Es wird noch wesentlich unappetitlicher.«

»Ein Machwerk, das man nur als primitiv bezeichnen kann«, stellte Josuah Parker fest. »In der Vergangenheit vermittelte man Mylady bereits schon mal Video-Streifen, die nicht gewünscht worden waren.«

»Ich weiß«, gab sie sofort zurück, »und daraus entwickelte sich ein hübscher Kriminalfall.«

Während dieses kurzen Dialogs lief der Video-Film weiter. Parker wollte das Gerät gerade abstellen, als er seine Augenbrauen um Millimeter hob, was bereits einer ungemein starken Gefühlsregung gleichkam.

»Mylady werden sicher längst bemerkt haben, daß einer der Darsteller im Video-Streifen einem durchaus bekannten Politiker ähnelt«, stellte Parker fast beiläufig fest.

»Auf den ersten Blick«, behauptete sie natürlich sofort. »Und wen meine ich da?«

»Mister Paul Splitters, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »Er steht hinter einer sogenannten Spanischen Wand und beobachtet ausgesprochen lustvoll das Treiben im Baldachin-Bett.«

»Geschmacklos«, urteilte die ältere Dame. »Dieser Mann ist doch nicht mehr wählbar, Mister Parker.« ‚

»Was man mit dieser Einblendung sicher erreichen möchte, Mylady«, antwortete der Butler.

*

Der Inhaber der Videothek hieß Mike Dillan, mochte etwa vierzig sein und strahlte, als seine mit Sicherheit beste Kundin mit Butler Parker in seinen Verleihräumen erschien.

»Sie haben sich die Streifen inzwischen schon angesehen?« fragte er und zeigte kaum Erstaunen. Er wußte aus Erfahrung, was Mylady an Video-Streifen konsumieren konnte. »Es sind einige sehr gute Filme zurückgekommen, die Sie bestimmt interessieren werden.«

»Wagen Sie es nicht, mich freundlich anzulächeln, junger Mann«, raunzte die ältere Dame prompt. »Sie haben mich zutiefst beleidigt.«

»Ausgeschlossen, Mylady«, verteidigte sich Mike Dillan. »Wann soll ich das denn getan haben?«

»Myladys Sittlichkeitsempfinden wurde von einem Porno-Film erheblich tangiert«, schaltete Josuah Parker sich ein. »Man erwartet, daß Sie sich dazu äußern werden, Mister Dillan.«

»Aber das ist unmöglich, Mylady«, verteidigte sich der rundliche Dillan umgehend. »So etwas würde ich mir nie erlauben. Ich werde doch nicht freiwillig für Ärger sorgen. Darf ich die Kassette mal sehen?«

»Sie leihen Streifen aus, die von einer bestimmten Klientel goutiert werden?« wollte Parker wissen, während er die Kassette auf den Tresen legte. Sie befand sich in einer steifen Klarsicht-Schutzhülle.

»Wie war das, Mister Parker?« Mike Dillan hatte nicht verstanden.

»In Ihrem Verleihprogramm befinden sich sogenannte Porno-Videos?« präzisierte der Butler.

»Aber natürlich, Mister Parker«, bestätigte der rundliche Mann, der längst ins Schwitzen gekommen war. »Aber das ist doch normal, das gibt es in jedem Video-Verleih. Sie glauben ja gar nicht, wie beliebt diese Kassetten sind.«

»Keine Einzelheiten, junger Mann«, meinte die Detektivin grimmig. »Ich erwarte eine Entschuldigung und eine Art Schmerzensgeld für den erlittenen seelischen Schaden.«

»Schmerzensgeld, Mylady?« Mike Dillan schwitzte prompt noch intensiver.

»Nun, einige Videos werden Sie mir ja wohl kostenlos ausleihen, nicht wahr? Das dürfte doch das wenigste sein, was ich von Ihnen erwarten kann.«

Sie war zwar immens vermögend, doch auch sehr sparsam. Freunde und Bekannte der Lady Simpson behaupteten, ihr Geiz würde den von drei bis vier Schotten noch weit übertreffen.

»Das ist ... das ist keine Kassette von mir«, gab Mike Dillan zurück und atmete erleichtert auf. »Nein, Mylady, diese Kassette stammt nicht aus meinem Verleih.«

»Reden Sie keinen Unsinn, junger Mann«, fauchte sie gereizt. »Diese Kassette stammt hier aus Ihrem Verleih, darauf leiste ich jeden Eid. Wollen Sie mich noch zusätzlich düpieren?«

»Das ist keine Kassette aus meinem Verleih«, wiederholte der Mann, der immer selbstsicherer wurde. »Die Umschlaghülle stimmt zwar, aber nicht die Kassette. Sehen Sie doch, Mylady, die Kassette hat keinen Aufkleber. Die ist völlig neutral.«

»Nichts als Ausreden, junger Mann«, grollte Agatha Simpson. »Ich verlange wenigstens drei bis fünf kostenlose Ersatzfilme.«

»Die Angaben, Mylady, dürften den Tatsachen entsprechen«, schaltete Josuah Parker sich ein und deutete auf einige andere Kassetten auf dem Tresen. Sie alle zeigten Firmenaufkleber und den Namen Mike Dillan.

»Fallen Sie mir gefälligst nicht in den Rücken«, sagte Lady Agatha und maß ihren Butler mit eisigem Blick. »Fest steht, daß ich diese scheußliche Kassette hier aus dem Verleih bekam. Ich spiele bereits mit dem Gedanken, eine Zivilklage zu erheben.«

»Mylady, bitte«, beschwor Mike Dillan die aufgebrachte Dame. »Ich schwöre, daß ich Ihnen diese Kassette nicht ausgehändigt habe. Sie liehen sich sechs Filme aus und ...«

»Sieben, junger Mann«, donnerte Agatha Simpson dazwischen. »Ich kann doch noch zählen.«

»Mylady, bitte.« Dillan schwitzte wieder. Er langte nach seiner Kartei, zog Myladys Kundenkarte hervor und nickte dann. »Bitte, wenn Sie selbst sehen wollen. Sie haben sich sechs Videos ausgeliehen.«

»Ich habe aber sieben in meinem Studio gehabt.«

»Könnten Mylady vielleicht irrtümlich eine siebte Kassette eingepackt haben?« fragte Parker in seiner bekannt höflichen Art.

»Ausgeschlossen«, behauptete sie. »Ich habe sieben Kassetten regulär eingepackt, das weiß ich genau.«

»Sie waren nicht allein hier am Tresen, Mylady«, erinnerte Dillan verzweifelt.

»Sie glauben doch wohl nicht, daß ich zu den sechs Videos noch eine siebte eingepackt habe, die mir gar nicht zustand, oder?« Mylady blieb hartnäckig bei ihrer Version.

»Mylady, so etwas könnte doch unabsichtlich geschehen sein«, wandte Mike Dillan ein.

»Eine Lady Simpson irrt sich niemals«, machte sie deutlich. »Falls überhaupt, dann hat man mir diese siebte Kassette untergeschoben.«

»Eine Möglichkeit, die man keineswegs aus schließen sollte«, vermittelte Josuah Parker, obwohl er an eine solche Absicht nicht glauben konnte.

»Wie auch immer, junger Mann«, sagte die ältere Dame. »Ich fordere Ersatz.«

»Ich werde Ihnen selbstverständlich kostenlos zwei andere Kassetten geben, Mylady«, bot Mike Dillan verzweifelt an.

»Drei, junger Mann, einverstanden.« Sie machte einen sehr zufriedenen Eindruck. »Ich werde mir ein paar recht hübsche Streifen aussuchen.«

Lady Agatha setzte ihre Fülle in Bewegung und verschwand zwischen den Stellflächen. Parker wußte aus Erfahrung, daß er sich nun in Geduld fassen mußte. Seine Herrin konnte sich nur schwer entscheiden.

»Ich kann das nicht verstehen, Mister Parker«, entschuldigte sich der Video-Verleiher noch mal und hob ratlos den Kopf.

»Können Sie sich möglicherweise an jene Personen erinnern, die zusammen mit Mylady hier an der Theke standen?« wollte der Butler wissen.

»Kaum, Mister Parker, es herrschte ein ziemlicher Andrang.«

»Sollte Ihnen dennoch etwas einfallen, wäre meine Wenigkeit erfreut, wenn Sie meine Person anrufen würden.«

»Bestimmt, Mister Parker, bestimmt.«

»Man kann davon ausgehen, daß der Besitzer des Porno-Streifens sich noch nicht bei Ihnen gemeldet hat?« forschte der Butler weiter.

»Ganz sicher nicht, Mister Parker.« Dillan wandte sich neuen Kunden zu. Eine junge Frau und ein junger Mann hatten den Laden betreten und wollten sich als neue Clubmitglieder eintragen lassen. Ein dritter junger Mann folgte und erklärte dem Butler in leisem Ton, er würde gnadenlos schießen, falls er, Parker, eine falsche Bewegung machen würde.

*

»Hegen Sie bestimmte Vorstellungen, was das Verhalten meiner Wenigkeit betrifft?« erkundigte sich Parker diskret. Von Überraschung oder Angst war ihm nichts anzumerken. Er hatte übrigens mit einem Blick registriert, daß die rechte Hand des Mannes einen Gegenstand umklammerte, der wohl eine Schußwaffe sein konnte. Diese Hand befand sich in der Einschubtasche eines Leder-Blousons, den der junge Mann trug.

»Wir gehen jetzt ganz ruhig zu Ihrem komischen Wagen«, forderte der Waffenträger, der einen durchaus zivilen Eindruck machte und keineswegs wie ein Gangster wirkte, wie man ihn in einschlägigen, Filmen zu sehen bekommt.

»Darf man höflichst nach dem Grund dieser Einladung fragen?«

»Schnauze«, flüsterte der junge Mann. »Und noch einmal, Mann, ich zieh’ gnadenlos durch, wenn Sie Mätzchen machen!«

»Sie werden in meiner Wenigkeit einen durchaus willigen Mitspieler finden«, versprach Josuah Parker und blickte über die Schulter des jungen Mannes, der ihn zur Tür drängte.

Das junge Paar stand vor Lady Agatha und verwickelte die energische Dame in ein Gespräch. Parker nahm zur Kenntnis, daß der perlenbestickte Pompadour der Agatha Simpson bereits in erste Schwingung geraten war. Das war ein sicheres Zeichen dafür, daß Mylady verärgert sein mußte.

Parker verließ den Video-Verleih.

Mike Dillan war momentan nicht zu sehen. Er befand sich wahrscheinlich im zweiten Raum seines Verleihs. Lady Agatha hatte ihre Fülle in Bewegung gesetzt und marschierte nun ebenfalls zur Tür. Man schien auch sie unter Druck gesetzt zu haben.

Die Kassette mit dem unappetitlichen Pornostreifen aber lag frei und offen auf der Verkaufstheke und wurde nicht zur Kenntnis genommen. Die drei jungen Leute übersahen sie völlig. Viel Phantasie schienen sie nicht zu haben.

»Setzen Sie sich ans Steuer«, verlangte der junge Mann von Parker, als man den hochbeinigen Wagen des Butlers erreichte. »Aber ganz langsam, Mann, sonst verpasse ich Ihnen eine blaue Bohne.«

»Wie Sie zu wünschen belieben.« Parker öffnete vorsichtig die Fahrertür und nahm am Lenkrad Platz. Er wußte längst, daß er es nicht mit Profis zu tun hatte. Dieser Amateur neben der Fahrertür war sehr nervös. Die Wahrscheinlichkeit, daß er aus irgendeinem Grund abdrückte, war groß. Parker legte es darauf an, den Burschen nicht zu provozieren. Seine Zeit war noch nicht gekommen.

Das junge Paar erschien zusammen mit Mylady vor dem Video-Verleih. Mylady verhielt sich ungewöhnlich diszipliniert, wie Parker erfreut feststellte. Auch Lady Agatha schien zu fühlen oder sogar zu wissen, daß sie sich in Lebensgefahr befand.

Sie stieg in den Fond des hochbeinigen Monstrums, wie man Parkers Privatwagen spöttisch nannte. Es handelte sich dabei um ein ehemaliges Londoner Taxi, das sehr betagt aussah.

Das Pärchen stieg nach hinten zu Mylady ein, der junge Mann schlug die Tür zu. Parkers Begleiter lief um den Wagen herum und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Er entspannte sich sichtlich und nickte dem Butler zu.

»Fahren Sie schon los«, forderte er. »Hoffentlich bricht Ihr Karren nicht unter uns zusammen.«

»Schwebt Ihnen ein bestimmtes Ziel vor?« wollte der Butler wissen. Er hatte den Motor in Gang gesetzt und fuhr langsam an.

»Wir fahren nach Shepherd’s Market, Mann«, erwiderte sein Beifahrer. »Und genau dort schnappen wir ’ne Video-Kassette, die man uns geklaut hat.«

Parker war froh, daß Mylady diese Bemerkung nicht mitbekam, denn die schußsichere Trennscheibe zwischen Fahrgastraum und den beiden Vordersitzen war geschlossen.

»Ihnen wurde eine Video-Kassette entwendet?« wunderte sich der Butler erstaunt.

»Und zwar von dem alten Mädchen hinten im Wagen«, antwortete der Beifahrer. »Die hat sich das Ding einfach unter den Nagel gerissen.«

»Doch gewiß nicht absichtlich«, stellte der Butler fest.

»Spielt keine Rolle«, lautete die wegwerfende Antwort. »Aber sie hat die Kassette mitgehen lassen. Und diesen Streifen wollen wir jetzt gemeinsam holen. Ist das klar?«

»Ihren Hinweisen fehlte es nicht an Deutlichkeit«, entgegnete Josuah Parker und schob seine freie Schuhspitze nach vorn, um am Wagenboden Kontakt mit einigen gummiüberzogenen Knöpfen aufzunehmen.

*

Der Mann neben ihm auf dem Beifahrersitz zuckte leicht zusammen.

»Verdammt, was war das gerade?« wollte er wissen.

»Wie meinen?« Parker gab sich steif, würdevoll und ahnungslos.

»Da hat mich gerade was in den Hintern gepiekt«, beschwerte sich der Beifahrer ungeniert.

»Vielleicht eine defekte Polsterfeder«, meinte der Butler. »Wie Sie bereits andeuteten, entspricht der Wagen nicht mehr dem neuesten Stand der Technik.«

Was eine mehr als starke Untertreibung war.

Eingeweihte hielten Parkers Privatwagen für eine raffinierte Trickkiste auf Rädern. Und damit hatten sie noch nicht mal so unrecht. Unter dem eckigen und sehr betagt aussehenden Aufbau warteten diverse Spezialitäten darauf, von Parker eingesetzt zu werden. Mit seiner Schuhspitze hatte er eben erst einige Dinge in Gang gebracht.

Der Beifahrer, der inzwischen längst sehr ungeniert seine Schußwaffe auf den Schoß gelegt hatte, kämpfte bereits mit dem Gähnen und hatte große Mühe, die Augen offenzuhalten. Die Lider schienen bleischwer geworden zu sein.

Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Mann in der nächsten Kurve seitlich wegrutschte und sich nicht weiter um seinen kurzläufigen Revolver kümmerte.

Die angeblich defekte Sprungfeder unter der Sitzfläche war nichts anderes gewesen als die Hohlnadel einer eingebauten Spritze, die ihren Inhalt in das Gesäß des Mannes injiziert hatte.

Parker nahm die Konditionsschwäche des Beifahrers nicht weiter zur Kenntnis. Er blickte in den Rückspiegel und sah, daß das Pärchen vom Rücksitz gerutscht war. Lady Agatha saß in einer Wagenecke und schlief. Ihre eigenwillige Hutschöpfung war ihr tief in die Stirn gerutscht.

Parker wunderte sich überhaupt nicht.

Er selbst hatte ja mit der Schuhspitze dafür gesorgt, daß ein chemisch angereichertes Lachgas die Insassen im Fond des Wagens eingeschläfert hatte. Dieses bewährte Verfahren hatte er in der Vergangenheit oft erfolgreich angewendet. Im vorliegenden Fall hatte er leider auch Lady Simpson inkommodieren müssen.

Der Butler fuhr um einen Wohnblock herum und näherte sich dann wieder der Videothek. Er hielt vor dem Verleih, stieg aus und schritt gemessen in das Ladenlokal. Mike Dillan kam ihm entgegen und blickte ihn fragend an.

»Mylady will sicherheitshalber noch einen zweiten Blick auf den beanstandeten Streifen werfen, Mister Dillan«, sagte der Butler. »Mylady verzichtet auf einige Ersatz-Kassetten.«

»Sie waren plötzlich nicht mehr da«, sagte Dillan und griff unter die Ladentheke. Wenige Augenblicke später reichte er dem Butler die bewußte Kassette. »Ist der Film wirklich so schlecht?«