Patrizia M. - vermisst am Flugplatz Hangelar - Kersten Wächtler - E-Book

Patrizia M. - vermisst am Flugplatz Hangelar E-Book

Kersten Wächtler

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Beschreibung

RHEIN-SIEG-KREIS KRIMI Der 17. Fall der Kommissarin Thekla Sommer Wo ist Patrizia Martini ? Ihr Ehemann, der einen Tag nach ihrem verschwinden, aus der JVA-Siegburg entlassen wird informiert die Polizei, als seine Frau ihn nicht an der JVA abholt. Ein sehr mysteriöser Fall für Thekla Sommer und ihr Team, der ein überraschendes Ende findet.

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Alle Personen und Tathergänge sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

Ein aufheulender Motor und laut durchdrehende Räder ließen Sebastian Laube hochschrecken. Er war bereits seit vierzehn Stunden im Dienst an der Einlasspforte der JVA Siegburg. Sebastian war leicht eingenickt. Also, - er war nicht eingeschlafen, sondern in einen Dämmerzustand zwischen wach und Schlaf verfallen. Normalerweise war die Schichtlänge hier auf acht Stunden begrenzt, doch der Kollege, der ihn ablösen sollte hatte sich kurzfristig krankgemeldet. Er hatte unerklärliche Herzrhythmusstörungen und wollte diese lieber ärztlich abklären lassen. Aus diesem Grunde hatte sich Laube dazu bereit erklärt, eine Doppelschicht zu machen. Er saß also in einem drei mal vier Meter großen Raum direkt hinter dem Stahltor, welches den Einfahrtsbereich zur JVA verschloss. Laube schaute auf die elf Monitore, die mit den Überwachungskameras der Außenmauer rund um das gesicherte Gelände, verbunden waren. Das einzige was zu sehen war, waren die Rücklichter eines Autos, welches etwa neunzig Meter vom Tor entfernt nach links auf die Luisenstraße fuhr. Wieder mit durchdrehenden Rädern. Sebastian Laube informierte seine Kollegen im Videokontrollraum, der sich im Inneren der JVA im gesicherten Untergeschoss befand. Hier liefen alle Bilder der gesamten einhundertdreiunddreißig Kameras, die sich im Innen- und Außenbereich befanden, auf insgesamt achtzig Monitoren zusammen. Hier nahm man die Meldung sofort zum Anlass, alle Kollegen im inneren Wachdienst in Bereitschaft zu versetzen. Es könnte sich unter Umständen um eine Flucht aus dem Gefängnis handeln. Nachdem alle Zellen in den einzelnen Gebäudetrakten, sowie die Ausgangstüren und Zwischentüren zu den Sozialräumen kontrolliert und auf den ordnungsgemäßen Verschluss geprüft wurden, wurde nach siebenundfünfzig Minuten der “Voralarm“ um fünf Uhr und drei Minuten, wieder aufgehoben. Sebastian Laube hatte vollkommen richtig gehandelt und sich an die schriftlich vorgegebene Richtlinie gehalten.

Am nächsten Morgen, es war Pfingstmontag 2023, versammelten sich eine Handvoll Menschen vor der JVA. Sie wollten ihre Liebsten oder sonstige Verwandten abholen, die an diesem Morgen nach verbüßter Haftstrafe entlassen werden sollten. Einem der Abholer fiel dabei eine kleine Blutlache am Rande der Straße auf, die etwa zehn Meter vor dem Gefängnistor, zu sehen war. Er wunderte sich, denn das relativ frisch wirkende Blut, stand im Kontrast zu den, direkt daneben befindlichen schwarzen Reifenspuren, die normalerweise nach einem scharfen Bremsmanöver eines Autos, entstehen. »Da wird bestimmt jemand angefahren worden sein« dachte sich der Mann leicht verwundert. In Gedanken ging er jedoch weiter zum JVA-Tor. Er wollte seinen langjährigen Kumpel abholen, der hier sechs Monate wegen erstmaligem Kreditkartenbetrug, eingesessen hatte.

Pünktlich um acht Uhr öffnete sich das Tor so weit, dass nur eine Person den Innenbereich verlassen konnte. Danach schloss sich das Tor wieder. Glücklich lächelnd, endlich wieder in Freiheit zu sein, nahm der „Ex-Häftling“ seine Frau in die Arme, die ihn abholte. Dieser Vorgang wiederholte sich noch drei Mal, wobei Salvatore Martini an diesem Morgen als letzter, den Innenhof der Haftanstalt verließ. Er blinzelte gegen die tiefstehende Sonne, die über der ehemaligen Kaserne, die sich schräg gegenüber befand, schien. Er hatte sich auf diesen Moment sehr gefreut und sich bis ins Detail ausgemalt, wie er seine Frau umarmen und küssen wollte. Er überlegte, noch vor dem Weg nach Hause in der Nähe von Altenkirchen in Siegburg, mit ihr in einer kleinen Pension ein Zimmer zu nehmen und mit ihr seinen Heißhunger nach körperlicher Zweisamkeit, zu stillen. Schließlich war er gebürtiger Italiener und hatte stets einen lustvollen Drang danach, sein Becken im Takt mit einer Frau zu vereinen, mal zärtlich wie eine Violine und mal stürmig wie eine E-Gitarre. Er schaute lächelnd nach links und nach rechts, da er glaubte, seine Frau hätte sich an der hohen JVA-Mauer versteckt. Doch er sah sie nirgendwo. In der Annahme, sie würde an der Luisenstraße warten, ging er die etwa neunzig Meter gerade verlaufende Straße von der JVA, in Richtung Hauptverkehrsstraße zwischen Siegburg und Troisdorf. Doch auch hier entdeckte er seine Frau nirgendwo. Weder auf der linken Seite der Straße noch auf der anderen gegenüberliegenden Straßenseite. Mit zusammengekniffenen Augen und die Stirn in Falten gelegt, schlenderte er zurück in Richtung des Tores, aus dem er gerade gekommen war. »Vielleicht spazierte sie noch auf der Straße rund um die JVA und hat die Zeit vergessen? « dachte er. Als er kurz vor dem Tor wieder angekommen war, bemerkte er die starken Bremsspuren auf der Straße und den, noch nicht vollständig getrockneten, Blutfleck. Er kniete sich mit einem Bein hin und berührte mit dem Zeigefinger seiner linken Hand das Blut. »Das ist tatsächlich noch frisch. Hoffentlich hat meine Frau hier keinen Unfall erlitten und ist deshalb nicht hier« dachte er. Er suchte die nahe Umgebung mit Blicken nach weiteren Unfallspuren oder Glassplittern ab. Es war nichts zu erkennen. Voller Sorge ging er nun zum Tor der JVA und klingelte. Vielleicht hatte man hier einen Unfall oder ein anderes Vorkommnis bemerkt? Er sah, wie sich die schwenkbaren Kameras im oberen Bereich der Mauern, auf ihn schwenkten. Dann hörte er durch die Gegensprechanlage eine Stimme:

»Ja bitte? «

Salvatore Martini schilderte sein Anliegen und die vorgefundene Situation ausgiebig. Er schloss mit der Frage, ob die Wachleute etwas Auffälliges bemerkt hätten.

»Also«, tönte es aus dem Lautsprecher, »ich habe erst vor einer Stunde meinen Dienst begonnen aber ich schaue gerne in den Aufzeichnungen des Wachbuches nach. Haben Sie einen Augenblick Geduld, - ich melde mich wieder«. Salvatore nickte und hob seinen rechten Arm mit ausgestreckter Hand nach oben, da er vermutete, dass er auf dem Bildschirm bereits groß herangezoomt worden war. Nervosität zog in ihm hoch. Was war mit seiner Frau? Es vergingen einige Minuten bis sich die Stimme aus dem Lautsprecher wieder meldete: „Wir haben hier in den Aufzeichnungen im Wachbuch einen Vorfall vor dem Haupttor, dort wo Sie sich gerade aufhalten. Der Vorfall beschreibt eine Auffälligkeit mit einem PKW gegen vier Uhr heute Morgen. Mehr kann und darf ich Ihnen dazu nicht sagen. Da Sie dort Blutspuren gefunden haben, habe ich gerade die Polizei angerufen und hinzugezogen. Wenn Sie warten möchten und Ihre Besorgnis wegen Ihrer Frau zur Anzeige bringen wollen, - ein Streifenwagen ist unterwegs. Kurze Zeit später bog ein Polizeiwagen von der Luisenstraße kommend, zur JVA ab. Die beiden Polizeibeamten erkannten einen möglichen Unfall mit Verletzten und informierten die Kollegen der Spurensicherung. Diese nahmen nach Eintreffen, die vorhanden Bremsspuren und Blutspuren auf, dokumentierten diese und nahmen auch Proben des Blutes zur Identifikationssicherung.

*

EINEN TAG ZUVOR

»Nun ist doch gut. Sei doch nicht so wibbelig. Wir gehen doch jetzt Pipi machen«.

Wibke Lang, deren Mann vor vier Jahren verstorben war, hatte vor kurzem aus dem Tierheim Troisdorf den Rauhaardackel „adoptiert“, wie sie es nannte. „Bronco“, dessen Herrchen nach einem Schlaganfall in ein Pflegeheim musste, liebte sein neues Frauchen vom ersten Moment an. Wenn die betagte Rentnerin morgens erwachte und sich angezogen hatte, schaltete sie immer zunächst die frisch befüllte Kaffeemaschine an, um dann sofort erst einmal mit Bronco eine Runde bis hinunter zum Flugplatz Hangelar zu machen. Bronco war von seinem Vorbesitzer so gut erzogen worden, dass er aufs Wort hörte. Deshalb konnte Wibke Lang ihn dort frei laufen lassen, damit er sich auf den dortigen Wiesen erleichtern konnte. Sie schloss die Haustüre, des an der Richthofenstraße gelegenen Hauses, welches sie mit ihrem Mann vor gut vierzig Jahren gekauft hatte und ging die etwa einhundert Meter lange Strecke bis zum Flugplatzgelände. Leider konnte sie nicht mehr so schnell gehen, wie Bronco es gerne gehabt hätte, sodass sich die Leine, wie immer beim morgendlichen Rundgang, so sehr spannte, dass das Halsband dem Tier die Luft abzuschnüren schien. Endlich waren sie auf dem Außengelände des Flugplatzes angelangt und Bronco erleichterte seine gefüllte Blase auf der Wiese. Er hatte die sehr angenehme Angewohnheit, nie auf Asphalt oder Steinen seine Geschäfte zu machen, sondern immer nur da, wo „Grünes“ war. Nachdem Wibke den Haken am Ende der Hundeleine gelöst hatte, lief Bronco voller Bewegungsdrang einige Meter auf und ab, dann hockte er sich auf die Wiese und machte einen „müffelnden Braunen“, wie Wibke es immer lächelnd nannte. Dies war ein Begriff, den ihr Mann früher immer benutzte, wenn sie beim gemeinsamen Spaziergang, Hunde von anderen Hundebesitzern, die ihre Gassi Runde machten, sahen. Früher lächelte ihr Mann immer, wenn die Hundebesitzer kleine Plastiktüten aus ihrer Tasche zogen, um die Hinterlassenschaft der Hunde einzusammeln. Heute machte es Wibke Lang selber genauso. Jedes Mal musste sie an ihren Mann denken, wenn sie das „Aufsammeln“ mit einem Lächeln tätigte. Bronco war bereits weitergelaufen und Wibke sah, dass er vor einer, unter Bäumen befindlichen Parkbank stand, etwas Größeres im Maul hatte und wild mit dem Kopf hin und her schlenkerte.

»Bronco aus, - Bronco pfui«, rief Wibke und beeilte sich, zu ihrem Hund zu kommen. Sie beugte sich hinunter und griff nach einer Tasche, die Bronco immer noch als „Beute“ identifiziert hatte und sie nicht loslassen wollte. Erst als sie die Tonart wechselte und behutsam meinte, »Komm, - gib es mir«, öffnete er sein Maul und übergab seinem Frauchen die „Fundsache“. Wibke sah, dass es sich um eine kleine Damenhandtasche handelte. Sie öffnete den Verschluss, um hineinzuschauen. Sie sah ein Handy, Tempotaschentücher, einige verpackte Tampons und einen kleinen Taschenkalender in Notizblockform. Da sie weit und breit niemanden sah, dem die Tasche gehören könne, die Tasche überdies vom morgendlichen Tau, recht feucht war, beschloss sie, das Fundstück mit nach Hause zu nehmen. Von dort aus rief sie bei der Polizei an und meldete den Fund. Auf die telefonische Bitte der Polizei, sie möge die Tasche beim Fundbüro oder der nächsten Polizeiwache abgeben, meinte sie:

»Hören Sie mal guter Mann. Ich bin sechsundsiebzig Jahre alt und nicht mehr gut zu Fuß. Ich habe mir einen Hund angeschafft, um ein wenig Bewegung zu haben, aber mit dem Tier im Bus nach St. Augustin zum Rathaus oder zu Ihrer Dienststelle, - nein«, sie schüttelte mit dem Kopf und schaute Bronco an, der neben ihr auf dem Teppich saß, »das können Sie nicht von mir erwarten«.

Der Polizist zeigte sich einsichtig und meinte, dass die Kollegen auf der nächsten Streifenfahrt bei ihr vorbeikämen, um die Tasche in Augenschein zu nehmen und gegebenenfalls mitzunehmen.

»Dann kommen sie aber bitte nicht zwischen dreizehn und fünfzehn Uhr. Da ist hier Mittagsruhe angesagt. Meistens schlafe ich dann ein wenig«, meinte Wibke Lang, die hinsichtlich des Taschenfundes ziemlich aufgeregt war.

*

»Wo ist denn die Geldbörse? « fragte Thekla und schaute ihre Kollegin Lisa Drollig an, die neben ihr im Besprechungsraum des Siegburger Polizeipräsidiums stand.

»Keine Ahnung«, Lisa zuckte mit den Schultern, »ich habe die Tasche so bei den Kollegen, der hier im Haus befindlichen Wache, abgeholt und noch nicht geschaut, was überhaupt darin war«.

Thekla Sommer, Kriminalkommissarin und ehemals Leiterin der Dienstgruppe II, der hier im Haus in drei Gruppen unterteilten Mordkommission, war nun nicht mehr ausschließlich für Mordfälle zuständig. Vor einigen Monaten hatten sich die Abteilungsleiter aller Dezernate, mitsamt dem Polizeipräsidenten und einem Mitarbeiter des Innenministeriums, getroffen. Hierbei kam zur Rede, dass statistisch gesehen im Rhein-Sieg Kreis, die Anzahl der Morde abnahm, die Anzahl der Vermisstenfälle in den letzten Jahren jedoch stetig anstieg. Von Seiten des Innenministeriums wolle man gerne sehen, dass sich durch eine Umverteilung des vorhandenen Personalstammes, eine neue Gruppe bilde, die sich mit den zukünftigen „Vermisstenfällen“ beschäftige und somit die Polizeistatistik besser aussehen ließe. Alfred Bollenkamp, Referatsleiter der Mordkommission hatte daraufhin mit seinen Dienstgruppenleitern besprochen, dass die „neue Abteilung Vermisstenstelle“ in seinem Referat angesiedelt sein würde und mit vorhandenen Leuten zu bestücken sei. Nach einer Woche Bedenkzeit und hitzigen Gesprächen mit Robert Hanf, Theklas Lebensgefährten und ebenfalls Mitarbeiter der Dienstgruppe II, willigte Thekla bei Fred, wie alle den Abteilungsleiter liebevoll nannten, zu der Übernahme des neu zu errichtenden Bereiches, ein.

»Allerdings nur unter der Bedingung, dass ich mich, sollte es keine Vermissten geben, auch weiterhin dem Kapitalverbrechen Mord, widmen kann«, hatte Thekla seinerzeit zu Fred gesagt. Dieser biss damals auf seine Unterlippe, als er Theklas Bedingung zustimmte.

»Aber sobald es einen Vermisstenfall gibt, hat dieser für Dich und Dein Team Vorrang«. Thekla willigte ein und war somit die Leiterin der neuen Vermisstenstelle. Ihr Lebensgefährte Robert sowie Lisa Drollig und Peter Ludwig waren ihr weiterhin unterstellt. Auch die „gute Seele“ der Abteilung, Sybille Salz, würde weiterhin das Team im Innendienst unterstützen.

Lisa schaute auf den ovalen Tisch im Besprechungsraum und den Inhalt der entleerten Handtasche. Sie zählte auf:

»Ein Kalender in Form eines Notizblocks, ein Handy, Tempotaschentücher, einige Tampons, - ja, Du hast Recht, - keine Geldbörse«.