Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 17: Codename Fledermaus - Andreas Zwengel - E-Book

Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 17: Codename Fledermaus E-Book

Andreas Zwengel

0,0

Beschreibung

Eine galaktische Konferenz auf der Raumstation Nexus VII wird zum Desaster, als ein Anschlag auf die anwesenden Sternenvölker verübt wird. Unter den Betroffenen befindet sich auch Shalyn Shan. Michael Moses beauftragt den Spezialagent Wernher von Witzleben mit der Aufklärung des Vorfalls. Die Printausgabe umfasst 170 Buchseiten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 178

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



In dieser Reihe bisher erschienen:

1201 Achim Mehnert Tod eines Cyborgs

1202 Achim Mehnert Der ewige Feind

1203 Achim Mehnert Welt in Flammen

1204 Andreas Zwengel Die letzte Fahrt der Hindenburg II

1205 Andreas Zwengel Unsterbliche Rache

1206 Andreas Zwengel Der Weg der Kriegerin

1207 Andreas Zwengel Die Janus-Attentate

1208 Andreas Zwengel & Olaf Kemmler Das Auge des Ra

1209 Andreas Zwengel & Olaf Kemmler Die fremde Macht

1210 Andreas Zwengel & Olaf Kemmler Die Ruinen von Antaran

1211 Andreas Zwengel & Olaf Kemmler Ewige Verdammnis

1212 Andreas Zwengel & Olaf Kemmler Flucht aus Luna Asylum

1213 Andreas Zwengel & Olaf Kemmler Das kosmische Testament

1214 Andreas Zwengel Todeswellen

1215 Andreas Zwengel Neptuns Tochter

1216 Andreas Zwengel Der Rat der Acht

1217 Andreas Zwengel Codename Fledermaus

1218 Andreas Zwengel Mission ohne Wiederkehr

CODENAME FLEDERMAUS

RAUMSCHIFF PROMET - DIE ABENTEUER DER SHALYN SHAN

BUCH 17

ANDREAS ZWENGEL

INHALT

Sol-System, Nexus VII, 06.01.2112

Malediven, Kuramathi, 08.01.2112

Südöstliches Mittelmeer, 12.01.2112

Königswinter, Firmensitz Pandora Inc., 15.01.2112

Unabhängige Republik Samara, 16.01.2112

Nordamerika, Seattle, 05.02.2112

Freies Frankreich, Südregion, 06.02.2112

Helvetische Konföderation, Genf, 09.02.2112

Helvetische Konföderation, Genf, 09.02.2112

Grauzone Mittelamerika, 11.02.2112

Im Erdorbit, an Bord der Promet V, 15.02.2112

Australischer Kontinent, Perth, 15.02.2112

An Bord der Promet V, 15.02.2112

Andreas Zwengel

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

© 2024 Blitz Verlag

Ein Unternehmen der SilberScore Beteiligungs GmbH

Mühlsteig 10 • A-6633 Biberwier

Redaktion: Gerd Lange

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Logogestaltung: Mark Freier

Alle Rechte vorbehalten

eBook Satz: Gero Reimer

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-689-84076-1

1217 vom 21.07.2024

SOL-SYSTEM, NEXUS VII, 06.01.2112

Die Raumstation Nexus VII kam auf ihrer Umlaufbahn hinter dem Planeten hervor und wurde von der Sonne angeleuchtet. Rund hundert Schiffe unterschiedlicher Herkunft und Bauart bewegten sich mit der Station und warteten auf ihre Passagiere, die sich momentan dort aufhielten. Die jährliche Galaktische Sicherheitskonferenz war nur eine der Veranstaltungen, die momentan auf Nexus VII stattfanden, aber sie war wohl die am besten bewachte. Der Ort, an dem die Vertreter aller beteiligten Völker zusammenkamen, war bis zuletzt geheim gehalten worden. Der Aufwand und die Kosten dafür waren immens und über den Nutzen der Konferenz wurde im Nachhinein immer heftig gestritten, weil er in keinem Verhältnis zum Ergebnis stand. Die Vertreter der Völker stritten drei Tage lang, jammerten über die allgemeine Lage auf den Planeten, speisten gut und trennten sich dann mit ein paar halbherzigen Lippenbekenntnissen und guten Vorsätzen für das nächste Jahr.

Ich hätte eigentlich Besseres mit meiner Zeit anzufangen gewusst, aber es kam nicht in Frage, dass ich bei dieser Konferenz fehlte. Weil ich mit den anwesenden Völker zu tun gehabt hatte, lange bevor Berufspolitiker begannen, das Sicherheitsthema als Sprungbrett für ihre Karriere zu entdecken und mit einem Mal ihre Anwesenheit als unverzichtbar betrachteten. Der abendliche Begrüßungsempfang war dann auch meistens der angenehmste Teil der gesamten Veranstaltung. Bevor das Chaos ausbrach, verlief die Veranstaltung ruhig und gediegen, um nicht zu sagen furchtbar langweilig. Ich fühlte mich schon allein deshalb zur Teilnahme verpflichtet, weil ich die Kontakte zwischen den einzelnen Völkern stets gefördert hatte. Für die Reise zur Raumstation hatte ich die T-1 gekommen und meiner Crew freigegeben, da ich bereits ahnte, dass es steifer Abend werden würde. Weshalb sollten sie ebenfalls leiden? Sie konnten ihre freie Zeit genießen, während ihre Kommandantin Hände schüttelte und Smalltalk hielt.

Die Mitglieder aller Delegationen hatten sich im großen Kuppelsaal eingefunden. An Essen und Trinken wurde nicht gespart. Ich spürte die Blicke einiger männlicher Gäste auf mir, denen offenbar mein Kleid gefiel. Oder die Art, wie ich es ausfüllte. Ich hatte für diesen Anlass ein anderes Outfit gewählt als die Allzweckoveralls der PrometV. Noch wagten sich meine Bewunderer nicht heran, aber mit fortschreitender Feier und steigendem Alkoholgenuss würde sich das ändern. Ich sollte zusehen, bis dahin verschwunden zu sein, ohne negativ aufzufallen.

„Langweiligen Sie sich, Miss Shan?“, fragte eine amüsierte Stimme hinter mir.

„Ist das so offensichtlich?“ Ich drehte mich herum und erkannte Devonia Hallary von der CRC. Niemand aus dem Management, sondern aus der Entwicklungsabteilung, was mich etwas verwunderte. Es ging nicht um Geschäftsabschlüsse oder neue Projekte, wieso also eine Wissenschaftlerin?

„Sie scheinen ebenfalls schon aufregendere Abende erlebt zu haben“, sagte ich amüsiert.

„Den einen oder anderen. Die übrigen Mitglieder unserer Delegation sind älter als mein Vater, wir haben hier nicht viel Spaß miteinander.“

„Zum Zwecke der Völkerverständigung könnten wir das ändern“, schlug ich vor und wies mit dem Kopf zur Bar.

„Zwischen Terranern und Moranern? Das wird man nicht unbedingt als diplomatische Großtat betrachten.“

Aber ich hatte sie bereits untergehakt und zog sie mit mir. Schon aus einigen Metern Entfernung nahm ich Blickkontakt mit dem Barkeeper auf und hielt zwei Finger in die Höhe. Die Wahl des Getränks überließ ich ihm.

Unsere Drinks warteten bereits, als wir den Tresen erreichten.

„Auf drei ergebnisreiche Tage.“ Ich prostete Devonia zu.

Sie verzog skeptisch das Gesicht. „Für so einen großen Wunsch wird wohl eine einzige Runde nicht ausreichen.“

Wir tranken unsere teuflischen Cocktails, ich bestellte zwei neue. Teuflisch, weil sie sanft und fruchtig schmeckten, aber die Wirkung fast augenblicklich einsetzte.

„Vielleicht werden sie nicht ergebnisreich sein“, sagte die CRC-Wissenschaftlerin, „aber sie könnten lustig werden.“

„Wenn das nicht die geschätzte Kollegin Devonia Hallary ist“, flötete eine hohe Männerstimme.

Sie verzog das Gesicht. „Oder auch nicht.“

Der Mann, der zu uns trat, war teuer gekleidet und sah aus, als ob er mehr Zeit im Badezimmer verbrachte als wir beide zusammen.

„Geraldo Davies“, stellte er sich mit falschem spanischen Akzent vor und versuchte, meinen Handrücken an seine Lippen zu führen. „Shalyn …“

Ich zog sie sanft zurück.

„… Shan“, beendete er. „Ich wusste gar nicht, mit welch prominenten Persönlichkeiten du bekannt bist, Devonia.“

Sie zuckte nur mit den Schultern und tat nichts, was er als Anlass zum Bleiben interpretieren konnte. Er schien ihr nicht nur unsympathisch zu sein, ich tippte auf ein unangenehmes Erlebnis in der Vergangenheit.

„Solche Veranstaltungen sind ideal, um sich privat besser kennenzulernen“, sagte er vertraulich. Ich war mir nicht sicher, wer von uns beiden damit gemeint war.

Devonia bewegte sich ein paar Zentimeter auf ihn zu und ich hatte den Eindruck, sie versuchte ihn von mir wegzudrängen. „Wir haben es uns zur Regel gemacht, keinen näheren Kontakt mit Kollegen zu haben“, erklärte sie ihm.

Geraldo grinste. „Als wir uns letzten Monat amüsiert haben, gab es diese Regel noch nicht.“

„Stimmt, sie ist neu. Ich nenne sie die Geraldo-Regel.“

Er verzog das Gesicht und war wohl für den Moment versucht, mit einem lässigen Spruch die Situation zu retten, aber da war ich bereits in dezentes Lachen ausgebrochen. Ein Profi-Charmeur wie er gab sich natürlich nicht die Blöße einer Niederlage. Er lachte kurz mit, allerdings arg gekünstelt, dann tat er so, als habe er einen Bekannten am anderen Ende des Saals entdeckt und schon war er weg. Wir genehmigten uns eine dritte Runde.

Ein Wasp trat neben uns an die Theke und bestellte vier Getränke. Der große, vorn spitz zulaufende Kopf mit den schwarzen Facettenaugen drehte sich in unsere Richtung, aber ich war mir nicht sicher, ob er uns ansah. Im Grunde sahen Wasps alles um sich herum, denn sie verfügten zusätzlich rechts und links über je drei kleine Punktaugen auf kurzen Chitinstielen, die ihnen eine Sicht im Makrobereich verschaffte. Sie waren aufrecht gehende Insektenwesen und bestanden aus zwei Völkern, den Zirras und den Surrfs, und hatten lange auf zwei getrennten Kontinenten mit unterschiedlichen Entwicklungsständen gelebt. Beide Völker hatten jahrelang gegeneinander Krieg um die vorhandenen Rohstoffe ihrer Welt geführt.⁠*

Die Crew der Promet II hatte damals zu den Friedensverhandlungen beigetragen und inzwischen war die kriegerische Vergangenheit nur noch eine böse Erinnerung. Beide Völker nutzten nun gemeinsam die höher entwickelte Technologie der Zirras und die ausgedehnten Agrargebiete der Surrfs. Mit Unterstützung von Terra waren sie zu einem geschätzten Handelspartner aufgestiegen. Ihre Delegation bestand aus vier Mitgliedern, zwei von jedem der beiden Völker. Der Wasp nahm ein Glas in jede Klaue und drehte sich zum Gehen. Die zwei antennenartigen Fühler von einem halben Meter Länge auf seinem Kopf wippten dabei bedrohlich nah an meinem Gesicht vorbei. Ich sah ihm nach, wie er die Drinks an seinem Tisch verteilte. Direkt neben dem Tisch der andorischen Delegation.

Dieses Volk hatte damals Wasp angegriffen, die gesamte Raumfahrttechnologie übernommen und Reisen ins All verboten. Nun saßen sie alle einträchtig nebeneinander, nicht nur mit den Wasps, sondern auch mit der Delegation von Riddle. Ein gutes Bild für das Zusammenwachsen der Völker.

Die Andorer waren die Urbevölkerung des Planeten Riddle im Alpha Centauri-System. Von humanoider Gestalt, aber im Durchschnitt weit über zwei Meter groß. Im Gegensatz zu den Menschen atmeten sie mit Lungen und Kiemen. Ihre schmalen Köpfe mit den scharfen Gesichtszügen waren ihre auffallendsten Merkmale. Ebenso die schlanke Gestalt und die völlig haarlosen Körper.

„Ich verschwinde mal kurz für kleine Terranerinnen“, sagte Devonia.

Ich blieb an der Bar zurück und blickte zu der durchsichtigen Kuppel über mir, wo ich ankommende und abfliegende Raumer beobachten konnte. Auf einer Raumstation herrschte immer viel Verkehr und unsere Veranstaltung war nicht einmal die größte. Zeitgleich fanden mehrere Konferenzen, Meetings und Konzerte statt. Allerdings wurden wir von diesem öffentlichen Bereich streng abgeschirmt.

Ich beobachtete die Delegation der Zwillings-Ratiner, die an ihren Tisch geführt wurde. Die Ratiner aus dem System Fomalhaut warengrünhäutige Nichthumanoiden mit kleinen Köpfen, überdimensionalen Augen und breiten Mündern. Ihr kräftiger Körperbau ließ sie bedrohlich erscheinen. Ich wusste, dass ihre inneren Organe ungewöhnlich angeordnet waren. Die Herzen befanden sich im Kopf, die Lungen im Gesäßbereich, der Magen war viergeteilt und ähnelte dem einer Kuh. Jeder Zwilling verfügte über vier Nieren. Sie waren zweigeschlechtlich und lebten als Zwillingspärchen zusammen, die gemeinsam eine geistige Einheit bildeten. Lange hatte ihr Volk mit starken Degenerationserscheinungen zu kämpfen gehabt. Die Städte verrotteten und wurden nur notdürftig von wenigen noch intakten Uralt-Robotern der Zyklops versorgt. Die Raumfahrt war wegen Mangels an Raumschiffen weitgehend eingestellt worden.⁠* Die Ratiner fanden Platz an dem freien Tisch zwischen Moranern und Vertretern von World-Market. Die Firma von Michael Moses vertrat hier eigene Interessen, die sich nicht in allen Punkten mit denen des Weltrates deckten.

Devonia kehrte zurück, stellte sich schweigend neben mich und starrte ins Leere. Sie machte plötzlich einen fast apathischen Eindruck.

„Was ist los mit dir?“, fragte ich besorgt.

„Ich weiß nicht“, sagte sie langsam. „Mir fiel gerade etwas ein, an das ich schon lange nicht mehr gedacht habe. Seltsam, denn ich hatte den Tag anders in Erinnerung. Weniger schön.“

Ich hörte ein schrilles Lachen, das schon fast hysterisch klang und drehte mich zu der Quelle des Geräuschs. Es handelte sich um den andorischen Sicherheitskommissar Tec Roomer, der auf einem Stuhl stand und sich vor Lachen ausschüttete. In einer höchst unpassenden Lautstärke. Ich bemerkte empörte Gesichter wegen des ungebührlichen Verhaltens. Es kam nicht selten vor, dass bei solchen Veranstaltungen im Anschluss an den offiziellen Teil ausgelassene Partys stattfanden. Je langweiliger der offizielle Teil, umso heftiger die Party. Darüber herrschte stillschweigendes Einverständnis. Aber wie gesagt, erst im Anschluss.

Manche Gäste verschätzten sich beim Alkohol, aber Roomer war als ernst und gewissenhaft bekannt, um nicht zu sagen, als Spaßbremse. Außerdem hatte er vor wenigen Minuten noch völlig ruhig auf seinem Platz gesessen und an einem Wasser genippt. Etwas stimmte nicht und ich war nicht die Einzige, die es bemerkte. Also eilte ich hinüber, um den Mann von dem Stuhl zu holen und aus dem Saal zu schaffen. Roomer verhielt sich sonderbar, denn er war wie gesagt ein zurückhaltender Mann, der sich lieber im Hintergrund aufhielt. Ich hatte schon einige Gespräche mit ihm geführt und dabei festgestellt, dass der Andorer sich nur schwer ein paar Sätze entlocken ließ, die nichts mit seinem Fachgebiet zu tun hatten. Oberflächliches Geplauder lag ihm nicht, er fühlte sich auf diesen gesellschaftlichen Veranstaltungen im Nebenprogramm der Konferenz wohl noch unwohler als ich. Die anderen Andorer waren keine Hilfe. Sie hingen betrunken auf ihren Stühlen und kicherten vor sich hin. Wäre es nicht so früh am Abend gewesen, hätte mich ihr Zustand weniger verwundert.

Ich reichte dem Andorer meine Hand, sie verschwand fast vollständig in seiner. Ich spürte den kräftigen Druck seiner sechs Finger, die bis zu den Mittelgliedern durch Hautlappen miteinander verbunden waren. Brav stieg er vom Stuhl herab und ließ sich von mir zu einem Seitenausgang führen. Ich wollte ihn an einen ruhigen Ort bringen. „Was ist mit dir, Tec?“

Gerade schloss sich die Tür hinter uns, als ich einen durchdringenden Schrei hörte, der sich im Saal durch laute Rufe mehrerer Anwesender fortsetzte. Ich lehnte Roomer gegen die Wand und lief in den Saal zurück. Es waren keine Schreie aus Überraschung oder Freude, sondern nackte Panik. Sie stammten von den Ratinern, die sich neben ihrem Tisch am Boden zusammenkauerten.

Ich sah mehrere Terraner, die verteilt im Raum herumstanden. Die allgemeine Panik schienen sie überhaupt nicht zu bemerken. Sie wiegten sich apathisch umher, schienen völlig weggetreten zu sein. Aber offenbar fühlten sie sich dabei ziemlich wohl. Dieses Verhalten konnte ich allerdings nur bei den Terranern beobachten.

Ich ging auf die Ratiner zu, als ich einen weiteren Schrei hörte, der noch dringlicher klang. Während die Schreie der Ratiner Panik ausdrückten, hörte sich der neue Schrei nach Schmerzen an. Ich reckte mich, um zu sehen, aus welcher Richtung er gekommen war, aber die durcheinander drängenden Gäste verdeckten mir die Sicht. Sie gingen von einem Anschlag auf die Konferenz aus und mir ging es genauso.

Es gab im ganzen Saal keine einzige Waffe, das war Bedingung für alle Anwesenden. Aber es gab auch keine Angreifer, gegen die man sie einsetzen musste. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Was geschah in diesem Saal? Was verursachte dieses verrückte Verhalten?

Ein Wasp-Delegierter stürmte auf den Abgesandten der Andorer zu, anscheinend mit der Absicht, ihn zu verletzen oder sogar zu töten. Ich versetzte mich in den Berserk-Modus, um ihn abzufangen. Was immer der Auslöser für dieses Verhalten war, ein solcher Vorfall konnte einen Krieg verursachen. Wasps und Andorer hatten ihre gemeinsame Vergangenheit noch nicht vergessen, auch wenn sie sich vordergründig versöhnlich gaben. Schlimmstenfalls konnten sogar die alten Konflikte zwischen Zirras und Surrfs wieder aufbrechen.

Ich erreichte den Angreifer kurz, bevor er sein anvisiertes Opfer zu fassen bekam, blockte ihn zur Seite und rammte ihn. Wasps gehörten nun wirklich nicht zu den Wesen, mit denen man gerne zusammenprallte. Ihre Körperschalen aus Chitin boten einen starken Schutz im Kampf und mein Gegner machte durch meinen Stoß nur einen Ausfallschritt zur Seite. Sofort wandte er sich mir als neuem Ziel zu. Sein grün-gelb-schwarz gestreifter Unterleib endete in einem spitz zulaufenden Korpus ohne Stachel und zwei kräftigen Beinen. Die ovalen Fußballen besaßen dort, wo vergangene Generationen noch über Klauen verfügten, nur rudimentäre zehenartige Krallen. Trotzdem wollte ich damit keine Bekanntschaft machen. Auf den Rücken waren noch Überreste von Flügelansätzen erkennbar, die aber fluguntauglich waren. Deshalb war der Wasp noch lange nicht harmlos. Seine schmalen Mundöffnungen waren mit fingerlangen Greifzangen versehen und er verfügte über zwei kräftige Arme auf jeder Seite.

Der Wasp vor mir drehte aus irgendeinem Grund durch. Ich hatte noch nie jemand seiner Spezies so außer Kontrolle gesehen. Ich durfte ihn nicht verletzen, denn das konnte Folgen haben. Die anderen drei Mitglieder seiner Delegation waren mir keine Hilfe, sondern ein Teil des Problems, denn sie rasteten nun ebenfalls aus und ließen sich nicht mehr beruhigen. Zumindest versuchte es niemand. Alle wollten nur so schnell wie möglich weg von ihnen. Verständlich. Ich war froh über jeden, der es aus ihrer Reichweite schaffte. Je weniger Verletzte, desto einfacher war der Schaden zu begrenzen. Wobei einfach sicher die falsche Wortwahl war.

Die Delegation der Wasps bestand nur aus diesen vier Mitgliedern. Ihre geringe Zahl machten sie allerdings durch ihre unglaubliche Aggressivität wett. Ihre Wut richtete sich nicht gegen eine bestimmte Person, sondern gegen jeden im Saal.

Mit meinen Berserk-Kräften schickte ich den Wasp mit einem gezielten Schlag zu Boden. Dann sprang ich einen weiteren Wasp von hinten an, der sich gerade zwei Angestellte vom Servicepersonal gegriffen hatte. Ich hob ihn von den Beinen und schleuderte ihn gegen einen weiteren Wasp. Beide taumelten und gingen fast zu Boden, wodurch sich die beiden Angestellten befreien konnten. Leider erholten sich die zwei Insektoiden viel zu schnell. Ich dagegen stand schweratmend im Raum und fühlte mich ungewohnt kraftlos. Meine Berserk-Kräfte funktionierten nicht wie gewohnt. Sie erschöpften sich zu schnell. Ich konnte weder auf die gewohnte Stärke noch auf meine Schnelligkeit zurückgreifen. Was auch immer mit mir nicht stimmte, ich hoffte, dass meine Selbstheilungskräfte damit zurechtkamen. Wenn es so etwas wie ein Gift war, dann musste es aus meinem Körper vertrieben werden.

Mein erster Gegner attackierte mich erneut. Ich brauchte mich nicht wie gewohnt zurückhalten, da ihre Körperpanzer sehr widerstandsfähig waren. Stattdessen musste ich mir sogar Mühe geben, um überhaupt etwas zu bewirken. Ich hämmerte mit der Faust auf den helmartigen Kopf ein, bis der Wasp in den Knien einknickte. Nach dem fünften Schlag hatte ich das Gefühl, jeden Knochen in meiner Hand zertrümmert zu haben, aber immerhin blieb der Wasp am Boden und stöhnte nur noch.

Alle flohen vor den Wasps, außer den Terranern, die völlig hinüber waren. Ich musste sie retten, wenn sie es nicht selbst taten. Ich konnte mir weder das aggressive Verhalten der Wasps noch das von mehreren anderen Anwesenden erklären. Irgendetwas musste mit ihnen geschehen sein.

„Haltet euch von ihnen zurück!“, schrie ich. Viele der Leute in diesem Raum waren Profis und hatten schon diverse Krisen bewältigt. Jeder tat das, was er für richtig hielt, um die Situationen zu bewältigen. Zufrieden stellte ich fest, dass nicht alle auf direktem Weg aus dem Saal flohen, sondern einige sich die Zeit nahmen, anderen zu helfen. Besonders den Terranern, die einen orientierungslosen Eindruck machten. Unpassend war das dämliche Grinsen auf ihren Gesichtern. So als ob sie gerade ungeheuer viel Spaß hatten an diesem Durcheinander aus Panik und Gewalt.

„Helft mir!“, kreischte eine Terranerin und rüttelte an ihrem Begleiter, als müsse sie ihn nur aufwecken. Er saß zusammengesunken neben ihr und rührte sich nicht. Ich erkannte Delgado, der sich offenbar mit einer neuen Bekanntschaft getröstet hatte. Sie versuchte, ihn wieder auf die Beine zu hieven, doch er war viel zu schwer für sie.

Die Zugänge flogen auf, Ärzte und Sicherheitsleute der einzelnen Völker stürmten in den Saal und versuchten, ihre Abgesandten zu retten. Viele kamen ihnen bereits entgegen, andere liefen in dem Durcheinander aneinander vorbei. Niemand besaß mehr einen Überblick. Wenn dies ein Anschlag war, hatte er seine Opfer auf sehr unterschiedliche Art getroffen.

Ein Sanitäter untersuchte den zusammengesunken Delgado. „Er ist vollkommen high!“, sagte er und eilte zum nächsten Opfer mit seltsamen Symptomen.

Ich entdeckte Devonia, die völlig verträumt zur Kuppel aufblickte.

Auch der Sicherheitsdienst der Station erreichte jetzt den Saal. Mit Körperpanzern und Atemschutzmasken rückten sie vor, um die Bedrohung auszuschalten. Doch die war nicht so einfach auszumachen. Als sie die Wasps als Aggressoren ausmachten und auf sie anlegten, trat ich in die Schusslinie. Ich musste ein Blutbad verhindern, auch an den Tätern. Wenn auf unserer Konferenz eine komplette Wasp-Delegation ausgelöscht wurde, konnte das nicht ohne Folgen bleiben. „Nur auf Betäubung!“, befahl ich und wurde fast im selben Augenblick von einem Wasp gepackt.

„Was ist los mit euch?“, schrie ich den Wasp an, doch der reagierte nicht auf meine Worte. Seine beiden unteren Klauen hielten meinen Oberkörper gepackt und die oberen legten sich um meinen Hals. Ich schlug von unten seine Arme weg und versetzte ihm einen Tritt vor die Brust, der ihn mehrere Schritte zurücktaumeln ließ. Doch das brachte ihn nicht zur Vernunft, sondern ließ ihn mit gesenktem Kopf vorstürmen.

Die Sicherheitsleute hatten nur auf ein freies Schussfeld gewartet. In einem wahren Fächer aus Betäubungsstrahlen ging der Wasp zu Boden. Den drei verbliebenen Exemplaren erging es nicht anders. Sie steckten zwar die ersten Treffer noch weg, aber letztendlich waren es doch zu viele. Damit war das Problem noch nicht gelöst. Die Andorer stimmten ein fröhliches Trinklied an, obwohl ich bezweifelte, dass auch nur einer von ihnen einen Tropfen Alkohol im Blut hatte.

Meine Knie gaben nach und ich fand mich auf dem Boden wieder. Mehrmals wurde mir für Sekundenbruchteile schwarz vor Augen. Ich sah Sanitäter auf mich zueilen, doch bevor sie mich erreichten, kippte ich aus meiner sitzenden Position zur Seite und schlug mit dem Kopf auf den Boden auf. Zwischen zwei schwarzen Blenden sah ich Devonia, die sich im Raum umherdrehte und mit den Händen durch die Luft fuhr, um Dinge zu berühren, die außer ihr sonst niemand sah.

Der Sicherheitschef von Nexus VII brüllte durch den Saal: „Isolieren Sie alle Betroffenen voneinander und stellen Sie sie unter ärztliche Beobachtung. Niemand verlässt diese Station, bis wir nicht genau wissen, was hier vorgefallen ist!“ Das waren die letzten Worte, die ich noch mitbekam, bevor mich eine dichte Schwärze endgültig umfing.

*Siehe Promet (Von Stern zu Stern) 41 - Überfall auf Wasp

*Siehe Promet (Von Stern zu Stern) 27 - Das Eindenker-Tribunal

MALEDIVEN, KURAMATHI, 08.01.2112

Wernher von Witzleben arbeitete als freier Mitarbeiter für die World Police und betrieb nebenher eine eigene Security-Firma. Beide Tätigkeiten machten ihn zu einem Dorn im Auge von Terras Unterwelt. Der finster wirkende Mann von mindestens zwei Metern Körpergröße wirkte durchaus bedrohlich, als er durch die Büroetage marschierte. Nicht nur wegen seiner Kleidung, die von oben bis unten aus dunklem Leder bestand. Sein bodenlanger Mantel, den er wie einen Umhang trug, hatte ihm den Spitznamen Fledermaus