Raumschiff Promet - Sternenabenteuer 01: Mehr als tausend Lichtjahre - Andreas Zwengel - E-Book

Raumschiff Promet - Sternenabenteuer 01: Mehr als tausend Lichtjahre E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

Die Moranerin Shalyn Shan erhält von HTO-Chef Peet Orell das Kommando über die Promet IV. Mit diesem Schiff soll sie das Schicksal der verschwundenen Promet III klären, auf der sich auch ihr Ehemann Jörn Callaghan befand.Doch Shalyns Bemühungen, eine Besatzung für ihr Schiff zu finden, drohen zu scheitern, denn einige Auserwählte befinden sich in akuter Lebensgefahr.

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Andreas ZwengelMEHR ALS TAUSEND LICHTJAHRE

In dieser Reihe bisher erschienen

5101 Andreas Zwengel Mehr als tausend Lichtjahre

5102 Andreas Zwengel & Gerd Lange Geheiligte Spiele

Andreas Zwengel

Mehr als tausend Lichtjahre

Raumschiff PrometSternenabenteuer

Band 1

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannExposé: Thomas Ziegler † & Gerd LangeTitelbild: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-054-3Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Grauzone Managua, Mittelamerika, 12. April 2107

Der Smog lastete schwer auf der ehemaligen Hauptstadt von Nicaragua. ­Überbevölkerung, Armut und eine nicht abreißende Folge von ­Erdbeben in den letzten hundertfünfzig Jahren ­hatten die frühere Metropole stark in Mitleidenschaft ­gezogen. Viele Gebäude waren durch Naturgewalten zerstört und später durch provisorische Bauten ersetzt worden. Wer es sich leisten konnte, hatte die Stadt verlassen und sie den Gesetzlosen überlassen, die nun über die Slums und ihre Bewohner ­herrschten. ­Rivalisierende Gangstersyndikate gaben hier den Ton an, betrieben Menschenraub, Waffenhandel und ­Drogenschmuggel in die TSU, die Terra States Union.

Von dem Flachdach aus, auf dem ich stand, wirkte Managua fast friedlich, aber das lag an der frühen Tageszeit. Noch wenige Stunden zuvor erfüllten Schüsse, Schreie und Sirenen die Stadt. Doch selbst Gangster mussten irgendwann schlafen, bevor sie sich wieder ihren Geschäften widmen konnten.

Managua war eine Brutstätte des Bösen. Als wären die verschiedenen Syndikate nicht schon schlimm genug, die bei ihren ständigen Revierstreitigkeiten die Straßen in Schlachtfelder verwandelten, war die Stadt auch noch zum Treffpunkt von Verbrechern, Verrückten und Terroristen aus dem Rest der Welt geworden. Wer untertauchen musste, fand hier Unterschlupf. Immer vorausgesetzt, er besaß genügend Sol, um sich den Schutz der Syndikate erkaufen zu können.

Warum in aller Welt sollte man freiwillig einen Fuß in diesen Sündenpfuhl strecken? Nun, ich hatte einen Grund. Einen sehr guten sogar.

Nordwestlich von mir, am Südufer des Lago Xolotlan, befand sich das Hauptquartier von Damokles. Einer Verbrecherorganisation, die willige und absolute gehorsame Killer für ihre Zwecke nutzte. Seit 2098 war Damokles ein Bestandteil der Gaia-Front, was sie mir kein bisschen sympathischer machte. Es war bezeichnend, dass diese Organisation ihr Hauptquartier ausgerechnet an einem der gefährlichsten Orte auf diesem Planeten errichtet hatte. Sie wollten allen damit signalisieren, dass sie die übelsten Mistkerle waren, die sich hier niedergelassen hatten. Ihr Hauptquartier war mein Ziel.

Das tropische Klima war eine zusätzliche Belastung. Schon am frühen Morgen herrschten über zwanzig Grad und mit jeder Stunde stieg das Thermometer um zwei Grad an. Hinter mir stieß ein unbedacht gesetzter Fuß gegen einen Stein und ließ diesen über das Dach rollen. Ich drehte mich nicht um, denn ich hatte die drei Männer längst bemerkt. Obwohl sie sich Mühe gaben, sich unbemerkt anzuschleichen, fehlte ihnen doch die Ausbildung, um dies einigermaßen geschickt durchzuführen. Zudem war der mittlere ein starker Raucher und vom Aufstieg aufs Dach hörbar außer Atem.

„Was machst du hier, Hübsche?“, rief mir eine Stimme zu.

Ich drehte mich vom Damokles-HQ weg und schenkte ihnen meine Aufmerksamkeit. Drei Männer in ärmel­losen Shirts, die ihre beachtlichen Muskeln zeigten. Es gab in dieser Stadt wenig zu essen, aber an billigen Steroiden schien kein Mangel zu herrschen. Ihre schlechten und veralteten Waffen verrieten mir, dass es sich um ihre private Ausrüstung handelte.

„Da ist uns aber ein wahrer Leckerbissen ins Netz gegangen“, sagte der Raucher in der Mitte und ließ seinen Blick über meinen Körper gleiten. Ich wusste sofort, dass dieses Kompliment nicht in erster Linie meinen weiblichen Proportionen galt, sondern der High-Tech-Ausrüstung, die ich an meinem Körper befestigt hatte.

„Tut mir leid, ich dachte, dieses Haus wäre unbewohnt“, sagte ich.

„Ist es auch. Wegen uns“, erklärte der Mann links von mir. Er trug einen Vollbart, bei dem er nur den äußeren Rand stehen ließ. Die Oberlippe war glattrasiert. Die Fäuste hatte er in die Hüften gestemmt und gab so den Blick frei auf den Pistolengriff in seinem Hosenbund. Ich hätte ihm eine Menge Gründe nennen können, weshalb man eine Waffe dort nicht tragen sollte, aber vielleicht demonstrierte ich es ihm auch einfach.

Der dritte im Bunde war ein dünner Kerl, der die Arme vor der Brust verschränkte und beharrlich schwieg. Ich nahm an, das sollte bedrohlich aussehen, aber er wirke dadurch eher wie ein trotziges Kind.

Der Raucher machte eine Bewegung, die meinen ganzen Körper einschloss. „Wir wollen deinen Overall.“

„Auf jeden Fall wollen wir den“, bestätigte der Bärtige.

„Ausziehen!“, brachte es der Raucher auf den Punkt.

Ich schenkte ihnen ein freundliches Lächeln. „Nein.“

„Kannst du nicht zählen, Lady? Wir sind zu dritt“, knurrte der Bärtige, dem es ganz gewaltig gegen den Strich ging, dass eine Frau nicht vor ihm zitterte.

„Ich kann zählen.“ Mein amüsierter Tonfall sorgte dafür, dass die beiden zuerst einander ansahen und dann nach dem Schweiger schauten, der nicht mehr an seinem Platz stand.

„Was ist hier los?“, fragte der Bärtige erstaunt, als ob er allen Ernstes erwartete, dass ich seine Frage beantwortete.

Im nächsten Moment gab der Raucher einen erstickten Laut von sich und war von dem Dach verschwunden.

„Hinter dir“, sagte ich zu dem Bärtigen. Er fuhr herum und sah sich einem mittelgroßen Asiaten gegenüber, der kaum zwei Handbreit von ihm entfernt stand. Das Gesicht des Japaners war wüst vernarbt, wurde aber von einem sympathischen Lächeln beherrscht.

Der Raucher wollte nach seiner Pistole greifen, doch er musste feststellen, dass sich bereits die Hand seines Gegenübers darum geschlossen hatte, ohne den Lauf aus der Hose zu ziehen.

„Hm, Shalyn, hast du den Mann nicht darüber aufgeklärt, was ein unabsichtlich ausgelöster Schuss an dieser Stelle anrichten kann?“, fragte der Asiate.

„Das wollte ich gerade tun, Anake.“

„Bitte!“, stöhnte der Bärtige.

Die dunklen Augen des Japaners sahen ihn durchdringend an. „Soll ich meine Hand da wegnehmen?“

Der Bärtige nickte heftig.

„Gerne.“ Sofort öffnete Takagawa seine Hand und zog sie zurück.

Überrascht blinzelte der Bärtige mehrmals, dann grabschte er zur Pistole. Zwei Schläge trafen ihn so schnell, dass er nicht einmal sagen konnte, welche von Anakes Händen sie ausgeführt hatte. Die Finger fest um den Pistolengriff geschlossen, kippte er steif wie ein Brett nach hinten und krachte der Länge nach auf das Flachdach.

„Was machen wir mit ihnen?“, fragte mich Anake Takagawa.

„Wir schnüren sie zusammen und lassen sie liegen“, entschied ich. Wichtig war nur, dass sie in den ­nächsten beiden Stunden niemandem von uns erzählen konnten.

„Das war der spaßige Teil des Tages, ab jetzt wird es wohl nicht mehr so lustig“, sagte Takagawa, nachdem die Männer gefesselt vor uns lagen.

Ich sah zu ihrem Haus hinüber. Ich hatte vorhin natürlich nicht zufällig auf diesem Dach gestanden. Es lag auf Höhe der Wohnung des Nachbarhauses, in der die drei Mitglieder des Damokles-Wachschutzes lebten. Meine Rückansicht war an diesem Morgen das erste gewesen, was sie nach dem Aufstehen zu sehen bekamen, und ich hätte mir keinen besseren Köder ausdenken können.

Zehn Minuten später fuhren wir mit dem gepanzerten Dienstfahrzeug der drei ab. Wir trugen auch zwei ihrer schwarz-gelben Uniformen über unseren Einsatz­overalls. Sie boten eine Menge Platz, um unsere Ausrüstung ­darunter zu verstecken.

Mit dem Panzerwagen kamen wir zügig durch die Innenstadt. Takagawa lenkte das Gefährt sicher durch den dichten Verkehr.

„Was für ein Chaos“, murmelte ich.

„Wenn man wie ich in Mega-Tokio aufgewachsen ist, dann wirkt das hier wie eine übersichtliche Ortschaft“, erwiderte er und lächelte.

Aber es lag nicht allein an seinem Fahrkönnen, dass wir gut durchkamen. Damokles schien eine Menge Respekt in Managua zu besitzen. Auf einer Kreuzung wurde sogar eine Schießerei zwischen Mitgliedern des ­Tiores-Syndikates und der Besatzung eines Geldtransportes unterbrochen, als wir vorbeifuhren.

Das Hauptquartier von Damokles war ein fünfstöckiger Würfel aus schwarzem Material, der wie ein fensterloser Monolith aussah. Von innen allerdings war die Hülle durchsichtig, was den Leuten dort eine herrliche Aussicht in jede Richtung bot. Falls solche Leute überhaupt einen Sinn für die Schönheit der Natur besaßen.

Wir mussten in diesen Würfel hinein, in das dritte Obergeschoss gelangen und dort unsere Zielperson befreien, die gegen ihren Willen in dem Gebäude festgehalten wurde. Die Zielperson hieß Lukas Hagen und war ein genialer Robotik-Experte und Astrospezialist aus Mega-Berlin im ehemaligen Deutschland. Der Professor hatte bereits für Harry T. Orell in der Forschungs­abteilung der HTO gearbeitet und sich das Wissen der moranischen Robotik angeeignet. Das stellte für sich genommen bereits eine beachtliche Leistung dar, doch Hagen hatte es sogar geschafft, die moranische Technologie weiterzuentwickeln.

Ich kannte ihn nicht persönlich, aber angeblich handelte es sich bei ihm um einen knurrigen Misanthropen, der die Gesellschaft seiner Roboter derjenigen von echten Menschen vorzog. Doch konnte dies nicht völlig der Wahrheit entsprechen, denn sonst befände er sich momentan nicht in der misslichen Situation, aus der wir ihn befreien wollten.

Professor Hagen war auf einer Tagung im mexikanischen DeGorm-City dem weiblichen Lockvogel einer ­Kidnapperbande auf den Leim gegangen. Die junge Dame hatte ihn in einer Bar angesprochen und anschließend auf sein Zimmer begleitet. Danach tauchte er nicht wieder auf. Anschließend hatte die Bande ihn dem Meistbietenden angeboten. Neben verschiedenen Technologiefirmen, von denen sich die meisten nicht auf ein solches Geschäft einlassen wollten, war die Gaia-Front ein sicherer Interessent gewesen. Als leidenschaftlicher Propagandist der interstellaren Raumfahrt und prominenter Mitarbeiter des HTO-Raumfahrtkonzerns stand der Professor ganz oben auf der Todesliste der Gaianer. Aber sie hatten wohl nicht eingesehen, viel Geld für Hagen zu bezahlen, nur um ihn anschließend umzubringen. Letztlich hatte Damokles den Zuschlag erhalten und ihn nach Managua geschafft, wo er im Hauptquartier des Syndikats zur Mitarbeit an irgendwelchen teuflischen Projekten gezwungen wurde. Abgesehen von meinen persönlichen Gründen hatte die Befreiung des Professors auch den positiven Effekt, dass er sein Wissen nicht dem Damokles-Syndikat zur Verfügung stellen konnte.

„Hast du das Foto von dem Lockvogel im Hotel gesehen?“, fragte Takagawa. „Schon allein wegen ihres Alters und ihres guten Aussehens hätte er misstrauisch werden müssen.“

„Vielleicht hat er ein gesundes Selbstbewusstsein.“

Takagawa lachte auf. „Das muss er wohl haben, denn sein Spiegelbild kann ihn nicht dazu verleitet haben.“

„Du bist ganz schön gehässig.“

„Ich sag ja nur: Hätte er eine vernünftige Selbsteinschätzung, müssten wir uns nicht durch diesen Moloch ­kämpfen.“

„Vielleicht hat er das Mädchen für eine Physikstudentin gehalten, die nur an seinem Intellekt interessiert war.“

Er warf mir einen skeptischen Seitenblick zu. „Ich möchte ja jetzt nicht oberflächlich klingen, aber sie sieht auch nicht aus wie eine Physikstudentin.“

„Hier rechts“, sagte ich, und Takagawa lenkte das schwere Fahrzeug in eine enge Gasse, die schmaler aussah als unser Gefährt. Glücklicherweise irrte ich mich damit.

Wir hatten noch eine Verabredung, bevor wir das Gelände des Damokles-Syndikats betraten.

„Ich traue dem Kerl nicht“, sagte Takagawa, als wir auf einem kleinen Marktplatz hielten. Er schaute sich nach allen Seiten um.

„Ich auch nicht“, musste ich gestehen. „Aber es blieb keine Zeit, um jemand anderen zu finden.“

Possko trat überraschend aus einem Hauseingang und kam an mein Beifahrerfenster. Er sah gut aus und kleidete sich elegant und teuer. Dafür brauchte er sicher eine Menge Geld, weshalb er tat, was er tat. Possko war Waffenhändler und Spitzel der World Police. Er stand in dem Ruf, alles besorgen zu können, was man brauchte und nicht legal zu erwerben war. In unserem Fall handelte es sich dabei um Dienstausweise des Damokles-­Wachdienstes mit gefälschten Daten und unseren Fotos.

Schon bevor ich das Fenster herunterließ, spürte ich mit meinen empathischen Fähigkeiten, wie nervös Possko war. Das war nur zu verständlich, denn er stand im Begriff, sich mit der mächtigsten ­Verbrecherorganisation der Stadt anzulegen. Wenn das herauskam, würde er Managua verlassen müssen, und ich konnte nicht einmal sagen, ob das ausreichen würde, um sein Leben zu retten. Doch abgesehen von dieser begründeten Sorge, war da noch mehr. Ich hatte das deutliche Gefühl, dass er etwas vor uns verbarg.

Andererseits blieb uns keine Wahl. Nur Possko konnte die Ausweise besorgen, und er hatte auch herausbekommen, wo man Hagen gefangen hielt.

Posskos Kopf ging pausenlos umher. Während ich den Umschlag mit den Ausweisen entgegennahm und ihm gleichzeitig einen wesentlich dickeren Umschlag mit seiner Bezahlung hinstreckte, drehte er sich ständig um. Dann war er schon wieder davon, ohne dass wir ein einziges Wort gewechselt hatten. Bei unserem letzten Treffen war er etwas gesprächiger gewesen, allerdings genauso nervös.

Ich nahm meinen Ausweis aus dem Umschlag und betrachtete kurz das Foto darauf. Meine schockgrünen Augen waren hinter blauen Kontaktlinsen verborgen und mein schulterlanges Silberhaar zu seinem Knoten zusammengebunden, um die größten Auffälligkeiten bei meinem Aussehen zu verbergen. Das Wachpersonal sollte keinen Grund haben, mir einen zweiten Blick zu schenken. Für die Kontrolle hatte ich mich genauso hergerichtet und verdeckte meine Haare noch zusätzlich durch eine schwarz und gelb gestreifte Kappe.

Anschließend zog ich Takagawas Ausweis hervor, beugte mich hinüber und heftete ihm das Ding an die Brust. Er startete den Motor und fuhr los.

Zehn Minuten später näherten wir uns dem Haupteingang des Damokles-Hauptquartiers. Am Tor wurden unsere Ausweise kontrolliert. Neben mir hielt Takagawa den Atem an, aber ich konzentrierte mich auf die drei Wachleute und forschte nach Warnhinweisen auf ihren Gesichtern und in ihren Gedanken. Waren sie misstrauisch oder alarmiert? Sie wirkten alle recht entspannt und schließlich winkten sie uns durch. Possko hatte sich seine enorme Bezahlung also redlich verdient.

Wir fuhren um das Gebäude herum und hielten vor einem Nebeneingang, wo sich auch die Aufenthaltsräume des Wachdienstes befanden. Offiziell würde unsere Schicht erst in zwanzig Minuten beginnen, so lange blieb uns Zeit, um Hagen zu finden und aus dem Gebäude zu schaffen. Zum Glück kannten wir den direkten Weg zu ihm und mussten nicht lange suchen. Wenn die Mission weiterhin so reibungslos ablief, würde ich mich sogar dazu durchringen können, Possko eine Erfolgsprämie zu zahlen. Gute Leute musste man sich bewahren.

Das Betreten des Würfels verursachte eine kurze Irritation der Augen. Eben noch schaute ich auf die dunkle, blickdichte Außenhülle, und dann machte ich einen Schritt hinein und stand in einem lichtdurchfluteten Glasgebäude. Ich drehte mich um und schaute durch das Sicherheitsglas nach draußen. Dabei kam ich mir vor wie in einem Gewächshaus und war gleichzeitig vor allen neugierigen Blicken geschützt.

Takagawa war ähnlich beeindruckt, aber wir durften das nicht so auffällig zeigen, schließlich erlebten wir laut unserer Tarnidentität diesen Anblick jeden Tag. Wir gingen durch die Lobby auf die beiden gläsernen Aufzüge zu, wobei ich zwischen den vereinzelten Säulen und Blumenkübeln hinüber zum Empfangstresen blickte. Die drei Angestellten dort schenkten uns keine Aufmerksamkeit. Selbst als ich meinen Fuß unglücklich drehte und auf dem blankpolierten Marmorboden ein leises Quietschen verursachte, blickten sie nicht auf. Wir waren einfaches Wachpersonal und damit praktisch unsichtbar.

Nacheinander traten wir in den rechten Aufzug, Takagawa drückte den Knopf für das dritte Stockwerk. In einem gläsernen Lift in die Höhe aufzusteigen war ein völlig anderes Erlebnis, als in einer eckigen Kammer nur den Aufstieg zu fühlen. Damokles hatte sich sein Hauptquartier etwas kosten lassen und es luxuriös ausgestattet. Obwohl man in dieser Branche keine Laufkundschaft hatte, die man im Büro empfing und beeindrucken wollte. Die meisten Geschäftsabschlüsse wurden in Hinterzimmern und verborgen im Ultranet gemacht.

Als sich die Aufzugstüren öffneten, traten wir in einen verlassenen Flur. Laut Wandbeschriftung handelte es sich bei diesem Stockwerk um die Forschungsabteilung II. Durch die gläsernen Wände sahen wir auf beiden Seiten Laboreinrichtungen, die aber momentan nicht in Betrieb waren.

„Haben wir heute irgendeinen Feiertag, den ich nicht kenne?“, fragte Takagawa halblaut.

„Ich nehme eher an, dass sie Professor Hagen bisher nicht zur Kooperation bewegen konnten und die Arbeit deshalb noch ruht“, erwiderte ich. Ich hatte keine Ahnung, zu welchen Schandtaten sie Hagen verleiten wollten, aber bei einem Auftraggeber wie Damokles konnte es sich wohl kaum um etwas Positives handeln. Seine Befreiung brachte also gleich zwei Vorteile: Die HTO bekam ihren Experten zurück und Damokles verlor ein wissenschaftliches Genie für seine finsteren Vorhaben.

Nach mehreren Laboren endete die Glasfront zum Flur hin, es folgten geschlossene Wände.

„Das sind wohl die Toiletten“, scherzte Takagawa.

„Das wären aber ziemlich viele“, antwortete ich. „Vermutlich haben wir die privaten Unterkünfte gefunden.“

„Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, in welcher von ihnen der Professor festgehalten wird.“

Vor uns endete der Flur an einer T-Kreuzung. Ich beugte mich vor und spähte um die Ecke. Schnell zog ich mich wieder zurück und wies zum linken Abzweig. „Ich vermute, es ist die Unterkunft mit den beiden Wachen davor“, sagte ich und lächelte.

„Faszinierend, Holmes“, spottete Takagawa typisch terranisch und zog eine Pfeilpistole aus dem Holster. Er stellte sich dicht an die Ecke und hielt den Arm mit der Waffe angewinkelt. Die beiden Wachen standen auf seiner Seite des Flures zu beiden Seiten der Tür, wodurch von Takagawas Position aus der vordere den hinteren verdeckte. Mit einem tödlichen Geschoss hätte er beide Männer durch einen einzigen Schuss ausschalten können, aber er pflegte, so drastische Maßnahmen nur im ­äußersten Notfall zu ergreifen. Bei diesen Männern musste es sich nicht einmal um überzeugte Anhänger von Damokles oder der Gaia-Front handeln. Sie konnten genauso gut zu einem Subunternehmen gehören, dass nichts mit diesen beiden Organisationen zu tun hatte, und sie hier nur einfachen Wachdienst verrichteten. „Wir sollten uns an dieser Stelle vielleicht einmal die Frage stellen, ob wir einen übergewichtigen kleinen Mann so dringend brauchen“, sagte er und zwinkerte mir zu.

„Nicht, wenn wir ein Basketballteam aufbauen wollten, aber für einen der führenden Robotik-Experten sollten wir eine Verwendung finden.“ Ich wusste, dass Lukas Hagen kein akademischer Stubenhocker war. Er hatte bereits als Astrospezialist an der Forschungsreise des HTO-Prospektorenschiffs Scott unter Kapitän Özgan Türk teilgenommen, um die galaktischen Randzonen zu erforschen.

Takagawa streckte seinen Arm um die Ecke und schoss der vorderen Wache einen Pfeil seitlich in den Hals. Die Wirkung setzte ein, und der Mann sackte in die Knie. Sobald sein Kopf nicht mehr den Nebenmann verdeckte, feuerte Takagawa erneut. Die nächste Nadel drang dem zweiten Wächter ebenfalls in den Hals, gerade als der seinen Blick auf den niedersinkenden Kollegen richtete. Sofort machte er ihm alles nach.

Ich trat auf den Flur und ging auf die bewachte Tür zu. Takagawa folgte mir und lud dabei seine Pfeilpistole nach. Ich öffnete die Tür, indem ich meine Hand über den Sensor daneben bewegte. Zischend verschwand die massive Tür in der Wand und gab den Blick frei auf ein gemütlich eingerichtetes Apartment. Weder auf dem Sofa noch am Schreibtisch war jemand zu erkennen. Möglicherweise schlief der Professor noch. Doch dann spürte ich, dass dem nicht so war. Ich machte einen Schritt vorwärts in den Raum und zog mich im selben Moment wieder zurück. Eine Wasserflasche sauste an der Stelle vorüber, wo eben noch mein Kopf war. Unsere Zielperson wankte, vom eigenen Schwung getragen, an mir vorbei.

„Guten Morgen, Professor Hagen. Mein Name ist Shalyn Shan. Ich komme von der HTO, um Sie zu befreien.“

Es war wahrscheinlich die Erwähnung der HTO, die Hagen zum Innehalten bewog, denn er hatte bereits zu einem Rückhandschlag mit der Flasche ausgeholt. „Sie sind Moranerin“, stellte er fest und ließ seine improvisierte Waffe sinken. „Das schließt wohl eine Mitgliedschaft bei Damokles und der Gaia-Front aus.“

Der 50-jährige Robotik-Experte entsprach den Fotos, die ich von ihm gesehen hatte. Er war klein, höchstens 1,60 groß, und wog deutlich über zwei Zentner. Sein aschblondes Haar war schon recht schütter und klebte in jeder Richtung an seinem verschwitzten Kopf. Seine kurze Attacke hatte ihn außer Atem gebracht. „Sind Sie verwandt mit Liam und Dromm Shan?“

„Meine Eltern“, sagte ich.

„Nette Leute und fähige Wissenschaftler. Ich glaube, Ihre Mutter hat mir mal ein Bild von Ihnen gezeigt. Darauf waren Sie aber noch nicht so, äh, hervorragend entwickelt.“ Er warf die Wasserflasche auf das Sofa und richtete seine Kleidung. „Da arbeitet man für die gleiche Firma und kennt sich doch nur vom Hörensagen. Ich dachte eigentlich, ich würde alle attraktiven Frauen an meinem Arbeitsplatz kennen.“

„Ich war länger im All“, erklärte ich. „Professor, ich bin mir sicher, Sie komplimentieren, aber wenn ich mich nicht irre, hat Sie genau diese Neigung hier nach Managua gebracht.“

Hagen nickte verbittert. „Das war eine böswillige Täuschung. Man hat skrupellos meine Gutmütigkeit ausgenutzt. Eine sehr schmerzhafte Erfahrung.“

„Richtig, und wir werden uns bemühen, damit sie nicht noch schmerzhafter wird.“

Takagawa streckte seinen Kopf zur Tür herein. „Wir sollten gehen.“

„Richtig“, sagte der Professor und schritt an mir vorbei aus dem Apartment.

Wir liefen durch den Flur auf die Aufzüge zu, als ein zweifacher Gong die Ankunft beider Kabinen ankündigte. Instinktiv blieben Takagawa und ich stehen, zogen unsere Strahler und schoben den Professor hinter uns.

In den beiden sich öffnenden Aufzugstüren erschienen schwerbewaffnete Männer in gefleckten Kampf­anzügen.

„Assassinen!“, spuckte Takagawa das Wort aus, denn wir kannten die paramilitärisch ausgebildete Mördertruppe der Gaia-Front nur zu gut. Beide Aufzüge hatten zusammen ein gutes Dutzend dieser kaltblütigen Killer auf unser Stockwerk gebracht.

Takagawa und ich brauchten nicht viele Worte, um uns miteinander zu verständigen, dazu waren wir oft genug in ähnlichen Situationen gewesen. Uns blieben auch nicht viele Handlungsmöglichkeiten, denn dies war kein Konflikt, den man mit diplomatischen Mitteln lösen konnte.

„Vielleicht sollte ich wieder zurück auf mein Zimmer gehen“, murmelte der Professor. „Sie finden sicher allein hinaus.“

Takagawa erschoss die beiden vorderen Assassinen und wich gleichzeitig nach links in ein Labor aus. Ich feuerte ebenfalls, trat nach rechts in einen Raum und zog dabei den Professor am Kragen mit. Das Feuer der Assassinen konzentrierte sich hauptsächlich auf Anake, da sie bedenkenlos feuern konnten, während der Professor nur lebendig Wert für sie besaß.

„Ich bin immer noch zu jung, um so früh zu sterben!“, schrie Hagen.

Takagawa sprang auf uns zu und hielt Hagen einen Handstrahler mit dem Griff voraus entgegen. „Können Sie damit umgehen, Prof?“