Raumschiff Promet - Sternenabenteuer 05: Im Tribunal der Häuser - Andreas Zwengel - E-Book

Raumschiff Promet - Sternenabenteuer 05: Im Tribunal der Häuser E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

Im Raumhafen von Avatarpolis wartet Shalyn Shan auf den Beginn des Avatara-Tribunals, als die Promet IV von einem Eindringling drangsaliert wird. Wer ist der mysteriöse Mylyk-Pash-Yuun und welche Ziele verfolgt er?Währenddessen reißt ein Militärrat auf der Erde die Macht an sich und ruft das Kriegsrecht aus. Als dabei die HTO von den Lunadocks übernommen wird, müssen Vivien Raid, Arn und Junici Borul und Captain Worner fliehen, um nicht wegen Hochverrats verhaftet zu werden.

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Andreas ZwengelIM TRIBUNAL DER HÄUSER

In dieser Reihe bisher erschienen

5101 Andreas Zwengel Mehr als tausend Lichtjahre

5102 Andreas Zwengel & Gerd Lange Geheiligte Spiele

5103 Andreas Zwengel Eisenfaust

5104 Andreas Zwengel Der Weiße Prophet

5105 Andreas Zwengel Im Tribunal der Häuser

5106 Andreas Zwengel Das Zeitenorakel

Andreas Zwengel

Im Tribunal der Häuser

Raumschiff PrometSternenabenteuer

Band 5

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Gerd LangeExposé: Thomas Ziegler † & Gerd LangeTitelbild: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-058-1

Katai, Planet Toschawa, 02.05.2107 Terra-Zeit

Wir befanden uns immer noch auf dem Raum­hafen von Avatarpolis. Ich saß mit meiner Besatzung zur Krisensitzung in der Zentrale der Promet IV, wir warteten auf den Beginn des Tribunals der Häuser. Zuletzt waren wir einen großen Schritt weiter gekommen, als der Prof mit seiner Duftsymphonie Tssogg magg Ssarray für uns eingenommen hatte. Auf einmal betrachtete uns der Uang’tosch nicht mehr als unkultivierte Barbaren, sondern erteilte uns die offizielle Erlaubnis, an der unmittelbar bevorstehenden Sitzung des Tribunals teilzunehmen und dort zu sprechen. Allerdings glaubte ich inzwischen nicht mehr daran, dass es ausreichte, die friedlichen Absichten der Menschheit zu beteuern, um den drohenden Konflikt zu verhindern.

Mich beschäftigten immer noch die Worte des Weißen Propheten Vochotek-Daschar, der einen Krieg zwischen Terra und den Avatara als unausweichlich bezeichnet hatte. Seine seherischen Fähigkeiten hatten ihm gezeigt, dass unser Schicksal bereits entschieden sei. Er war nicht nur in der Lage gewesen, eine Zukunft zu sehen, sondern alle möglichen Zukunftsvariationen. Jeder Verlauf, den das Schicksal nehmen konnte, und in jedem von ihnen sah er diesen Krieg. Das war ziemlich eindeutig. Die Yikritschen bedauerten es zwar, dass es zu einem Krieg kommen würde, hatten aber nicht die Absicht, etwas dagegen zu unternehmen. In ihren Augen war er absolut notwendig. Die Gründe dafür konnte oder wollte der Prophet uns vor seinem Tod nicht nennen, aber ich ging davon aus, dass dieser Konflikt entscheidende Auswirkungen auf die Zukunft beider Völker haben würde. Mir war ein Satz von ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf gegangen: Die Gegenwart muss geopfert werden, um die Zukunft zu retten.

Ich konnte eine solche Aussage nur schwer akzeptieren, denn es lag nun einmal in meiner Natur, bis zuletzt zu kämpfen und niemals aufzugeben. Auch in diesem Fall war das mein erster Impuls gewesen und genau da lag das Problem. Laut dem Weißen Propheten sollten ausgerechnet meine Versuche, den Krieg zu verhindern, letztendlich zu dessen Ausbruch führen. Meine Friedensbemühungen auf Toschawa sollten unabsichtlich zum Auslöser werden.

„Was sollen wir machen? Abwarten und die Dinge ihren Lauf nehmen lassen?“, fragte ich nicht zum ersten Mal in die Runde. Es war immer der Startpunkt jeder neuen Diskussionsrunde und wir hatten alles schon mehrere Male durchgespielt.

„Wir wollen nicht zum Auslöser eines Krieges werden, aber andererseits ist der Krieg angeblich unausweichlich“, sagte Anake Takagawa.

„Was kann also schlimmstenfalls passieren?“, fragte unsere Bordärztin Vanessa Modesta provozierend in die Runde.

„Wir könnten den Beginn des Krieges vorziehen“, erklärte Patrick O’Healy, genannt Der Major.

Die Yikritschen und die Örgön Gör würden versuchen, uns mit allen Mitteln aufzuhalten. Sie wollten den Krieg herbeizwingen und würden deshalb die anderen Tribunal-Delegierten in ihrem Sinne manipulieren. Das bedeutete in erster Linie, sie gegen uns einzunehmen. Auf unserer Seite standen nur die Voldok-Ra. Sie waren unsere einzigen sicheren Verbündeten und die Gegenspieler der Yikritschen beim Machtkampf innerhalb der Avatara. Es sprach also vieles dafür, vor dem Tribunal zu erscheinen. Wir mussten allen Avatara-Völkern gegenübertreten und versuchen, sie von unseren guten Absichten zu überzeugen. Von einigen kannten wir bereits ihre Einstellung. Die Yikritschen, die Örgön Gör und die Chechuden standen eindeutig auf der gegnerischen Seite. Die Haltung der Zyniden war uns noch unbekannt, aber wegen ihrer engen Geschäftsbeziehungen mit den Örgön Gör als Biomech-Lieferanten setzte ich keine allzu großen Hoffnungen in sie. Die Uang’tosch waren bestenfalls neutral eingestellt und über die Haltung der Bezenbeesch und der Alatiden konnten wir bisher nur spekulieren. Ich hoffte, von dem Voldok-Ra-Agenten E’kaan R’in bald mehr über die Machtverhältnisse innerhalb der Avatara zu erfahren, aber er hatte sich seit unserer Rückkehr nach Avatarpolis nicht mehr gemeldet.

Wir waren hier von allen Informationen abgeschnitten. Seit mein Mann mit der Promet III zur Erde gestartet war, hatten wir keinen Kontakt mehr zu seinem Schiff bekommen. Ich wusste also weder, ob es Jörn gut ging, noch ob es ihm gelungen war, den Präventivschlag der Space Police zu verhindern, der auf der Erde geplant wurde.

„Wir haben einen Eindringling an Bord“, meldete unsere Bordtronik Kip völlig unvermittelt.

„Das kann nicht sein“, widersprach der Major. „Alle Eingänge sind verschlossen.“

„Er ist vor acht Sekunden in den Maschinendecks aufgetaucht“, berichtete Kip. „Ich kann schwache Parakon-Turbulenzen in seiner Umgebung feststellen.“

„Dann hat er wohl keine Tür benutzt“, sagte ich und war bereits auf den Beinen.

„Sicher einer der Örgön Gör, die einen weiteren Anschlag versuchen, um den letzten Patzer wett­zumachen“, vermutete Anake.

Der Prof hatte sich bereits zu einem der Bildschirme gedreht. „Kip, zeig uns den Bereich.“

Wir schauten alle auf das Sicherheitshologramm, aber statt einen der zweieinhalb Meter großen Muskelmänner mit der Panzerhaut zu sehen, die die Streitkräfte der Avatara bildeten, erblickten wir eine grauweiße, unförmige Nebelwolke.

„Also, das ist kein Örgön Gör“, sagte Vanessa.

*

Mobile-Control-Center 2 der Space Police, Salt Lake City, 02.05.2107

Captain Rebel Marxia marschierte auf die Tür des Beratungsraums im Kommandostand des mobilen Hauptquartiers zu und die beiden Wachleute der Space Police traten bereitwillig einen Schritt zur Seite, um die große, muskulöse Frau hineinzulassen. Marxia hatte fast zwölf Jahre beim United States Marine Corps gedient, bevor sie zur Space Police gewechselt war, und niemand stellte sich ihr ohne einen guten Grund in den Weg. Sie war ausgebildete Nahkampfspezialistin und geschult auf psychologische Verhörmethoden. Neben ihrer durchtrainierten Statur zwei weitere Gründe, weshalb man sich besser nicht mit ihr anlegte. Marxia nickte den beiden Wachleuten militärisch knapp zu und trat ein.

Schnell erfasste sie die sechs Personen im Raum und sortierte sie nach Zugehörigkeit. Zwei waren hochrangige Militärs der Space Police, zwei weitere Space-Police-Captains wie sie selbst und dazu kamen noch zwei Vertreter der World Police, deren genauen Rang sie nicht erkennen konnte, da sie neutrale Uniformen trugen. Aus welchem Grund auch immer.

Zwei der sechs Männer waren ihr persönlich bekannt. Zum einen Oberst Warren Burchill, der damals Ausbildungs­leiter an der Akademie war, als sie Ende 2099 zur Space Police kam, und Booker Tweece, der Kommunikationsoffizier und Konfliktberater, mit dem sie noch vor kurzem bei der HTO zusammengearbeitet hatte.

„Ah, Captain Marxia, freut mich, dass sie es so schnell einrichten konnten“, begrüßte Oberst Burchill sie.

„Ich muss zugeben, dass ich neugierig bin, was so dringend ist, dass ich alles stehen und liegen lassen sollte“, erwiderte Rebel Marxia in einem respektvollen Ton.

„Das wird Ihnen Oberst Desty Fraser erläutern“, stellte Burchill ihr den mittelgroßen Offizier vor, der sie mit finsterer Miene betrachtete. „Er und sein Adjutant ­Dundee sind eigens hierhergekommen, um Sie zu instruieren.“

Marxia wartete darauf, dass er auch die beiden Captains der World Police namentlich vorstellte, aber offenbar sollte sie deren Namen ebenso wie den Rang nicht erfahren.

Fraser übernahm das Wort. Seine Stimme war trotz des kleinen Körpers erstaunlich volltönend. „Captain ­Marxia, auf Sie wartet eine Mission von außerordentlicher Dringlichkeit.“

Damit hatte sie schon gerechnet, denn es brauchte schon einen guten Grund, wenn man sie so eilig her­beorderte.

„Ihnen ist die momentane Situation bei der HTO vertraut?“

Sie nickte. Es handelte sich um eine äußerst heikle Situation. Nach dem Anschlag auf das Transportraumschiff HTO-N001 und der nicht genehmigten Abreise ihrer Besatzung war herausgekommen, dass die Führungsmannschaft der HTO für die Übermittlung der Angriffsdaten auf Terra an die Avatara verantwortlich war. Aus diesem Grund waren Peet Orell und Jörn Callaghan in Genf verhaftet worden.1

„Da Sie bereits bei der HTO Ermittlungen durchgeführt haben, Captain, sind Sie mit den örtlichen Begebenheiten vertraut. Deshalb werden Sie unter meinem Kommando die Leitung eines Sondereinsatzes auf dem Sperrgelände der HTO-Corporation übernehmen.“

„Es ist eine Weile her, dass ich derartige Einsätze durchgeführt habe“, gab sie zu bedenken.

„Ich weiß von Ihrem Unfall, der Sie gezwungen hat, das Marine Corps zu verlassen, aber in diesem Fall sind nicht Ihre kämpferischen Qualitäten gefragt, sondern Ihre Ortskenntnisse.“

Marxia sah ihn überrascht an.

„Es mag Sie verwundern, Captain, uns tut es das jedenfalls. Wir besitzen erschreckend wenig Kenntnis über das Firmengelände der HTO.“ Oberst Fraser ließ deutlich heraushören, wie sehr ihn diese Tatsache verärgerte. „Sie dagegen haben sich bei Ihrem gemeinsamen Einsatz mit Mister Tweece in dem geheimen Sperrkreis 1 aufgehalten und wissen somit mehr darüber als jeder andere hier im Raum. Die Informationen der Space Police sind nur als spärlich zu bezeichnen, was an sich schon ein Skandal ist, und die World Police konnte auch nichts Wesent­liches beitragen.“

Bei dem letzten Satz warf er einen vernichtenden Blick hinüber zu den beiden Vertretern der World Police. ­Marxia begriff, dass der Oberst die Namen der beiden nicht aus Gründen der Geheimhaltung verschwiegen hatte, sondern weil er wütend auf sie war. Und dieses Gefühl hielt noch an.

„Stellen Sie sich vor, wie überrascht wir alle waren, als wir feststellen mussten, dass das Gelände einer privaten Organisation für unsere Behörden ein unentdecktes Niemandsland ist. Ein weißer Fleck auf der Landkarte. Es existiert keine gesicherte Datenlage über die HTO, obwohl dies durchaus im Aufgabenbereich der Kollegen gelegen hatte. Aber dort ist niemandem aufgefallen, dass sich diese Firma jahrelang nicht in die Karten schauen ließ. Wortwörtlich. Wer weiß, was die dort alles angestellt haben. Die World Police hat es jedenfalls nicht gekümmert. Vielleicht sollte sie sich in World-außer-HTO-Police umbenennen.“

„Oberst“, mahnte Burchill beruhigend, da Fraser sich in Rage redete und die beiden World-Police-Vertreter immer tiefer in ihren Sitzen versanken.

„Schon gut“, sagte der Oberst mehr zu sich selbst und beruhigte sich langsam wieder. Er atmete tief durch und wandte sich dann wieder an Marxia. „Sie sehen das Problem, Captain. Wir wollen dort hinein, wissen aber nicht, was uns erwartet. Nur Sie und Mister Tweece können uns dort drinnen führen.“

Sie blickte zu Booker Tweece, der ihr freundlich zunickte. Der offizielle Kommunikationsoffizier und heimliche Problemlöser der Space Police war als einziger in Zivil und machte wie immer den Eindruck eines umgänglichen Playboys, der nichts ernst genug nahm, um deswegen seine gute Laune zu verlieren.

Oberst Fraser fuhr fort: „Deshalb werden Sie beide unsere Eingreiftruppe führen. Ihr gemeinsamer Auftrag ist die Festsetzung der HTO-Führung wegen Hoch­verrats. Sie werden die Haftbefehle für Vivien Raid, Arn Borul und Junici Borul vollstrecken.“

„Was geschieht mit ihnen, wenn wir sie verhaftet haben?“, erkundigte sich Marxia.

„Diese Personen werden sofort in den Hochsicherheitstrakt Safe-1 auf Luna überstellt, wo sich auch Orell und Callaghan befinden“, antwortete Oberst Burchill.

Marxia nickte. „Ich schlage vor, auch den HTO-Schiffsführer Eric Worner festzusetzen. Es war mir bisher nicht möglich, ihn zu den Vorgängen beim Anschlag auf das Transportraumschiff HTO-N001 zu verhören, da er sich meiner Befragung entzogen hat.“

„Wir werden auch für ihn einen Haftbefehl beantragen“, versprach Burchill.

„Aber bevor Sie sich Worner zur Brust nehmen, ist es notwendig, dass Sie noch etwas Zeit bei der HTO verbringen“, warf Oberst Fraser ein.

„Aus welchem Grund, Sir?“

„Es soll sichergestellt werden, dass die Leitung der HTO von Managern der Lunadocks Ltd. übernommen werden kann, und zwar möglichst nahtlos. Der Betrieb soll ungehindert weiterlaufen, deshalb werden Sie diese Leute in allen Belangen unterstützen.“

Rebel Marxia ließ sich ihre Verwunderung nicht anmerken. Dieser Managementwechsel hatte einen seltsamen Beigeschmack. Das klang mehr nach einer feindlichen Übernahme und sowohl Space Police als auch World Police schienen diesen Vorgang zu unterstützen. Genauer gesagt, sie halfen den Lunadocks ganz direkt.

Oberst Burchill bemerkte ihre Bedenken und brachte Marxia schnell auf andere Gedanken. „Die Aktion beginnt um 12:30 Uhr, also in einer Stunde. Ihre Ausrüstung liegt bereit. Mister Tweece wird sie zum Hangar begleiten. Enttäuschen Sie uns nicht.“

Ein wohlmeinender Vorgesetzter hätte ihr wohl Viel Erfolg gewünscht, aber jemand wie Fraser arbeitete vermutlich lieber mit Druck, um seine Leute anzutreiben.

Marxia und Tweece verließen den Kommandostand, um letzte Vorbereitungen in ihren Kabinen treffen, bevor sie sich in zwanzig Minuten im Abflughangar einfinden mussten. Sie traten gemeinsam in einen Aufzug. Marxia stieg zuerst aus.

„Bis gleich!“, rief Booker Tweece ihr nach, als sich die Türen wieder schlossen. Kaum war er allein, gab er ein neues Ziel an, und zwar das Stockwerk der Com-­Zentrale. Noch während der Fahrt sendete er eine Textnachricht. Als er sein Ziel erreichte, wurde er bereits erwartet.

Eine Soldatin stand mit versteinerter Miene vor dem Aufzug und musterte ihn ernst. Sie sah viel zu hübsch aus für ihre Uniform und wirkte wie ein kostümiertes Model. Ihr Aussehen erleichterte ihr ihre Arbeit sicher nicht. Es lenkte zu sehr von ihren wahren Qualitäten ab, abgesehen davon, dass sie sich vor unmoralischen Angeboten kaum retten konnte.

„Ist alles vorbereitet, Sergeant?“, fragte Tweece sachlich.

Sergeant Reena Witton nickte knapp, machte auf dem Absatz kehrt und ging voraus durch den Flur. Sie blieb vor einem Büro stehen, öffnete die Tür und trat zur Seite, um Tweece hineinzulassen. Er ging an ihr vorbei in den Raum. Im nächsten Moment wurde Sergeant Witton von ihm am Handgelenk gepackt und in das Büro hinein­gezogen. Sie schaffte es noch, die Tür zuzustoßen, bevor Tweece sie an die Wand presste und ihren Mund mit einem wilden Kuss verschloss. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und presste ihr Becken gegen seines.

Als sie sich schwer atmend voneinander lösten, lächelten sie beide.

„Weißt du, was für eine Qual das ist, sich in deiner Nähe so beherrschen zu müssen?“, fragte Tweece.

„Geht mir genauso“, gestand Reena. „Ich habe mich schon mehrmals dabei erwischt, wie meine Hand nach dir greifen wollte.“

„Erwünschte Belästigung am Arbeitsplatz“, sagte Tweece und zwinkerte.

Reena Witton war seit vier Monaten seine Lebens­gefährtin und er hat das Gefühl, dass daraus etwas Länger­fristiges werden konnte. Aber sie waren überein­gekommen, ihre Beziehung vorerst geheim zu halten, damit ihnen daraus keine Nachteile entstanden. Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen sorgten immer für üble Nachrede. Ihm konnte man vorwerfen, dass er seine Position ausnutzte, und ihr, dass sie ihr Aussehen benutzte, um eine höhere Position zu erlangen. Wahre Gefühle wurden dabei nur sehr selten unterstellt.

Doch davon abgesehen, genossen sie auch beide den Reiz und den Nervenkitzel ihrer geheimen Treffen. Dies wollten sie auf jeden Fall noch eine Weile auskosten.

„Ich bin leider in Eile“, sagte Tweece und löste sich aus ihrer Umarmung. „Außerdem wollte ich dich nicht nur aus den offensichtlichen Gründen treffen.“

„Ach ja?“

Er nickte ernst. „Ich habe eine spezielle Aufgabe für dich und die muss sofort erledigen werden.“

*

Katai, Planet Toschawa, 02.05.2107 Terra-Zeit

„Mach den Alarm aus!“, befahl ich Kip.

Doch kaum war das nervende Signal verstummt, öffnete sich der Eingang zur Zentrale und schloss sich sofort wieder. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrmals.

„Was soll das?“, fragte ich verwundert.

„Das kann ich nicht sagen“, antwortete unsere Bordtronik. Eine Aussage, die wir nicht oft von ihr zu hören bekamen.

„Mehrere der Bordsysteme spielen verrückt“, meldete der Major.

„Es macht den Eindruck, als versucht jemand, die Kontrolle über die Promet IV zu erlangen“, sagte Prof Hagen, während er die Systemanzeigen studierte.

„Wozu?“, fragte Anake. „Um hier wie verrückt mit den Schotts herumzuspielen? Das ist doch lächerlich.“

„Wenn wir uns um All befänden, würdest du anders darüber denken“, sagte Vanessa zu ihm.

„Kip, sperr den Eindringling aus unseren Systemen aus!“, forderte ich unsere KI auf.

„Das ist momentan nicht möglich“, antwortete Kip.

Ich wandte mich an Cyberjohn Five. „Cy, versuch du es!“

Der Cyborg verband sich direkt mit dem Bordsystem und ich hoffte, dass seine menschliche Komponente den entscheidenden Unterschied ausmachen würde.

Die Triebwerke der Promet IV sprangen an.

„Was ist jetzt los?“, rief der Major wütend, aber die Antwort lag auf der Hand. Diese seltsame Nebelwolke sabotierte die technischen Einrichtungen unseres Schiffes. Keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligte, aber sie tat es.

Anake deaktivierte die Triebwerke manuell. „Wir müssen das beenden, bevor ein ernster Schaden entsteht.“

„Ich arbeite daran, aber ich finde keine Spur von ihm“, sagte Cy angespannt. „Das ist ein ziemlich gerissener Saboteur.“

„Es handelt sich nicht um einen Sabotageakt“, stellte Kip nüchtern fest. „Meiner Einschätzung nach experimentiert dieser Eindringling mit unserer Technik. Er probiert sie aus, um sie besser kennenzulernen.“

„Dann besteht also keine Gefahr für uns?“, erkundigte sich Vanessa hoffnungsvoll.

„Zumindest nicht aus Vorsatz“, erwiderte Kip.

„Richtig, aber je nachdem, woran unser Gast herumspielt, könnten wir dabei alle ums Leben kommen.“ Mich hatte unsere Bordintelligenz jedenfalls nicht überzeugt. Diese Wolke musste aus meinem Schiff, und zwar sofort.

Doch anstatt besser wurde es erst noch einmal schlimmer. Maschinen fuhren hoch und wurden wieder ­abgeschaltet, die automatische Bordküche produzierte Unmengen von ungenießbaren Mahlzeiten, von denen die meisten unvollendet blieben, und schließlich änderte sich die künstliche Schwerkraft. Sie konnte beim Aufenthalt auf Planeten mit hoher oder niedriger Gravitation genutzt werden, um an Bord einen angenehmen Wert zu erzeugen, der unabhängig von den äußerlichen Gegebenheiten war. Aber sie konnte natürlich auch zu unserem Nachteil manipuliert werden. Wir hoben alle vom Boden ab, außer Anake und Lukas Hagen, die sich rechtzeitig in ihren Sitzen festgeschnallt hatten. Dieses Spielzeug gefiel unserem Gast besonders gut. Er regelte die Schwerkraft hoch und runter. Dabei wurden zwar keine wirklich kritischen Werte generiert, aber für etwa eine halbe Minute ließ uns die erhöhte Schwerkraft kräftig ächzen.

„Wir haben es mit einem Kobold zu tun“, erklärte Kip. „Anscheinend bereitet es ihm großen Spaß, der Crew Streiche zu spielen.“

„Der Spaß ist vorbei“, entschied ich. „Cy, Pat, ihr folgt mir zu den Maschinendecks. Wir bereiten dem Spuk ein Ende.“

Getrennt durchsuchten Cyberjohn Five, Patrick O’Healy und ich die verschiedenen Decks. Schnell musste ich feststellen, dass ich mich geirrt hatte: Für den fremden Eindringling war der Spaß noch lange nicht vorbei.

Unsere Coms fielen wiederholt aus oder gaben schmerzhafte Pfeiftöne von sich. Wenn wir uns miteinander verständigen konnten, beklagten sich Cy und der Major, dass sie permanent genarrt und gefoppt wurden. Cy sprach von undefinierbaren Geräuschen. Patrick O’Healy dagegen war felsenfest davon überzeugt, dass es sich um Rülpser und Furze handelte. Ich fragte mich, wann ich an der Reihe war, denn in meiner Nähe hatte sich der Kobold bisher noch nicht blicken lassen.

Ich spürte eine Berührung an der Schulter. Dieses Vergnügen wollte ich ihm nicht gönnen. Mir stand ­momentan nicht der Sinn nach Scherzen, außerdem war ich noch nicht davon überzeugt, dass unser Besucher wirklich harmlos war. Ich ignorierte die Berührung und auch die folgende, obwohl ich mich dank meiner Berserk-­Kräfte schneller umdrehen konnte als jeder andere an Bord. Ich wäre eine würdige Gegnerin bei diesem albernen Spiel.

Unser Besucher versuchte es noch eine Weile weiter. Er spielte mit meinem Haar, berührte mich sogar im Gesicht, aber ich ertrug das alles stoisch und schließlich hörte ich ein Geräusch, das einem Seufzen sehr nahe kam. Das Nebelwesen schwebte direkt vor mir und verharrte in der Luft. Ich hatte es geschafft, dass es des Schabernacks überdrüssig wurde und sich zu erkennen gab. Trotzdem staunte ich nicht schlecht, als sich die grauweiße Nebelwolke verfestigte und als kleine, humanoide Gestalt sichtbar wurde. Je mehr Nebel sich verflüchtigte, desto mehr konnte ich erkennen. Ich sah zuerst grüne Haut, dann spitze Ohren und schließlich eine gebeugte, halbnackte Gestalt, die mich frech angrinste.

„Das ist dein wahres Aussehen?“, fragte ich erstaunt.

„Natürlich nicht“, widersprach er mit einer hohen, überdrehten Stimme. „Das ist die Darstellung, die eure Bordtronik zu dem Begriff Kobold anbietet. Da ihr mich für einen solchen haltet, wollte ich euch nicht enttäuschen. Meinen neugewonnenen Informationen nach haltet ihr mich für einen Hausgeist, der das Gebäude schützt, aber seine Bewohner neckt, ohne ihnen Schaden zuzufügen.“

„Ich muss zugeben, das beschreibt ganz gut, was hier passiert ist. Also die zweite Hälfte davon.“

„Aber ich bin kein Kobold. Mein Name ist Mylyk-Pash-Yuun, der 233. Aspekt des Makrosensoriums, und ich bin ein Alatide.“

Wir lernten also gerade ein weiteres Volk der Avatara kennen. Sie galten als die Parakon-Spezialisten unter den Häusern. Damit endete mein Wissen über sie auch schon. „Darf ich dich in unsere Zentrale einladen? Meine Besatzung möchte dich sicher kennenlernen.“

Der Kobold grinste frech. „Aber sehr gerne.“