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Als Vivien Raid und Tim Axelrod im Gleiter das HTO-Gelände anfliegen, beobachten sie eine eigenartige Erscheinung, die sie zunächst für eine optische Täuschung halten. Pino Tak verhält sich außerdem plötzlich sehr seltsam. Dies ist der Auftakt zu Ereignissen, die nicht nur weitreichende Folgen für die Promet II und die HTO haben, sondern auch bald Vorgänge von galaktischer Bedeutung auslösen.
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Seitenzahl: 156
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In dieser Reihe bisher erschienen:
5001 Christian Montillon Aufbruch
5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse
5003 Vanessa Busse Dunkle Energie
5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts
5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne
5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner
5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind
5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt
5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer
5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko
5011 Ben B. Black Zegastos Kinder
5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen
5013 Achim Mehnert Böser Zwilling
5014 Achim Mehnert Sternentod
5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet
5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!
5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv
5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben
5019 Achim Mehnert Die Delegation
5020 Achim Mehnert Das Attentat
5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt
5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij
5023 Gerd Lange Das fremde Ich
5024 Andreas Zwengel Geheimwaffe Psychomat
5025 Andreas Zwengel Im Bann der roten Sonne
5026 Andreas Zwengel Das Schiff der S-herer
5027 Gerd Lange Das Eindenker-Tribunal
5028 Andreas Zwengel Der Bote des Todes
5029 Gerd Lange & Andreas Zwengel Alarm im Solsystem
5030 Andreas Zwengel Negor in Not
5031 Andreas Zwengel Im Reich des Orff
5032 Andreas Zwengel Orffs Sonnenreigen
5033 Andreas Zwengel Der falsche Orff
5034 Andreas Zwengel Entscheidung auf Baranad
5035 Gerd Lange Im Licht der drei Monde
5036 Andreas Zwengel Planet der Bestien
5037 Andreas Zwengel Mysteriöse Vergangenheiten
5038 Andreas Zwengel Wächter des Schwarzen Imperiums
5039 Andreas Zwengel Der Raub der Moranerin
5040 Andreas Zwengel Transition ins Gestern
5041 Andreas Zwengel Überfall auf Wasp
5042 Gerd Lange Auf der Suche nach Moran
5043 Gerd Lange Ximenas Martyrium
5044 Manfred H. Rückert Das Geheimnis von Jiron
5045 Andreas Zwengel Die Körperlosen
5046Manfred H. Rückert Gefahr für Sperrkreis 1
5047 Andreas Zwengel Das Erbe der Agaren
RAUMSCHIFF PROMET – VON STERN ZU STERN
BUCH 46
Gefahr für Sperrkreis 1
Manfred H. Rückert
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© 2024 Blitz Verlag
Ein Unternehmen der SilberScore Beteiligungs GmbH
Mühlsteig 10 • A-6633 Biberwier
Redaktion: Gerd Lange
Exposé: Gerd Lange
Titelbild: Manfred Schneider, Mario Heyer
Logo: Mark Freier
Alle Rechte vorbehalten
eBook Satz: Gero Reimer
www.BLITZ-Verlag.de
ISBN 978-3-689-84072-3
5046 vom 03.08.2024
Terra, über Kanada, 17.09.2094
Der Antrieb des Gleiters arbeitete völlig lautlos, sodass außer dem Lärm des immer stärker werdenden Unwetters nichts zu hören war. Es war ein ungemütlicher Flug. Unwillkürlich nahm Timofej Axelrod eine Hand vom Steuer seines Personengleiters und strich sich durch das dunkle Haar. In diesem Augenblick zuckte ein Blitz über die näherkommenden Gipfel der Mackenzie Mountains und blendete Tim. Der Chefmechaniker der Promet II fuhr unwillkürlich zusammen. Seine Hände krallten sich wieder um das Steuer. Ohrenbetäubendes Donnergrollen erschütterte Axelrod bis ins Innere. Er wischte sich zögernd mit einer Hand über die Augen und gähnte vor Müdigkeit. Tim fühlte sich übernächtigt und wünschte sich zurück in sein Bett. Er schaute kurz auf das Chronometer und fluchte in Gedanken. Es war schon 7:35 Uhr. Da um neun Uhr eine Besprechung mit ihrem Boss Harry T. Orell angesetzt war, sollten sie sich besser beeilen, um nicht zu spät zu kommen.
Die Raumschiffwerft des Konzerns, den der alte Orell mit Fleiß, Beharrlichkeit und dem richtigen Händchen für Geschäfte aufgebaut hatte, lag in den Northwest Territories von Kanada, rund zweihundert Kilometer vom Großen Sklavensee entfernt. Sie überquerten gerade die Mackenzie Mountains und den dazugehörenden Mackenzie River. Bei den derzeit vorherrschenden Wetterverhältnissen konnten sie den Termin auf alle Fälle einhalten. Nach Tims vorsichtiger Schätzung konnten sie mindestens zwanzig Minuten vor dem Termin bei den fünf Sperrkreisen eintreffen. Axelrod schimpfte über sich selbst, dass sie nicht noch früher losgeflogen waren. Unter normalen Umständen hielt er fünfzehn Minuten vor dem errechneten Starttermin für ausreichend.
„Was für ein elendes Mistwetter!“, beschwerte sich Vivien Raid im Konturensitz nebenan und versuchte Comverbindung mit dem HTO-Werkschutz zu bekommen. Sie sah ebenfalls nicht ganz frisch aus und so fühlte sie sich auch. Der gestrige Abend in der Vergnügungsmetropole Joy City war eindeutig zu lang gewesen. „Deine Maschine wird ganz schön durchgeschüttelt, Tim. Gut, dass wir Gurte haben, sonst würden wir durchs Cockpit purzeln.“
„Ich gehe noch etwas höher“, gab Axelrod Bescheid. „Vielleicht entgehen wir dort den schlimmsten Böen.“ Er ließ den Gleiter steigen, doch seine Erwartung auf mehr Ruhe wurde nicht erfüllt.
„Ich bekomme keine Verbindung zur HTO“, erklärte Vivien und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Hoffentlich kommen wir an, bevor das erste Thema anfängt. Es wäre mir peinlich, die Besprechung zu versäumen. Das kommt bei Mister Orell nicht gut an.“
„Der erste Betreff dreht sich garantiert um den nächsten Flug der Promet“, sinnierte Axelrod. „Aber als zweiter Punkt der Tagesordnung wurde nur etwas von einem wichtigen Projekt gemunkelt. Weitere Infos habe ich nicht erhalten. Ich …“
Vivien hob eine Hand und nickte Tim zu. Der Gleiterpilot verstummte. Der Sprechkontakt über die Com war soeben erfolgt. „Hallo Werkschutz, hier Vivien Raid von der Promet II“, sagte sie mit lauter Stimme, als könnte sie damit das Unwetter übertönen. „Unser Gleiter benötigt die Freigabe für den Überflug und die anschließende Landung im Sperrkreis 1 am Rollfeld bei der Promet. Wir haben einen Termin mit Mister Harry T. Orell um neun Uhr.“
„Mike Castor, Werkschutz HTO“, meldete sich der diensthabende Flugleiter von Sperrkreis 1 in seiner typisch behäbigen Sprechweise. Vivien rief sich das längliche Gesicht mit der schmalen Nase in Erinnerung. Bei jeder Landefreigabe sprach sie entweder mit ihm oder seinen Kollegen Lucia McLean und Percy Calder. „Alles klar, Vivien, ich gebe euch ab sofort die Freigabe für den Überflug und die Landung im Sperrkreis 1.“
„Danke Mike, ich …“, begann Vivien, als sie vom Sicherheitsprogramm ihres Fluggefährts ein Warnsignal vernahm. Sie schaute ihren Begleiter konsterniert an, der hob die Schultern als Zeichen seiner Ratlosigkeit.
„Was ist los, Vivien?“, erkundigte sich Castor. Er konnte sich auf Viviens Reaktion keinen Reim machen. „Was haben …“ Mit einem Mal war die Verbindung unterbrochen.
„Das gibt’s doch nicht!“, hauchte Tim ungläubig und blickte zu Vivien. Mit gepresster Stimme fügte er hinzu: „Das Sicherheitsprogramm hat die Steuerung automatisch übernommen!“
Der Gleiter legte sich schräg und flog einen bogenförmigen Kurs. Dabei erhöhte die Automatik die Geschwindigkeit beträchtlich, was mehr als ungewöhnlich war. Die Insassen des Fluggeräts wurden tief in die Polster der Konturensitze gedrückt.
„Das ist ein Ausweichmanöver, dabei gibt es hier niemand außer uns!“, rief Axelrod und fragte die Tronik: „Warum greifst du dermaßen rigoros in den Flug ein?“
„Ich habe Kollisionsabwehr eingeleitet“, lautete die kurze Begründung des Bordgehirns.
„Kollisionsabwehr?“ Tim wirkte erschüttert, eine derartige Aktion bedeutete höchste Alarmstufe. Er versuchte auf den Anzeigen herauszubekommen, wovor der Gleiter ausgewichen war. Vivien fluchte leise, sie konnte die Verbindung zur Leitstelle nicht wieder herstellen und die Hand kaum anheben. Sie und Tim wurden trotz der Andruckabsorber hin und her geschüttelt, demzufolge musste es sich um ein großes Objekt handeln, dem der Autopilot auswich.
„Aber es ist nichts zu sehen!“, stieß sie mühevoll aus. „Als wären dort Unsichtbare.“
„Was meinst du damit?“, wollte ihr Begleiter wissen.
„Ach nichts“, antwortete sie und konzentrierte sich wieder auf die Flugbahn des Gleiters. Dann zuckte sie zusammen. „Schau mal, dort drüben!“, sagte sie laut und zeigte in die Richtung. „Wo wir eben hätten entlang fliegen müssen, dieses riesige Loch dort im Regenschauer!“
„Wo genau?“ Tim kniff die Augen zusammen, doch er erkannte nicht, was sie meinte.
„Wo der Regen halbrund zum Boden hin umgelenkt wird“, antwortete sie, doch da war es auch schon vorbei. Sie hatte diese Erscheinung nur für den Bruchteil einer Sekunde bemerkt und jetzt sah trotz des Unwetters alles wieder wie vorher aus. „Scheiß Vorführeffekt!“, fluchte sie.
Der Autopilot gab die Steuerung frei, gleichzeitig bekam Vivien Comkontakt mit der HTO. Mike Castor vom Werkschutz meldete sich wieder.
„Das gibt’s doch gar nicht!“, knurrte Axelrod erneut. Er wollte wissen, was hinter dem Phänomen steckte, aber weder er noch Vivien fanden eine Erklärung dafür.
* * *
Nur wenige Minuten danach leitete Axelrod den Landeanflug ein. Ihr Gleiter überflog eines jener Bergmassive, die das HTO-Gelände zum Teil wie eine natürliche Barriere umgaben. Mike Castor überwachte die letzten Kilometer bis zum Aufsetzen des Gleiters in der Nähe der Promet II. Vivien überprüfte die Aufzeichnungen der Gleitertronik, wobei Mike ihr über Ferndiagnose per Sicherheits-Com behilflich war. Für diese Kontrollarbeit hatte er eine zweite Tronik zwischengeschaltet. Doch die wies die Kollisionswarnung als Fehlalarm aus. Etwas, das normalerweise nicht passieren konnte, aber in diesem absoluten Ausnahmefall geschehen war.
„Das gibt’s doch gar nicht!“, wiederholte Vivien die Worte ihres Begleiters und schüttelte den Kopf. Sie ärgerte sich, weil ihre Beobachtung des Lochs im Regenschauer nirgendwo dokumentiert war. Noch nicht einmal auf einer der Aufzeichnungen. Ihr schien die Müdigkeit einen Streich gespielt zu haben. Das war die einzige für sie verständliche Erklärung. „Der Gleiter braucht wohl dringend eine außerplanmäßige umfassende Inspektion“, murmelte sie enttäuscht. „Besonders die Scanner, Ortungen und Aufzeichnungsgeräte sollten überprüft werden.“
„Ein Gutes hat das Ganze“, meinte Tim und grinste etwas unglücklich. „Jetzt sind wir wenigstens beide hellwach.“
„Danke, das habe ich mir immer gewünscht“, spöttelte Vivien. Sie schaute auf das Chronometer und nickte zufrieden. „Acht Uhr fünfundzwanzig. Wir sind früher angekommen als befürchtet und haben noch etwas Zeit.“
„Wir könnten also Pino und unserer guten Promet einen kurzen Besuch abstatten, bevor wir uns in die Besprechung stürzen“, führte Tim den Gedanken weiter.
„Nach dir“, sagte sie und vollführte eine elegante Handbewegung. „Alter geht vor Schönheit.“
„Du bist heute wieder so was von nett“, beschwerte sich Axelrod scherzhaft. „Wollen wir ihn nicht vorwarnen, dass wir kommen? Vielleicht hält er sich gar nicht an Bord auf und unsere Visite wäre überflüssig.“
„Du hast recht.“ Sie winkelte den Arm an, aktivierte das Multiarmband an ihrem linken Handgelenk und tippte Pino Taks private Verbindungsdaten an. Sie wusste, dass sich die Com-Zentrale der Promet zurzeit noch vollständig in der HTO-Werkstatt zu einer Generalüberholung befand. „Mal sehen, ob er da ist.“
Eine kleine grüne Leuchte am Multiarmband zeigte an, dass die Verbindung stand.
„Hallo Pino, hier ist …“, begann Vivien, doch sie wurde rüde unterbrochen.
„Was willst du?“, drang die Stimme des finnischen Chefingenieurs aus dem Mikrolautsprecher des Bandes. „Ich habe keine Zeit für dich!“
Vivien zuckte zusammen und blickte Tim entgeistert an. Sie kannte Pino Tak seit vielen Jahren und war so viel Unfreundlichkeit von ihm nicht gewohnt. Im Gegenteil, er war stets beherrscht und hilfsbereit. Axelrod zeigte mit dem Finger zuerst auf das Multiarmband und dann gegen seine Stirn. Vivien nickte und senkte eine Hand mehrmals langsam in Richtung Boden, als ob sie einen Ball mehrere Male auf den Boden tippte. Der Chefmechaniker verstand, was sie damit andeutete.
„Tim und ich möchten an Bord kommen und uns über den Stand der Dinge informieren“, antwortete sie so ruhig wie möglich. „Also die Fortschritte bei den Einbauarbeiten, die gemacht wurden.“
„Alles okay!“, behauptete Pino mit solcher Heftigkeit, dass Vivien erschrak.
„Was bedeutet alles okay?“, wollte sie wissen. Sie schaute ihren Gefährten an und schüttelte den Kopf.
„Alles im Plan“, sagte der Ingenieur kurz angebunden anstelle einer Antwort.
„Liegt etwas Besonderes vor?“, erkundigte sich Tim in der Hoffnung, dass sein Kollege ihm mehr sagte. Doch er wurde enttäuscht.
„Nein, auf keinen Fall.“ Mehr sagte Pino nicht.
Nun reichte es Vivien. Sie holte tief Atem ihre hellgrünen Augen funkelten vor Zorn. „Pino Takkalainen, was glaubst du, wer …“, begann sie und bemerkte dabei, dass er die Verbindung unterbrochen hatte. „Der spinnt doch wohl“, murmelte sie erbost.
„So eine schlechte Laune kenne ich nicht von ihm“, bestätigte Axelrod und schüttelte den Kopf. „Aber der Kollege hat momentan sicherlich anderes zu tun, als sich mit Konversation aufzuhalten. Möglicherweise funktioniert etwas nicht so, wie er es möchte.“
„Was aber kein Grund ist, uns dermaßen abzukanzeln“, widersprach Raid. „Ich kenne ihn schon ein paar Jahre länger als du. So eigenartig, wie er sich mir und auch dir gegenüber verhalten hat, da muss etwas ganz anderes dahinter stecken.“
„Also betreten wir die Promet“, führte Tim ihre Idee weiter. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Jetzt erst recht!“, bestätigte sie mit Nachdruck.
* * *
An Bord eines fremden Raumschiffs
Xarr wusste, dass er sich unter die Sensorglocke in der Mitte der Zentrale der Agor III legen musste, wenn er nicht innerhalb kurzer Zeit zusammenfallen wollte. Abgesehen davon musste er dort die Informationen erhalten, die er für das weitere Vorgehen benötigte. Er bewegte sich ebenso langsam wie unruhig in Richtung des Zentrums. Sofort begann das silberne Licht zu pulsieren, das die Sensorglocke erfüllte. Die Umrisse von Xarrs Körper wurden dabei nur schemenhaft sichtbar.
Wie gebannt starrten seine drei Gefährten zu ihm hinüber, sie spürten mit ihren filigranen Sinnen, dass Xarr davor war, eine entscheidende Mitteilung zu erhalten. Als ihr Anführer besaß er das Vorrecht des Kontakts und der Erstinformation. Aber noch schwieg er beharrlich und setzte die Mentalsensoren nicht ein. Keiner der anderen drei sprach ihn an. Sie ließen ihm genug Zeit, sich geistig zu sammeln.
Die Wächterautomatik hatte die vier Agaren geweckt, es musste einen Kontakt mit einer fremden Spezies gegeben haben, so viel wussten sie. Aus diesem Grund hatte das Bordgehirn sie aus ihrem Schlaf im Hangar des Lebens geholt.
In der Zentrale des Kugelschiffs herrschte absolute Stille. Nicht einmal das Summen der Triebwerke drang bis hierher vor. Die Zentrale befand sich genau in der Mitte des Raumers und wurde durch die sie umgebende Tastersphäre vollständig vom gesamten übrigen Schiff abgeschirmt.
Wieder bewegte sich Xarr ruckartig. Am heftigen Pulsieren des Silberlichts erkannten die drei anderen, wie erregt ihr Gefährte war.
Endlich ließ die Pulsation nach. Gleich darauf vernahmen sie Xarrs Impulse. Als Hüter der mentalen Sensorglocke nahm er die Funktion eines Kommandanten ein.
„Ich hoffe ebenso wie ihr, dass wir die Hilfe eines Sternenvolkes erhalten, das für die Agaren wichtig werden kann“, vermittelte er ihnen auf mentaler Ebene. „Alleine sind wir in diesem Fall überfordert.“
Xarr legte die rechte Hand auf eine Taste und wartete einige Augenblicke. Dann setzte er sich unter den Helm mit dem grünlichen Dämmerlicht. Sofort empfing er über die Mentalsensoren Bilder und Informationen, die illustrativ in sein Gehirn flossen. Als er die Tastersphäre hinzunahm, wurden die Bilder klarer und deutlicher. Die Sphäre war hochelastisch mit dem Kopf des Agaren verbunden.
Die Mentalglocke schirmte ihn körperlich nach außen ab, auch gegenüber seinen drei Kollegen. Aus dem grünen Schimmer heraus umhüllten ihn geschmeidige Metallfäden und vereinigten sich zu einem engmaschigen feinen Netz, das seinen Körper erstarren ließ. Er wusste, dass seine Gefährten Corr, Garrar und Cerr ihn ab jetzt nur noch verschwommen wahrnahmen.
In die absolute Stille des Zentralraumes übermittelte Xarr mental den drei Begleitern, was er in der Sphäre der Sensorglocke erfuhr.
„Die automatischen Ortungen der Agor haben die Ergebnisse der Jetztzeit mit dem Bordarchiv abgeglichen“, erklärte er zögernd. „Dabei gibt es einige Ergebnisse, die so nicht vorauszusehen waren.“
„Was meinst du damit?“, wollte Corr wissen. Als Ältester nahm er sich das Recht zu einer Frage heraus. „Gibt es da Übereinstimmungen?“
„Es ist, wie wir vermuteten“, bestätigte Xarr den Verdacht. „Dieses System wird von raumfahrenden Intelligenzen bewohnt, die uns dem Äußeren nach ähneln. Der größte Teil von ihnen lebt auf dem dritten Planeten. Es handelt sich um eine Welt, die die Archive als Herren III bezeichnen. Dorthin müssen wir. Vielleicht erhalten wir von dort Hilfe, trotz allem …“
Xarr registrierte die jäh aufkommenden hoffnungsvollen Impulse seiner Gefährten. Mit einem harten, fast schon schmerzhaft starken Befehl stoppte er sie. „Eure Erleichterung ist nachvollziehbar, doch sie erscheint mir unbegründet“, wehrte er ihre aufkommende Hoffnung ab. „Die Wesen auf dem dritten Planeten scheinen einerseits gefährlich zu sein. Ich spüre die Heftigkeit ihrer Emotionen deutlich, besonders eine unterschwellig vorhandene Aggression. Aber in den Archiven gibt es Hinweise darauf, dass sie zu jenen gehören könnten, die die mysteriösen Verwüstungen auf vielen Planeten in diesem Arm der hiesigen großen Sterneninsel mitverursacht haben. Wie kann das sein, wenn sie andererseits erst seit wenigen Jahrzehnten die Raumfahrt beherrschen? Sind sie wirklich friedlich oder besitzen sie eine dunkle Seite, die sie geschickt verstecken? Vernichten sie tatsächlich ganze Völker und deren Planeten? Oder handelt es sich dabei um einen Irrtum? Versteht ihr jetzt, weshalb ich erstaunt über die Ergebnisse bin?“
„Du hast recht, das passt nicht zusammen“, stimmte Corr ihm zu. „Wir sollten sie eingehender untersuchen.“
„Wir müssen aufpassen, denn die Bewohner dieses Systems haben gerade damit begonnen, andere Welten zu besiedeln. Ich kann noch nicht klar erkennen, ob sie dies auf friedliche Weise tun oder andere Wesen dabei töten, versklaven oder gar ganze Planeten vernichten.“
Xarr schwieg eine Zeitlang, sporadisch bewegte sich sein nur schemenhaft zu erkennender Körper zwischen den Mentalfäden der Sensorglocke. Er erfuhr weitere Informationen und teilte sie seinen Begleitern mit. „Die Wesen haben inzwischen Siedlungen auf verschiedenen Welten und sind eng mit einer anderen Spezies befreundet, die vor langer Zeit Raumfahrt betrieben hatte. Von einem Planeten der ihrem System am nächsten stehenden Sonne haben sie bereits Besitz ergriffen“, zählte er die Daten auf, die ihm zugetragen wurden. Seine Skepsis über die sich widersprechenden Fakten wurde nicht kleiner. „Sie sind bereits viel weiter in die große Sterneninsel vorgedrungen, als ich nach den Mitteilungen der Mentalglocke zunächst annahm. In der Hauptsache handelt es sich um eines ihrer Schiffe mit einer verhältnismäßig kleinen Besatzung. Demnach stimmt es, was wir in den Archiven unserer Wächter nach der letzten Schlafperiode fanden!“
Xarr verstummte erneut. Er fühlte sich ausgelaugt und wusste, dass er mit seinen Kräften von nun an behutsam umgehen musste. Wichtig war nur, dass sie Hilfe fanden, um nach der langen Zeit ihrer Abwesenheit noch rechtzeitig ins Agar-System zurückzukehren, sonst waren sie verloren.
Der Hüter der mentalen Sensorglocke konzentrierte sich.
„Wir müssen noch einmal in den Hangar des Lebens, auch wenn es gefährlich für uns ist. Aber wir werden auf Herren III mehr Energie brauchen, als wir in unserem jetzigen Zustand mobilisieren können. Schaltet die Sensoren ab, holt mich heraus. Und setzt die Automatik unseres Schiffes auf Kurs zum dritten Planeten.“ Er schloss kurz die Augen und schöpfte Kraft. „Danach aktiviert den Mentaldiffuser, denn nur mit seiner Hilfe kann es uns gelingen, unbemerkt auf Herren III zu landen! Vielleicht wird es uns mit dem Einsatz des Diffusers gelingen, tiefgreifendere Informationen aus den Gedankeninhalten der Planetarier zu bekommen.“
In seine drei Gefährten kam Leben. Sie schwangen in ihren ebenfalls silbrig schimmernden Konturensitzen herum. Das Licht in der Sensorglocke erlosch, die Glocke selbst schien sich vor ihren Augen aufzulösen, aber sie wussten, dass das nur eine Sinnestäuschung war.
Xarr selbst wurde wieder sichtbar. Die Konturen seines Körpers verfestigten sich, seine metallisch-grün glänzende Kombination entstand wie von Geisterhand gefertigt vor ihren Augen. Der Anführer schwebte zu seinem Kommandantensessel hinüber und sank vorsichtig in die sich seinem Körper unverzüglich anpassenden Polster.