Red Rock Ranch 01: Hogans blutige Fährte - Alfred Wallon - E-Book

Red Rock Ranch 01: Hogans blutige Fährte E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Ben Hogan, früher Teil der Harper-Bande, wird verfolgt. Mit der Beute aus dem letzten Überfall versucht er, nach Mexiko zu flüchten. Doch er hat nicht mit der Hartnäckigkeit seiner einstigen Kumpane gerechnet. Als Hogan angeschossen wird, erinnert er sich an Lee Bronson, einen alten Freund aus dem Bürgerkrieg. Dieser ist Vormann auf der Red Rock Ranch in der Nähe von Tucson. Doch wird Lee ihm helfen, wenn er von Hogans blutiger Vergangenheit erfährt?

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RED ROCK RANCH

In dieser Reihe bisher erschienen

4601 Alfred Wallon Hogans blutige Fährte

4602 Dietmar Kuegler Verdurstet!

Alfred Wallon

HOGANS BLUTIGE FÄHRTE

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Alfred WallonTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerVignette: iStock.com/iatsunSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-339-1

Kapitel 1

Er wusste, dass sie ihm immer noch auf den Fersen waren. Vor zwei Stunden hatte er die Staubwolke in einiger Entfernung bemerkt und begriffen, dass er Chet Harper und seine Leute nicht hatte täuschen können. Dabei hatte er so sehr darauf gehofft, dass die Spur, die er gelegt hatte, seine einstigen Kumpane auf eine falsche Fährte locken würde. Sein Plan hatte aber wohl nur kurz den gewünschten Erfolg gebracht, denn jetzt versuchten sie ihn wieder einzuholen. So wie das aussah, würde es ihnen auch irgendwann gelingen, wenn nicht ein unverhofftes Wunder geschah.

Ben Hogan blickte sich um. Er wusste, dass es zu einem Kampf kommen würde, dem er nicht entkommen konnte. Also musste er sich darum kümmern, dass er wenigstens an einem Ort ausgetragen wurde, der ihm etwas Sicherheit vor dem Unvermeidlichen bot.

Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, weil die heiße Nachmittagssonne ihm genau ins Gesicht schien. Die Hitze war kaum noch zu ertragen, und er sehnte sich förmlich nach einem Ort, wo er sich ausruhen und erst einmal abwarten konnte, bis die Dunkelheit einsetzte. Tucson war sein Ziel gewesen, eine Stadt, wo er sich ein paar Tage hatte ausruhen wollen, bevor er seinen Ritt in Richtung Grenze fortsetzte. Aber so, wie es jetzt aussah, hatte Chet Harper etwas dagegen.

Er zügelte kurz sein Pferd, blickte sich um und versuchte, seine Gedanken irgendwie zu ordnen. Hogan fühlte, dass er langsam nervös wurde und in Panik geriet. Er musste schnell eine Lösung finden, bevor seine Verfolger auf Schussweite herangekommen waren. Wenn er bis dahin keine geeignete Deckung gefunden hatte, wo er sich zur Wehr setzen konnte, war es ohnehin aus und vorbei mit ihm!

Vor seinen Blicken erstreckte sich eine wilde und zerklüftete Landschaft mit roten Sandsteinfelsen, die von Wind und Wetter geformt worden waren und teilweise eigenartige Formen angenommen hatten. Ein Geröllpfad führte weiter hinauf zu einigen Felsbrocken, wo er sich verbergen und seine Gegner mit gezielten Schüssen auf Distanz halten konnte. Hogan hatte keine Zeit mehr, die Vor- und Nachteile dieser Entscheidung im Detail abzuwägen. Stattdessen musste er sich rasch entscheiden, und das tat er jetzt.

Er trieb sein Pferd an, und das Tier folgte dem steinigen Pfad, der höher hinauf in die Felsen führte. Schließlich wurde es so steil, dass Hogan absteigen und sein Pferd am Zügel hinter sich herziehen musste. Das Tier protestierte mit einem heftigen Schnauben dagegen, aber Hogan ließ nicht locker, und dem Pferd blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen.

Wenige Minuten später hatte er ein kleines Plateau erreicht, das von zwei Seiten von rauen Felsen geschützt wurde und ihm eine halbwegs sichere Deckung bot. Er band die Zügel des Pferdes an einem verdorrten Strauch fest, nahm seine Winchester aus der Halterung am Sattel, griff nach der Canteenflasche und suchte dann nach einer geeigneten Stelle, von der er alles überblicken konnte und gleichzeitig auch ein gutes Schussfeld hatte.

Die kleine Mulde, die sich knapp fünf Meter entfernt von ihm befand, schien dafür sehr geeignet zu sein. Dort ließ er sich nieder und beobachtete, was weiter geschah. Jetzt verfluchte er die Tatsache, dass er kein Fernglas bei sich hatte, sonst hätte er mehr Einzelheiten erkennen können. So sah er aber nur die Konturen von sechs Reitern, die sich in der Staubwolke abzeichneten, und sie ritten genau in seine Richtung.

Die Reiter verlangsamten jetzt ihr Tempo und schienen unschlüssig zu sein, welche Richtung sie nun einschlagen sollten. Sie waren jetzt so nahe herangekommen, dass Hogan sie genau erkennen konnte: Chet Harper, den aschblonden Anführer, seinen Kumpan Titus Crawford, der direkt neben ihm ritt, und dahinter Mike und Don Thompson, zwei Brüder aus Nevada, die von Anfang an zur Harper-Bande gehörten. Den Schluss bildeten Luke Waymore und Darren Edwards. Sie waren erst später hinzugekommen, genauso wie Ben Hogan. Trotzdem waren sie gefährlicher als Klapperschlangen, und man tat gut daran, ihnen nicht zu lange den Rücken zuzuwenden, sonst würde man dafür die Konsequenzen tragen müssen.

Hogan murmelte einen leisen Fluch, als er die Reiter von seinem Versteck aus beobachtete. Er hatte die Vergangenheit abschütteln wollen und darauf gehofft, dass es Harper und seinen Kumpanen niemals gelingen würde, ihn einzuholen. Dabei hatte er alles so gut vorbereitet, und es gab auch 10.000 gute Gründe, nicht locker zu lassen. Genauer gesagt 10.000 Dollar, die sich in der Satteltasche befanden, die Hogan bei sich hatte. Darin befand sich die Beute aus dem letzten Überfall in einer Bank in Phoenix.

Hogan wusste, dass dies die Chance war, auf die er so lange gewartet hatte. Denn es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der Ring aus U.S. Marshals, Pinkerton-Agenten und Kopfgeldjägern irgendwann um die Harper-Bande schließen würde. Ben Hogan war schon zweiundfünfzig Jahre alt und hatte nur selten auf der Sonnenseite des Lebens gestanden. Er wollte auch einmal die unruhigen Zeiten hinter sich lassen und einfach nur leben, ohne sich Sorgen darüber zu machen, dass er irgendwann in den Lauf eines Revolvers blickte, dessen Besitzer um den entscheidenden Bruchteil einer Sekunde schneller war als er selbst. Das war der Moment, wo sein Leben enden würde und man ihn bestenfalls irgendwo verscharrte.

So wollte Hogan aber nicht sterben. Er hatte noch Wünsche und Ziele, und er hatte begriffen, dass ihm nichts geschenkt wurde auf diesem Weg. Chet Harper und seine Kumpane hatten sich nie solche Gedanken gemacht. Sie raubten weiterhin Banken und Post­kutschen aus und glaubten, dass das immer so weitergehen würde. Sie dachten nicht eine einzige Sekunde daran, dass sich das mal änderte. Also hatte Hogan beschlossen, auf volles Risiko zu gehen und sich bei passender Gelegenheit abzusetzen. Die Beute aus dem Banküberfall in Phoenix hatte ihm geholfen, diese Entscheidung rasch zu treffen. Er hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, hatte das Geld unbemerkt an sich genommen, während seine Kumpane noch geschlafen hatten, und war dann losgeritten.

Das war vor fast drei Tagen gewesen, und eigentlich hatte er gedacht, seine Verfolger abgeschüttelt zu haben. Leider hatte er erkennen müssen, dass dem nicht so war. Chet Harper schäumte vermutlich vor Wut. Hogan konnte sich gut vorstellen, dass Harper ihm Vergeltung geschworen hatte, und das galt erst recht für seine Kumpane. Ein Mann, der seine eigenen Gefährten betrog, war in deren Augen zum Abschuss freigegeben, und deshalb blieben sie immer noch beharrliche Schatten auf seiner Fährte.

Hogans Gedanken kehrten wieder in die Wirklichkeit zurück, während er seine Winchester nahm und abwartete, was weiter geschah. Die unerbittliche Sonne brannte heiß auf ihn nieder, aber das musste er notgedrungen ignorieren. Jetzt standen wichtigere Dinge auf dem Spiel. Er wollte um jeden Preis überleben, selbst wenn er dafür kämpfen und seine einstigen Kumpane erschießen musste.

Angst und Verzweiflung sind manchmal ein starker Antrieb für einen Menschen, der allmählich begreift, dass seine Chancen verschwindend gering sind. Natürlich wusste Hogan, dass seine Gegner in der Überzahl waren. Deshalb musste er die Initiative ergreifen und den ersten Schritt machen. Aber noch wartete er. Harper und seine Kumpane waren noch zu weit entfernt. Er musste einfach noch Geduld haben und sie näher herankommen lassen. So nah, dass er auch sicher sein konnte, dass jeder Schuss ins Ziel traf.

Ausgerechnet jetzt bemerkte er, dass Chet Harper die rechte Hand hob und damit das Zeichen gab, anzuhalten. Hogan runzelte die Stirn und murmelte einen leisen Fluch. Wenn sie jetzt nicht näherkamen, sondern sich in zwei Gruppen aufteilten, dann steckte er wirklich in der Klemme. Dazu durfte es auf gar keinen Fall kommen.

Er sah, wie Harper auf seine Männer einredete. Die Thompson-Brüder schienen mit Harper diskutieren zu wollen, aber der gab ihnen nur mit einer kurzen, aber dafür umso eindeutigeren Geste zu verstehen, dass er entschied, was zu tun war. Das war immer so gewesen. Hogan wusste aber auch, dass Mike und Don Thompson nicht alles guthießen, was Harper entschied. Irgendwann würde es zu einer gefährlichen Auseinandersetzung kommen, bei dem die Führung der Bande neu bestimmt wurde. Auch deshalb hatte Hogan längst beschlossen, eigene Wege zu gehen.

Der hagere Titus Crawford stieg jetzt aus dem Sattel, ging einige Schritte umher, beugte sich immer wieder hinunter und schien nach etwas zu suchen. Und tatsächlich schien er jetzt fündig geworden zu sein. Er redete kurz mit Harper und zeigte dabei mehrmals in die Richtung, wo sich Hogan verborgen hielt. Hogan konnte nicht verstehen, was Crawford zu seinem Boss sagte. Es spielte auch keine Rolle, denn jetzt stand alles auf dem Spiel, als Harper schließlich nickte. Was das bedeutete, wusste Hogan.

Er zwang sich, ganz ruhig zu bleiben, legte den Lauf der Winchester auf eine Felskante und nahm einen der Reiter aufs Korn. Dann atmete er ganz flach und drückte ab. Das Aufbellen des Schusses übertönte die ­Hufschläge. Don Thompson wurde auf einmal von einer unsicht­baren Faust gepackt und rückwärts vom Sattel gerissen. Er prallte hart auf dem staubigen Boden auf. Mike ­Thompson konnte sein Pferd gerade noch mal zur Seite reißen, bevor die Hufe seinen Bruder erwischten.

All das registrierte Ben Hogan aber nur ganz am Rande, denn jetzt hatte er bereits den zweiten Gegner anvisiert. Es war Chet Harper, aber diesmal traf Hogans Kugel nicht ins Ziel, denn der Bandenboss hatte plötzlich sein Pferd am Zügel herumgerissen. Einen weiteren Schuss konnte Hogan nicht mehr abfeuern, denn nun erwiderten seine Gegner das Feuer und zwangen ihn, in Deckung zu gehen. Zwar nur für wenige Sekunden, aber die reichten aus, um Harper und seinen Kumpanen die Zeit zu verschaffen, die sie brauchten, um weiteren Schüssen aus dem Hinterhalt zu entgehen.

Hogan riskierte es dennoch. Er hob den Kopf, spähte hinunter und sah gerade noch, wie Luke Waymore und Darren Edwards sich als Letzte in Sicherheit brachten. Hogan fluchte und zielte auf Edwards, aber er erwischte ihn nicht mehr.

„Scheiße!“, entfuhr es Hogan, als ihm bewusst wurde, was das bedeutete. „Jetzt haben sie mich!“

Dutzende unterschiedlicher Gedanken gingen ihm in diesen entscheidenden Sekunden durch den Kopf, aber sie führten alle zu keiner Lösung. Nun war das passiert, was er eigentlich hatte vermeiden wollen, und jetzt hatten Harper und seine Bande alle Zeit der Welt, um ihn zu umzingeln und schließlich fertigzumachen.

Hogan musste den Kopf einziehen, als eine Kugel gefährlich nahe an seinem Kopf vorbeipfiff und als Querschläger an einem Felsen abprallte. Noch war er relativ sicher in seiner Deckung und konnte hoffentlich rechtzeitig sehen, wenn es einer von seinen ehemaligen Kumpanen riskierte, näherzukommen. Aber dass er auf Dauer verdammt schlechte Karten hatte, das wurde ihm in aller Deutlichkeit bewusst.

Chet Harper zuckte zusammen, als er Don Thompson aus dem Sattel stürzen sah. Geistesgegenwärtig riss er sein Pferd herum und entging dadurch einer Kugel. Er hörte noch das Zischen und begriff, dass er das Ziel gewesen war.

„In Deckung!“, schrie er seinen Leuten zu. „Beeilt euch!“

Wieder fielen Schüsse von weiter oberhalb, aber diesmal reagierten Titus Crawford und Mike Thompson geistesgegenwärtig. Sie eröffneten das Feuer auf den Heckenschützen, von dem Harper wusste, dass es Ben Hogan war. Die Spur, der sie während der letzten Stunden gefolgt waren, musste von Hogans Pferd stammen, und die Tatsache, dass man jetzt aus dem Hinterhalt auf sie geschossen hatte, sprach dafür, dass es wirklich Ben Hogan war, der sich weiter oben in den Felsen in Deckung befand.

„Du Schweinehund!“, hörte er Mike Thompsons wütende Stimme. „Du hast meinen Bruder umgebracht. Dafür lege ich dich um, Hogan! Ich kriege dich, verlass dich drauf!“

Thompsons Stimme überschlug sich förmlich. Chet Harper konnte das nachvollziehen. Mike Thompson hatte zusehen müssen, wie Hogan dessen Bruder Don erschossen hatte, und niemand hatte das verhindern können.

Auch Chet Harper hatte zwischenzeitlich seine Winchester hochgenommen und zielte in die Richtung, von der er glaubte, dass sich Ben Hogan dort oben verkrochen hatte. Sie hatten ihn zwar jetzt eingeholt, aber dennoch war erhöhte Vorsicht geboten, denn Hogan war ein verdammt guter Schütze.

Harper schob sich den Hut in den Nacken und wischte sich einige Schweißtropfen aus der Stirn. Dann schaute er hinüber zu der Stelle, wo er Titus Crawford zuletzt gesehen hatte. Der hob jetzt kurz die rechte Hand und gab ihm ein Signal, das Harper sofort verstand. Crawford wollte versuchen, sich näher an den Gegner heranzuschleichen und vielleicht sogar in dessen Rücken zu gelangen. Dazu war es aber notwendig, dass Hogan abgelenkt wurde. Und zwar so, dass er gar keine Zeit mehr hatte, auf seinen Rücken zu achten.

„Ben, gib auf!“, versuchte es nun auch Harper. „Du hast keine Chance mehr. Von hier kommst du nicht mehr weiter. Gib uns das Geld, und dann können wir über alles Weitere reden!“

„Wir werden über gar nichts reden!“, schrie Mike Thompson. „Hogan hat Don erschossen. Dafür muss er sterben!“

Harper seufzte und verdrehte die Augen. Damit hatte Mike Thompson in seinem Jähzorn jede Chance verspielt. Harper hatte ohnehin nicht vorgehabt, Hogan laufen zu lassen. Aber das musste der ja nicht von Anfang an wissen. Deshalb hatte er einzulenken versucht, aber das war jetzt auch vorbei.

„Gib mir Feuerschutz, Mike“, sagte er zu seinem Kumpan, der gerade mal zwei Meter entfernt von ihm hinter einem Felsen in Deckung gegangen war. „Du auch, Luke. Darren, du schleichst dich von weiter links heran. Dort, wo Crawford zuletzt zu sehen war. Habt ihr das alle verstanden? Dann los jetzt!“

Chet Harpers Laune war nicht die beste. Er wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, das Geld nehmen und dann rasch wieder verschwinden. Die Jagd nach Ben Hogan hatte verdammt viel Mühe und noch mehr Zeit gekostet. Es wurde Zeit, dass sie jetzt zu Ende ging.

Harper wartete ab, bis Mike Thompson und Darren Edwards das Feuer eröffneten. Er verließ seine Deckung, hastete nach vorn und suchte einen Platz, der die Distanz zu Hogan deutlich verkürzte. Und er hatte Glück. Die Schüsse seiner Kumpane zwangen Hogan, in Deckung zu bleiben. Auch Luke Waymore hatte zwischenzeitlich seine ursprüngliche Deckung verlassen und versuchte jetzt, sich seitlich näher heranzuschleichen. Bis jetzt lief alles nach Plan. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Hogan erwischt hatten. Und dann kam die Stunde der Abrechnung!

Ben Hogan duckte sich, als die Kugeln einige Gesteinssplitter aus den Felsen lösten. Einer davon traf ihn an der Wange. Hogan tastete danach und spürte Feuchtigkeit. Als er die Hand zurücknahm, war ein Finger leicht gerötet. Sofort nahm er sein Halstuch, wischte damit über den kleinen Riss. Es brannte ein wenig, aber sonst ließ das Bluten sofort wieder nach.

Irgendwo seitlich unter sich hörte er plötzlich ein leichtes Rascheln. Dann lösten sich einige Steine, und Geröll polterte den Hang hinunter. Hogan riskierte einen Blick und sah, wie jemand sofort Deckung hinter einem Felsen suchte. Er hatte ihn trotzdem an dem langen Staubmantel und dem flachkronigen Hut erkannt. Es war Titus ­Crawford. Auf den musste er besonders achten, denn er war ein guter und treffsicherer Schütze. Wenn es ihm gelang, noch näher an Hogan heranzukommen, dann bedeutete dies das Ende. So weit durfte es Hogan nicht kommen lassen.

Er blieb trotz der immer bedrohlicheren Situation jetzt kalt und zielte auf die Stelle, wo er Crawford zuletzt gesehen hatte. In der Hoffnung, dass dieser eine falsche oder überhastete Bewegung machte. Gleichzeitig fielen weitere Schüsse von der anderen Seite. Hogan wusste aber, dass er sich nicht ablenken lassen durfte.

Dann geschah das, worauf er schon gehofft hatte. Crawford wollte erneut die Deckung wechseln, übersah aber, dass Hogan sich nicht ablenken ließ. Er zielte, als er eine Bewegung hinter dem Felsen erkannte, und drückte ab. Crawfords lauter Schmerzensschrei zeigte ihm, dass er ihn getroffen hatte, auch wenn er nicht wusste, wie schwer. Aber es hatte wohl ausgereicht, um ihn erst einmal in Deckung zu zwingen.

„Der Bastard hat mich erwischt!“, brüllte Crawford. „Verdammt, Chet – knallt ihn doch endlich ab!“

Hogan wirbelte herum, als er wieder ein Geräusch vernahm. Er schaffte es gerade noch, sich zur Seite zu werfen, und die Kugel, die ihm gegolten hatte, schlug genau an der Stelle ein, wo er noch Sekunden zuvor gelegen hatte. Hogan hörte einen wütenden Fluch und erkannte Darren Edwards, der jetzt einen weiteren Schuss auf ihn abfeuern wollte. Aber das gelang ihm nicht mehr, denn Hogan war um den entscheidenden Bruchteil einer Sekunde schneller. Er zielte auf Edwards, drückte ab und sah, wie Edwards nach hinten taumelte und sein Gewehr fallen ließ. Dann befand er sich bereits außerhalb ­seines Blickfeldes, aber anhand der polternden Geräusche schloss Hogan, dass Edwards jetzt den Hang hinunterstürzte und dabei Geröll mit sich riss.

Hogan hörte die wütenden Rufe seiner ehemaligen Komplizen, und das verschaffte ihm eine unglaubliche Genugtuung. Don Thompson und Darren Edwards hatte er getötet und Crawford zumindest so verletzt, dass er im Moment keine Gefahr mehr für ihn darstellte. Blieben also noch Luke Waymore, Mike Thompson und Chet Harper. Somit war das gar keine schlechte Ausgangsbasis mehr.

Noch bevor er diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte, fielen weitere Schüsse, und diesmal hatte er Pech. Eine Kugel prallte an einem Felsen ab und erwischte ihn im linken Oberschenkel. Hogan schrie erschrocken auf, als er den plötzlich einsetzenden Schmerz spürte und sah, wie sich der Stoff seiner Hose dunkel zu färben begann.

„Wir haben ihn getroffen, Leute!“, hörte Hogan die triumphierend klingende Stimme von Chet Harper. „Jetzt haben wir ihn gleich!“

Allerdings geschah dann etwas, womit weder Hogan noch seine ehemaligen Kumpane gerechnet hatten. Es fielen weitere Schüsse, allerdings von einer ganz anderen Seite. Und die galten ausschließlich Chet Harper und dessen Leuten.

Harper zuckte zusammen, als eine Kugel nur eine Handbreit neben ihm in den Boden schlug und Dreck emporschleuderte. Bruchteile von Sekunden später erklangen gellende Kriegsschreie, die ihn bleich werden ließen. Er fuhr herum und sah plötzlich eine gedrungene Gestalt, die aus dem Nichts gekommen zu sein schien. Das Gesicht war grell angemalt und vor Hass verzerrt.

Apachen, dachte Harper. Gottverdammt, das sind Apachen!

Er dachte nicht darüber nach, warum er und seine Kumpane bisher gar nichts bemerkt hatten. Aber die Regel, dass man Apachen erst dann zu Gesicht bekam, wenn es schon zu spät war, bewahrheitete sich auch diesmal wieder. Harper war jedoch so abgebrüht, dass er selbst in solch einer bedrohlichen Situation eiskalt und schnell reagierte. Der Apache kam nicht mehr dazu, eine zweite Kugel auf Harper abzufeuern. Harper erwischte ihn mit einem einzigen gezielten Schuss und brachte sich dann selbst hinter einem kleineren Felsen in Deckung.

Auch seine Kumpane hatten begriffen, was die Stunde geschlagen hatte. Sie reagierten so, wie sie es immer getan hatten, wenn Gefahr drohte. Sie wehrten sich nach besten Kräften gegen die Krieger, die sie jetzt angriffen. Einen Apachen hatte Harper bereits ausgeschaltet, einen zweiten hatte Mike Thompson getroffen, und Luke ­Waymore hatte es zumindest geschafft, zwei weitere Krieger auf Distanz zu halten. So lange, bis auch der verletzte Titus Crawford in den Kampf eingreifen und wenigstens ein paar Kugeln in deren Richtung schicken konnte.

Harper wusste nicht, wie viele Gegner es wirklich waren. Er hatte fünf gezählt. Einen hatte er selbst erwischt, und zwei weitere hatten seine Kumpane niedergeschossen. Ein Apache krümmte sich vor Schmerzen am Boden, aber nur noch so lange, bis ihn Mike ­Thompson mit einem weiteren gezielten Schuss niederstreckte. Dann herrschte wieder Stille, bis auf die Hufschläge eines Pferdes.

„Der haut ab!“, rief Titus Crawford. „Chet, er darf nicht entkommen!“

Harper erwiderte nichts darauf. Stattdessen war er froh darüber, dass er noch lebte. Er und seine Kumpane hatten verdammt viel Glück gehabt. Hätte der eine Apache nicht schon frühzeitig seine Deckung verlassen und damit auch seine Anwesenheit und die der anderen Krieger verraten, dann hätte es keine Chance für sie alle gegeben.

Harper sah die reglosen Körper der Apachen im Sand liegen, und er wusste, dass von denen keine Gefahr mehr ausging. Aber was er dann zu hören bekam, steigerte seine Wut ins Unermessliche. Luke Waymore war es, der es als Erster feststellte.

„Chet!“, rief er. „Hogan ist weg!“

Harper wollte zuerst gar nicht glauben, was er da hörte, aber als er Luke Waymore oben sah und wie dieser heftig zu gestikulieren begann, wusste Harper, was das bedeutete. Er erhob sich aus seiner Deckung und winkte Crawford und Mike Thompson zu, das ebenfalls zu tun. Crawford hatte sichtliche Mühe, zu stehen. Er verzog das Gesicht vor Schmerzen und versuchte, sein Bein nicht zu sehr zu ­belasten.

„Er war hier!“, rief Waymore. „Hier liegen noch Patronenhülsen, und da sind auch noch dunkle Flecken, wo er gelegen hat. Eine Kugel muss ihn erwischt haben, Chet. Der kommt nicht mehr weit. Wir holen ihn wieder ein. Ganz sicher.“

Harper erwiderte nichts darauf. Er war stinksauer, weil sein Plan nicht funktioniert hatte. Und alles nur, weil die Apachen sich eingemischt hatten. Diese Verzögerung hatte für Ben Hogan ausgereicht, um von hier zu verschwinden, während Harper und seine Kumpane sich einen kurzen, aber dennoch tödlichen Kampf mit den Apachen lieferten.

Einer von ihnen hatte noch entkommen können, und das bedeutete eine weitere Gefahr. Denn er würde sicherlich seinen Stamm alarmieren. Dann hatten Harper und seine Leute rachsüchtige Krieger auf der Fährte. Und das war etwas, was sie jetzt am wenigsten gebrauchen konnten.

„Kannst du Spuren finden, Luke?“, rief Harper.

„Ja, Chet“, erwiderte Waymore nur wenige Augenblicke später. „Hogan ist in Richtung Norden davon. Von hier aus führt die Spur den Hügel hinunter.“

„Wir reiten ihm nach“, entschied Harper. „Die Wunde wird ihn schwächen. Er wird das nicht lange durchhalten, und dann kriegen wir ihn.“

„Und was ist mit mir?“, beklagte sich Crawford. „Kann mir mal jemand mit einem Verband helfen. Ich habe Blut verloren.“

„Steckt die Kugel noch?“, wollte Harper wissen.

„Ich glaube nicht“, antwortete Crawford.

„Es wäre besser für dich, Titus“, meinte Harper. „Wir müssen schnell weiter. Du darfst uns nicht aufhalten. Das ist dir doch wohl klar, oder?“

„Du musst mich nicht extra noch mal daran erinnern“, brummte Crawford. „Ich schaffe das schon. Ich bin zäh. Das müsstest du eigentlich wissen, Chet.“

Harper erwiderte nichts darauf, sondern kam direkt zu Crawford und schaute sich dessen Verletzung an. Hogans Kugel hatte nur eine Fleischwunde am Unterschenkel gerissen, aber es hatte stark geblutet, und Crawfords Hose war ganz nass davon. Harper fackelte nicht lange, sondern befahl Mike Thompson, ein Hemd aus der Satteltasche zu holen. Nachdem ihm der Kumpan das gebracht hatte, zerriss er es, reinigte Crawfords Wunde mit etwas Wasser und legte ihm dann einen provisorischen Verband an.

„Das muss reichen“, sagte er. „Du musst auf jeden Fall durchhalten, bis wir Hogan erwischt haben.“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich das schaffe, Chet“, versicherte ihm Crawford noch einmal und ließ sich von Harper aufhelfen. Dann hinkte er zu seinem Pferd und zog sich mit einem leisen Fluch in den Sattel. Sein Gesicht war etwas blass, aber er war fest entschlossen, nicht aufzugeben und erst recht keine Schwäche zu zeigen.

„Reiten wir“, sagte Harper zu seinen Kumpanen. „Wenn wir uns beeilen, werden wir ihn sehr schnell erwischen.“

„Was ist mit meinem Bruder Don?“, fragte Mike Thompson. „Wir können ihn doch nicht einfach so liegen lassen und ...“

„Du kannst ihn ja begraben“, erwiderte Harper. „Aber dann musst du dich beeilen, Mike. Luke, Titus und ich werden jedenfalls schon mal losreiten. Du kannst ja nachkommen.“

„Chet, so geht das nicht!“, rief Thompson gereizt. „Don war immer auf deiner Seite. Ist das der Dank?“

„Don spürt ohnehin nichts mehr, Mike“, sagte Crawford. „Chet hat recht. Wir können nicht hierbleiben.“

„Ich werde Steine über ihn häufen“, meinte Thompson mit trotziger Stimme. „Und wenn ihr noch einen Funken Anstand im Leib habt, dann helft ihr mir dabei! Das gilt auch für Darren.“

„Na gut“, stimmte Harper schließlich zu, als er merkte, dass Thompson immer wütender wurde. „Wir helfen dir. Beeilen wir uns.“

Der tote Edwards und Don Thompson wurden nebeneinandergelegt. Zum Glück gab es jede Menge Steine und Geröll, sodass es gerade mal eine halbe Stunde dauerte, bis ein provisorischer Grabhügel errichtet worden war. Gerade ausreichend, damit die Geier und Bussarde oder Kojoten die Leichen nicht mehr ausgraben konnten.

Weiterer Worte bedurfte es nicht. Die Männer holten ihre Pferde, saßen auf und verließen diesen Ort. Die toten Apachen ließen sie achtlos zurück. Sollten sich doch ihre Stammesbrüder um sie kümmern und sie begraben. Harper und seine Leute hatten wichtigere Dinge zu tun.

Ben Hogan hatte sofort begriffen, dass er nur diese eine Chance hatte. Dass ihm ausgerechnet ein paar Apachenkrieger dazu verholfen hatten, grenzte schon fast an ein Wunder. Während weiter unten am Fuße des Abhangs noch mehr Schüsse fielen, hatte er sich unter Schmerzen hochgestemmt, war zu seinem Pferd gehinkt und hatte sich mühsam in den Sattel gezogen. Dann hatte er das Pferd angetrieben, so schnell es eben auf diesem steinigen Pfad auf der anderen Seite des Hügels möglich war.