4,99 €
Seit zwei Jahren verfolgt Steve Ellis die Fährte von Max Colburn und Dave Blair. Sie haben die Bank in Pagosa Springs ausgeraubt. Steves jüngerer Bruder war mit dabei, aber seine Kumpane haben es ihm nicht gedankt. Stattdessen erschossen sie ihn und machten sich anschließend aus dem Staub. Seitdem hat ihnen Steve Rache geschworen.In Hays City findet Steve endlich wieder einen Hinweis, der nach Billings in Montana führt. Dort betreiben zwei der einstigen Bankräuber unter falschem Namen ein Frachtunternehmen und wollen einen lästigen Konkurrenten mit üblen Methoden aus dem Weg räumen. Sie haben jedoch nicht damit gerechnet, dass sich Steve Ellis in dieses Spiel einmischt, denn er will Patricia Thompson und ihrer Frachtlinie helfen. Noch wissen die damaligen Bankräuber nicht, dass der Mann, der sich Steve Hunter nennt, ganz persönliche Gründe hat. Und als sie es erfahren, hat der Kampf bereits begonnen...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 144
ONLY EBOOK - WESTERN
BUCH 10
© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Alfred Wallon
Titelbild: Mario Heyer
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Satz: Torsten Kohlwey
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-7579-4756-9
e110v2
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Epilog
Über den Autor
Als Max Colburn meinen Bruder Johnny erschoss, war ich gerade mal 28 Jahre alt. Es waren schreckliche Stunden, die ich damals durchmachen musste, und sie haben mich einen verhängnisvollen Weg einschlagen lassen, an dessen Ende ich fast beinahe selbst umgekommen wäre.
Mein Bruder und ich hatten zusammen auf der Farm unserer Eltern gelebt. Er war der einzige Mensch, den ich noch hatte, denn unsere Eltern waren bei einem Indianerüberfall vor einigen Jahren grausam ums Leben gekommen.
Johnny war mehr als nur ein Bruder für mich – er war groß, stark, selbständig und ziemlich mutig. Er besaß all das, was einen guten Mann ausmachte. Und ich bewunderte ihn sehr dafür.
Er hatte nur einen einzigen Fehler, und genau der brach ihm schließlich das Genick. Er hatte nämlich die falschen Freunde. Solche Typen wie Max Colburn und Dave Blair brachten ihm schließlich den Tod.
Unsere Farm hatte in den letzten beiden Jahren nicht viel Ertrag abgeworfen, und Johnny hatte sich Nächte lang den Kopf zerbrochen, wie wir aus dieser Schuldenfalle herauskommen konnten. Die Bank verlangte die Zinsen für die Kredite zurück, aber wir konnten nicht zahlen. Schließlich hatte es nur noch eine Lösung für Johnny gegeben – er schloss sich Max Colburn und Dave Blair an, als diese mit ihren Kumpanen die Bank von Pagosa Springs überfallen wollten.
Ich hatte nichts davon gewusst. Ich erfuhr es erst am nächsten Tag, als Sheriff Jameson hinaus zur Farm geritten kam und mir mit steinerner Miene verkündete, dass es einen Banküberfall gegeben habe und Johnny dabei ums Leben gekommen sei. Mehr sagte der Sternträger nicht. Erst nach und nach fand ich heraus, was wirklich geschehen war, und das löste einen unbändigen Hass in mir aus. Auf die Kerle, wegen denen Johnny hatte sterben müssen.
Colburn, Blair und die anderen Hundesöhne hatten Johnny einfach kaltblütig niedergeschossen. Er war ihnen wohl lästig geworden. Sie hatten ihn nur gebraucht, damit er ihnen bei der Flucht aus der Stadt den Rücken deckte – und dann wollten sie ihn rasch loswerden.
Ich zerbrach fast, als ich vor meinem toten Bruder stand und ihn dann mit zurück zur Farm nahm. Und ich spürte die Blicke der Menschen von Pagosa Springs, die natürlich alle wussten, dass Johnny zu den Bankräubern gehört hatte. Dieser Hass richtete sich jetzt auch gegen mich.
An diesem Morgen änderte sich mein Leben von einer Minute zur anderen. Ich wusste, dass ich nicht länger hierbleiben konnte, denn für die Menschen in diesem County würde ich für den Rest meines Lebens der Bruder eines Outlaws sein. Nein, damit konnte und wollte ich mich nicht abfinden. Ich wollte stattdessen die Mörder meines Bruders finden und sie alle zur Strecke bringen. Egal, wie lange das dauern mochte.
Ich begrub Johnny und schwor an seinem Grab, dass sein Tod nicht ungesühnt bleiben würde. Anschließend regelte ich noch einige Dinge mit der Bank und war froh darüber, dass man mir einen guten Preis für die Farm bot. Denn ich wusste, dass ich nicht mehr hier bleiben konnte. Das war nicht mehr meine Heimat.
Zwei Tage später verließ ich nach Sonnenaufgang die Farm. Ich wusste nicht, wohin ich reiten sollte – aber ich war fest entschlossen, nach Colburn und Blair zu suchen. Ihre Gesichter gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Genauso wenig wie die ihrer Kumpane. Und wenn es zwanzig Jahre dauern sollte – ich würde nicht aufgeben, bis ich sie alle zur Strecke gebracht hatte!
Zwei Jahre später sorgte der Zufall für eine schicksalhafte Begegnung in Hays City. Aber davon ahnte ich noch nichts, als mich an diesem Abend die Spielleidenschaft packte und ich mich auf den Weg zum Trailsmen Saloon machte.
Draußen regnete es in Strömen. Ein Gewitter war im Anzug, und die Regentropfen klatschten heftig gegen die Fensterscheiben. Ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagte.
Die Schwingtüren des Saloons flogen auf, und zwei Männer torkelten ins Freie. Sie beschimpften sich und schlugen aufeinander ein. Ich trat rasch einen Schritt zur Seite, weil ich keine Lust hatte, in diesen Streit mit hineingezogen zu werden.
Die Männer standen jetzt bis zu den Knöcheln im aufgeweichten Schlamm der Straße. Der Größere von beiden drosch jetzt mit seiner kräftigen Faust so schnell hintereinander auf den Gegner ein, dass dieser sich nur noch schlecht wehren konnte. Er brach in die Knie, und das reichte für den anderen aus, um noch einmal nachzusetzen.
Mittlerweile waren auch einige Neugierige ins Freie gekommen, die diese Schlägerei beobachteten und die beiden Kampfhähne laut anfeuerten. Ich schüttelte nur den Kopf über so viel Dummheit und betrat rasch den Saloon. Hinter mir johlten die Zuschauer, als der Kampf seinen Höhepunkt erreichte. Aber das interessierte mich nicht. Von mir aus konnten sie sich gegenseitig die Schädel einschlagen – Hauptsache, ich war endlich an einem trockenen Flecken und konnte wenigstens für ein paar Stunden die Strapazen der letzten Tage vergessen.
Ich war knapp bei Kasse und brauchte dringend wieder etwas Bargeld. Denn in den letzten Wochen und Monaten hatte ich mich zu sehr treiben lassen, war nirgendwo länger als ein paar Tage geblieben. Und die Jobs, die ich notgedrungen hatte annehmen müssen, um mich über Wasser zu halten, waren auch nicht gerade gut bezahlt gewesen.
Zuletzt hatte ich als Frachtwagenfahrer für ein Fuhrunternehmen gearbeitet. Ein Knochenjob, der auch nicht gut bezahlt worden war. Aber ich durfte nicht wählerisch sein, denn die Zeiten waren hart.
Noch immer war ich auf der Suche nach den Gespenstern aus meiner Vergangenheit – auch wenn Johnny schon zwei Jahre tot war. Aber ich hatte einen Schwur an seinem Grab geleistet und ihm etwas versprochen. Und dieses Versprechen wollte ich halten. Auch wenn es Jahre dauerte, bis ich es einlöste.
»Wo kann man hier ein gutes Spiel machen?«, fragte ich den Barkeeper, nachdem ich mir einen Weg zur Theke gebahnt hatte.
»Dort hinten«, erwiderte der Mann grinsend und wies mit dem Daumen auf die betreffende Tür. Augenblicke später trat ich ein und nickte den Gentlemen am Tisch freundlich zu. Weitere Worte waren unnötig, denn jeder, der hier herein kam, hatte nur einen Wunsch – nämlich eine Pokerpartie zu spielen.
Dichter Rauch hing über dem Pokertisch, der von einer Petroleumlampe erhellt wurde. Draußen vom Saloon her erklang das Geklimper des Pianospielers, der versuchte, die lauten Stimmen der Männer zu übertönen. Was ihm aber nicht immer gelang.
Ich musterte meine vier Mitspieler ziemlich gründlich. Besonders den, der die Karten austeilte. Er sah aus wie ein Vertreter, der über Land reiste und Dinge zu verkaufen versuchte, die keiner wollte. Sein Name war Harry Coombs. Ob das sein richtiger Name war, wusste ich nicht. Es spielte auch keine Rolle bei dem, was jetzt gleich stattfinden würde.
Die anderen drei Männer am Tisch waren etwas älter. Stan Harris, der Bäcker der Stadt, seufzte, als er seine Karten aufnahm und einen kurzen Blick riskierte. Er hatte seine Emotionen nur schlecht unter Kontrolle, und ich konnte sofort sehen, dass er kein gutes Blatt hatte. Phil Robertson, der Futtermittelhändler, und Hiram Elwood, der dicke Schmied, waren da von ganz anderem Kaliber. Sie ließen sich nicht anmerken, was sie für Karten hatten. Genauso wenig wie Coombs und ich.
Wir tasteten uns gegenseitig ab und brachten dann die Einsätze. Die erste Runde ging an mich, und ich grinste, als ich die Dollarscheine einstrich. Dem Schmied stieß das sauer auf, und er murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Seine Laune verschlechterte sich noch, als er wieder verlor. Schließlich erhob er sich und gab uns damit zu verstehen, dass jetzt und hier das Spiel für ihn zu Ende war.
»Es soll Leute geben, die schon Haus und Hof verspielt haben«, nickte er dem Bäcker und dem Futtermittelhändler zu. »Ich gehöre jedenfalls nicht zu der Sorte.«
Er hatte die Tür schon fast erreicht, als diese plötzlich geöffnet wurde und ein Mann den Raum betrat. Er war groß und hager und trug vorwiegend dunkle Kleidung. Sein stoppelbärtiges Gesicht lag teilweise im Schatten eines breitkrempigen Hutes, von dem noch das Regenwasser herab tropfte. Eine kleine Pfütze hatte sich bei seinen Stiefeln gebildet.
Ich spürte plötzlich eine eigenartige Unruhe, die von mir Besitz ergriff. Diese verstärkte sich noch, als der Mann zu uns an den Tisch trat und dann seinen Hut in den Nacken schob. Ich blickte in ein kaltes Augenpaar, das insbesondere dem Bäcker einen Schauer über den Rücken laufen ließ.
»Hat jemand was dagegen, wenn ich mitspiele?«
Es war keine Frage, sondern eine unwiderrufliche Entscheidung. Denn er gab keinem von uns Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Der Mann ließ sich einfach am Tisch nieder und setzte sich auf den Stuhl, den Hiram Elwood für ihn geräumt hatte.
Schweigen hing über der Pokerrunde, als der Mann in die Tasche seiner Jacke griff und ein Geldbündel hervor holte. Grinsend legte er es auf den Tisch und beobachtete unsere Reaktionen. Als mein Blick auf die sternförmige Narbe auf seinem rechten Handrücken fiel, wollte ich zunächst gar nicht glauben, was ich da sah. Aber dann wurde mir auf einmal klar, was das bedeutete.
Cole Geoffrey!, schoss es mir durch den Kopf. Verdammt, das ist einer von ihnen! Der Kerl hat zwar jetzt graue Haare – aber die Narbe ist unverwechselbar. Ja, an sein Gesicht und an die Narbe erinnere mich nur zu gut. Diese Hundesöhne haben ein einziges Mal Johnny auf der Farm besucht. Er sagte, sie seien alte Freunde unseres Vaters gewesen. Aber ich hatte gleich gespürt, dass diese Männer gute Gründe besaßen, ihre Vergangenheit vor mir zu verschweigen. Hätte ich das damals alles besser gewusst, dann hätte Johnny vielleicht nicht sterben müssen!
Ich rückte unruhig auf meinem Stuhl hin und her, während ich ein unbändiges Hassgefühl spürte. Wo einer auftaucht, können auch die anderen nicht mehr weit sein, setzte ich meine Gedankengänge fort.
»Ist was, Mister?«, riss mich Geoffreys Stimme aus meinem Grübeln.
»Nein«, erwiderte ich rasch und versuchte, mich jetzt unauffällig zu geben. Was alles andere als leicht war. Denn die Erinnerungen waren jetzt zum Greifen nahe – und mit ihnen waren auch die schrecklichen Bilder zurückgekommen, die ich erlebt hatte. Aber der Kerl schien mich nicht erkannt zu haben. Kein Wunder, ich war äußerlich älter und reifer geworden, und der Dreitagebart verlieh mir zusätzliche markante Züge. Ich war nicht mehr der unwissende Farmjunge von damals...
»Gut, dann sollten wir anfangen«, meinte der Mann mit der Narbe. »Mein Name ist übrigens Cole Gordon.«
Wir stellten uns alle vor. Hier in Hays City kannte man mich als Steve Hunter – und das sollte vorerst auch so bleiben. Denn meinen richtigen Nachnamen Ellis wollte ich lieber verschweigen. Meine Gedanken überschlugen sich förmlich, als ich mir vorstellte, wie ich mir diesen elenden Hund vorknöpfte und ihm meine Rechnung präsentierte. Aber ich musste es geschickt anstellen, sonst roch der Kerl zu früh Lunte.
Er war ein guter Pokerspieler – das musste man ihm lassen. Er gewann nicht nur eine Runde, sondern gleich drei hintereinander, und das ließ ihn abfällig grinsen. Der Futtermittelhändler gab schließlich auf und verließ den Raum. Harris folgte ihm nach dem nächsten Spiel. Jetzt waren nur noch Geoffrey, Coombs und ich übrig.
Der Mann mit der Narbe riskierte ziemlich viel beim nächsten Spiel – aber er hatte Glück und gewann. Coombs hatte sich bluffen lassen. Ich war schon vorher ausgestiegen, weil ich nicht mitbieten wollte.
»Das kostet Sie Revanche, Mister«, sagte Coombs mit unterdrückter Wut. Aber Geoffrey schüttelte nur den Kopf.
»Vielleicht morgen«, sagte er und steckte das gewonnene Geld rasch ein. »Man soll seine Glückssträhne nicht unnötig herausfordern. Für mich reicht es heute.«
»Aber Sie können doch nicht jetzt...«, wollte Coombs sagen. Dann ließ ihn die klirrende Stimme des Mannes mit der Narbe innehalten.
»Ist das eine Drohung? Sie können wohl nicht verlieren, wie?«
In seinen Worten klang etwas an, was Coombs zur Vorsicht mahnte. Der Vertreter schluckte seinen Ärger hinunter und sagte gar nichts mehr. Was Geoffrey spöttisch lächeln ließ. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich die ganze Zeit über seine rechte Hand in der Nähe des Patronengurts befunden hatte. Der Bursche war gefährlich!
Er steckte jetzt das Geld hastig ein, warf mir nur noch einen kurzen Blick zu und verließ schließlich das Hinterzimmer.
»Wie wär´s?«, fragte mich Coombs. »Wir können ja eine neue Runde spielen und...«
»Nein«, fiel ich ihm ins Wort und erhob mich ebenfalls rasch. Ich hatte es verständlicherweise sehr eilig jetzt. Und es war mir egal, was Coombs jetzt von mir hielt. Ich wollte den Mann, der zusammen mit seinen Kumpanen meinen Bruder Johnny auf dem Gewissen hatte, nicht aus den Augen verlieren. Solch eine Chance bekam ich vom Schicksal nämlich kein zweites Mal.
* * *
Dicke Rauchschwaden hingen unter der Decke, als ich den Saloon betrat und rasch meine Blicke umherschweifen ließ. Genau in diesem Moment entdeckte ich Cole Geoffrey. Er stieß die Schwingtüren auf und trat hinaus in den Regen, der noch immer nicht nachgelassen hatte.
Sekunden später hatte ich ebenfalls den Ausgang erreicht und sah gerade noch, wie Geoffrey um die Ecke bog. Ich beschleunigte meine Schritte, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Eine Windbö peitschte mir einen heftigen Regenschleier ins Gesicht, und ich fluchte leise.
Jetzt hatte ich die Stelle der Straße erreicht, wo ich Geoffrey zuletzt gesehen hatte. Vor mir erstreckte sich eine düstere Seitenstraße, und dann hörte ich auch schon eindeutige Geräusche. Ein dumpfer Schlag, gefolgt von einem heftigen Keuchen.
Erst dann sah ich die beiden Männer, die Geoffrey offensichtlich aufgelauert hatten. Sie hatten ihn in die Zange genommen und schlugen nun auf ihn ein. Geoffrey lag schon am Boden, und einer der beiden Wegelagerer holte mit dem Fuß jetzt zu einem Tritt aus.
»Halt!«, rief ich mit lauter Stimme und riss meinen Colt aus dem Halfter.
Der Kerl hielt auf einmal inne und zuckte zusammen. Sein Kumpan fuhr herum, entdeckte mich und wollte zur Waffe greifen. Aber als er in meine Mündung blickte, überlegte er es sich doch wieder anders. Stattdessen wandte er sich rasch ab und spurtete los, als wenn der Leibhaftige hinter ihm her wäre.
»Worauf wartest du noch?«, wandte ich mich an den zweiten Halunken. »Verschwinde, oder ich überlege es mir noch anders. Bist du noch nicht weg?«
Der Kerl schluckte und begriff, dass er noch eine Chance bekommen hatte, die er besser nutzen sollte. Ohne den niedergeschlagenen Geoffrey noch eines Blickes zu würdigen, suchte er rasch das Weite. Sekunden später war er schon hinter der nächsten Straßenbiegung verschwunden.
Ich ließ meine Waffe sinken und trat dann rasch zu Geoffrey, dem die beiden Schweinehunde übel mitgespielt hatten. Er wollte aufstehen, war aber noch ziemlich unsicher auf den Beinen. Seine Unterlippe war aufgerissen und blutete. Er presste die linke Hand auf den Magen und verzog das Gesicht.
»Zu Hickoks Zeiten war Hays City wenigstens sicher«, murmelte er und nickte mir dankbar zu, als ich ihm beim Aufstehen half. »Danke, Mister – ohne Sie wäre ich in eine verdammt brenzlige Lage geraten.«
»Schon in Ordnung«, erwiderte ich und begriff auf einmal, dass ich diese Gelegenheit nutzen musste. Einen besseren Moment, um Geoffreys Vertrauen zu gewinnen, gab es nicht. »Diese Bastarde sind doch nur stark, wenn sie in der Überzahl sind.«
»Wahrscheinlich«, nickte Geoffrey. »Trotzdem danke für Ihre Hilfe. Die Kerle hätten mich sonst ausgeraubt und vielleicht sogar noch schlimm zusammengeschlagen. Das Ende dieses Abends hatte ich mir eigentlich gemütlicher vorgestellt.«
»Wenigstens haben Sie Glück im Spiel gehabt«, grinste ich. »Kommen Sie – ich helfe Ihnen noch bis zum Hotel...«
Erst dann fiel mir ein, dass ich gar nicht wusste, wo Geoffrey Quartier bezogen hatte.
»Mrs. Fishers Boardinghouse«, sagte Geoffrey. »Es ist nur zwei Straßen entfernt von hier. Und wo wohnen Sie?«
»Mein Bett ist aus Stroh und befindet sich in Livery Stable«, meinte ich achselzuckend. »Ich bin nicht besonders anspruchsvoll.«
»Das wird sich ändern, Mister«, sagte Geoffrey. »Selbstverständlich bezahle ich Ihnen eine Übernachtung in einem sauberen Bett. Das ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann. Nun schauen Sie mich nicht so erstaunt an – diese Einladung können Sie nicht abschlagen.«
Natürlich konnte er nicht wissen, an was ich jetzt dachte. Denn Geoffrey wirkte gar nicht mehr wie ein kaltblütiger Killer, der über Leichen ging. Wenn er gewusst hätte, dass vor ihm der Bruder des Mannes stand, den er und seine Kumpane vor vielen Jahren getötet hatten, dann wäre er sicher wachsamer gewesen. So aber hatte ich alle Zeit der Welt, um mir in Ruhe einen Plan auszudenken.