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Fremont County wird dominiert von dem Handelsbaron Wade Tennison, auf dessen Lohnliste ein Marshal und dreizehn Revolvermänner stehen. Der Rancher Henry Carson macht sich auf nach Süden, um einen Mann zu finden, der bereit ist, gegen diese Übermacht anzutreten. Doch was könnte einen Revolvermann dazu bewegen, dem finanziell angeschlagenen Rancher die Revolvertreue zu halten? Joe Benteen hat da ganz besondere Grundsätze. Logan Kenison beleuchtet in seinem Western das Thema "Revolvertreue" aus verschiedenen Blickwinkeln. Warum hielten Revolvermänner ihren Auftraggebern die Treue? Obwohl meist das beste Angebot ausschlaggebend war, war nicht in jedem Fall Geld im Spiel.
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Seitenzahl: 154
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Revolvertreue
Westernroman
von Logan Kenison
Das Buch
Fremont County wird dominiert von dem Handelsbaron Wade Tennison, auf dessen Lohnliste ein Marshal und dreizehn Revolvermänner stehen. Der Rancher Henry Carson macht sich auf nach Süden, um einen Mann zu finden, der bereit ist, gegen diese Übermacht anzutreten. Doch was könnte einen Revolvermann dazu bewegen, dem finanziell angeschlagenen Rancher die Revolvertreue zu halten? Joe Benteen hat da ganz besondere Grundsätze.
Logan Kenison beleuchtet in seinem Western das Thema »Revolvertreue« aus verschiedenen Blickwinkeln. Warum hielten Revolvermänner ihren Auftraggebern die Treue? Obwohl meist das beste Angebot ausschlaggebend war, war nicht in jedem Fall Geld im Spiel.
Der Autor
Logan Kenison (vormals Joe Tyler) ist Autor von Western-, Abenteuer- und Spacegeschichten. Neben seinen Western, die er mit Leidenschaft verfasst, schreibt er seit 2018 die Reihe Spacewestern.
Inhalt
Impressum
Revolvertreue (Roman)
Weitere Werke von Logan Kenison
© 08/2012 by Logan Kenison.
E-Mail: [email protected]
Abdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Verlags oder Autors.
Das Cover wurde gestaltet nach Motiven der Episode "Der Wikinger" (Orig.: "The Last Viking", USA, 1960) der Bonanza-Komplettbox. Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.filmjuwelen.de
Revolvertreue
Logan Kenison
Der Mann betrat den überhitzten Saloon. Das nasse Sägemehl verströmte einen starken Holzgeruch. Er registrierte auch Schweiß, Bier und Whisky. An der Tür stehend nahm er sich Zeit, sich umzusehen. Dann setzte er sich in Bewegung und steuerte Joe Benteens Tisch an.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?« Er brachte den Geruch von Kälte mit und seine Stimme klang rau und trocken.
Benteen deutete auf den freien Stuhl, und der Mann setzte sich.
Der Geräuschpegel in dem überfüllten Saloon war ohrenbetäubend, doch es schien, als spiele sich alles, was außerhalb dieses Tisches war, in einer anderen Welt ab. Im Moment gab es nur Joe Benteen und diesen Mann, der zu ihm an den Tisch gekommen war.
»Mein Name ist Henry Carson«, sagte der Mann. »Ich weiß nicht, ob Sie schon von mir gehört haben.«
»Habe ich«, sagte Benteen. »Sie betreiben eine Ranch drüben in Sand Draw.«
»Richtig, die Crossbow.« Der Mann brach ab und wandte sich der Kellnerin zu, die an den Tisch getreten war. »Einen Bourbon mit Wasser für mich, und für den Gentleman nochmals dasselbe.«
Benteen hob die Hand.
»Danke, ich verzichte. Ich habe mein Limit.«
»Na gut. Dann bringen Sie mir bitte Bourbon mit Wasser.«
Die Kellnerin nickte, schwang auf dem Absatz herum und ging.
»Man sagte mir, dass ich Sie hier finden kann, Mr Benteen«, sagte Carson.
»Und was führt Sie zu mir?«
Benteen drehte das halbleere Whiskyglas mit der linken Hand. Er lehnte im Stuhl und betrachtete die Leute im Saloon. Niemand widmete ihm oder Carson besondere Aufmerksamkeit.
»Ich suche einen Mann, der schnell mit dem Colt ist.«
»Yeah?«
Nach einer Weile sagte Carson:
»Ich dachte an hundertzwanzig monatlich, und nach Abschluss der Sache eintausend.«
»Kost und Logis?«
»Natürlich frei, bei mir auf der Ranch. Und ich kann Ihnen sagen, wir haben einen hervorragenden Koch.«
Benteen lächelte.
»Die Munition?«
»Übernehme selbstverständlich ich.«
»Ein großzügiges Angebot, Mr Carson.«
Doch es klang, als müsste Benteen noch überlegen.
»Ich verlange nicht mehr und nicht weniger als absolute Treue. Sie sollen treu zu mir, meiner Familie und meiner Sache stehen. Ich suche einen Kämpfer, der mir den Rücken deckt und nicht Reißaus nimmt, wenn es rau wird. Dabei möchte ich Ihnen nicht verschweigen, dass wir auf der Crossbow Probleme haben.«
Benteen sah ihn voll an, und es kam Carson vor, als funkelten seine Augen voller Interesse.
»Arge Probleme«, fuhr der Rancher fort. »Sagt Ihnen der Name Tennison etwas? Wade Tennison?«
Benteen nickte.
»Tennison ist Rancher wie ich«, fuhr Carson fort. »Seine Bear Claw Ranch ist fünf Mal größer die Crossbow. Er besitzt an die hunderttausend Rinder. Außerdem gehört ihm halb Sand Draw. Er hat zwei Saloons, eine Spielhalle, den Futtermittelladen und den General Store aufgekauft. Die Postkutschenlinie wird von einem seiner Männer geleitet, ebenso das Telegrafenamt. Sogar der Town Marshal wird inoffiziell von ihm bezahlt.«
»Was ist mit dem Stadtrat?«
»Von Tennison dominiert. Als reichster Mann der Gegend gelingt es ihm, dem ganzen County seinen Stempel aufzudrücken. Ich denke, dass er die meisten Stadträte finanziell in der Hand hat. Sie haben Schulden bei der Bank, die Tennison vor zwei Jahren übernahm. Damit sind ihm die Leute auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wenn er den Hahn zudreht und schnelle Rückzahlung der Kredite fordert, gehen alle kleinen Unternehmen vor die Hunde.«
Die Kellnerin erschien und stellte ein Glas Bourbon mit Quellwasser vor dem Rancher auf den Tisch. Carson gab ihr zehn Cents. Das Mädchen bedankte sich und ging.
»Wie sehen Sie Ihre Situation im County, Mr Carson?«
»Ich …«
Ein Schatten fiel auf die Tischplatte und Carson blickte auf. Ein Mann war an den Tisch getreten. Unvermittelt packte er den Rancher grob an der Schulter und drückte ihn gegen die Stuhllehne. Mit dem Zeigefinger fuchtelte er vor Carsons Gesicht herum.
»Eine gutgemeinte Warnung, Rancher: Halt’ dein Schandmaul und verschwinde.« Obwohl er scharf sprach, war der Mann im Lärmpegel des Saloons nur mit Mühe zu verstehen. Kaum jemand nahm Notiz von dem, was sich abspielte.
Henry Carson war mit einem Mal kreideweiß im Gesicht.
»Aber … ich, äh …«
Der Mann, der ihn anpöbelte, war von großer Statur. Er besaß breite Schultern und steckte in einem zweireihig geknöpften dunkelblauen Cowboyhemd. Sein rotes Halstuch war abgewetzt, ebenso der Griff des Colts, der aus einem tief geschnallten Holster ragte. Die Rechte bewegte sich an eine Stelle knapp oberhalb des Coltgriffs, und der Mann stand herausfordernd vor dem Rancher, geradeso als hätte Carson ihn herausgefordert, und nicht umgekehrt.
»Ich zähle jetzt bis drei, dann hast du den Saloon verlassen«, sagte der Fremde. Seine Augen lagen im Schatten der breiten Hutkrempe, dennoch funkelten sie hervor wie Irrlichter. »Bei fünf bist du auf deinem Pferd, und bei zehn aus der Stadt. Hast du verstanden?«
»Hören Sie, Mister, ich habe Ihnen nichts getan.«
»Eins …«
Henry Carson brach der Schweiß aus. Es war nicht zu übersehen, dass die Situation ihn völlig überrollte.
»Zwei …«
Carson sah verzweifelt zu Joe Benteen hinüber.
Benteen saß reglos auf seinem Stuhl und beobachtete neugierig-interessiert, was geschah.
»Drei!«
Der Fremde zog den Colt. Ein Schuss bellte. Die Saloongäste schrien auf, stoben auseinander. Einige flohen zur Tür hinaus, einige die Treppe zur Galerie hinauf. Die meisten duckten sich unter die Tische oder drängten an die Wände.
Niemand bewegte sich. Niemand wagte auch nur zu atmen.
Der Mann mit dem Colt in der Hand stand vor Carson. Wie ein Baum stand er da, groß und mächtig. Die Mündung des Colts zeigte auf die Tischplatte. Irgendwann begann er leicht zu wanken. Vor und zurück. Wie ein Baum im Wind. Unvermittelt brach er in die Knie. Sein Kopf schlug an die Tischkante, der Colt fiel ihm aus der Hand und polterte zu Boden.
Die Männer im Saloon starrten den von einer Pulverwolke umgebenen Joe Benteen an. Benteen ließ seinen Colt um den Zeigefinger wirbeln und steckte ihn ins Holster zurück.
»Es ist vorbei, Leute. Alles ist vorbei.«
Seine Worte brachen den Bann. Ein Raunen hob an und die Männer traten näher. Zwei von ihnen drehten den Revolvermann auf den Rücken. Alle sahen das Einschussloch in seiner Brust, in der Nähe des Herzens. Blut färbte das blaue Hemd violett. Die Augen waren noch geöffnet, aber nun irrlichterten sie nicht mehr; sie glänzten starr und stumpf.
»Bringt ihn raus«, sagte Benteen.
»Was ist denn geschehen, Mister?«, fragte jemand.
»Dieser Mann hat meinen Gesprächspartner angepöbelt. Er hat versucht, ihn aus der Stadt zu werfen. Aber ich liebe es nicht, wenn man mich Gespräche nicht zu Ende führen lässt. Dieser Bursche glaubte, er wäre schnell mit dem Colt. Ihr habt gesehen, dass er zuerst gezogen hat.«
»Ich habe nichts gesehen«, sagte jemand.
»Aber ich! Der Fremde hat zuerst gezogen.«
»Also schafft ihn raus«, sagte Benteen, »verkauft seine Waffen und sein Pferd und gebt ihm dafür ein Begräbnis. Er war ein feiges Aas, das sich an einem Unbewaffneten vergreifen wollte, doch er soll eine anständige Beerdigung erhalten.«
»Okay, Mister.«
Vier Männer packten den Toten und mühten sich ab, den durchsackenden Körper aus dem Saloon zu schleifen.
Einer der Barkeeper verließ seinen Platz hinter dem Tresen, lief mit einem Besen und einer Schaufel herbei. Er fegte das blutbeschmierte Sägemehl zusammen und schichtete es auf die Schaufel. Damit verschwand er zur Hintertür hinaus.
Zögernd setzte der Betrieb im Saloon wieder ein. Die Männer kehrten an ihre Plätze zurück, an die Theke und die Tische. Die Gespräche verliefen gedämpft und hatten ein neues Gesprächsthema. Bald war wieder erstes Gläserklirren zu hören.
»Auf den Schreck brauche ich einen Doppelten«, sagte jemand so laut, dass es im ganzen Raum zu hören war.
Verhaltenes Gelächter erklang.
Carson beugte sich über den Tisch. Seine Stimme klang rau.
»Ich bin kein Feigling, Mr Benteen. Ich möchte nicht, dass Sie das von mir denken. Dieser Mann … er hat mich einfach überrumpelt. So ist das. Ich wusste für den Moment nicht, was ich tun sollte.«
»Ich weiß. Ein Feigling wäre nicht nach Muddy Gap gekommen. Ein Feigling hätte mich nicht angesprochen. Ein Feigling hätte bei Nacht und Nebel seine Siebensachen gepackt und seine Ranch im Stich gelassen. Sie aber, Mr Carson, wollen um Ihren Besitz kämpfen. Das zeichnet ein anderes Bild. No, Sie sind kein Feigling.«
»Danke.«
»Kannten Sie ihn?«
»Sein Name ist Bill Penny. Er muss mir gefolgt sein.«
»Stammt er auch aus Sand Draw?«
»Ja und nein. Geboren ist er wohl in Virginia. Aber er war einer der Männer, die Wade Tennison angeheuert hat, und die sich seitdem in Sand Draw herumtreiben. Dreizehn Mann hat Tennison, die die Drecksarbeit für ihn erledigen. Sie schießen und randalieren, stehlen Vieh von der Weide und belästigen Frauen auf der Straße. Sie überfallen Kleinrancher und Farmer. Eine feige Bande, die nur in der Überzahl mutig ist.«
Carson nahm sein Glas und leerte es mit einem Schluck.
»Stört es Sie, wenn ich mir noch einen bestelle?«
»Aber ganz und gar nicht. Mein Limit gilt nur für mich. Zuviel Alkohol verlangsamt die Reaktionszeit. Man wird vermeintlich mutiger dadurch, aber auch sehr viel langsamer. Deshalb das Limit. Einen Whisky pro Tag – mehr trinke ich nicht. Niemals.«
»Verstehe«, murmelte Carson.
»In meinem Beruf muss man auf so was achten«, sagte Benteen.
Carson nickte. Er wandte sich ab und winkte der Kellnerin.
»Was Bill Penny angeht: Ich denke, Tennison hat ihn hinter mir hergeschickt. Sollte wohl verhindern, dass ich jemanden finde und engagiere.«
»Na, der Plan ist gründlich danebengegangen.«
»Scheint so. Ich danke Ihnen, Mr Benteen. Sie haben mir wirklich aus einer großen Klemme herausgeholfen.«
»Wie gesagt, ich habe was dagegen, wenn man mich oder meine Gesprächspartner nicht ausreden lässt.«
Die Kellnerin erschien, und Carson gab eine neue Bestellung auf.
»Also, was müssen Sie noch wissen, Mr Benteen?«
»Meine letzte Frage war, wie Sie Ihre eigene Situation im County sehen, Mr Carson.«
»Meine Situation im Fremont County. Hm … hm … Ich versuche, nicht unterzugehen. Uns, die Carson-Familie, gibt es in Sand Draw seit 1853. Seit siebenundzwanzig Jahren bin ich Rancher und führe ein Unternehmen, das neunundvierzig Menschen Lohn und Brot gibt. Wir haben zweihundert Pferde, fünfundzwanzigtausend Rinder, dreißig Cowboys, elf Ranchhelfer und acht Hausangestellte in Lohn und Brot. Ich bin zweiundfünfzig und glücklich verheiratet. Meine Frau hat mir zwei reizende Kinder geboren, ein Mädchen, Wanda, und einen Jungen, Kenneth. Nun sind sie beide schon fast zwanzig und haben bewiesen, dass sie auch einen sturen Kopf haben. Aber ich bin stolz auf sie. Sie sollen die Ranch einmal von mir erben. Und genau das ist der Grund, warum ich nicht einfach alles im Stich lassen und aufgeben möchte. Die Ranch, das Land und die Herden habe ich mit der Kraft dieser Hände aufgebaut. Wir haben Schweiß und Blut hineingesteckt. Carsonschweiß. Carsonblut. Wir haben das Recht, dieses Land zu bewirtschaften, und niemand hat das Recht, es uns wegzunehmen.«
Benteen nickte. »Welche Ziele verfolgt Tennison? Wie geht er dabei vor?«
»Einige kleinere Rancher und Farmer haben aufgegeben und sind fortgezogen. Es heißt, sie hätten ihr Land verkauft. Ich denke aber, dass man sie unter Gewaltandrohung vertrieb. Stellen Sie sich vor, wie es für einen hart arbeitenden Siedler ist, wenn plötzlich eine Handvoll Revolvermänner in seinen Hof reiten und ihn auffordern abzuhauen. Wenn er sich weigert, fliegen ihm blaue Bohnen um die Ohren. Nur die Allerwenigsten haben dann noch den Mumm weiterzumachen.«
»Sind Ihnen solche Fälle bekannt? Aus erster Hand oder vom Hörensagen?«
»Ich habe es mir zusammengereimt. Bud Hellman kannte ich seit zwanzig Jahren. Selbst wenn wir uns nur zwei- oder dreimal im Jahr in der Stadt gesehen haben, waren wir doch gute Freunde. Bud sagte mir einmal, dass er sein Land niemals verlassen würde. Er hat seine Frau dort zu Grabe getragen, müssen Sie wissen. Sie ist ’68 am Gelben Fieber gestorben und liegt im Schatten der großen Korkeiche vor Bud Hellmans Haus. Eines Tages hörte ich die Neuigkeit, dass Bud sein Land verkauft haben soll und auf und davon wäre. Ich konnte es nicht fassen. Ich stieg auf mein Pferd und ritt zu seiner Farm hinaus. Teufel, Sie glauben nicht, wie’s da aussah. Das ganze verdammte Haus war durchlöchert! Sie hatten ihm richtig eingeheizt. Da waren mindestens hundert Einschusslöcher. Sie haben Bud und seinen beiden Söhnen eingeheizt, und da haben die Hellmans alles – einschließlich des Grabs seiner Frau – stehen und liegen lassen und sind abgehauen. So sieht es derzeit aus in Sand Draw.«
Er schnaufte schwer. Seine Handflächen lagen flach auf der Tischplatte, und doch zitterten sie.
»Hell, wo bleibt denn dieser verdammte Bourbon?«, brüllte Henry Carson plötzlich. Die Kellnerin war bereits auf dem Weg zu ihm. Eine Sekunde später stellte sie das Glas vor ihm auf den Tisch.
Carson legte eine Hand auf ihren Arm.
»Sagen Sie, können Sie mir keine Flasche her stellen?«
In diesem Moment sah er in Benteens grüne Augen. Sie glitzerten ruhig, wie ein Feuer, das beständig vor sich hinbrannte. Der Revolvermann schüttelte leicht den Kopf. Das wirkte wie ein Signal auf den Rancher. Die Anspannung und der Druck fielen mit einem Mal von ihm ab und er sagte:
»Nein, nein, schon gut. Ich darf es nicht übertreiben. Hier haben Sie nochmals zehn Cents, und nun machen Sie, dass Sie davonkommen. Und was auch immer geschieht, was immer ich sagen mag: Kommen Sie nicht wieder her!«
Die Kellnerin lachte kurz auf. Mit zweimal fünf Cents Trinkgeld war sie mehr als einverstanden. Sie verschwand und kümmerte sich nicht mehr um diesen Tisch.
»Sie haben natürlich Recht, Mr Benteen. Ich sollte nicht so viel trinken.«
»Darum geht es nicht, Mr Carson. Von mir aus können Sie so viel oder so wenig trinken, wie Sie wollen; ich mache Ihnen da keine Vorschriften. Doch mein Rat lautet: Trinken Sie nach der Sache mit Wade Tennison. Er hat dreizehn Revolvermänner, sagen Sie. Dann wissen Sie nie, ob er einen oder zwei hinter Ihnen herschickt. Es wäre unklug, in einem kritischen Moment nicht im Vollbesitz aller Kräfte zu sein.«
»Ah, Sie haben natürlich Recht.« Carson hob das Glas an die Lippen und stürzte den Inhalt in einem Zug die Kehle hinunter. Ein brennendes und doch wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus. »Das war der Letzte. Von nun an sind wir auf alles gefasst, nicht wahr, Mr Benteen?«
Benteen nickte.
»Mr Carson?«
»Ja?«
»Wenn Sie mich wollen, dann bin ich der Revolvermann an Ihrer Seite.«
*
Im schwachen Morgenlicht starrte Henry Carson sein Konterfei im Spiegel an. Das Gesicht war verwittert, vom Wetter gegerbt, von der Sommersonne braungebrannt. Man sah ihm an, dass er viel Zeit im Freien verbrachte – bei den Tieren, die er beinahe mehr liebte als seine Frau.
Er knöpfte das Hemd zu und strich sich durch das ergraute Haar. Es hatte eine Zeit gegeben, da glänzte es kastanienbraun. Doch seit etwa zehn Jahren war ein Prozess im Gang, den er nicht aufhalten konnte. Bald würde er nur noch graues Haar besitzen – und einen grauen Schnurrbart. He, und er freute sich darauf! Wenn es soweit war, würde er sich in seinem Schaukelstuhl zurücklehnen, Pfeife rauchen, die Tageszeitung lesen und seine Kinder die Arbeit machen lassen.
Die Luft im Hotelzimmer war stickig und er ging zum Fenster, um frische Morgenluft hereinzulassen. Draußen war es empfindlich kalt. Der Wind trieb bunte Blätter über die Straßen. Unübersehbar hatte der Herbst eingesetzt. Kälte stach ihm wie spitze Nadeln ins Gesicht.
Er trat an den Stuhl, an dessen Lehne er den Revolvergurt gehängt hatte, nahm diesen auf und schnallte ihn sich um die Hüfte.
Er räusperte sich und hustete. Den schalen Geschmack im Mund verdankte er den Bourbons des vergangenen Abends. Ein leichtes Gefühl von Übelkeit kroch seine Speiseröhre hoch. Vielleicht war es an der Zeit, völlig auf Quellwasser umzusteigen.
Carson verzog bei dem Gedanken belustigt das Gesicht. Er schlüpfte in seine Jacke und knöpfte sie zu. Er setzte den grauen Hut auf und zog die Lederhandschuhe über.
Dann verließ er sein Zimmer, nicht ohne zuvor einen letzten prüfenden Blick über die Einrichtung schweifen zu lassen, ob er nicht etwas vergessen hatte.
Er ging die Treppe hinab und nickte dem Portier zu. Die Übernachtung hatte er schon gestern Abend bezahlt. Der Mann erwiderte seinen Gruß, und Carson verließ das Hotel.
Den Stall erreichte er nach einem Fußmarsch von einer halben Minute. Sein Pferd, ein sandbrauner Wallach mit schwarzer Mähne, stand gesattelt an der Seite des Mittelgangs.
Der Stallmann trat an ihn heran.
»Alles ist so, wie Sie es wünschten, Mr Carson. Ich habe Buck Wasser und Hafer gegeben, ihn gestriegelt und vor einer halben Stunde gesattelt.«
Er tätschelte dem Pferd den muskulösen Hals.
»Danke, Frank. Wie viel bin ich Ihnen schuldig?«
»Achtzig Cents, Mr Carson.«
Der Rancher kramte einen Moment in seiner Jackentasche und warf dem Stallmann eine Dollarmünze zu. Er stieg in den Sattel und lenkte das Pferd zum Stalltor.
»Bye, Frank.«
»Bye, Mr Carson. Kommen Sie bald mal wieder.«
Der Stallmann winkte ihm nach; er schien ihn wirklich zu mögen.
Carson lenkte sein Tier zur Hauptstraße, da erblickte er vor der Spielhalle, die um diese Zeit geschlossen hatte, einen Reiter. Dieser Mann steckte in einer dicken Jacke und hatte pelzbesetzte Chaps über den Hosenbeinen befestigt. Ein dickes blaues Halstuch wärmte seinen Hals.
Carson gab Buck einen leichten Schenkeldruck, und der Wallach überquerte die Hauptstraße. Er lenkte das Tier neben den wartenden Reiter, bis sie Steigbügel an Steigbügel standen.
»Morgen, Mr Benteen.«
»Morgen, Mr Carson.
»Alles in Ordnung? Können wir reiten?«
Joe Benteens Blick war in die Ferne gerichtet. Ohne den Rancher anzusehen, sagte er:
»Augenblick noch.«