Ritt für Linda - Logan Kenison - E-Book

Ritt für Linda E-Book

Logan Kenison

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Beschreibung

Texas, westlich des Rio Pecos im Jahr 1866: Die Stadt lag im Sterben, und sie war mir eigentlich ziemlich gleichgültig. Doch die schöne Linda Garrett wollte sie retten, und an ihrer Seite kaufte ich mich mit 1000 Dollar in die Sache ein. Zur Hölle, ich wusste ja nicht, dass ich mich mit dem Banditenteufel persönlich anlegte! "Logan Kenisons Meisterwerk." (R. S. Stone)

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Ritt für Linda

Western

Ein Roman von

Logan Kenison

Das Buch

Texas, westlich des Rio Pecos im Jahr 1866: Die Stadt lag im Sterben, und sie war mir eigentlich ziemlich gleichgültig. Doch die schöne Linda Garrett wollte sie retten, und an ihrer Seite kaufte ich mich mit 1000 Dollar in die Sache ein. Zur Hölle, ich wusste ja nicht, dass ich mich mit dem Banditenteufel persönlich anlegte!

»Logan Kenisons Meisterwerk.« (R. S. Stone)

Der Autor

Logan Kenison (vormals Joe Tyler) ist Autor von Western-, Abenteuer- und Spacegeschichten. Neben seinen Western, die er mit Leidenschaft verfasst, schreibt er seit 2018 die Reihe Spacewestern.

Inhalt

Impressum

Ritt für Linda (Roman)

Weitere Werke von Logan Kenison

Copyright © 2012 by Logan Kenison

Lektorat: Carola Lee-Altrichter

Das Cover wurde gestaltet nach Motiven der Episode »Emily« (Orig.: »Emily«, USA, 1969) der Bonanza-Komplettbox. Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.filmjuwelen.de

Abdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Verlags oder Autors.

[email protected]

Ritt für Linda

Westernroman von Logan Kenison

Ich war auf der Upper El Paso Road nach Westen geritten, tagelang, wochenlang, bis ich keine Spuren der Zivilisation mehr fand. Ich konnte sie nicht ertragen, die Blaubäuche und die feinen Pinkel in ihren maßgeschneiderten Anzügen, die das Kriegsende aus dem Norden herabspülte, die Steuereintreiber, die Makler, die Geschäftemacher, die Wucherer, die uns das Land stahlen, und das Wenige, das wir zum Leben noch hatten, abzugaunern versuchten; die sich uns aufdrängten wie eine schlimme Krankheit, gegen die es keine Medizin gab.

Gewiss, wir hatten den Krieg verloren, worunter kein Staat schlimmer litt als Texas – schönes, stolzes, verdammtes Texas! So floh ich aus der Zivilisation und der menschlichen Ordnung, welche mir keine Arbeit und keine Perspektive für eine Zukunft geben konnte, wie sie ein aufrechter freier Mann sich vorstellen wollte. Ich ließ die Green Mounds hinter mir und hielt auf den Rio Pecos zu. Dort gab es kein Gesetz; nicht im Frühjahr 1866, nicht so kurz nach dem Krieg. Das Land war gut, es war gewaltig – und es war frei, und jeder Mann musste dort selbst für sein Recht eintreten.

Meile um Meile legte ich auf der Upper Road zurück, die mich zwischen den Castle Mountains hindurch zum Pecos brachte. Mein treuer grauer Wallach trug mich und die tausend Dollar, die in meinen Satteltaschen steckten.

Ich hatte kein Verbrechen begangen, um in den Besitz dieser Summe zu kommen, nicht, dass Sie das denken. Das Geld hatte ich für den Verkauf der Ranch erhalten, die mein Vater hinterlassen hatte. Als ich im November 1865 aus Camp Macmillan zurückkehrte, wo ich vier Monate in Kriegsgefangenschaft verbracht hatte, fand ich unser Anwesen verwahrlost und verlassen vor. Unkraut wucherte auf dem Platz vor dem Haus, die Ställe standen leer, die Rinder grasten unbeaufsichtigt auf den Weiden.

Die Leute erzählten mir, was während meiner Abwesenheit geschehen war.

Mein Vater hatte nie Sklaven gehalten, hatte die Sklaverei immer schon als unmenschlichen Akt betrachtet. Dennoch waren in den letzten Kriegstagen, als alles drunter und drüber ging, Schwarze bei ihm eingedrungen und hatten ihn, meine zwei Schwestern und meinen Bruder Joe totgeschlagen.

Sie unterschieden nicht zwischen denen, die sie geknechtet hatten, und denen, die nie an der Sklaverei beteiligt waren. Für sie gehörte meine Familie zu den Weißen, und das genügte, um sie totzuschlagen.

So war das damals.

Als ich zurückkehrte, fand ich nichts außer leeren Gebäuden und einigen Gräbern hinter dem Haus vor. Die Nachbarn hatten Pa und meine Geschwister begraben. Einige hatten etwas von unserem Vieh gestohlen, doch Vieh gab es genug. Tausende von Rindern grasten auf den Weiden im Norden der Ranch; sie hatten sich während der Kriegstage unaufhörlich vermehrt, und mehr als zwei Dollar konnte man für ein Tier nicht bekommen.

Noch waren die großen Trails in den Norden und den Osten nicht ins Leben gerufen; noch war von der großen Nachfrage des Ostens nach Fleisch nichts bekannt hier in Texas.

Bisher hatten wir es nur mit den Heuschrecken aus dem Norden zu tun, die den besiegten Staat fleddern und uns ihre Herrschaft und Lebensart aufzwingen wollten.

Die Ranch gehörte also mir. Ich ritt ein paar Tage herum, sah mir den Besitz an: Dreitausend Morgen sehr gutes Land. Meiner Schätzung nach grasten zehn- oder zwölftausend Rinder auf den Weiden. Doch ich hatte niemand, der sich um sie kümmerte. Ich war nie Rancher gewesen, wollte nie einer sein. Das Land, das Vieh und die Ranch waren mir eine Last.

Als ich von einem meiner Ausritte zurückkam, bemerkte ich von weitem, dass ich Besuch bekommen hatte. Ein Einspänner stand vor dem Haupttor des Herrenhauses, ein gesatteltes Pferd daneben.

Zwei Männer standen auf der Treppe vor der Tür und beratschlagten. Offensichtlich ging es darum, was sie tun sollten: Auf mich warten oder fortreiten und ein andermal wiederkommen?

Ich ritt näher, und schließlich hörten sie den Hufschlag und wandten sich um.

Beide Männer steckten in feinen Kleidungsstücken, die so teuer waren, dass ich mir neben ihnen schäbig vorkam.

Der eine war korpulent, gewiss war er der Fahrer des Buggys. Sein breites Gesicht wirkte durch einen buschigen schwarzen Backenbart noch breiter, der Schnurrbart verdeckte eine wulstige Oberlippe. Er trug ein schwarzes Jackett aus feinem Tuch und eine graue Nadelstreifenhose. Die schwarzen Stiefel waren so blank poliert, dass sich das Licht der Sonne in ihnen spiegelte.

Der andere Mann war hager und großgewachsen mit einer Adlernase. Er hielt sich im Hintergrund und wurde von dem Korpulenten halb verdeckt, und so sah ich nicht sogleich, dass er einen Colt umgeschnallt hatte. Auch er trug ein Jackett, jedoch ein olivfarbenes aus Cordsamt, und braune Tuchhosen, die er in die braunen mit Nähten verzierten Alabamastiefel gesteckt hatte. Sein Gesicht wirke finster, die Augen besaßen einen stechenden Ausdruck. Seine Lippen waren zusammengekniffen. Es schien, als stünde er unter Anspannung.

Ich fragte mich, warum. Was hatte das zu bedeuten? Was wollten diese beiden Fremden von mir?

Der Korpulente kam die Stufen herab auf mich zu.

Ich stieg vom Pferd.

»Mein Name ist Jeremy Buckritter«, sagte er jovial und streckte mir die fleischige Hand entgegen. Sein falsches Lächeln entblößte eine Reihe grober Zähne, denen man auf den ersten Blick ansah, dass er sie mit einer Eberhaarzahnbürste gut pflegte. Seine Aussprache erfolgte in einem geschniegelten Yankee-Dialekt, der uns Texaner immer wie dumme Bauerntölpel dastehen ließ.

Ich zögerte, ihm die Hand zu schütteln. Als ich es dann doch tat, spürte ich den festen Händedruck eines Mannes mit großem Selbstbewusstsein.

»Morgan«, stellte ich mich vor, »James Morgan.«

Buckritter deutete über seine Schulter. »Das ist Mr. Kirk, mein Mitarbeiter. Wir sind hier, um Ihnen ein Geschäft vorzuschlagen, Mr. Morgan.«

Ich blickte ihm über die Schulter und nickte Kirk zu, dabei sah ich, dass dieser die Rechte baumeln ließ. Wie zufällig befand sie sich in der Nähe seines Coltgriffs.

»Was für ein Geschäft?«, fragte ich.

Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme wie ein Krächzen klang. Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. Ich hatte keine Angst vor diesen zwei Burschen, aber mein Körper reagierte auf all die Nuancen, die ich beobachtete, spürte und wittere, und plötzlich merkte ich, dass auch ich unter Anspannung stand.

Buckritter schien es nicht zu bemerken; er redete munter drauflos. Aber Kirks Blick haftete auf mir wie ein Raubvogelblick. Überhaupt schien die Anspannung erst in dem Augenblick über ihn gekommen zu sein, als er mich erblickte. Zuvor auf der Treppe war er ganz lässig neben Buckritter gestanden.

»Mr. Morgan«, sagte Buckritter und zog eine Zigarre aus der Brusttasche, die er mir hinhielt, »Sie sind stolzer Besitzer einer Texasranch. Meiner Schätzung nach nennen Sie dreitausend Morgen ihr Eigen. Richtig?«

Da wusste ich, dass es sich nicht um eine Schätzung handelte, sondern um einen gezielten Besuch, auf den Buckritter sich vorbereitet hatte. Wahrscheinlich war er auf dem Katasteramt in Rochester gewesen und hatte sich die Eintragungen und Grundzeichnungen unserer Ranch angesehen. Denn aus dem Blauen heraus schätzt man eine so unübersichtliche Ranch wie die unsere nicht auf Anhieb richtig.

Ich lehnte die Zigarre ab und sagte:

»Dreitausend Morgen, das ist korrekt.«

Buckritter zog ein Taschenmesser aus der Tasche und kappte die Zigarrenspitze. »Haben Sie schon mal über einen Verkauf nachgedacht? Die Zeiten sind hart, ich denke, Sie könnten Bargeld gut gebrauchen. Warum sich mit so einem Besitz belasten, den sie ohnehin nicht bewirtschaften können, weil Ihnen sämtliche Ressourcen fehlen? Ich mache Ihnen ein einmaliges Angebot.«

Nun wurde mir klar, was sein Besuch bedeutete. Die Yankees tauchten nach unserer Niederlage in Texas auf und kauften Grundstücke und Besitztümer zusammen. Und diesen Kirk hatte Buckritter zu seinem Schutz mitgebracht. Er war ein Coltmann, der es mit jedem aufnahm, der seinen Boss bedrohte oder ihn vom Hof jagen wollte. Wie Kirk reagierte, wenn man ein Angebot ablehnte, war für mich jetzt von größtem Interesse. Würde er ein Nein akzeptieren? Oder würde er aktiv werden? Wenn ja, in welcher Form?

»Welcher Preis schwebt Ihnen denn vor, Mr. Buckritter?«, fragte ich, während er ein Zündholz aus seiner Tasche kramte.

Die Zigarre zuckte in seinem Mund hin und her, als er sagte:

»Fünfhundert Dollar, bar auf die Hand.«

Das Angebot traf mich wie eine Ohrfeige. Ich fühlte Hitze in meinen Wangen aufsteigen. Ein unbändiger Zorn begann in mir zu brodeln.

»Das Anwesen ist mindestens neuntausend Dollar wert. Drei Dollar pro Morgen wären ein fairer Preis. Selbst bei zwei Dollar pro Morgen wären es immer noch sechstausend Dollar, und das ist schon zu billig. Die Gebäude hier und die über zehntausend Rinder auf den Weiden sind da noch gar nicht mitgerechnet.«

»Mag sein«, meinte er gleichgültig. »Zu normalen Zeiten. Doch jetzt herrschen keine normalen Zeiten. Jetzt liegt Texas am Boden, jetzt ist es ausgeblutet und leer. Die Menschen hungern. Geld ist wichtiger als Land. Wer heute nichts zu Fressen bekommt, verhungert morgen. Ob Sie das für fair halten oder nicht – der Marktwert liegt im Moment bei fünfhundert Dollar, und ich bin bereit, sie Ihnen bar in die Hand zu legen, Mr. Morgan.«

Meine Kiefer mahlten.

Ich war nie ein Rancher gewesen, hatte nicht das Gefühl gehabt, eine Familientradition fortführen zu müssen. Die Ranch war für mich eine Belastung. Doch das hieß nicht, dass ich sie einem gewissenlosen Geschäftemacher zu einem Schleuderpreis in den Rachen schmeißen wollte.

»Mister, mir gefällt nicht, was Sie sagen, und mir gefällt die Art nicht, wie sie es sagen. Es klingt nicht ehrlich.«

Buckritter fuhr zurück, als hätte ich ihm nun seinerseits eine Ohrfeige verpasst. Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich. Ich konnte förmlich zusehen, wie seine Gedanken purzelten. Das Zündholz immer noch in den Fingern stolperte er zwei Schritte zur Seite – und gab die Bühne frei für Kirk.

Der Revolvermann trat vor.

»Das war gar nicht nett, was Sie über Mr. Buckritter gesagt haben, Morgan.«

Die zusammengekniffenen Augen des Revolvermannes hafteten auf mir, folgten jeder meiner Bewegungen. Er hatte den Jackensaum zurückgeschlagen, und seine Rechte schwebte bedrohlich über dem Coltgriff.

Meine nun ebenfalls.

»Was wollen Sie dagegen unternehmen?«, fragte ich kühl.

Der Revolvermann musterte mich. Es war ein intensives Taxieren und Studieren. Er wusste offenbar nicht genau, wo er mich einordnen sollte. War ich ein großmäuliger Texaslümmel, den man einfach aus dem Land jagen konnte? Oder steckte mehr hinter James Buchanan Morgan? Denn ich war keinen Millimeter zurückgewichen, als Kirk vorgetreten war.

Als er nach einigen Sekunden noch nichts gesagt hatte, sagte ich:

»Sie befinden sich auf meinem Land, Gents. Bitte verlassen Sie es unverzüglich.«

Buckritter räusperte sich. »Na schön, wir werden gehen – für den Moment. Wir geben Ihnen Zeit, sich die Sache zu überlegen. In ein paar Tagen kommen wir wieder. Überlegen Sie es sich, Morgan. Lange halte ich das Angebot nicht aufrecht.«

Ich sah zu, wie Buckritter zu seinem Buggy trat und einstieg, und auch Kirk stieg in den Sattel und wendete sein Pferd. Der Buggy fuhr an, beschrieb einen Halbkreis im Hof, wobei er zwei dünne Räderspuren zurückließ, und strebte auf die Landstraße zu. Im Vorbeifahren nickte Buckritter mir noch einmal zu, dann verdeckte ihn der Aufbau des Buggys.

Der Revolvermann hatte im Sattel seines Pferdes gewartet. Seine Hand lag auf seinem rechten Schenkel. Er hatte mich nicht aus den Augen gelassen.

Ich sah ihnen zu, wie sie auf dem Fahrweg mein Grundstück verließen.

Meinetwegen brauchten sie nicht wiederzukommen.

Aber ich wusste, dass ein erneutes Zusammentreffen unvermeidlich war.

*

Zwei Tage später wusste ich immer noch nicht, wie ich mich entscheiden sollte. Jeder in der Gegend wusste, dass mein Bruder Joe der zukünftige Rancher der Morgan-Ranch hätte werden sollen. Jeder wusste, dass ich lieber zur Armee gegangen war, um in einem aussichtslosen Krieg zu kämpfen, als mich der Rancharbeit zu widmen.

Aber fünfhundert Dollar?

Es war nicht nur eine Beleidigung, es war auch Diebstahl.

Die gewissenlosen Geschäftemacher aus dem Norden würden hier über kurz oder lang das Kommando im County übernehmen. Dessen war ich mir bewusst. Ich konnte das nicht verhindern. Und ich wollte es auch nicht.

Ich wollte nur eines: Fort!

Dieses Land, die Zivilisation und die menschliche Gesellschaft hatten ihre Anziehungskraft auf mich verloren. Nach dem Tod meiner Familie wusste ich nicht mehr, wofür ich überhaupt gekämpft hatte.

Es war damals, vor vier Jahren, so selbstverständlich erschienen: Joe übernahm die Ranch, und ich zog in den Krieg – gegen die Leute aus dem Norden, die uns vorschreiben wollten, wie wir unser Leben zu führen hatten.

Jetzt waren wir besiegt, viele unserer Freunde waren tot, Joe, Beth, Annie und Dad lagen unter diesen Erdhügeln hinter dem Haus und ich hatte eine Ranch am Hals, die ich nicht wollte.

Ich ritt ein wenig an den Grenzen meines Besitzes entlang, besuchte ein paar Nachbarn, unterhielt mich mit ihnen über die Zustände im County. Überall hörte ich dieselbe Leier: Die Yankees zerstörten Texas, sie vertrieben die alteingesessenen Familien, sie übernahmen das Kommando. Sie waren die neuen Herrscher und es wäre gut, sich mit ihnen zu arrangieren, um wenigstens einen kleinen Teil des Texas zu retten, das wir kannten.

Als ich eines späten Vormittags nachdenklich nach Hause ritt, kam mir auf der Landstraße ein Buggy entgegen. Ich lenkte meinen Wallach an den Straßenrand, um ihn passieren zu lassen, denn ich hatte es nicht eilig, war ganz und gar in meine Gedanken versunken.

Doch der Buggy fuhr nicht vorüber. Er hielt auf gleicher Höhe, und eine halb spöttische, halb mütterliche Stimme rief mir zu:

»Hoiii, Cowboy, was träumst du am helllichten Tag vor dich hin? Träumst du von einem Himmel voller Rinderhälften, oder von einem hübschen Texasgirl?«

Ich senkte den Blick und gewahrte durch den aufwirbelnden Staub eine grauhaarige Lady im Buggy sitzen. Sie war an die sechzig, trug ein violettes Kostüm und graue Schnürschuhe, hielt eine Peitsche in der einen und die Zügel in der anderen behandschuhten Hand. In ihrem faltigen Gesicht – vor allem in ihren rauchgrauen Augen – blitzte der Schalk.

»Ich bin Margaret Sullivan von der Crossbow«, rief sie mir zu. »Hm, ich frage mich, ob ich dich schon mal irgendwo gesehen hab’. Suchst du Arbeit?«

»Nein, Ma’am«, erwiderte ich, »bin kein Cowboy. James Morgan ist mein Name, mir gehört die Morgan-Ranch – oder was immer von ihr übrig ist.«

»Oh. James Morgan. Ist es die Möglichkeit? Hab’ dich nicht erkannt. Bist du noch gewachsen? Nun, dein Backenbart auf jeden Fall. Wie alt bist du jetzt? Dreißig?«

»Achtundzwanzig, Ma’am.«

»Ach, der verdammte Krieg hat uns alle älter gemacht, als wir sind. Seit Kriegsbeginn habe ich dich nicht mehr gesehen. Deinen Vater kannte ich, den alten Ben, richtig? Nun, er war ein drahtiger Kerl, der mir immer schon gefiel. Habe gehört, was ihm zugestoßen ist. Dreckiges Niggerpack, wir hätten sie erschießen sollen, als wir noch die Gelegenheit dazu hatten.«

»Ich trage niemandem etwas nach, Ma’am. Es floss viel Blut – auf beiden Seiten.«

»Soll ich das so deuten, dass du es den Yankees auch so richtig gezeigt hast? Bravo! Hast du Lust auf einen kleinen Spazierritt? Meine Ranch liegt vier Meilen nördlich, und es gibt Steak mit Zwiebelringen und Grünen Bohnen in Butterschmelze zum Mittag. Mein Koch ist ein eingewanderter Franzose, der versteht was vom Kochen, sage ich dir. Und ein Tässchen Tee oder ein Glas Bier kann ich dir auch anbieten. Im Gegenzug dafür möchte ich nur ein bisschen Gesellschaft. Erzähl’ mir vom Krieg, erzähl’ mir von dir, und vor allem erzähl’ mir von deinem Vater, diesem frechen Kerl. Wenn er noch lebte, ich schwöre, ich wäre Dauergast auf eurer Ranch.«

»Woher kannten Sie denn meinen Pa, Ma’am? Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie jemals auf unserer Ranch zu Besuch gewesen waren.«

»Ich war lange Zeit in New Orleans – aber das ist eine andere Geschichte. Nenn’ mich nicht Madam, nenn’ mich Maggie; das tun die meisten. Jedenfalls all jene, denen ich es erlaube. Und dein Dad – er war doch verheiratet mit diesem O’Leary-Mädchen, richtig?«

»Jennifer O’Leary, das ist richtig. Sie starb vor sieben Jahren.«

»Oh, verdammt, ich weiß, und ich hatte danach ein Auge auf Mr. Ben Morgan geworfen. Ich schwöre, wenn mir dieser verdammte Krieg nicht dazwischengekommen wäre, wäre ich heute deine Stiefmutter, Jim.«

Sie lachte lauthals bei der Vorstellung, doch ich hatte Mühe, einzufallen. Meine Mutter war eine liebevolle Person gewesen, die stets für alle dagewesen war und sich für die Familie aufgeopfert hatte. Ich hatte sie sehr geliebt und ihr Tod war mir nahegegangen. Ich mochte es nicht, wenn man Witze über sie riss. Doch Maggie Sullivan brachte all dies in so heiterem Ton hervor, der frei von Aggression, Spott oder Verachtung war, dass man ihr, egal, was sie sagte, nicht böse sein konnte.

»Okay … Maggie«, sagte ich und wendete mein Pferd.

Zwanzig Minuten später ritt ich neben dem Buggy in den Vorhof ihrer Ranch. Ein großes »C« aus Eisen geschmiedet war vor Jahren über dem Tor angebracht worden; nun starrte es schmutzig-rot vor Rost. Hier herrschte Leben. Aus einer Werkstatt klirrten metallene Hammerschläge – ein Hufschmied bei der Arbeit. Die Stalltür stand offen und ich konnte von fern sehen, wie ein grauhaariger Mann in verlotterten Klamotten ein Pferd striegelte. Ein farbiges Hausmädchen hatte im ersten Stock alle Fenster geöffnet und Bettdecken und Kissen und Decken zum Lüften herausgehängt. Ein Schwarzer gabelte Heu in eine Schubkarre.

»Schade, dass du kein Cowboy bist, Jim«, sagte Maggie, »ich hätte dich gut gebrauchen können.«

»Ich fürchte, das wäre das Letzte, wozu ich zu gebrauchen bin, Maggie.«

»Unsinn. Jeder kann Kühe hüten.«

Ich dachte an die vielfältigen Arbeiten, die ein Cowboy zu verrichten hatte, und welch große Geschicklichkeit sie ihm abverlangten, und sagte: »Das bezweifle ich.«

Als wir vor dem Haupthaus hielten, standen flugs drei Personen auf der Veranda und sahen zu uns herab. Ich stieg vom Pferd und half Maggie aus dem Buggy, da kamen schon zwei Bedienstete und führten mein Pferd und den Buggy weg. Ich nahm an, dass es Trigger an nichts fehlen würde, und war dankbar dafür. Ein wenig Hafer nach all dem Gras würde ihm guttun.

Die Mahlzeit, die der französische Koch zauberte, war wirklich hervorragend. Ich hatte diese Art der Zubereitung bis dato nicht gekannt, doch erinnerte ich mich an einen Spruch, den ich von General Braddigan gehört hatte – »Essen wie Gott in Frankreich« – und dieser ist anscheinend wahr!

Danach setzten wir uns im Wintergarten in geflochtene Korbsessel, aus denen wir Aussicht auf die hügeligen Weiden der Sullivan-Ranch hatten. Nur die reichen Häuser besaßen diese Art Anbau; dieser Luxus war dem »Südstaaten-Adel« vorbehalten. Die Sonne stand an einem tiefblauen Himmel und beschien saftig-grüne Wiesen. Tee wurde serviert, und wir tranken und unterhielten uns. Ich erzählte Maggie von dem Besuch des Grundstückmaklers und seines Revolvermanns.

»Ach, der!«, stöhnte sie und winkte ab. »Hier war er auch schon, aber bei mir beißt er auf Granit. Nichts gibt’s für die Lumpen aus dem Norden! Einen Fußtritt und ein Lachen, mehr hab ich nicht für die übrig.«

»Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen.«

Sie sah mich bekümmert an. »Steht dir das Wasser zum Hals, Jim?«

»Tja … weiß nicht, was ich mit der Ranch anfangen soll. Ich bin kein Rancher, war nie einer, werde nie einer sein. Würde schon gern verkaufen. Aber fünfhundert Dollar sind …«

»… eine Beleidigung für jeden Texaner!«, fiel sie mir ins Wort.

Ich nickte.

»Diese Lumpen aus dem Norden! Nun, fürs erste verhungerst du ja nicht. Kannst zu mir zum Essen rüberkommen.«

»Danke für das Angebot, aber ich muss selbst sehen, dass ich zurechtkomme.«

»Sei kein Narr, Jim. Ich habe genug. Ich bin in der glücklichen Lage, dass mir nicht alle Felle davongeschwommen sind, als hier das Chaos ausbrach. Einige der Schwarzen haben mir die Treue gehalten. Jetzt muss ich ihnen zwar Lohn bezahlen, aber sie sind geblieben. Ich kann jedem, der fragt, Arbeit geben, denn hier gibt es weiß Gott genug zu tun. Du möchtest verkaufen, sagst du? Hmm, lass mich überlegen. Wie wär’s, wenn ich dir die Ranch abkaufte?«

Sie sah mich über den Rand ihrer Teetasse hinweg an.

»Ich kann dir natürlich bei weitem nicht den vollen Preis bezahlen. Aber wenn du an mich verkaufst, erwirbst du gleichzeitig die Option, dass deine Ranch niemals in die Hände der Yankeelumpen fällt. Na, was meinst du dazu?«

Ich meinte gar nichts, denn ich war wie vom Donner gerührt. Dann, nachdem ich mehrmals nach Luft geschnappt hatte:

»Das wäre großartig, Maggie. Ich bestehe keineswegs auf den vollen Kaufpreis, das war nie meine Absicht. Und vor allem die Yankee-Option gefällt mir.«

»Ich schäme mich fast, es dir zu sagen, Jim, aber ich kann dir höchstens tausend Dollar bezahlen. Es ist zwar das Doppelte dessen, was der Yankeelump dir angeboten hat, doch bei weitem nicht das, was deine Ranch wirklich wert ist. Aber es ist leider das Äußerste, was ich aufbringen kann.«

»Tausend Dollar wären fein, Maggie«, sagte ich.

»Du bist einverstanden?«

»Ich bin froh, an eine waschechte Texanerin verkaufen zu können, und erkläre mich einverstanden!«

»Bei Alamo, dann sind wir uns einig! Wie wär’s, wenn wir uns morgen um elf beim Notar in Rochester treffen? Dort kann ich auch das Geld von der Bank abheben.«

Ich wurde einer Antwort enthoben, als das Hausmädchen blassgesichtig hereingelaufen kam. »Madam! Madam! Er ist wieder da. Er wartet draußen!«

Maggies Blick versteinerte.

Sie erhob sich abrupt und ging hinaus, das Mädchen folgte ihr.

Ich stand auf und reckte und strecke mich. Niemand hatte etwas zu mir gesagt, doch ich hatte das Gefühl, als würde es nichts ausmachen, wenn ich nachsehen ging, was los war. Als ich in die Halle trat, sah ich, dass Maggie und einige ihrer Bediensteten vors Haus gegangen waren. Sie wandten mir den Rücken zu. Jemand, den ich nicht erkennen konnte, stand unten am Treppenabsatz.

»In wenigen Wochen sind Sie bankrott, Lady«, dröhnte eine sonore Stimme zur offenstehenden Tür herein.

Ich spähte durchs Fenster und sah Jeremy Buckritter, der mit seinem Buggy vor den Haupteingang gefahren war und aus dem Wagen heraus sprach.

»Das ist nicht Ihr Problem, verdammter Yankee«, hörte ich Maggie rufen. »Runter von meinem Land, und kommen Sie nie wieder!«

»Ich denke, Sie wären wirklich besser beraten, wenn Sie den Deal jetzt abschlössen, Lady«, dröhnte Buckritter. »Solange Sie noch etwas zu verkaufen haben.«

»Was soll das bedeuten, Sie Schwein? Dass Sie mir die Bude über dem Kopf anzünden, so wie Sie es bei den Rhonstadts und den Bedouns getan haben?«

Nun entdeckte ich auch Kirk, den Revolvermann, der aus dem Sattel seines Pferdes stieg und die Treppe hochzusteigen begann. »Sie sollten besser vorsichtig mit unbewiesenen Behauptungen sein, Lady«, kam es scharf aus seiner Kehle.

Ein schwarzer Bediensteter stellte sich ihm wagemutig in den Weg.

Kirk schlug ihm ins Gesicht, dass es klatschte, und der Schwarze taumelte zur Seite. Kirk baute sich vor Maggie auf und sah, obwohl er noch eine Stufe unter ihr stand, auf sie hinab.

Maggie hielt seinem Falkenblick stand. Ganz die stolze Texanerin, war sie mit in die Hüfte gestemmten Fäusten keinen Inch zurückgewichen, obwohl Kirk die psychologische Grenze überschritten hatte und sie beinahe berührte.

Ich hatte genug gesehen. Ich rückte den Revolvergurt zurecht und trat in den Türrahmen.

»Was soll das werden, Kirk?«, fragte ich. »Einschüchterungsversuche bei einer ehrbaren Lady?«

Das Raubvogelgesicht des Revolvermanns zuckte herum; an seinem dünnen Hals bildeten sich Falten.

»James Morgan!«, sagte er. Seine Stimme klang gefährlich leise.

»Gehen Sie sofort zwei Schritte von der Lady weg, Kirk«, sagte ich scharf.

»Halten Sie sich da ’raus, Morgan, das geht Sie nichts an!«

Er bewegte sich nicht.

»Ich denke aber doch. – Buckritter, pfeifen Sie diese Niete zurück, oder wollen Sie ihn quer über dem Sattel in die Stadt zurücktransportieren?«

»Mr. Kirk ist ein erwachsener Mann«, sagte Buckritter mit gespielter Gleichgültigkeit, »er trifft seine eigenen Entscheidungen.«

Da begriff ich, dass Buckritter es auf einen Kampf ankommen lassen wollte. Offensichtlich war es ihm ganz recht, wenn Kirk und ich es austrugen. Er versprach sich wohl davon, sich das Morgan-Anwesen legal unter den Nagel zu reißen, nachdem der letzte Erbe – ich – verstorben war. Mit dem Katasteramt in Rochester hatte er gewiss nicht solche Scherereien wie mit mir. Vielleicht hatte er dort sogar einige Mitarbeiter bestochen, die nun seine Geschäfte immer wohlwollend und bevorzugt behandelten.

Ich machte einen schnellen Schritt auf Kirk zu, dann noch einen. Er zog reflexartig den Colt, doch ich stieß ihn mit der flachen Hand an der Schulter an, sodass er das Gleichgewicht verlor und mit einem kläglichen Aufschrei die Treppe hinunterpurzelte. Es polterte mehrmals, dann wallte unten der Staub auf.

Nun war mit allem zu rechnen: Dass er sich das Genick gebrochen hatte – oder mit gezogenem Colt aus dem Staub sprang und auf mich feuerte.

Stattdessen heulte er auf:

»Meine Hand! Meine Hand!«

Als der Wind den Staub fortblies, sah ich ihn am Boden hocken und die Rechte, von der Linken umklammert, in die Höhe strecken. Die Hand hing schlaff herab.

»Mein Handgelenk! Es ist gebrochen!«

Er heulte wie ein Kojote.

Ich stieg die Stufen hinab, nahm seinen Colt vom Boden auf, warf alle Patronen, die in der Trommel waren, aus und hielt ihn Buckritter hin.

»Dieser Mann wird niemals wieder eine Waffe ziehen oder abfeuern können. Jedenfalls nicht mehr in der bisherigen Geschwindigkeit. Auch muss er immer mit der Angst leben, dass dieser Bruch durch den Rückstoß wieder erneut bricht. Als Revolvermann ist er untauglich geworden. Bringen Sie ihn in die Stadt zurück und lassen Sie ihn von einem Arzt versorgen.«

Buckritter nahm den Colt nicht an.

»Pah! Es ist seine Waffe, geben Sie sie ihm. Für mich ist er unbrauchbar geworden; er arbeitet ab sofort nicht mehr für mich.« Er kramte in seiner Jackentasche, nestelte fünfzig Dollar hervor und warf sie vor Kirk in den Staub. »Ihr restlicher Lohn, Kirk. Hier trennen sich unsere Wege. Ich will Sie nie wiedersehen. Leben Sie wohl.«

Ohne weiteres Wort schnalzte er mit der Zunge und ließ die Zügel auf den Rücken des Pferdes klatschen. Der Buggy fuhr an. Wir sahen ihm nach, wie er den Ranchhof durchfuhr und das Tor mit dem großen, verrosteten »C«, das von hier aus seitenverkehrt aussah, passierte.

Ich sah auf Kirk hinab.

»Hatten wohl ’ne Pechsträhne, was?«, sagte ich.

Oben auf der Veranda brachte ein Hausmädchen auf Veranlassung von Maggie eine Flasche Whisky und ein Glas. Der Schwarze, dem Kirk ins Gesicht geschlagen hatte, nahm beides entgegen und kam die Stufen herab. Er entkorkte die Flasche, schenkte das Glas voll und hielt es Kirk hin.

»Das können Sie jetzt gebrauchen, Sir.«

»Geh’ zum Teufel!«, brummte der Revolvermann und sah demonstrativ zur Seite.

Der Schwarze fackelte nicht lange. Er entleerte das Glas in seinen eigenen Schlund.

Zu Maggie gewandt sagte er entschuldigend: »Er wollte den Whisky nicht, Madam. Und verschütten konnte ich das gute Stück ja auch nicht.«

»Schon gut, Orville. Ich habe verstanden. Der Gentleman ist zu stolz. Bring’ die Flasche wieder herauf.«

»Für Sie wird es jetzt Zeit zu verschwinden«, sagte ich zu Kirk. »Sie haben hier nichts weiter zu erwarten. Was geschehen ist, haben Sie sich selbst zuzuschreiben. Den Whisky, den diese freundlichen Leute Ihnen trotz Ihrer Feindseligkeit angeboten haben, lehnten sie ab. Also stehen Sie auf, steigen aufs Pferd und reiten Sie davon. Haben Sie gehört?!«

»Aber … ich kann nicht …« Er hielt das gebrochene Handgelenk in meine Richtung.

Da packte ich ihn am Kragen, zog ihn auf die Beine und steckte ihm den leeren Colt ins Holster. Ich klopfte ihm auf die Schulter, dass Staub aufwallte, und schob ihn in Richtung seines Pferdes.

»Brauchen Sie Hilfe, um in den Sattel zu kommen, Kirk?«, fragte ich in einem Tonfall, der es an Verachtung nicht mangeln ließ.

»Verdammt, Mann! Ich bin verletzt!«, blaffte er.

Da klatschte ich ihm die offene Hand ins Gesicht und sagte: »Seien Sie ein Mann. Greifen Sie das Sattelhorn mit der Linken und ziehen sie sich hoch. Und hören Sie um Himmels Willen mit dem Gejammer auf. Die Lady auf der Veranda ist mehr Manns als sie es je sein werden.«

Kirk lief unter meinen Worten rot an. Nun presste er die verletzte Hand an die Brust und griff mit der anderen nach dem Sattelhorn. Er stieg mit dem linken Fuß in den Steigbügel und zog sich hoch.

Ich drückte ihn am Gesäß hoch, bis er im Sattel saß.

»Woher kommen Sie, Kirk?«, frage ich.

»Illinois.«

»Niemand in Illinois weiß, was hier geschehen ist. Gehen Sie dorthin zurück, und vergessen Sie Texas.«

Er brummte etwas Unverständliches.

Ich führte sein Tier am Halfter herum und gab ihm einen Klaps auf die Kruppe. Es machte einen Satz, und Kirk hatte Mühe, sich im Sattel zu halten.

Er hatte den Ranchhof halb durchquert, als er den Kopf wandte und über die Schulter zurückschrie: »Dich werd’ ich nicht vergessen, James Morgan! Deine Visage merke ich mir. Wir werden uns wiedersehen, verlass’ dich darauf!«

*

Wir hatten die Unterschriften unter die amtlichen Dokumente gesetzt, Maggie hatte mir im Beisein des Notars die Scheine überreicht, und das Geschäft war perfekt. Die Morgan-Ranch hatte eine neue Besitzerin, und ich war um eintausend Dollar reicher.

Anschließend besiegelten wir das Geschäft im Longhorn Saloon in der Beavis Street mit einem Whisky. Es war früher Mittag, und einige Gäste saßen beim Essen, als wir ein paar letzte Worte wechselten.

»Kommst du klar?«, fragte ich.

Maggie blinzelte in der schelmischen Art, die ihr zu eigen war. »Du kennst mich, Jim. Mit diesen Buckritter-Typen werde ich schon fertig. Ich denke, in nächster Zeit werden wir Ruhe vor ihnen haben.«

»Ich hoffe es. Ich werde nicht mehr in der Nähe sein, um dir und der Crossbow zu helfen.«

»Mir tut nur leid, dass du fortgehst. Ich hätte gern noch ein paar wilde Geschichten über deinen Pa gehört. Und deine Gesellschaft war dieser alten Lady immer sehr angenehm. Was auch geschehen mag, auf der Crossbow bist du ein gerngesehener Gast. Keine Scheu, Jim – wenn du in der Gegend bist, schau bei mir herein!«

»Ich fürchte, ich werde nie wieder zurückkehren. Aber danke für das Angebot.«

Maggie und ihr schwarzer Kutscher fuhren zur Crossbow zurück, und ich ritt direkt von Rochester aus auf die Upper El Paso Road, die mich nach Westen brachte. Das Kapitel »Zivilisation« war für mich abgeschlossen. Ich hatte genug. Genug von den Buckritters, den Notaren, den Formalitäten, der Bürokratie.

Ich ritt tagelang, rastete am Straßenrand, machte kleine Umwege, wann immer mir danach war, bestaunte interessante Felsformationen, badete in Flüssen oder Wasserstellen, wenn ich welche entdeckte, und ernährte mich von Bohnen, Pfannkuchen, Speck oder Dörrfleisch. Hin und wieder schoss ich eine Antilope oder einen Hasen. Ab und zu fischte ich. Ich kochte mir Kaffee und füllte meine Feldflaschen an Quellen. Für Trigger gab es immer genug Gras und Wasser, und ich lernte Texas kennen, wie es wirklich war: Ein raues, herbes, aber schönes Land. Ein Land für einsame Wölfe.

An Kirk und seine Drohung verschwendete ich keinen Gedanken. Meiner Meinung nach würden wir uns nie wiedersehen. Von ihm hätte ich nur eine Kugel in den Rücken zu erwarten, da er mir im ehrlichen Revolverkampf nicht mehr gewachsen war. Doch woher sollte er wissen, wohin ich zog? Aus seiner Sicht musste es so scheinen, dass ich einfach verschwand. Denn selbst Maggie hatte ich nicht gesagt, wohin ich ritt.

In Wahrheit wusste ich es selbst nicht.